Protokoll der Sitzung vom 25.02.2009

(Beifall bei der DVU)

Aber diejenigen, die noch ein Fünkchen Anstand haben, sollten unserem Antrag zustimmen. - Ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der DVU)

Ihnen liegt der Antrag vor. Die Fraktion der DVU beantragt die Überweisung des Antrags zur Verbesserung des Täter-OpferAusgleichs im Strafverfahren an den Rechtsausschuss. Wer diesem Antrag der DVU-Fraktion folgen möchte, den bitte ich um sein Handzeichen. - Gegenstimmen? - Das ist die Mehrheit. - Enthaltungen? - Keine. - Damit ist dieser Antrag abgelehnt.

Wir stimmen jetzt über den Antrag mit der Drucksachennummer 4/7222 in der Sache ab. Wer diesem Antrag zustimmen möchte, den bitte ich um sein Handzeichen. - Gegenstimmen? Das ist die deutliche Mehrheit. - Stimmenthaltungen? - Keine. - Damit ist dieser Antrag abgelehnt. Tagesordnungspunkt 13 ist geschlossen.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 14 auf:

Ermäßigter Mehrwertsteuersatz auf arbeitsintensive Dienstleistungen

Antrag der Fraktion DIE LINKE

Drucksache 4/7224

Der Kollege Domres ist schon vorn und hat das Wort.

Sehr geehrter Herr Baaske! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! In den letzten Wochen wurde sehr viel darüber diskutiert, mit welchen Maßnahmen man der Wirtschafts- und Finanzkrise begegnen kann. Da wurde über Konjunkturpakete und deren Umsetzung gestritten. Da wurden Schutzschirme für Banken und Konzerne gespannt, und nicht zuletzt wurde über eine andere Steuerpolitik diskutiert.

Ziel all dieser Maßnahmen soll sein, die Auswirkungen der globalen Finanz- und Wirtschaftskrise abzufedern, die Perspektiven der wirtschaftlichen Entwicklung zu verbessern, Arbeitsplätze zu sichern und eine stärkere Binnennachfrage zu erzeugen, um - wie man so schön sagt - die Konjunktur anzukurbeln. Über die Wirkung der Konjunkturpakete, der Schutzschirme usw. und der damit verbundenen jeweiligen Instrumente wird man auch weiterhin trefflich streiten.

Gestritten wird in der Bundesrepublik, aber auch hier im Parlament - und das auch schon sehr lange - über den Sinn und Unsinn ermäßigter Mehrwertsteuersätze auf arbeitsintensive Dienstleistungen. Neuen Schwung hat diese Diskussion durch den von der Europäischen Kommission im vergangenen Jahr vorgelegten Richtlinienentwurf zur Änderung der Richtlinie 2006/112/EG in Bezug auf ermäßigte Mehrwertsteuersätze bekommen. Mit dieser Richtlinie können in Europa Steuersätze harmonisiert werden, um Wettbewerbsverzerrungen abzubauen. Gleichzeitig wird die Kompetenz der Besteuerung von regionalen Dienstleistungen auf die Mitgliedsstaaten übertragen.

Vielleicht noch ein paar Worte rückblickend zur bisherigen Diskussion: Die Mehrwertsteuerharmonisierung ist in den letzten Jahren wiederholt Gegenstand ausführlicher und intensiver Beratungen auf EU-Ebene gewesen. Verschiedene Regelungen und Entscheidungen verdeutlichen, dass einerseits der Wunsch besteht, die Mehrwertsteuersätze in gewissem Umfang zu harmonisieren. Andererseits soll dem Bedürfnis der Staaten Rechnung getragen werden, einen definierten Gestaltungsspielraum bei der Festsetzung der Mehrwertsteuer zu haben. Ein Blick auf die ersten Harmonisierungsbestrebungen in der Vergangenheit zeigt dies deutlich. Bisher dürfen die EU-Mitgliedsstaaten die Mehrwertsteuer prinzipiell nur für einige Güter wie Grundnahrungsmittel, Zeitungen und Bücher ermäßigen.

Mittlerweile haben 22 von 27 EU-Ländern Ausnahmen von diesen Regelungen erstritten. So werden unter anderem in der Gastronomie in elf EU-Staaten reduzierte Mehrwertsteuersätze angewendet. Die Bundesregierung hat dagegen bisher von der Ausnahmeregelung keinen Gebrauch gemacht.

