Protokoll der Sitzung vom 02.07.2009

Eine weitere Forderung aus dem Katalog ist das „Studienhonorar“. Demnach soll jeder Student, damit er unbegrenzt und unabhängig von den Eltern studieren kann, ein Studienhonorar erhalten. Man zielt also nicht auf eine BAföG-Verbesserung im Sinne einer erweiterten sozialen Komponente, sondern auf ein unbegrenzt zu gewährendes Studienhonorar.

Frau Geywitz hat schon erklärt, was von dem Begriff „Zwangsexmatrikulation“ zu halten ist. Ich mache das höchst selten. Die Älteren unter Ihnen erinnern sich vielleicht, wie das zu DDR-Zeiten war.

(Zuruf der Abgeordneten Kaiser [DIE LINKE])

- Frau Kaiser, lassen Sie mich bitte ausreden. - Zu DDR-Zeiten war es so - als Erklärung für alle, die aus den alten Bundesländern stammen -: Man hat studiert, und wenn man eine Prüfung nicht bestanden hatte, gab es die Möglichkeit einer Nachprüfung. Wenn man die vergeigt hat, konnte man nicht weiterstudieren, auch kein anderes Studienfach. Heute haben wir ein moderates...

(Zurufe von der Fraktion DIE LINKE)

- Vielleicht konnte man auch zwei Nachprüfungen machen, aber danach war man erledigt.

Das von Ihnen verwendete Vokabular „Zwangsexmatrikulation“ ist eigentlich eine Unverschämtheit und suggeriert etwas Falsches. Es ist lediglich festgelegt, dass es irgendwann eine Grenze gibt, wenn jemand durch eine Prüfung fällt und die Fristen versäumt. Dann muss demjenigen klar sein, dass er nicht noch weitere zehn Jahre studieren kann. Ich finde, unendlich zu studieren ist kein Menschenrecht.

Was heißt hier Umsteuern? Ich sehe bei Ihnen überhaupt keine Linie. In Ihrem Wahlprogramm vernehme ich einerseits eine ständige Miesmacherei und andererseits einen Zickzackkurs durch die Tagespolitik, je nachdem, wie es gerade opportun ist. Wohin Sie wollen, weiß ich nicht. Ich möchte zwei Punkte nennen, die immer wieder angesprochen werden und auch in der Begründung für die Aktuelle Stunde eine Rolle spielen.

Erster Punkt ist die Chancengerechtigkeit. Dazu heißt es, dass durch die Gesetzgebung in Brandenburg Chancengerechtigkeit vertan bzw. abgeschwächt worden sei. Betrachten wir einmal die letzte BAföG-Novelle. Sie hat zur Folge, dass wir im nächsten Jahr in Brandenburg schätzungsweise 22 Millionen Euro zu zahlen haben. Das bedeutet zum Beispiel, dass ein Brandenburger Jugendlicher, der BAföG-berechtigt ist und in Frankreich oder Spanien studieren will, jetzt im Gegensatz zu vor fünf oder sieben Jahren das komplette Studium dort sowie die Hälfte der Reisekosten bezahlt bekommt. Wenn er sich ein Land aussucht, in dem es Studiengebühren gibt, bezahlt ihm diese unser Staat. Das ist doch eine Chance, die es vorher nicht gab.

Dass viele nicht studieren, liegt nicht in allererster Linie an den Finanzen, sondern zum Beispiel auch daran, dass die Eltern ihre Kinder weniger auf ein Studium orientieren. Das ist in gewissen sozialen Schichten so. Deswegen ist die von uns getroffene Regelung, dass jemand, wenn er einen Beruf erlernt hat und zwei Jahre lang darin gut war, anschließend studieren kann, ein richtiger Schritt auf dem Weg zur Chancengerechtigkeit. Das macht sonst niemand in Deutschland, nur wir. Aber Sie können das nicht honorieren, sondern für Sie ist alles immer nur schlimm.

