Protokoll der Sitzung vom 25.02.2009

Vielen Dank, Herr Minister Dellmann. - Frau Tack erhält noch einmal für die Fraktion DIE LINKE das Wort.

Ich bin Ihrer Meinung, Herr Dellmann: Wir sollten die Kirche im Dorf lassen. Das heißt aber auch, dass jeder seine Verantwortung wahrnehmen muss. Ihr Vorgänger hat zum Beispiel Sie wissen das - zum Bundesverkehrswegeplan 2003 in Abstimmung mit dem Bund die Fortführung des Verkehrsprojektes Deutsche Einheit 17 bezüglich des Sacrow-Paretzer Kanals und der Schleuse Kleinmachnow mit Zustimmung des Landes angemeldet; denn ohne die Länder werden solche Projekte nicht initiiert. So viel zur Verantwortung und so viel zu dem Verweis, es sei ein Bundesprojekt.

(Minister Dellmann: Das machen sie ohne uns!)

Noch ist es so, dass im föderalen System die Meinung der Länder gehört wird, auch wenn manches anders scheint.

Des Weiteren haben wir immer wieder ausdrücklich verdeutlicht: Wir wollen das gut verzweigte Wasserstraßennetz und dessen Nutzung durch die Binnenschifffahrt. Jedoch sind die Bedingungen andere. Damit das Wasserstraßensystem unter diesen komplizierten Bedingungen bei Bedarf genutzt werden kann, muss es in erster Linie saniert und modernisiert werden.

Frau Gregor-Ness, ich weiß nicht, wo Sie leben und wo Sie das wahrnehmen - Sie haben gesagt, Sie sprechen als Außenstehende zu diesem Thema -, aber es gibt keinen Aufwuchs an Güterströmen und Gütermengen. Vielmehr ist leider - das bedauern wir sehr - ein Rückgang zu verzeichnen. Möglicherweise wird nach Berlin mehr Holz transportiert, dafür sind aber andere Gütermengen und -ströme zurückgegangen.

Lange Rede auf den Punkt gebracht: Ich sehe uns schon im Wahlkampf miteinander und gegeneinander streiten. Dabei wird „Ausbau der Schleuse Kleinmachnow und Sacrow-Paretzer Kanal“ gewiss ein Thema sein. Auch Herr Schönbohm, der die CDU-Fraktion sicherlich noch unterstützen wird, hat sich gegen den Ausbau der Schleuse in Kleinmachnow ausgesprochen.

Ich sehe Sie alle schon wieder auf der Matte stehen. Deshalb würde ich vorher gern das gemeinsame Signal haben, dass wir uns von diesen überzogen dimensionierten Ausbaumaßnahmen - diese sollen mehr als 1 Milliarde Euro kosten - verabschieden und das Geld - wir haben uns heute über das Konjunkturprogramm verständigt - anderweitig einsetzen, unter anderem für die Modernisierung des Kanal- und Wasserstraßensystems. Vielen Dank.

(Beifall bei der Fraktion DIE LINKE)

Ich glaube, der Vortrag von Frau Tack hat zumindest dazu beigetragen, dass wir alle die Große Anfrage 42 zur Kenntnis genommen haben.

Ich schließe Tagesordnungspunkt 12 und rufe Tagesordnungspunkt 13 auf:

Verbesserung des Täter-Opfer-Ausgleichs im Strafverfahren

Antrag der Fraktion der DVU

Drucksache 4/7222

Ich eröffne die Aussprache mit dem Redebeitrag der DVUFraktion. Herr Schuldt erhält das Wort.

Herr Baaske! Meine Damen und Herren! Generalprävention und Opferinteressen sind zwei Seiten einer Medaille. Die Leidtragenden von Straftaten spielen im System des Strafprozesses nach wie vor eine untergeordnete Rolle. Wir als DVU-Fraktion haben uns in der Vergangenheit mehrfach für die Verbesserung der Opferinteressen eingesetzt, so zum Beispiel bei unseren Initiativen 4/932 und 4/948 zur Schaffung einer Landesstiftung für Opferhilfe. Diese sollte das Adhäsionsverfahren zugunsten einer schnellen, unbürokratischen Opferentschädigung flankieren.

