Protokoll der Sitzung vom 26.02.2009

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Das Bundessozialgericht monierte, dass die Regelleistung für Kinder um 40 % gegenüber der Regelleistung für Erwachsene herabgesetzt wurde, ohne dass der für Kinder notwendige Bedarf ermittelt und definiert wurde. Dieser Regelsatz wurde also nach Aussage der linken Genossen willkürlich erhöht. Bloß frage ich mich allen Ernstes, Frau Wöllert: Ihre Partei fordert jetzt auch ganz willkürlich eine Erhöhung um 10 %. Das ist eine Willkür. Woher wissen Sie, dass 10 % ausreichend sind? Haben Sie irgendwelche Bedarfe ermitteln können? Das haben Sie uns hier nicht gesagt.

Es wurde auch vom Bundessozialgericht beanstandet, dass Kinder von Sozialhilfeempfängern in Bedarfsfällen mehr Geld erhalten können, während der Satz bei Kindern von Arbeitsuchenden auf die heutigen 210 Euro pauschaliert ist. Schließlich hält auch das Bundessozialgericht die einheitliche Einstufung aller Kinder unter 14 Jahren in einer Altersstufe für willkürlich und unzuverlässig. Das Bundessozialgericht legte die Verfahren deshalb dem Bundesverfassungsgericht vor. Dieses wird nun abschließend entscheiden, ob die Hartz-IV-Gesetzgebung verfassungsmäßig ist oder nicht.

Der Antrag der linken Genossen geht am Grundproblem vorbei und trägt auch nicht zur Rechtssicherheit bei. Im Gegenteil, er würde die Rechtswidrigkeit sogar noch verfestigen. Deshalb werden wir Ihrem Antrag nicht zustimmen können.

Damit komme ich zum Entschließungsantrag der Koalitionsfraktionen. Hier soll wieder einmal die Landesregierung um etwas gebeten werden, und zwar um etwas, was nach Aussage von Frau Lehmann und Ministerin Ziegler bereits geschieht. Es ist also wieder einmal ein typischer Schaufensterantrag, der zwar nicht schadet, aber auch nicht nützt. Deshalb werden wir diesen auch nicht unbedingt ablehnen.

(Beifall bei der DVU)

Das Wort erhält die Abgeordnete Schulz.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Antrag in der Sache ist an und für sich überflüssig, denn es wird an dem Themenkomplex gearbeitet. Ich werbe für unseren Entschließungsantrag, um das Ganze zu beschleunigen. Ich denke, wir sind uns im Hause einig, dass wir alters- und bedarfsgerechte Regelsätze für Kinder haben müssen und wollen. Insofern kann ich da fröhlich mit einstimmen.

Der Bund hat den ersten Schritt getan, indem eine Erhöhung vorgenommen wurde. Der von Ihnen vorgeschlagenen undif

ferenzierten Erhöhung um 10 % kann ich nicht zustimmen, weil ich denke, dass nach dem Alter der Kinder und dem tatsächlichen Bedarf differenziert werden muss. Von daher werden wir Ihrem Antrag nicht folgen, aber ich werbe dafür, dass Sie unserem Entschließungsantrag zustimmen. - Danke schön.

(Beifall bei CDU und SPD)

Herzlichen Dank. - Das Wort erhält Ministerin Ziegler.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Mit ihrem Antrag fordert die Fraktion DIE LINKE die Landesregierung auf, sich im Bundesrat für eine unverzügliche Neubemessung der Regelsätze bzw. Regelleistungen für Kinder nach dem SGB XII bzw. SGB II einzusetzen. Bis dahin sollte der Bundesratsantrag des Landes Brandenburg zugleich die sofortige pauschale Anhebung dieser Leistungen für alle Altersgruppen um 10 % vorsehen.

Ich habe mich bereits in der letzten Landtagssitzung zu diesbezüglichen Änderungen im Rahmen des neuen Konjunkturpakets geäußert. Die darin vorgesehene Erhöhung der Regelsätze und Regelleistungen für Kinder im Alter von 6 bis 13 Jahren zum 1. Juli 2009 begrüße ich ausdrücklich. Unabhängig davon habe ich zugleich darauf hingewiesen, dass damit die gegenüber der Bundesregierung erhobene Forderung der Länder, und zwar aller Länder, nach größerer Berücksichtigung der kinderspezifischen Bedarfe bei der Bemessung dieser Leistungen und Sätze nach wie vor aktuell ist. Diese Aktualität gilt gleichermaßen für die Beschlüsse des Bundesrates über die Anrufung des Vermittlungsausschusses zum Familienleistungsgesetz vom Mai und vom Dezember 2008.