Oder schauen wir uns die strukturierte Eingangsphase an oder auch die Chancen für Frauen. Die Chancen für Frauen sind mir wichtig. Bei allen Qualifikationsstufen, ob Mitarbeiter oder

Professoren, liegt Brandenburg über dem Bundesdurchschnitt, und zwar in sämtlichen Studienfächern. Bei diesen Ergebnissen kann man doch nicht sagen, dass alles ungerecht ist und die Chancen beschnitten werden. Nein, wir haben bewusst und klug überlegt. Was die Chancengerechtigkeit im Hochschulbereich betrifft, haben wir wirklich eine Menge vorzuweisen.

(Zurufe von der Fraktion DIE LINKE)

Der zweite Punkt ist die Qualität der Lehre. Darum muss man sich bemühen. Das ist in Deutschland wirklich ein Problem. Das möchte ich überhaupt nicht wegreden. Wir haben jetzt mehr Personal eingestellt. An der Uni Potsdam gab es in der Legislaturperiode 20 % mehr Personal, die studentischen und wissenschaftlichen Hilfskräfte sowie das Drittmittel-Personal nicht eingerechnet. Wir haben in dem Gesetz, das hier im Landtag beschlossen wurde, ein verbindliches Mentorenprogramm festgelegt. Wer jetzt zu studieren beginnt, bekommt einen Professor oder wissenschaftlichen Mitarbeiter als persönlichen Ansprechpartner an die Seite gestellt. Wie war Ihre Reaktion darauf? - Das geht nur, wenn die Professoren mehr Geld bekommen. - Das geht in anderen Ländern auch, und bei uns ist es jetzt verpflichtend.

Oder betrachten wir die Empfehlung des Wissenschaftsrates, Lehrprofessoren einzustellen, um die Qualität der Lehre zu verbessern. Ihre Antwort lautete: Teufelszeug! Auf keinen Fall! - Sie erwähnen das Hochschuldidaktische Zentrum als Anregung Ihrer Partei - worüber ich laut lachen musste. Ich wollte das gemeinsam mit Berlin auf den Weg bringen, aufgrund der Größe der dortigen Universitäten und der vorhandenen hohen pädagogischen Kompetenz. Leider hat Rot-Rot das nicht gewollt. Deswegen haben wir das jetzt allein in Brandenburg installiert.

Oder nehmen wir die Betreuungsrelation. Schauen Sie doch einmal in die Tabellen der bundesweiten Vergleiche. Im Fachhochschulbereich sind wir auf dem 4. Platz. Wir sind eines der besten Länder. Die Relation, die man aus den Tabellen ablesen kann, kommt durch das in den Haushaltsplänen verankerte Personal zustande. Wir haben den Hochschulen 16 Millionen Euro, die wir vom Bund erhalten haben, gegeben, damit diese zusätzliches Personal einstellen können, ohne dass das kapazitätswirksam ist - das ist ganz entscheidend.

Meine Damen und Herren, Sie schreiben am Ende Ihrer Bemerkungen zur Aktuellen Stunde, dass Sie Probleme benennen wollen - die wir nun gehört haben - und skizzieren wollen, wie man weiterzumarschieren hat. Ich kann in Ihren Äußerungen jedoch nur eines erkennen - und das verdient nicht einmal den Namen Skizze -: die Forderung nach mehr Geld. - So können wir unser Bildungssystem nicht qualifizieren. - Danke schön.

(Beifall bei CDU und SPD)

Meine Damen und Herren, ich muss unsere Gäste befördern. Mir ist inzwischen gesagt worden, dass sie nicht von einer Grundschule, sondern von einem Gymnasium kommen. Viel Erfolg dabei!

