Protokoll der Sitzung vom 02.07.2009

Drucksache 4/7654

Die Abgeordnete Hackenschmidt eröffnet die Debatte für die SPD-Fraktion.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bin froh, dass dieser Antrag „Moderne Werbung für einen modernen Wirtschaftsstandort“ heute auf der Tagesordnung ist. Wir brauchen

in Brandenburg eine moderne Werbung für diesen, unseren modernen Wirtschaftsstandort. In letzter Zeit hat sich auch die Presse sehr dafür interessiert, aber mit einem anderen Hintergrund; unser Ausstieg aus der Finanzierung des Business Location Centers wird nicht verstanden, aber das macht nichts. Wir wollen ein eigenes System der Standortwerbung, und wir wollen unser Geld effizient einsetzen. Ich finde, das ist richtig. Nicht richtig ist, dass wir diese Standortwerbung aufgeben, sondern wir wollen sie in einer anderen Qualität, die aus unserer Sicht effizienter für Unternehmer ist, die sich für Brandenburg interessieren.

Brandenburg profitiert natürlich von der Bekanntheit und Attraktivität Berlins. Aber Berlin braucht auch Brandenburg, ist auf uns angewiesen, weil hier Industrieflächen sind, aber auch Erholungsräume. Da schlägt mein Herz als tourismuspolitische Sprecherin natürlich höher. Somit sage ich ganz eindeutig: Brandenburg braucht Berlin, aber Berlin braucht auch Brandenburg.

Nach wie vor und auch künftig vermarktet sich die Hauptstadtregion unter dem Slogan Capital Region. Die dazu gehörende Internetseite wird künftig also das Eingangsportal für diese gemeinsame Standortwerbung sein. Brandenburg braucht aber heute und sofort, so schnell wie möglich, bessere Standortinformationen für die Unternehmer. Es braucht dafür, weil wir ein Flächenland sind, andere Lösungen, als es für Berlin mit dieser 3-D-Lösung dieses Modells von Berlin möglich ist. Wir brauchen eine Fülle von Informationen in der Fläche. Die müssen nutzerfreundlich sein. Ich bin mir sicher, dass uns unsere Berliner Kolleginnen und Kollegen verstehen werden, dass wir diese besonderen Anforderungen an ein effizientes Standortinformationssystem entwickeln müssen.

Wir brauchen für die gemeinsame Hauptstadtregion unterschiedliche Varianten. Wir werden die gegenwärtig laufende Konzeptionsphase nutzen, damit im Herbst eine entsprechende Testversion vorhanden ist und diese auch erprobt werden kann.

Ein Standortinformationssystem kostet Geld. Dieses muss aus den entsprechenden Steuermitteln aufgebracht werden. Ich finde, sie sind dafür gut eingesetzt. Wir hatten ja schon häufig die Diskussion, dass wir kleinteilige Wirtschaft haben, KMU; sie brauchen Partner, sie müssen erkannt werden. Aber auch weiche Standortfaktoren müssen dem Unternehmer, der sich auf Brandenburg einlässt, der uns als zukünftigen Investitionsstandort auswählt, zugänglich sein.

Es ist sehr gut, wenn gute und aktuelle - ich betone: aktuelle Informationen angeboten werden; denn nichts ist wichtiger für die Wirtschaft, als immer genau zu wissen, was aktuell los ist.

Deshalb stellen wir folgende Anforderungen: eine gemeinsame Standortinformation für die Hauptstadtregion unter dem Dach www.capital-region.de, Einbeziehung vorhandener dezentraler Datenquellen. Das wurde heute auch schon in der Diskussion zu einem anderen Thema deutlich: Es gibt entsprechende Daten. Diese müssen gesichert werden, müssen für die entsprechenden Nutzer, die diese Daten brauchen, aber auch zugänglich sein.

Ich fahre mit der Aufzählung der Anforderungen fort: Zusammenarbeit mit dem Landesbetrieb für Landesvermessung Geobasisdaten sind für alle vorhanden -, Nutzung von Unter

nehmensdatenbanken in allen Wirtschaftsfördergesellschaften. In den Landkreisen, in verschiedenen Verbänden gibt es diese Datenbanken. Wir brauchen unbedingt Fachkräfteinformationen. Das wird die Basis für unternehmerischen Erfolg sein. Nicht umsonst machen wir uns für Berufsorientierung stark. In der nächsten Woche werden wir zusammen mit der IHK im Landkreis Elbe-Elster Berufsinformationsterminals aufstellen, damit die jungen Leute auch gleich wissen, welche Chancen sie in der Region haben; denn das ist ja auch eine Situation von Geben und Nehmen.

