Protokoll der Sitzung vom 01.07.2009

Kritisiert wurde das Gesetz auch von einem Vertreter der Bauaufsicht des Kreises Oberhavel. Wenn es nach der Bauaufsichtsbehörde ginge, müsste die Bauordnung für Krankenhäuser und Heime auch bei sogenannten Senioren-WGs zur Anwendung kommen. Die Bauordnung sieht dichte Türen, Notausgänge, Notbeleuchtung und viele kostenintensive Maßnahmen vor. Es ist ein schwieriger Abwägungsprozess, welche baurechtlichen Sicherheitsstandards auch in kleinen Häusern gelten sollten, ohne dass die Kosten explodieren und ohne dass auf Kosten der Sicherheit Geld mit der Unterbringung alter Menschen verdient wird.

Sicherlich gestaltet sich der Einsatz der Feuerwehr bei einem Brand in einer solchen Senioren-WG schwieriger als in einem Alters- und Pflegeheim. Neben dem fehlenden Belegungsplan spielen auch die baulichen Gegebenheiten eine wesentliche Rolle. Doch inwieweit sollte die Bauordnung hier gesetzliche Grundlage sein?

Während der Anhörung brachte Angelika Winkler von der Alzheimergesellschaft ihre Sicht zu dieser Problematik so auf den Punkt: Selbstbestimmung heißt auch, dass die Betroffenen Risiken eingehen können, und nicht, dass man ihnen aus Sicherheitsgründen alle Entscheidungen abnimmt. Ich finde: Recht hat sie.

Kritisiert wurde das vorliegende Gesetz auch vom Städte- und Gemeindebund sowie vom Landkreistag. Kritisiert wurde vor allem, dass das Land für die Heimaufsicht zuständig ist. Der Städte- und Gemeindebund sowie der Landkreistag wollten die Zuständigkeit für die Heimaufsicht und eine Erstattung der entsprechenden Kosten.

Das Land will dagegen die mehr als 700 Heime und betreuten Wohnformen selbst kontrollieren. Nicht nur die DVU-Fraktion befürchtet, dass dadurch eine flächendeckende Kontrolle unnötig erschwert wird.

Vor diesem Hintergrund, meine Damen und Herren, wird es Sie nicht wundern, dass die DVU-Fraktion diesem vorliegenden Gesetzentwurf und der Beschlussempfehlung nicht zustimmen wird.

(Beifall bei der DVU)

Die Abgeordnete Schier spricht für die CDU-Fraktion.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wenn ich mir alte Filme anschaue oder wenn ich an meine Ururoma denke, dann Stelle ich fest, dass die Farbe der älteren Generation Schwarz war; teilweise Kopftücher, dunkle Schürzen.

(Schippel [SPD]: Jetzt ist sie beige!)

- Nicht beige, Kollege Schippel. - Wenn man sich heute die ältere Generation anschaut, 60 Jahre, 70 Jahre, 80 Jahre: Die älteren Herrschaften gehen in Weiß, in Gelb. Es ist schön anzusehen. Sie sind gesünder. Sie ernähren sich gesünder. Sie interessieren sich für Sport. Sie fangen mit 60 oder 65 Jahren an, sich fürs Internet zu interessieren. Sie gehen in die Akademie 50plus und, und, und.

Die ältere Generation hat sich grundlegend gewandelt. Das ist gut so und das ist schön so. Wir wollen alle alt werden, alt sein will keiner. Für die jetzige Generation ist es bewundernswert, wie sie ihr Leben meistern.

Wenn man all diese Sachen wie Sport, Internet usw. usf. anspricht, warum soll das nicht auch für das Wohnen in Wohngemeinschaften gültig sein? Ich sage immer: Studenten wohnen in Wohngemeinschaften, warum nicht auch 50plus?

Deswegen ist das Gesetz, das uns heute zur Abstimmung vorliegt, sehr wichtig und ein Schritt in die richtige Richtung. Es gibt in der Tat Vorbehalte von der Bauaufsicht, wenn solche Wohngemeinschaften eingerichtet werden und es muss dort jemand gerettet werden, weil es etwa brennt, denn dann erhebt sich die Frage: Wie kann man die Leute schnell retten?

