Protokoll der Sitzung vom 02.04.2009

Sehr geehrte Damen und Herren, nun ist die Landesregierung seit Jahren peinlich darauf bedacht, Zahlen, die Rückschlüsse über die Ursachen zulassen würden, zurückzuhalten. Die stoische Antwort lautet dann, dass seitens der Aufgabenträger dazu keine Berichtspflicht bestünde. Das mag sein, nur beantwortet es nicht die Fragen.

Es besteht kein Überblick über die allgemeinen Personal- und Kostenstrukturen der Wasserwirtschaft in Brandenburg. Was also bei Bildung, Polizei und Forst bekannt ist, bleibt im Bereich der Wasserwirtschaft weitgehend im Verborgenen.

Die Frage nach der Höhe der Verbindlichkeiten der Aufgabenträger im Bereich Trink- und Abwasser wird ebenfalls nicht beantwortet. Bis heute unbeantwortet sind Fragen nach der Gesamtverschuldung der Zweckverbände und dem Gesamtauslastungsgrad der Kläranlagen. Es drängen sich Parallelen zur gegenwärtigen Finanz- und Wirtschaftskrise auf. Die entscheidende Frage, wie die Ursachen bekämpft werden können, bleibt außen vor.

Die letzten offiziellen Angaben zum Schuldenstand stammen aus einem Schuldenmanagementbericht aus dem Jahr 1999, der Schulden von insgesamt 1,5 Milliarden Euro ausweist. Die wirtschaftliche Lage der Aufgabenträger für Trink- und Abwasser wird von der Landesregierung dennoch beschönigt. Sie räumt allerdings voraussichtlich zunehmende wirtschaftliche Schwierigkeiten von Verbänden angesichts der demografischen Entwicklung ein.

Ebenfalls einsilbig bleibt die Beantwortung der Frage nach dem Auslastungsgrad der Kläranlagen. Unsere Schätzung beläuft sich auf 50 %, die sich aus einer mühsamen Aufsummierung der Angaben zu den Gemeinden aus dem Lagebericht 2005 ergibt. Die tatsächliche Auslastung ist uns trotz mehrerer Anfragen nicht bekannt. So kann man sich auf eine unbestimmte Zahl gewerblicher Nutzer bei der Auslastung herausreden.

Es wird deutlich, dass es keine konzeptionellen Ansätze für den künftigen Umgang mit dem entstandenen und sich infolge der demografischen Entwicklung offenbar weiter zuspitzenden Problem der geringen Auslastung gibt. Nach Auffassung von Fachleuten und Wissenschaftlern sollten die Mittel verstärkt für den Rückbau verwendet werden. Dem schließt sich die Linke an. Grundsätzlich bedauern wir die Streichung der Förderung von Kleinkläranlagen. Wenn die Landesregierung dem sparsamen Umgang mit der natürlichen Ressource Wasser die angegebene große Bedeutung beimisst, ist es verwunderlich, dass sie auch Anlagen zur Wiederverwertung einmal gebrauchten Wassers nicht unterstützt. Stattdessen sind uns im vergangenen Jahr erschütternde Bilder von völlig unnötigen Maßnahmen des Zwangsanschlusses nicht erspart geblieben.

Zu einer vollständigen Lageeinschätzung gehört auch, welche Verstöße und Überschreitungen von Grenzwerten bei den Kläranlagen festgestellt wurden. Immerhin verfügt zum Beispiel das Klärwerk Fürstenwalde nicht über eine wasserrechtliche Genehmigung zur Einleitung. In diesem Fall spielt unter anderem die Überlastung der Anlage eine Rolle.

(Frau Alter [SPD]: Das ist doch gar nicht wahr!)

- Es ist wahr. Gehen Sie ins Landesumweltamt; dort wird man es Ihnen bestätigen.

(Frau Alter [SPD]: Immer dieselbe alte Leier!)

- Ja, seit über einem Jahr gibt es diese „alte Leier“.

Es wird aber ausgerechnet von dem Zweckverband betrieben, der mit brachialer Gewalt an das andere Ende der Leitung das Grundstück der Familie Plenzke angeschlossen haben möchte.