Ich glaube, damit wird sehr deutlich, dass dem Anliegen der Fraktion DIE LINKE, sich für eine Neubemessung der Regelsätze und Regelleistungen für Kinder einzusetzen, damit bereits mehrfach Rechnung getragen worden ist. Die Länder sind sich darin einig, dass die kinderspezifischen Bedarfe exakt ermittelt werden müssen. Sie sind sich darin einig, dass diese Überprüfung und gegebenenfalls die Weiterentwicklung spätestens im Jahr 2010 bzw. 2011 im Rahmen der Auswertung der Einkommens- und Verbrauchsstichprobe 2008 erfolgen wird, wie es im Übrigen auch der Bundesminister für Arbeit und Soziales angekündigt hat. Hingegen widerspricht aber eine sofortige pauschale Erhöhung aller Regelsätze und Regelleistungen, wie sie die Fraktion DIE LINKE fordert, den Beschlüssen der Länder und des Bundesverfassungsgerichts. Die Länder und auch das Bundesverfassungsgericht wollen eine nachvollziehbare und wissenschaftlich fundierte Ableitung zur Ermittlung der Regelsätze und Regelleistungen unter Berücksichtigung der kinderspezifischen Bedarfe.

Das Bundessozialgericht wandte sich kürzlich an das Bundesverfassungsgericht, es möge die Verfassungsmäßigkeit der gesetzlichen Regelung zur Bestimmung der Regelleistungen für Kinder bis zur Vollendung des 14. Lebensjahres nach dem SGB II klären. Nach Auffassung des Senats - das wurde schon des Öfteren kundgetan und zitiert - wäre der Gesetzgeber ge

halten gewesen, zur Sicherung des Existenzminimums von Kindern den Abschlag von der Regelleistung für Erwachsene auf der Basis einer detaillierten normativen Wertung des kinder- und jugendlichenspezifischen Bedarfs festzusetzen. Aber zugleich wird betont, dass die Annahme der Verfassungswidrigkeit nicht den Schluss zulasse, dass die derzeitige Regelleistung als nicht ausreichend anzusehen sei. Ich denke, dass auch vor diesem Hintergrund das von den Ländern vorgeschlagene Ziel weiter verfolgt werden sollte.

Alles in allem: Auch wir wollen im Konsens mit dem Hohen Haus eine rasche Neubemessung und bedarfsgerechte Regelsätze und drängen deshalb auf die schnellstmögliche Auswertung der Einkommens- und Verbrauchsstichprobe 2008; das machen auch die Koalitionsfraktionen mit ihrem Erschließungsantrag erneut deutlich. Deshalb bedarf es keines konkreten Antrags an die Länderkammer, die diesbezüglich schon Beschlüsse gefasst hat. Die Länderkammer verfügt über keine eigenständige Datengrundlage für eine bedarfsgerechte Bemessung der Regelsätze. Außerdem hat die Bundesregierung die Auswertung der EVS 2008 bereits eingeleitet. Die Ergebnisse müssen wir abwarten und dann schnell reagieren; das ist völlig klar. Aber es bedarf keiner neuerlichen Befassung durch den Bundesrat. Deshalb ist der Antrag der Linken abzulehnen. Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD)

Das Wort erhält noch einmal die Abgeordnete Wöllert. Bitte schön.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich fange bei dem an, worin wir uns einig sind, denn ich denke, das ist immer die beste Voraussetzung. Ich habe heute festgestellt, dass wir gemeinsam wollen, dass der Regelsatz gemäß den speziellen Bedürfnissen der Kinder festgelegt wird.

(Ministerin Ziegler: Darin sind wir uns schon seit einem Jahr einig!)

Diesem Bekenntnis steht allerdings gegenüber - so lesen wir es in Ihrem Entschließungsantrag -, dass Sie wieder auf die Einkommens- und Verbrauchsstichprobe 2008 abstellen.