Das Bundesgesetz zur Verbesserung der Rechte von Verletzten in Strafverfahren vom 24.06.2004 hatte unter anderem das Ziel, den Opfern von Straftaten eine Entschädigung in Geld bereits im Rahmen des Strafprozesses zusprechen zu können.

Das alles war von der Absicht her richtig, hat aber nicht die Wirkung gezeigt, die wir uns als DVU-Fraktion von einem Rechtsstaat vorstellen, der neben den Strafverfolgungsinteressen auch die Interessen der Opfer unterstützt.

Das Adhäsionsverfahren fristet nun - trotz mehrerer Belebungsversuche - ein kaum nennenswertes Schattendasein, und seine Bedeutungslosigkeit nimmt zu. Ein Grund dafür ist die nach allgemeiner Meinung postulierte Unzulässigkeit einer Adhäsionsentscheidung im Strafbefehl, die in der Justizpraxis konsequent beherzigt wird. Sobald ein Ermittlungsverfahren mit einem Strafbefehl endet, bleibt den Opfern jede Möglichkeit versperrt, durch einen Adhäsionsantrag bereits mit der Verurteilung des Täters eine Entschädigung für die erlittene Rechtsgutverletzung zu erhalten. Sollte das Adhäsionsverfahren tatsächlich Wirkung zeigen, muss das Schnittmengenproblem von Adhäsions- und Strafbefehlsverfahren endlich anerkannt und gelöst werden. Einen entsprechenden Versuch hat Ende 2007 der schleswig-holsteinische Justizminister mit einer zu Unrecht bislang kaum beachteten Gesetzesinitiative unternommen.

Der am 6. November 2007 dem Bundesrat zugeleitete „Entwurf eines Gesetzes zur Verbesserung der Position der Opfer zum Strafverfahren“ will die Vorschriften über die Entschädigung des Verletzten im Strafbefehlsverfahren entsprechend anwenden. Dabei soll ein vermögensrechtlicher Anspruch beachtet werden, sofern dieser nicht mehr als 1 500 Euro beträgt. Damit wird die Wechselbeziehung zwischen Strafbefehl und Adhäsionsverfahren aufgegriffen und damit ein berechtigtes Interesse der Opfer von Straftaten verfolgt.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, wenn wir es mit dem Opferschutz ernst meinen und die Fortschreibung des Strafprozesses in diesem Sinne wollen, dann dürfen wir uns nicht einfach mit der gegenwärtigen Verfahrenspraxis abfinden. Über den Bundesrat hat die Landesregierung die Chance, endlich ein „Mehr“ an Gerechtigkeit und sozialer Verantwortung im besten Sinne zu unterstützen. - Ich bedanke mich zunächst einmal.

(Beifall bei der DVU)

Für die Koalitionsfraktionen erhält der Kollege Holzschuher das Wort.

Herr Baaske! Meine Damen und Herren! Es wird ein Antrag zum Täter-Opfer-Ausgleich gestellt. Schon dieser Tenor ist an sich nicht völlig korrekt. Ein Täter-Opfer-Ausgleich meint normalerweise etwas anderes, nämlich eine Art Mediation bzw. eine Konfrontation des Täters mit dem Opfer, um dadurch dem Täter vor Augen zu führen, welche Konsequenzen seine Tat für das Opfer hatte. Zugleich soll es dem Opfer eine Art psychologische Genugtuung geben.

Ein ganz anderer Fall ist das Adhäsionsverfahren. Man muss es vielleicht einmal deutlich aussprechen, damit auch die Stenografen wissen, was gemeint ist. Adhäsionsverfahren: Das betrifft unstreitige zivilrechtliche Ansprüche des Opfers gegen den Täter. Dieses Verfahren ist bisher in der Tat im Strafbefehlsverfahren nicht möglich. Die Bundesratsinitiative wurde

bisher nicht weiter verfolgt, weil man der Auffassung ist, es bedarf zunächst einiger fachlicher Klärungen, inwieweit es tatsächlich unter prozessökonomischen Gesichtspunkten sinnvoll ist, ein solches Verfahren einzuführen.