Wir meinen, es ist an der Zeit, mit der Geheimniskrämerei aufzuhören, ganz in Ihrem Interesse.

(Beifall bei der Fraktion DIE LINKE - Zuruf des Abge- ordneten Schulze [SPD])

Wenn die Landesregierung schon nicht auf Fragen der Opposition antworten möchte, kann sie höchstfreiwillig und selbstbestimmt den Lagebericht Abwasser zu einem echten Lagebericht machen. Weitere Fehlentwicklungen müssen verhindert werden. Dazu brauchen wir aber eine ehrliche Analyse des Istzustandes. Das wollen wir, Herr Schulze. Das Motto der Landesregierung „Augen zu und durch!“ wird uns irgendwann einmal einholen; es wäre besser, rechtzeitig die reale Situation zu kennen. Nur wenn die bisherige Abwasserpolitik unvoreingenommen infrage gestellt wird, ist ein Umsteuern möglich. Dazu brauchen wir einen Lagebericht, der seinem Namen gerecht wird. - Vielen Dank.

(Beifall bei der Fraktion DIE LINKE)

Die Abgeordnete Gregor-Ness spricht für die SPD-Fraktion.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Frau Adolph, ich frage mich ernsthaft: Sind Sie im Jetzt und Hier angekommen bzw. wann beabsichtigen Sie das zu tun?

(Frau Alter [SPD]: Nein, ist sie nicht! - Beifall bei SPD und CDU)

Wir haben eine kommunal verfasste bzw. organisierte Abwasserversorgung im Land, und sie funktioniert besser, als Sie es beschreiben. Mit 50 % Auslastung, die Sie hier immer und immer wieder heraufbeschwören, würde nirgends im Land eine Biologie funktionieren. Das, was Sie darlegen, ist vernichtend. Alle zwei Jahre gibt es einen Bericht; das ist von der EU vorgeschrieben. Wir erwarten in Kürze den 6. Bericht. Darin kann man alle Zahlen, die Sie zu Recht einfordern, nachlesen. Nicht mehr und nicht weniger werden wir abfordern, denn wir haben uns der Entbürokratisierung und dem Grundsatz: Berichtspflichten - so viel wie nötig und nicht so viel wie möglich, verschrieben.

Haben Sie eventuell Lust auf eine Zwischenfrage?

- Ja, natürlich.

Alles andere ist in den kommunalen Abwasserberichten dargelegt. Die Zweckverbände sind verpflichtet, ihre Zahlen, inklusive Auslastung und Anschlussgrad, alle fünf Jahre offenzulegen. Das gehört nicht in das Parlament. Wir sind kein zentral-regiertes Land, sondern kommunal verfasst. - Nun kommen Sie zu Ihrer Frage.

Frau Abgeordnete, dafür müssten Sie eine Pause machen.

Frau Gregor-Ness, es gibt also Zahlen - das haben Sie bestätigt -, nur haben wir sie nicht. Wir hätten sie gern, damit wir davon ausgehend sagen können, wie die Situation ist. Sie sagen, Sie wüssten es. Sagen Sie mir bitte: Wie hoch ist der Auslastungsgrad, und wie hoch ist der Schuldenstand der Zweckverbände im Land Brandenburg? Über den Schulenmanagementfonds fließen brandenburgische Steuermittel in den Abwasserverband.

Bitte Fragen formulieren, keine Ausführungen machen!

Ich habe zwei Fragen gestellt.

Was nützt Ihnen eine durchschnittliche Auslastungszahl? Das frage ich Sie im Ernst. Es ist vor Ort zu klären, ob eine Anlage rentabel zu betreiben ist, ob sie ausgelastet ist und funktioniert. Das ist eine kommunale Aufgabe. Dazu brauche ich keinen Landesdurchschnitt zu ermitteln. Das sagt überhaupt nichts aus. Wenn Sie einmal PARLDOK anklicken, werden allein in der letzten Legislatur 100 Treffer angezeigt. Das sind Kleine und Große Anfragen und Berichte zum Thema Abwasser. Alle Zahlen liegen vor; Sie müssten sie nur zusammenschreiben, und brauchten dann keinen Bericht von der Landesregierung anzufordern. Der 6. Bericht - wie gesagt, nach EU-Richtlinie vorgeschrieben - mit allen Parametern, die notwendig und wichtig sind, wird vorgelegt. Mehr ist nicht nötig. Deswegen bitte ich um Ablehnung des Antrags.