Ich komme auf den Beschluss des Bundesrates vom Mai zurück. Darin heißt es:

„Mit dem jetzigen System können besondere entwicklungsbedingte Bedarfe der Kinder und Jugendlichen, insbesondere im Zusammenhang mit der Teilhabe an Bildung … nicht hinreichend abgebildet werden. Der Grund dafür ist unter anderem, dass die bisherigen statistischen Modelle nicht am Bedarf der Kinder ausgerichtet sind, sondern sich allein an den Ausgaben der einkommensschwachen Haushalte orientieren und als Bezugspunkt der Bedarf eines allein stehenden Erwachsenen dient.“

Genau deswegen ist diese Probe, auf die Sie sich jetzt wieder beziehen, nicht das richtige Mittel. Das ist unsere Kritik. Ein Grund für unsere Forderung nach einer pauschalen Anhebung

um 10 % - deswegen habe ich auf das abgestellt, was der Paritätische Wohlfahrtsverband vorgebracht hat - ist auch, dass die bisherige Bemessungsgrundlage - ausgenommen das, was im Konjunkturpaket mit der Erhöhung um 35 Euro für die 7- bis 13-Jährigen beschlossen wurde - die Einkommens- und Verbrauchsstichprobe von 2003 ist.

(Ministerin Ziegler: Aber mit den kinderspezifischen Be- darfen ermittelt!)

- Aber bezogen auf das Jahr 2003. - Insofern gehen wir davon aus, dass eine Anhebung der Regelsätze um 10 % für alle Kinder auf jeden Fall notwendig sein wird. Das ergibt sich schon aus den Preissteigerungen seit 2003. Jeder, der Kinder hat, weiß, dass sie tatsächlich nicht wie kleine Erwachsene zu behandeln sind. Auch für die Null- bis Sechsjährigen hat man erhöhte Ausgaben. In Ihren Fraktionen gibt es Abgeordnete mit kleinen Kindern, zum Beispiel Frau Geywitz, die feststellen können, wie schnell Kinder aus ihren Sachen wachsen, wie teuer Windeln und Nahrungsmittel sind. Das alles bewegt sich doch nicht mehr auf der gleichen Grundlage wie 2003. Inhalt unseres Antrags ist, mit der Anhebung um 10 % schnell eine Lösung, eine Zwischenlösung, zu haben.

Ihr Entschließungsantrag tut zwar nicht weh, aber er beschleunigt das Verfahren nicht. Er trägt nicht dazu bei, schnell zu handeln und unverzüglich eine Veränderung zu bewirken. Natürlich weiß ich, dass Sie unserem Antrag nicht zustimmen wollen und vor allem nicht können. Aber ich finde es schon toll, dass Sie uns so ernst genommen haben und wissen, dass wir eigentlich doch Recht haben mit dem, was wir verlangen, und dass Sie daraufhin einen Entschließungsantrag eingebracht haben. Das ist doch schon mal was, und es stimmt mich hoffnungsfroh, dass wir auf den anderen Wegen auch noch weiter vorankommen. - Danke.

(Beifall bei der Fraktion DIE LINKE)

Ihre Rede hat bei der Ministerin Widerspruch erzeugt. Sie möchte noch einmal ans Pult kommen. - Bitte schön.

Frau Wöllert, am Ende Ihrer Rede hat man dann erkannt, was Ihr eigentliches Ziel war, nämlich wieder einmal den Koalitionsfraktionen und der Landesregierung zu unterstellen, dass wir nicht handeln wollen. Ich sage noch einmal, wir haben bei diesem Thema vor vielen Monaten hier im Hause schon genauso argumentiert. Daran hat sich nichts geändert. Sie tun aber immer so, als hätten Sie ein Thema neu entdeckt und es würde nur an uns liegen, dass es nicht positiv begleitet werde. Dagegen muss man sich einfach verwahren. Der Bund und die Länder haben reagiert. Die kinderspezifischen Regelbedarfe werden nicht deshalb verändert, weil Sie Anträge stellen, sondern weil auch das Verfassungsgericht festgestellt hat, dass eine Anpassung erforderlich ist.

(Görke [DIE LINKE]: Ihr stellt ja keine Anträge mehr! Bei euch ist ja anscheinend alles schon gelaufen!)