Ich fahre in meiner Aufzählung fort: Eine Schuldatenbank, Internetangebote von Landkreisen und Kommunen gehören dazu. Dadurch wird der Nutzungsgrad der betreffenden Datenbanken, die ja auch Geld gekostet haben, aber nicht entsprechend effizient genutzt werden, erhöht.

Das Nächste ist die Einbeziehung unternehmerischen Knowhows aus der Region. Wir haben sehr gute Unternehmensnetzwerke gerade in der Geobasisinformation. GEOkomm-networks, das bisher nicht einbezogen worden ist, muss dringend einbezogen werden; denn das ist hervorragendes Wissen, das zur Nutzung vorhanden ist.

Als Letztes nenne ich die Prüfung, ob das Portal für den Einheitlichen Ansprechpartner perspektivisch an das Standortinformationssystem gekoppelt werden könnte. Die Zukunft in Brandenburg benötigt eine stärkere Vernetzung. Wir sind gar nicht so schlecht, wie es sich nach außen manchmal darstellt.

(Schulze [SPD]: Wir sind schlecht in der Außenwahrneh- mung!)

- Ja, wir sind besser als die Außenwahrnehmung. Da sollten wir etwas tun.

Ich wünsche mir, dass wir mit einer solchen modernen Werbung deutlich machen, wie toll wir eigentlich sind, und dass wir mit Berlin auch einen starken Partner an der Seite haben. Danke schön.

(Beifall bei der SPD)

Der Abgeordnete Christoffers setzt für die Linksfraktion fort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe Frau Kollegin Hackenschmidt, das ist ein typisches Beispiel dafür, dass sich alle brauchen, dass sie aber nicht richtig zusammenkommen.

Was ist in der öffentlichen Debatte der letzten Zeit eigentlich passiert? Es ist in den letzten Jahren nicht gelungen, eine gemeinsame Wirtschaftsfördergesellschaft mit Berlin zu gründen. Ich muss ganz deutlich sagen: Das lag nicht am Land Brandenburg, sondern das lag schlicht und ergreifend erstens ein Stück weit am politischen Willen und zweitens daran, dass die Wirtschaftsfördergesellschaften beider Länder eine völlig unterschiedliche Struktur haben. Berlin Partner ist zum größten Teil privat organisiert; die Gesellschafteranteile bei der hiesigen ZAB sind bekannt. Unabhängig davon bleibt es eine zen

trale Aufgabe für die nächste Legislaturperiode, hier weitere Schritte zu unternehmen, um Wirtschaftsförderung innerhalb der Region tatsächlich zusammenzuführen.

Als ich den Antrag gelesen habe, habe ich mich etwas gewundert, wenn ich das so ehrlich sagen darf; denn soweit mir bekannt ist, gab es gerade in der letzten Zeit eine Reihe von Gesprächen mit Institutionen und auch mit den Wirtschaftsförderern in Berlin, die genau einen solchen Vorschlag bereits zum Gegenstand hatten. Trotzdem wird meine Fraktion dem vorliegenden Antrag selbstverständlich zustimmen, denn wir können nur über einen gemeinsamen Auftritt für die Region tatsächlich werben. Wenn das auf den ersten Zugriff über PLC, also über Location Center, nicht möglich ist, dann sollten wir diesen Weg gehen und das Dach, das es bereits gibt - es ist ja geschaltet -, gemeinsam mit Berlin ausbauen und mit Verweisen auf die unterschiedliche Situation in beiden Ländern trotzdem einen gemeinsamen Internetauftritt für die Wirtschaftswerbung für die Region Berlin-Brandenburg realisieren. - Vielen Dank.

(Beifall bei der Fraktion DIE LINKE und vereinzelt bei der SPD)

Der Abgeordnete Karney spricht für die CDU-Fraktion.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Klappern gehört zum Handwerk. Da ich aus dem Handwerk komme, kenne ich diese Weisheit und verfechte sie auch.