(Beifall bei der SPD)

Der Abgeordnete Claus setzt für die DVU-Fraktion fort.

Herr Präsident! Meine Damen! Meine Herren! Der vorliegende Antrag zeigt die fachliche Hilflosigkeit der Linken im Umgang mit zentralen kommunalpolitischen Problematiken in Brandenburg. Die Problematik überdimensionierter Abwasserentsorgungsanlagen in Brandenburg ist seit langem bekannt, genauer gesagt schon seit den 90er Jahren. Es wurden Zweckverbände gegründet und mit Unterstützung der Regierung Stolpe flächendeckend kommunale Kläranlagen errichtet, von denen viele überdimensioniert geplant und auch realisiert wurden.

Dabei wurde viel Geld verbrannt - wichtige kommunale Haushaltsmittel, die zumindest zum Teil besser für Schulen und Kindertagesstätten, für eine bessere medizinische Versorgung, insbesondere auf dem Land, und für einen besseren Zustand von Ortsstraßen hätten verwendet werden können. Was noch gravierender ist, ist die Tatsache, dass die Finanzierung zwangsläufig zulasten der Bürgerinnen und Bürger in den Kommunen ging.

Das kommunale Abgabengesetz ließ und lässt den Kommunen keine andere Wahl, als nach dem Kostendeckungsprinzip die Finanzierung über Herstellungsbeiträge, zumindest über Anschlussgebühren, umzulegen. Das hat in der Vergangenheit in der Bevölkerung großen Unmut erzeugt, und das tut es nach wie vor.

Seit über einem Jahr führen wir in diesem Landtag auch Debatten über einen abgabegerechten Umgang mit Altanschließern. Nach über einem Jahr ist es der Landesregierung nicht gelungen, auch nur ansatzweise eine vertretbare Lösung anzubieten, und auch das, was uns die Koalitionsfraktionen in der Februarsitzung mit ihrem Antrag vorgelegt haben, ist Ausdruck absoluter Unfähigkeit, Abgabegerechtigkeit zu schaffen, und Ausdruck mangelhafter Bereitschaft, die Fehler der rot-schwarzen Koalition wiedergutzumachen, die den Kommunen das Ganze mit dem sogenannten kommunalen Entlastungsgesetz eingebrockt haben.

Flankierend dazu bombardiert uns die Fraktion DIE LINKE mit populistischen Anträgen nach dem Motto: Einfache Antworten auf komplizierte Fragen. Der Bürger wird’s schon nicht merken, wenn wir ihm etwas vorgaukeln.

(Schulze [SPD]: Macht Ihre Fraktion auch regelmäßig, ne?)

- Na, nicht ganz, Herr Kollege Schulze. Wir meinen es ernst.

Erst wollten Sie eine Stichtagsregelung; nun wollen Sie eine komplette Befreiung von Altanschließern, ohne einen Ausgleich für die Ungleichbehandlung von Neuanschließern zu schaffen. In diesem Kontext, Frau Adolph, ist der vorliegende Antrag zum Lagebericht Abwasser zu verstehen. Die hier in sieben Spiegelstrichen aufgeführten Fragestellungen beruhen nicht auf einer größeren Erkenntnis der Linken; denn diese Fragen werden in den Kommunen von den betroffenen Abgabepflichtigen längst gestellt. Ich weiß nicht, inwiefern die Landesregierung Aussagen zum Rückbaupotenzial einer kommunalen Kläranlage treffen könnte. Das können einzig und allein die Zweckverbände und die Kommunen, meine Damen und Herren. Es bleibt wohl auch das Geheimnis der Genossen, was sie damit eigentlich wollen.