Ich sage noch einmal, eine Erhöhung um 10 % wäre in der Schlussfolgerung auch verfassungswidrig, denn es ist nicht

verfassungsgerecht, einfach Pi mal Daumen etwas nach oben oder unten zu korrigieren. Deshalb muss man eine seriöse Grundlage finden. Die EVS 2003 ist auf die kinderspezifischen Bedarfe hin überprüft worden, und deswegen erfolgt nun eine Erhöhung im Konjunkturpaket des Bundes. Die EVS 2008 ist die seriöse Grundlage, um die kinderspezifischen Bedarfe zu ermitteln.

Herzlichen Dank. - Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag in der Drucksache 4/7257. Wer diesem Antrag seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich um das Handzeichen. Wer stimmt gegen diesen Antrag? - Wer enthält sich der Stimme? - Damit ist mehrheitlich gegen diesen Antrag gestimmt worden. Er ist somit abgelehnt.

Wir kommen zum Entschließungsantrag, der Ihnen in der Drucksache 4/7285 vorliegt und von SPD und CDU eingebracht wurde. Wer diesem Antrag seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich um das Handzeichen. - Wer stimmt gegen diesen Antrag? - Wer enthält sich der Stimme? - Damit ist dieser Antrag einstimmig angenommen worden.

Ich schließe Tagesordnungspunkt 7 und rufe Tagesordnungspunkt 8 auf.

Jugendbildungsstätten im Konjunkturpaket II berücksichtigen

Antrag der Fraktion DIE LINKE

Drucksache 4/7258

Ich eröffne die Aussprache. Der Abgeordnete Krause erhält das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wir legen Ihnen heute nur Anträge vor, denen man eigentlich zustimmen kann. Das ist auch bei diesem Antrag so.

(Frau Melior [SPD]: Das sehen Sie so!)

- Ja, Frau Melior, das erkennt man bei diesem Antrag zum Beispiel auch ganz konkret daran, dass wir gar nicht mehr Personal fordern und gar nicht über die Ausstattung diskutieren wollen, sondern dass es lediglich um den Investitionsbereich an den Jugendbildungsstätten im Rahmen des Konjunkturpakets II geht. Das ist das Ziel unseres Antrages.

Hintergrund ist die 25. Sitzung des Landesjugendhilfeausschusses am 9. Februar 2008 im Landesjugendamt in Bernau. Dort gab es einen einstimmigen Beschluss, also auch mit den Stimmen der Vertreter der anderen Fraktionen hier im Haus, diesen Weg zu gehen und die Jugendbildungsstätten in das Konjunkturpaket II, in den 65%-Bereich für Bildung, mit aufzunehmen. Die Initiative hatte damals der Unterausschuss für Jugendarbeit und Jugendsozialarbeit im Landesjugendhilfeausschuss ergriffen und diesen Beschluss befördert. Der Landesjugendring trägt im Übrigen diese Forderung im Ganzen mit und hat dies auch nachdrücklich bestätigt. In einem Schreiben an

das MBJS wurde dieser Beschluss des Landesjugendhilfeausschusses bereits übermittelt. Ich gehe auch davon aus, dass Herr Rupprecht diesem Ansinnen folgen kann. Trotzdem möchten wir mit unserem Antrag dem hier noch einmal Nachdruck verleihen und Ihnen die Gelegenheit geben, sich dem anzuschließen.

Das Konjunkturprogramm II stellt 457 Millionen Euro für das Land Brandenburg zur Verfügung. Davon sollen 65 % für Bildung im investiven Bereich eingesetzt werden; das bedeutet Schulgebäude, Turnhallen, Außenanlagen, Kindertagesstätten. Aber auch die Jugendbildungsstätten im Land Brandenburg sind Bildungseinrichtungen. Deswegen sind wir der Meinung, dass sie von diesem Konjunkturpaket profitieren sollten.

Viele dieser Jugendbildungseinrichtungen sind Anfang der 1990er Jahre eingerichtet worden und haben mittlerweile einen großen Renovierungs-, Reparatur- und auch Ausbaubedarf, was ja ein Zeichen von Qualität ist, da immer mehr Jugendliche in diese Einrichtungen streben und diese Angebote wahrnehmen wollen. Sie kennen sicher viele dieser Einrichtungen im Land. Ich möchte nur einige nennen:

Wir haben das Jugendbildungszentrum in Blossin, die DGBEinrichtung in Flecken Zechlin, das Don-Bosco-Haus im Landkreis Spree-Neiße, das Evangelische Bildungszentrum in Hirschluch...

(Allgemeine Unruhe - Glocke der Präsidentin)