Im März sollen die Finanzminister der EU-Mitgliedsländer eine Grundsatzentscheidung über die reduzierten Mehrwertsteuersätze treffen. Während weitere EU-Mitgliedsstaaten bereits angekündigt haben, ermäßigte Mehrwertsteuersätze, zum Beispiel in der Gastronomie, einzuführen, will der deutsche Finanzminister von dieser Option keinen Gebrauch machen. Das hält die Linke für falsch, und deshalb möchte meine Fraktion die Landesregierung beauftragen, sich auf Bundesebene für eine positive Grundsatzentscheidung über die Einführung eines ermäßigten Mehrwertsteuersatzes auf arbeitsintensive Dienstleistungen innerhalb der EU einzusetzen. Zum anderen möchten wir die Bundesregierung auffordern, von der Einführung eines ermäßigten Mehrwertsteuersatzes auf arbeitsintensive

Dienstleistungen in Deutschland zeitnah Gebrauch zu machen.

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Im Juli letzten Jahres hat die Europäische Kommission einen Richtlinienentwurf vorgestellt, nach dem die Anwendung ermäßigter Mehrwertsteuersätze, die derzeit in Ausnahmefällen bis 2010 in einigen Mitgliedsstaaten möglich ist, fakultativ für die Mitgliedsstaaten generell eingeführt werden soll. Dieser Entwurf ist das Ergebnis einer Untersuchung und könnte der Weg für einen langfristig angelegten und rechtlich ausgewogenen Rahmen für ermäßigte Mehrwertsteuersätze freimachen, vor allem auf lokal erbrachte arbeitsintensive Dienstleistungen des Handwerks und des Gaststättengewerbes. Der Vorschlag ist zudem Bestandteil des angenommenen Small Business Act, mit dem Anreize für kleine und mittelständische Unternehmen und Unternehmensgründungen geschaffen werden sollen.

Es gibt viele Argumente für einen ermäßigten Mehrwertsteuersatz auf arbeitsintensive Dienstleistungen. Sie finden diese in der Richtlinie des Rates und im Bericht des Europaparlaments. Verbände, die die Einführung seit vielen Jahren fordern, sind der Hotel- und Gaststättenverband, aber auch der Zentralverband des Deutschen Handwerks. Für den Hotel- und Gaststättenverband ist die Einführung des reduzierten Mehrwertsteuersatzes für die Hotellerie und Gastronomie ein zentrales Thema. Dies hat der Verband auf verschiedenen Parlamentarischen Abenden und nicht zuletzt beim Neujahrsempfang vor wenigen Tagen deutlich gemacht; der Wirtschaftsminister wird sich daran erinnern und dessen Flugblatt ganz sicher kennen.

Wie das Statistische Bundesamt in Wiesbaden mitteilte, verzeichneten Hotellerie und Gastronomie im Jahr 2008 ein Minus von 2,5 %. Vor allem im IV. Quartal rutschten die Umsätze in den Keller; im Dezember 2008 sank der Umsatz nominal um 3,7 % und real um 6,2 %. Das sind die schlechtesten Werte seit sechs Jahren.

„Seit Oktober sind die Auswirkungen der Wirtschaftsund Finanzkrise deutlich zu spüren.“

So kommentiert der Präsident des Deutschen Hotel- und Gaststättenverbandes die veröffentlichten Zahlen.

„Angesichts der Konjunkturaussichten blicken die Hoteliers und Gastronomen sorgenvoll in die Zukunft. Die Prognosen für das laufende Jahr lassen nichts Gutes erwarten. Die Ertragssituation unserer Betriebe ist gespannt. Der Unmut in unserer Branche wächst.“

So der Präsident.

„Unzufrieden sind die Hoteliers und Gastronomen mit dem Konjunkturpaket II der Bundesregierung. Die Einführung des reduzierten Mehrwertsteuersatzes wäre jetzt jedoch notwendig, um Arbeitsplätze zu sichern und Investitionen zu ermöglichen.“

So weit der Hotel- und Gaststättenverband.

Die 7 % Mehrwertsteuer für die Hotellerie sollten auch in der Bundesrepublik eingeführt werden und wären für die einheimische Tourismuswirtschaft eine spürbare Entlastung und für die Branche ein echtes Konjunkturprogramm. Die zeitnahe Ein

führung eines ermäßigten Mehrwertsteuersatzes auf arbeitsintensive Dienstleistungen in Deutschland ist in Zeiten der Rezession aus unserer Sicht eine wirksame konjunkturbelebende Maßnahme für viele kleine und mittelständische Unternehmen. Sie trägt zur Stärkung der KMU und der Binnenkonjunktur bei.