Brandenburgische Unternehmen und ihre Produkte und Leistungen genießen einen guten Ruf, und zwar zum Teil weltweit. Durch die Aktivitäten der ZukunftsAgentur Brandenburg in den letzten Jahren konnte das Image stark verbessert werden. Dabei stießen die Standortvorteile des Wirtschaftsraumes Berlin-Brandenburg bei potenziellen Investoren auf großes Interesse. Das beweist auch die Zahl der geförderten Projekte, die die ZAB in ihrem Jahresbericht 2008 veröffentlichte. Demnach wurden über 1 000 Investitionsvorhaben gefördert, die ein Volumen von ca. 1 Milliarde Euro haben. Mit diesen Maßnahmen wurden mehr als 3 200 Arbeitsplätze zugesagt.

Nebenher belegen diese Fakten auch, dass die Umstellung der Wirtschaftspolitik durch Minister Junghanns der richtige Weg hin zu einer stabilen und zukunftssicheren Wirtschaftspolitik war.

So groß wie Belgien, mehr Einwohner als Dänemark und Norwegen oder Finnland, ein höheres Exportvolumen als Irland und die längste gemeinsame Grenze zum EU-Nachbarn Polen das ist Deutschlands Hauptstadtregion Berlin-Brandenburg. Mit diesen Worten wirbt unsere Hauptstadtregion auf den Internetseiten des „Capital Region“-Portals für diesen Wirtschaftsstandort. Maßgeblich getragen wird diese Kampagne von der brandenburgischen ZAB und von Berlin Partner, der Wirtschaftsfördergesellschaft von Berlin.

Leider ist eine sinnvolle Fusion beider Gesellschaften am Regierenden Bürgermeister von Berlin gescheitert. Dies sollten wir hier im Lande zur Kenntnis nehmen und uns bei Gelegenheit daran erinnern. Mit dieser Absage durch Berlin ist ein Pro

jekt abgeblasen worden, das zukunftsfähig und wichtig für eine sich selbst tragende Wirtschaftsstruktur in der Region BerlinBrandenburg ist. - Im Umkehrschluss sehen wir daran, dass der jetzige Berliner Senat eher auf sich und seine Nabelschau bedacht ist und wenig bis gar nichts von zukunftsfähigen Strukturen hält. Auch daran sollte man sich immer wieder erinnern.

Der vorliegende Antrag ist eine Reaktion auf die Absage von vor mehr als zwei Jahren. Wenn eine solche Fusion der Wirtschaftsfördergesellschaften vollzogen wäre, dann würden wir heute über dieses Thema nicht in der Form sprechen.

Was wollen wir? Wir wollen ein elektronisches Portal zur Standortwerbung und Bestandssicherung. Dafür sind für uns folgende Punkte wichtig:

Erstens: Das Portal soll über eine zentrale Einstiegsseite und über ein gemeinsames Layout mit dem Standortportal für Berlin verbunden sein und auf gemeinsame Projekte, Strategien, Netzwerke und Aktivitäten der Länder Berlin und Brandenburg verweisen.

Zweitens: Das Portal soll auf den Geobasisdaten basieren, die Standorteigenschaften flächendeckend für ganz Brandenburg abbilden.

Drittens soll das Portal über Schwerpunktbranchen, regionale Wirtschaftswachstumskerne und wichtige Branchennetzwerke in Brandenburg informieren.

Viertens soll das Portal mit weiteren Informationsangeboten wie dem Einheitlichen Ansprechpartner, Gewerbe- und Industrieflächenpools, dem BBI-Ansiedlungsbüro und ähnlichen Internetseiten verlinkt werden.

Wir hoffen zum einen, dass wir mit einem solchen Internetportal die Arbeit der Wirtschaftsförderung im gemeinsamen Land Berlin-Brandenburg weiter unterstützen können. Zum anderen soll das Portal dazu dienen, die relevanten Informationen für potenzielle Investoren und einheimische Unternehmen zu bündeln und bedarfsgerecht aufzuarbeiten.