Diese Argumente sind durchaus berechtigt. Aber für jeden, der in einem privaten Haus bzw. in einer Wohnung wohnt, treffen diese Geschichten genauso zu.

Wir haben einen Schritt in die richtige Richtung gemacht. Es ist ein modernes Gesetz. Man muss sehen, wie sich das Gesetz für die, die es in Anspruch nehmen und in neue Wohnformen ziehen, in der Praxis bewährt. Deswegen, denke ich, ist es richtig, dass wir - die Abgeordneten, die dann hier sitzen - uns nach zwei Jahren das Gesetz vornehmen und sagen: Jawohl, wir gucken jetzt einmal, wie sich das in der Praxis bewährt hat. - In zwei Jahren wird es mit Sicherheit wieder aufgerufen werden.

Für mich ist wichtig: Es geht hier um Selbstbestimmtheit und Eigenverantwortung. Diesen wichtigen Sachen wird das Gesetz gerecht. Deswegen bitte ich sehr um die Zustimmung zu diesem Gesetz.

(Beifall bei CDU und SPD)

Ministerin Ziegler spricht für die Landesregierung.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! „Zukunftsorientiert“, „modern“, das hörte man in der Anhörung

zu diesem Gesetz immer wieder von den Anzuhörenden. Denn die Heime heute sind eben nicht mehr vergleichbar mit denen von früher.

„Heim“ klang früher vielleicht manchmal nach Abstellgleis, nach Fremdbestimmung. Heute aber ist es anders. Die fachgerechte Versorgung geht einher mit einer begleitenden Assistenz, die es behinderten und pflegebedürftigen Menschen ermöglicht, ihren Alltag selbstbestimmt und selbstständig zu bewältigen. Heime öffnen sich mittlerweile stark nach außen, schaffen soziale Kontakte in die Region hinein. Die typische Rundumversorgung wird zunehmend durch kleinteilige, auf die individuellen Bedürfnisse spezialisierte Wohnformen ergänzt.

Das bisherige alte Heimrecht, das sich auf die Begrifflichkeiten der 70er Jahre stützt, konnte diese Entwicklung nur sehr begrenzt bestimmen, denn es orientierte sich auf große vollstationäre Einrichtungen, die Menschen aufnahmen, wenn sie zu Hause nicht mehr klarkamen. Die Regelungen zu ihrem Schutz mussten eben auch nur diesem Schema entsprechen. Für heutige Verhältnisse und vor allem für die neuen Wohnformen ist das nicht mehr zeitgemäß. Deshalb ist es auch kein Wunder gewesen, dass mit der Übertragung der Gesetzgebungskompetenz auf die Länder in jedem Land das Heimrecht auf den Prüfstand gestellt wurde und nun seine Neugestaltung angestrebt wird.

Auch wir in Brandenburg haben uns darangemacht, das bestehende Heimgesetz durch ein modernes Regelwerk zu ersetzen, das den heutigen Ansprüchen von Menschen mit Pflegebedürftigkeit oder mit Behinderung gerecht wird. Aber ich sage schon jetzt: Natürlich wird das Gesetz immer wieder an die Bedürfnisse angepasst werden müssen, die sich auch in Zukunft verändern werden.

Wir taten das nicht im stillen Kämmerlein, sondern in einer sehr breiten öffentlichen Aussprache mit allen, die es verantwortlich angeht, nämlich mit den Verbänden der freien Wohlfahrtspflege, den Verbänden der privaten Träger, den kommunalen Spitzenverbänden, den Berufsverbänden, den Betroffenenverbänden und den Vertretern von Heimbeiräten. Das jetzt vorliegende Gesetz ist daher wirklich als Ergebnis einer gemeinsamen Arbeit mit allen Akteuren im Land zu bezeichnen. Deshalb ist auch von meiner Seite ein ganz großes Dankeschön an alle zu richten, die daran beteiligt waren.