Lokal erbrachte arbeitsintensive Dienstleistungen führen nicht zu Wettbewerbsverzerrungen im Binnenmarkt.

Der ermäßigte Mehrwertsteuersatz ist ein Instrument gegen die Schwarzarbeit und fördert die reguläre Nachfrage nicht nur in der Gastronomie. Erst gestern veröffentlichte das Institut der Deutschen Wirtschaft in Köln eine repräsentative Umfrage, nach der fast jeder dritte Bundesbürger Schwarzarbeiter beschäftigt. Am häufigsten werden demnach Handwerksarbeiten ohne Rechnung erledigt. Die Einführung eines ermäßigten Mehrwertsteuersatzes ist im Hinblick auf das Steuersystem fast aufkommensneutral, da die geringeren Steuereinnahmen durch den Abbau der Schattenwirtschaft kompensiert werden.

Darüber hinaus werden die Steuersätze in der EU durch eine Verallgemeinerung harmonisiert. Bisher beziehen die Verbraucher in Grenzregionen wie im Ausland die niedrigen Mehrwertsteuersätze in ihr Konsumverhalten ein.

Der ermäßigte Mehrwertsteuersatz war bereits Gegenstand verschiedener parlamentarischer Initiativen im Landtag. Ein Argument, warum unsere Position seitens der Koalition bisher nicht unterstützt wurde, waren die möglichen Einnahmeausfälle bei der Mehrwertsteuer und die Kritik an der durch die Linken vorgeschlagenen Kompensation, beispielsweise die Einführung einer Börsenumsatzsteuer. Nun, da die SPD mit aller Wahrscheinlichkeit mit der Forderung nach einer Börsenumsatzsteuer in den Bundestagswahlkampf zieht, bestünde doch die Möglichkeit, eventuelle Einnahmeausfälle auszugleichen.

Noch ein Argument für die aus unserer Sicht konjunkturbelebende Maßnahme der Einführung eines ermäßigten Mehrwertsteuersatzes: Dieser ermäßigte Mehrwertsteuersatz würde in Potsdam genauso wie in Frankfurt, in Cottbus und in Brandenburg an der Havel gelten, und selbst in Kümmernitztal gäbe es dann eine ermäßigte Mehrwertsteuer. Die Parteibücher der Bürgermeister und Landräte wären egal. Die Unternehmerinnen und Unternehmer und die Bürgerinnen und Bürger würden es Ihnen danken. In diesem Sinne bitte ich um Ihre Zustimmung.

(Beifall bei der Fraktion DIE LINKE)

Vielen Dank, Herr Kollege Domres. So weit die Gründe für einen ermäßigten Mehrwertsteuersatz. Jetzt kommen die Gründe dagegen; vorgetragen vom Kollegen Bischoff.

Herr amtierender Präsident! Meine Damen und Herren! Kollege Domres, ich habe schon oft nach Ihnen reden dürfen, aber heute fällt es mir besonders schwer, das Ganze in fünf Minuten einzuwickeln. Sie haben ein Feuerwerk an Argumenten, eine Steuer zu senken, hervorgebracht. Sie haben viele positive Argumente ins Feld geführt - logisch, Sie sind Lobbyist des DE

HOGA, des Handwerks, das freut mich, das ist gut so; denn das sollten Sie als Linker sein.

Sie haben verschiedene Punkte angeführt. Was die Bekämpfung der Schwarzarbeit mittels Absenkung des Mehrwertsteuersatzes angeht, so sage ich Ihnen Folgendes: Die Europäische Union hat in einem Bericht von 2003 - und 2006 erneut - untersucht, wo innerhalb der Europäischen Union Mehrwertsteuersätze gesenkt worden sind, zum Beispiel im Handwerk. Das Ergebnis war relativ ernüchternd, Kollege Domres.

Erstens: Die Absenkung der Mehrwertsteuer ist nicht an die Verbraucher weitergegeben worden.

Zweitens: Es hat demzufolge auch keine Absenkung der Preise und insofern auch nicht mehr Nachfrage nach Handwerkerleistungen gegeben. Lesen Sie es nach; das hat die Europäische Union ganz klar attestiert.

Drittens: Die Maßnahme hat nicht dazu beigetragen, die Schwarzarbeit zu bekämpfen. Warum sollte denn ein Handwerker, der einen halbierten Mehrwertsteuersatz zahlt, dies direkt an den Kunden weitergeben? Das ist in keinem einzigen Fall innerhalb der EU passiert. Wie soll dadurch Schwarzarbeit bekämpft werden? Diesen Zusammenhang müssen Sie mir erklären. Den gibt es schlicht und ergreifend nicht.