Meine Damen und Herren, in der heutigen Zeit der Globalisierung stehen wir im Wettbewerb mit anderen Hauptstadtregionen. Deshalb müssen wir uns von den anderen abheben bzw. unsere Standortvorteile aktiver präsentieren. Mit einem solchen Schritt können wir viel für unsere ansässigen Unternehmen tun und weitere Menschen für unsere Region gewinnen, die hier investieren und auch hier leben wollen.

Wir dürfen nicht nur einfach für unsere Ideen und unser Land klappern, sondern dies auch laut und auf verschiedenen Ebenen tun. Damit können wir wirtschaftliches Wachstum schaffen, Arbeitsplätze sichern und die Grundlagen für einen sozialen Wohlstand im Land weiter erhalten, kurzum: einen klaren Kurs für Brandenburg fahren. - Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU und vereinzelt bei der SPD)

Die Abgeordnete Hesselbarth spricht für die DVU-Fraktion.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Unser Land braucht nicht nur Werbung für einen modernen Wirtschaftsstandort; unser Land braucht endlich eine Regierung, die auch in der Lage ist, das ganze Ausmaß der derzeitigen Situation in Brandenburg zu erkennen und die richtigen Schlussfolgerungen zu ziehen.

Der vorliegende Antrag ist nichts weiter als ein Alibi-Antrag, Frau Hackenschmidt, der Koalitionsfraktionen.

Niemand wird sich ernsthaft dafür aussprechen, keine Werbung für sein Land bzw. Bundesland zu betreiben. Selbstverständlich ist es notwendig, Werbung für den Wirtschaftsstandort Brandenburg zu betreiben und natürlich angesichts der geografischen Lage inklusive einer Vernetzung sämtlicher Aktivitäten mit dem Land Berlin.

Viel leichter ließe sich Werbung für unseren Wirtschaftsstandort machen, hätten es die bisherigen Regierungen in Land und Bund geschafft, wirklich gute Rahmenbedingungen für die Wirtschaft zu schaffen. Aber man ist in den letzten Jahren trotz gegenteiliger Beteuerungen keinen Schritt weitergekommen. Die Auswirkungen sind überall und besonders außerhalb des engeren Verflechtungsraumes sichtbar und auch spürbar.

Sichtbarer Ausdruck dessen ist, dass die Kernarbeitslosenzahl selbst in den Jahren mit etwas besserer Konjunktur nicht gesenkt werden konnte - und das trotz weiterer massenhafter Abwanderung von insbesondere jungen Menschen, die hier in Brandenburg keine Perspektive mehr sehen. Sie können ein noch so modernes elektronisches Portal zur Standortwerbung installieren, es wird Ihnen nicht helfen, wenn Sie es nicht schaffen, endlich die notwendigen Bedingungen für eine Ansiedlung von Großunternehmen sowie mittelständischen Unternehmen zu schaffen.

Wie sieht es denn aus? Die Finanzen sind in einem so schlechten Zustand, dass sie nur noch als schlechtes Beispiel dienen können. Die sozialen Sicherungssysteme bewegen sich auf den Kollaps zu. Das Bildungssystem bringt immer schlechtere Qualität hervor. Die Unternehmen versinken in staatlichen Regulierungen. Kleine und mittlere Betriebe bekommen immer häufiger Probleme mit der Finanzierung.

Natürlich macht Brandenburg noch eine ganz andere Entwicklung zu schaffen, die auch kein elektronisches Portal zur Standortsicherung wettmachen kann. Das ist die Möglichkeit, das geplante Unternehmen gleich einige Kilometer weiter östlich oder südöstlich in Europa zu errichten. Deutsche Steuerzahler sichern nämlich dank EU-Beitritt in diesen Ländern Niedrigsteuersätze. Auch wenn Brandenburg unter www.capital-region.de mit günstigeren Arbeitskosten wirbt, so wird es doch wohl mit denen in Tschechien: 7,39 Euro, in Polen: 5,90 Euro, in Bulgarien: 1,80 Euro nicht mithalten können.

Auch sollte man noch einmal über eine verstärkte Vernetzung mit dem Bund nachdenken, denn ein Investor interessiert sich zunächst für den Staat, in dem er investieren möchte. Ein Investor aus Brasilien wird sich zuerst über die Bedingungen in Deutschland informieren, bevor er sich bei www.capital-region.de einloggt.