Ich denke nicht, dass jemand hier im Landtag - ich schließe mich ein - in der Lage ist, diese fachkompetente Klärung herbeizuführen, und halte es deshalb für sinnvoll, dass man das Verfahren im Bundesrat bisher noch nicht abschließend betrieben hat. Wir sollten darauf warten, was diese Fachleute als Ergebnis erzielen, und den Antrag der DVU-Fraktion ablehnen. Danke.

(Beifall bei SPD und CDU)

Vielen Dank, Herr Kollege Holzschuher. - Für die Fraktion DIE LINKE erhält Herr Loehr das Wort.

Sehr geehrter Herr Baaske! Sehr geehrte Damen und Herren! Wer den Verlauf von Strafverfahren betrachtet, könnte durchaus zu der Einschätzung kommen: Strafgerichte kümmern sich um die Täter. Die Opfer interessieren weniger.

Wird ein Angeklagter in einem Strafprozess für schuldig befunden, wird in diesem Verfahren über die Höhe seiner Strafe befunden. Dies ist nicht immer einfach für die Opfer und deren Angehörige. Meist treten die Opfer und ihr Leid in den Hintergrund. Durch die Opferschutzgesetze ist in den vergangenen Jahren einiges deutlich verbessert worden. Dies bestätigen auch die Einschätzungen der Opferverbände.

Doch stellt sich durchaus die Frage, wie die staatliche Strafrechtspflege angemessen die Interessen der Verletzten, der Opfer, berücksichtigen kann. Zum Beispiel darf der Verletzte eines rechtsextremistischen Überfalls im Zivilprozess nicht noch einmal zum Opfer gemacht werden. Aus seiner Sicht ist es sicher nicht verständlich, warum die Gerichte bisher so wenig von der Möglichkeit Gebrauch gemacht haben, den Opfern von Straftaten im Adhäsionsverfahren und damit schon im Strafprozess Wiedergutmachung zu gewähren.

Die Schwäche Ihres Antrages liegt schon allein darin, dass Sie nicht in der Lage sind, einen Bezug zum Land Brandenburg herzustellen, um zu erklären, warum es Aufgabe der Landesregierung ist, hier aktiv zu werden. Ein Blick in die Antwort auf die Große Anfrage zur Justiz der Fraktion DIE LINKE könnte Ihnen helfen.

Der Gesetzentwurf des Landes Schleswig-Holstein will Adhäsionsverfahren auch für Strafbefehlsverfahren bis zu einem Streitwert - wir hörten es bereits - von 1 500 Euro zulassen, da diese besonders häufig sind. Doch indem man die Möglichkeit der Adhäsion auf das Strafbefehlsverfahren ausweitet, werden weder die Vorbehalte der Richterschaft beseitigt, noch wird so der Fürsorge für die Opfer besonders nachgekommen, da es nun einmal ein rein schriftliches Verfahren ist. Das ist auch der Kern der Kritik der Strafrechtspraktiker.

Durch das neue Opferrechtsreformgesetz haben die Richter nunmehr ein „Angebot“, um künftig mehr Adhäsionsverfahren

durchzuführen. Ich gehe davon aus, dass davon auch Gebrauch gemacht wird. Aufgrund der Regelung in § 406 Satz 4 StPO können sie einem solchen Antrag nur beschränkt ausweichen. Insofern lehnt die Fraktion DIE LINKE Ihren Antrag als überflüssig ab.

(Beifall bei der Fraktion DIE LINKE)

Vielen Dank, Herr Loehr. - Die Landesregierung verzichtet auf ihren Redebeitrag. Ich frage die DVU-Fraktion. - Herr Schuldt.

Herr Baaske! Meine Damen und Herren! Herr Loehr, es handelt sich um eine Bundesratsinitiative, falls Sie das nicht mitbekommen haben.