Die positive Resonanz in der Anhörung hat jedenfalls für mich bestätigt, dass da gemeinsam ganze Arbeit geleistet wurde und sich das Ergebnis sehen lassen kann.

Dieses Gesetz begründet einen Paradigmenwechsel, bei dem es in erster Linie um den Menschen und erst in zweiter Linie um die Einrichtung geht. Selbstbestimmung und Selbstverantwortung sind erstes Ziel und erste Methode. Welches Maß an Anforderungen und Kontrollen an die jeweiligen Wohnformen gestellt wird, richtet sich an diesen Kriterien aus.

Das bedeutet unter anderem, dass sich der Staat dort zurücknimmt, wo selbstverantwortliches Leben stattfindet. Denn die betroffenen Menschen dürfen eben nicht Objekte unserer für

sorglichen Eingriffe sein, sondern brauchen Unterstützung darin, ihre eigenen Interessen vertreten zu können.

Besonders deutlich wird dieser Ansatz im Zusammenhang von kleinteiligen Wohngemeinschaften und ordnungsrechtlichen Fragen. Wir dürfen solche individuellen Wohnformen nicht durch eine starre Überregelung verhindern. Im Gegenteil, wir befördern diese, um Anreize zu schaffen, dass Selbstbestimmung und Teilhabe auch tatsächlich gelebt werden können.

Dies ist nicht nur im Heimrecht bedeutsam, wie uns die schwierige Diskussion in der Schnittmenge zum Bauordnungsrecht zeigte. Auch hier geht es um ein angemessenes Verhältnis zwischen Wohnlichkeit und Eigenverantwortung einerseits und dem Schutzbedarf der Bewohnerinnen und Bewohner andererseits. Es ist eben nicht immer sachgerecht, Pflegeheime und moderne Wohnformen, in denen betreute Menschen ihren Lebensmittelpunkt haben, bauordnungsrechtlich Krankenhäusern gleichzustellen. Deshalb wird mit dem Gesetz die Brandenburgische Krankenhaus- und Pflegeheimbauverordnung für den Pflegebereich außer Kraft gesetzt.

Natürlich berücksichtigen wir dabei, dass der in solchen Wohnformen lebende Personenkreis besondere Ansprüche, zum Beispiel einen erhöhten Bedarf im Brandschutz, haben kann. Aber dies bedarf keiner starren Verordnungsregelung, sondern kann im Einzelfall entschieden werden. Das Gesetz bietet diese Möglichkeit, indem es die Aufsichtsbehörde zur Zusammenarbeit mit der Bauaufsicht verpflichtet. Umgekehrt müssen bauaufsichtliche Verfahren, die die Selbstbestimmung, die Wohnqualität und die Betreuung der Bewohnerinnen und Bewohner berühren, unter Beteiligung der zuständigen Aufsichtsbehörde erfolgen. Auch die vom Bauministerium in Aussicht gestellte Richtlinie zur bauaufsichtlichen Einordnung betreuter Wohnformen wird sich an diesen Vorgaben messen lassen müssen. Wir jedenfalls wollen uns intensiv an der Erarbeitung beteiligen. Ich denke, allen Beteiligten ist klar, dass die Anforderungen kleinteiliger Wohnformen berücksichtigt werden müssen.

Zusammenfassend kann ich, glaube ich, sagen: Wir gehen einen wichtigen Schritt in Richtung Normalität für die Menschen, die betreut werden wollen und sollen. Es wird helfen, mehr Teilhabe, mehr Selbstständigkeit und mehr Selbstbestimmung in das Leben und in den Alltag zu bringen. Die Stärkung dieser Fähigkeiten ist die beste Art, ihre Versorgung und Betreuung zu sichern, und wir, die wir als Abgeordnete dieses Gesetz verabschieden, sichern uns auch einen Teil unserer Zukunft. - Vielen Dank.

(Beifall bei SPD und CDU)

Meine Damen und Herren, wer seiner Zukunftssicherung mit der Beschlussempfehlung in der Drucksache 4/7669 zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen.