Mich wundert sehr, dass gerade Sie von der Linken den Vorschlag machen, auf einem ganz bestimmten Gebiet den Mehrwertsteuersatz zu senken. Wir diskutieren über eine fundamentale Krise und sind gern bereit, uns auch vom Podium aus der Diskussion zu stellen, wie wir den Mittelstand und das Handwerk in Brandenburg, auch in Kümmernitztal, unterstützen können. Aber was mich an Ihrer Argumentation wundert - Sie sind ja auch Finanzpolitiker im Kommunalbereich -, ist, dass Sie den Zusammenhang herstellen, dass diese Steuerausfälle massiv kompensiert werden könnten. Ich bestreite das. Ich sage Ihnen, Herr Kollege Domres, wir haben in Brandenburg 3 Milliarden Euro Mehrwertsteuereinnahmen, das ist der größte Einnahmebrocken bei den Steuern. Die Kommunen, auch Kümmernitztal, Brandenburg und all die anderen Orte, die Sie genannt haben, bekommen von der Mehrwertsteuer insgesamt 120 Millionen Euro, die in den kommunalen Finanzausgleich fließen. Ich sage Ihnen: Wenn man in der Europäischen Union an der Steuerschraube nach unten dreht, ist das ein Wettbewerb um des Teufels willen. Zum Schluss werden wir kein Geld mehr haben, um Schulen und Universitäten zu finanzieren.

(Zurufe von der Fraktion DIE LINKE)

Diesen Vorschlag - ein Steuerwettbewerb nach unten - von den Linken zu hören, hat mich sehr überrascht; das ist sozusagen eine Sternstunde in diesem Parlament.

Ich will Ihnen natürlich nicht ausweichen. Wir haben uns Gedanken darüber gemacht, wie man mit dem Handwerk umgeht. Mich wundert schon sehr, dass Sie auf solche alte Hüte setzen, auf Forderungen von Lobbyisten und keineswegs, nicht einmal in einem Halbsatz, erwähnt haben, was dem Handwerk derzeit alles entgegengebracht wird. Unser Konzept ist ein anderes. Unser Konzept ist, die Nachfrage zu stärken und die Schattenwirtschaft zu bekämpfen, indem die Menschen, die Handwerker beauftragen, dies als Leistung von ihrer Steuer - also mit ei

nem direkten Vorteil verbunden - absetzen können, zum Beispiel haushaltsnahe Dienstleistungen, Handwerkerrechnungen.

Herr Kollege Domres, wenn Sie mir noch einmal kurz Ihr wertes Ohr leihen könnten. Diese absetzbaren Leistungen sind jetzt mit dem Konjunkturpaket mit Wirkung vom 1. Januar 2009 verdoppelt worden. Man kann 6 000 Euro für Handwerkerrechnungen absetzen und bekommt dafür einen Steuervorteil von 1 200 Euro pro Jahr. Das ist der Weg, um Menschen dafür zu begeistern, sich eine Rechnung geben zu lassen, die man dann auch bei der Steuer absetzen kann - eine Rechnung von einem Unternehmen, das selbst auch Mehrwertsteuer zahlt. Das ist ja die Voraussetzung; denn wir wissen, dass es da eine Grauzone gibt.

Letzter Punkt: Herr Kollege Domres, das größte Programm zur Unterstützung des deutschen Handwerks, das natürlich auch in Kümmernitztal vorhanden sein dürfte, ist das Konjunkturpaket der Bundesregierung. Ich gebe zu, es ist auf Schulden aufgebaut. Das macht mir auch Sorgen. Aber von den 50 Milliarden Euro geht ein extrem großer Block - wir haben ja gerade unser Konjunkturpaket in Brandenburg durchdekliniert - in das Handwerk und den Mittelstand.

Wir sagen also erstens: Absetzbarkeit von der Steuer, raus aus der Illegalität, mit einem direkten Vorteil für denjenigen, der das auch tut, legal und ordentlich per Rechnung. - Zweitens: Wir müssen über die öffentliche Hand Aufträge für das Handwerk organisieren und dürfen eben nicht in einen Steuerwettbewerb nach unten eintreten, der letztlich in der Europäischen Union alle Mitgliedsstaaten an den Rand der Zahlungsunfähigkeit bringt. Das ist unser Konzept. - Ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der SPD und vereinzelt bei der CDU)

Vielen Dank, Herr Kollege Bischoff. - Für die DVU-Fraktion spricht jetzt Frau Hesselbarth.