Es ist schon traurig, Herr Holzschuher, wie Sie mit elementaren rechtsstaatlichen Fragen umgehen - und das als Rechtsanwalt. Aber Ihre Fraktion hat auch die von uns geforderte Landesopferhilfe abgelehnt, nur weil wir in einem flankierenden Gesetzentwurf gefordert haben, dass sich die Landtagsabgeordneten durch einen Verzicht auf einen Teil ihrer Diäten an der Finanzierung beteiligen sollten.

(Beifall bei der DVU)

Nicht zuletzt deswegen lasse ich es mir nicht nehmen, hier zu verdeutlichen, dass Parlamentsmehrheit und Regierungen anderer Bundesländer offensichtlich ein größeres Verantwortungsgefühl haben, als Sie es hier an den Tag legen, meine Damen und Herren von Linksaußen und den Koalitionsfraktionen.

Trotz der umfangreichen Reformversuche zugunsten des Opferschutzes 1986 und 2004 ist die Entschädigung von Verletzten im Rahmen des Strafverfahrens nach wie vor „totes Recht“. Das hängt gerade auch damit zusammen, dass in Verfahren bei Strafbefehlen die Geltendmachung einer Opferentschädigung nicht zulässig sein soll.

Das Problem verschärft sich dadurch, dass im Verfahren vor dem Strafrichter bzw. vor dem Schöffengericht immer häufiger die Rechtsfolgen der Tat durch Strafbefehl festgesetzt werden. In welchem Ausmaß damit gewollter- oder ungewolltermaßen Adhäsionsansprüche - habe ich das jetzt noch einmal klar und deutlich gesagt? - verhindert werden, zeigen die folgenden Zahlen: Im Jahre 2006 standen 560 428 Anklagen vor den Amts-, Land- und Oberlandesgerichten ganze 581 730 Anträge auf Erlass eines Strafbefehls gegenüber. Damit konnte in knapp 51 % aller förmlich erledigten Ermittlungsverfahren überhaupt kein Adhäsionsverfahren zugunsten der Opfer durchgeführt werden, Herr Holzschuher. Das haben Sie vergessen, hier zu sagen.

Nicht nur wir als DVU-Fraktion, sondern offenbar auch die Mehrheit der schleswig-holsteinischen Landtagsabgeordneten über die dortige Landesregierung haben die Folgen dieser Entwicklung erkannt, was zu einem Gesetzesentwurf im Bundesrat, Drucksache 793/07, geführt hat. Die Antragsteller haben erkannt, dass effektive Opferhilfe nur durch die Verbesserung der Position der Opfer im Strafverfahren und durch den Abbau von Anwendungshemmnissen bei der Entschädigung zu errei

chen ist. Wir als DVU-Fraktion sind der Ansicht, dass es sich bei dem betreffenden Gesetzesantrag um eine gelungene Initiative handelt. Dies betrifft nicht nur den materiellen Normenzweck, sondern auch die finanziellen Auswirkungen. So ist für die Justiz mit der Umsetzung dieses Gesetzes nur ein geringer finanzieller Mehraufwand zu erwarten. Dieser würde allerdings wieder durch einen erheblichen finanziellen Minderaufwand durch die Reduzierung vermögensrechtlicher Zivilprozesse kompensiert werden.

Meine Damen und Herren von der Koalition, bei Ihrer ablehnenden Haltung drängt sich mir der Verdacht auf, dass es sich bei Ihnen nur darum handelt, dass ein Teil der Geldstrafen nach Inkrafttreten dieses Gesetzes nicht mehr dem Landeshaushalt zufließt, sondern den Opfern von Straftaten zukommt. Zumindest passt das in den Kontext Ihres Verhaltens gegenüber unseren Initiativen zur Opferhilfe auf Landesebene. Mir drängt sich auch der Verdacht auf, dass Ihnen Geldstrafen als Einnahmequellen für den Fiskus wichtiger sind als Ansprüche der Opfer in Form einer geringfügigen Entschädigung.

Wenn es so ist, Herr Holzschuher, Sie lachen so,

(Holzschuher [SPD]: Sie haben keine Ahnung von den Verfahren!)

dann, bitte sehr, schämen Sie sich und geben Sie Ihr Mandat zurück.

(Beifall bei der DVU)