Die weiteren Fragen, die Sie stellen, sind zwar sehr interessant, aber es ist nicht ersichtlich, inwiefern die Landesregierung zum Beispiel über den Auslastungsgrad einer Kläranlage, über die wirtschaftliche Situation eines kommunalen Aufgabenträgers, über die Kosten- und Einnahmeentwicklung oder die Ablaufwerte berichten könnte.

Kurz und gut, meine Damen und Herren der Linken, bei diesem Antrag handelt es sich wieder einmal um einen Schaufensterantrag oder einen Hustenbonbonantrag. Er schadet nicht, nützt aber auch nicht. Frau Adolph, den größten Teil der sieben Spiegelstriche können Sie doch einmal im Kreistag einbringen. Sie sind Kreistagsabgeordnete, und Mitglieder des

Kreistages sind in die Abwasserzweckverbände eingebunden. Da können Sie Ihre Nachfragen stellen. Dort wird man sie beantworten können. - Danke schön.

(Beifall bei der DVU)

Der Abgeordnete Dombrowski spricht für die CDU-Fraktion.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Antrag der Linksfraktion, der von der Kollegin Adolph mit viel Herzblut vorgetragen wurde, ist gut gemeint. Aber die Vorredner haben schon darauf hingewiesen, dass sich die Notwendigkeit und der Sinn im Grunde genommen nicht erschließen, auch wenn man bei unserem kollegialen Umgang miteinander sucht, wo man da einen Nutzen finden könnte.

Von daher bleibt nur anzumerken: Der Lagebericht Abwasser 2009 wird von der Landesregierung auch ohne diesen Antrag fristgerecht vorgelegt, und er wird dann besprochen. Grundlage dieses Lageberichts ist die kommunale Abwasserrahmenrichtlinie der EU, wie Sie in der Begründung schon anführen. Der Lagebericht Abwasser ist aber auch nicht der erste. Von daher haben wir hier kein Neuland zu betreten.

Die von Ihnen geforderten Auskünfte sind jedoch nicht Bestandteil der EU-Abwasserrahmenrichtlinie. Ohne ausreichende Rechtsgrundlage ist es äußerst schwierig, zu solchen Angaben zu kommen, zumal deutlich gesagt werden muss, dass ein solch umfangreicher Bericht in einer so kurzen Frist, wie Sie sie hier vorgegeben haben, wohl nicht zu erarbeiten ist.

Im Übrigen, Frau Kollegin Adolph, wenn Sie vorhin gesagt haben, dass in den Bereichen Bildung, Polizei und Forst alles das vorliegt, was nach Ihrer Meinung hier nicht vorliegt, dann haben Sie eigentlich die Antwort schon gegeben, sozusagen selbsterklärend. Bei den drei Aufgabenbereichen, die Sie nannten, handelt es sich um Aufgaben, die in Landeshoheit liegen. Aber die Abwasserentsorgung ist keine hoheitliche Aufgabe des Landes, sondern eine hoheitliche Aufgabe der Kommunen. Trotzdem sind wir nicht aus der Verantwortung und kümmern uns auch in vielerlei Hinsicht darum, von der Beratung über Schuldenmanagement usw. Wir bestimmen auch Rahmenrichtlinien. Aber es gibt definitiv keine Zuständigkeit des Landes für diesen Bereich, den Sie hier mit drei anderen großen Aufgabenbereichen vergleichen.

Was immer Sie mit diesem Antrag bezwecken, er dient jedenfalls nicht der Klarheit. Er dient vor allem nicht dem Ziel, das wir alle gemeinsam haben, nämlich wenn es irgend möglich ist, auch mithilfe des Landes Bürgerinnen und Bürger davor zu bewahren, dass sie mehr zahlen, als unbedingt sein muss. Das ist regional sehr unterschiedlich, und das werden Sie auch durch diese Abfrage nicht verändern können.

Der Antrag ist gut gemeint, aber sehen Sie es mir nach, liebe Frau Kollegin, die CDU-Fraktion kann Ihrem Antrag nicht zustimmen.

(Beifall bei der CDU)

Minister Woidke spricht für die Landesregierung.