(Klein [SPD]: Mit Schwierigkeiten!)

Gibt es Gegenstimmen? - Gibt es Enthaltungen? - Dieses Gesetz ist bei einer Reihe von Enthaltungen angenommen.

Ich schließe Tagesordnungspunkt 11 und rufe Tagesordnungspunkt 12 auf:

Kriminalitätsentwicklung im Land Brandenburg seit dem Beitritt osteuropäischer Länder zum SchengenAbkommen und dem damit verbundenen Wegfall systematischer Grenzkontrollen

Große Anfrage 47 der Fraktion der DVU

Drucksache 4/7167

Antwort der Landesregierung

Drucksache 4/7566

Die Debatte beginnt der Abgeordnete Claus für die DVUFraktion.

(Zuruf von der SPD: Was soll der über Kriminalität er- zählen?)

Herr Präsident! Meine Damen! Meine Herren! Unsere Polizei, die unseren besonderen Respekt verdient, steht seit der Grenzöffnung nach Polen vor einer besonderen Herausforderung. Seit dem Wegfall der systematischen Grenzkontrollen am 21. Dezember 2007 insbesondere nach Polen ist nun einige Zeit ins Land gegangen. Deswegen haben wir als DVU die Frage der Kriminalitätsentwicklung seit der Grenzöffnung zum Anlass genommen, von der Landesregierung eine Übersicht zu fordern, wie sich seither die Kriminalität im Land allgemein und speziell in Grenzgemeinden entwickelt hat.

Das Innenministerium hat bei der Beantwortung einige Sorgfalt walten lassen. Deswegen möchte ich mich an dieser Stelle wenigstens bei den sachbearbeitenden Beamten für die gesamte Mühe bedanken.

Wie wir alle wissen, ist die Polizeiliche Kriminalitätsstatistik, gerade was die Entwicklung seit dem Schengen-Beitritt Polens angeht, nur unzureichend aussagekräftig. Im Vorfeld der Grenzöffnung gab es zu Recht landesweit, insbesondere auch bei unserer Polizei, erhebliche Bedenken, ob die Polizei Brandenburg hierauf ausreichend vorbereitet ist. Immerhin können seit dem Wegfall dieser Grenzkontrollen ca. 400 Millionen Menschen ungehindert nach Deutschland auch über die Landesgrenze zu Brandenburg einreisen oder durchreisen.

Zur Sache, zu der Großen Anfrage 47. Zunächst einmal ist festzustellen, dass die Zahl der erfassten Straftaten von 2006 bis 2008 nicht wirklich signifikant gesunken ist, auch wenn man die Übersicht in der Anlage 1 der Antwort der Landesregierung dazu betrachtet. Dabei darf man nämlich nicht außer Acht lassen, dass die Aufklärungsquote im Land Brandenburg insgesamt auf 55 % gesunken ist.

Auch sollte man sich von den Zahlen nichtdeutscher Tatverdächtiger nicht täuschen lassen, denn angesichts des geringen Ausländeranteils in Brandenburg ist deren Anteil im Jahr 2008 von 11,3 % und davon mit 26,7 % in den Grenzgemeinden nach wie vor beachtlich.

Unter den Strafdelikten stechen insbesondere die Diebstahlsdelikte und dort die schweren Fälle hervor. So haben wir bei den einfachen Diebstahltatbeständen seit 2007 keinen Rückgang, sondern einen Anstieg nichtdeutscher Tatverdächtiger von 8,7 % auf 9 %. Insbesondere bei den schweren Fällen ist ein Anstieg von 11,7 % auf 14,2 % von Ausländern schon signifikant. Auch der Ausländeranteil bei den Wohnungseinbrüchen ist seit dem Schengen-Beitritt, und das gerade im Vergleich zur Zeit vor der Grenzöffnung, von 5,9 % im Jahr 2006 auf 6,5 % im Jahr 2007 und dann auf 7,8 % im Jahr 2008 alarmierend. Auch bei den Unterschlagungsdelikten ist ein prozentualer Anstieg im Bereich der Ausländerkriminalität festzustellen.