Das Wort erhält noch einmal die Fraktion DIE LINKE. Frau Große, bitte.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich denke, wir haben mit dem Thema dieser Aktuellen Stunde einen guten Griff getan. Das ist auch bescheinigt worden. Frau Ministerin Prof. Wanka, ich frage mich ernsthaft, ob Sie hier auch als CDU-Vorsitzende agiert haben. Sie werfen uns vor, dass unsere Forderungen immer nur mit Finanzen zu tun haben. Irgendetwas kann doch daran nicht stimmen, denn das, was Sie wollen, kostet letztendlich 980 Millionen Euro; dagegen wirken wir fast bescheiden.

(Beifall bei der Fraktion DIE LINKE - Ministerin Prof. Dr. Wanka: Ich kann rechnen!)

- Wir haben auch gerechnet.

(Ministerin Prof. Dr. Wanka: Aber falsch!)

Wenn Sie in Ihrem Kreis den geforderten Kita-Schlüssel schon eingeführt haben, dann sage ich: Glückwunsch! - Sie haben sich genau diesen Forderungen gestellt, und darin besteht doch wieder das Verbindende, das alle hier im Raum erkannt haben.

Sie haben unser Wahlprogramm zu propagieren versucht, dabei aber bezogen auf die Hochschulpolitik entscheidende Dinge weggelassen: soziales Studium, soziale Hochschule. Hierbei sind unsere Forderungen möglicherweise ein Stück weitergehend, aber das gehört sich auch so für eine Linkspartei. Zur Qualität der Lehre haben Sie selber eingeräumt, dass es Defizite gibt. Die Demokratie an der Hochschule ist ein Punkt in unserem Wahlprogramm, ebenso die Freiheit von Forschung und Lehre. Auch hier haben Sie erheblichen Handlungsbedarf eingestanden. Wir haben uns in unserem Programm zum Hochschulzugang geäußert. - Insofern sollten Sie erst einmal richtig lesen, was wir geschrieben haben, und nicht von einer Fünfminutenrede ausgehend sagen: Sie haben kein Konzept.

Jetzt möchte ich noch Folgendes sagen: Ich bin heute mit dem Auto auf der A 10 bei Wolfslake unterwegs gewesen. Diese Autobahn ist mir noch nie irgendwo als marode oder kaputt aufgefallen. Dennoch gibt es dort jetzt über mehrere Kilometer eine Baustelle. Ich hätte mir gewünscht, dass wir die Mittel, die in diese Autobahn gesteckt werden, hier hätten.

(Unmut bei SPD und CDU sowie Beifall bei der Fraktion DIE LINKE)

Hätten wir doch endlich eine Debatte darüber, dass Bildungsausgaben keine konsumtiven, sondern investive Ausgaben sind! Weil ich mit Ihnen eben nicht nur über Geld debattieren möchte und unser Programm auch gar nicht so aufgebaut ist, dass wir immer nur mehr Geld fordern, nenne ich Ihnen noch ein Beispiel:

(Zuruf des Abgeordneten Schippel [SPD])

- Herr Schippel, jetzt hören Sie mir doch einmal zu. - In den Kindertagesstätten gibt es ein wunderbares Bildungsprogramm: Die Erzieherinnen und Erzieher müssen die Entwicklung jedes Kindes dokumentieren und Portfolios für jedes Kind anlegen. Das ist eine wunderbare Geschichte. Und wissen Sie, was dann passiert? Diese Portfolios will keiner haben, weder die Schule noch die Schulärzte, die die Kinder unter

suchen. Wir müssen doch dahin kommen, dass die schönen Maßnahmen, die Sie oder wir eingeleitet haben, greifen, um mehr Qualität zu erreichen. Und das kostet überhaupt kein Geld. Es gibt viele solcher Ansätze, über die wir in der nächsten Legislaturperiode miteinander noch zu reden haben. Nicht alle sind mit Geld verbunden.

Erst einmal wünsche ich den Lehrerinnen und Lehrern sowie natürlich den Schülerinnen und Schülern, dass sie gut über den Sommer kommen, dass sie schöne Ferien haben und dass sie richtig wählen, letztendlich so, dass es der Bildung in der nächsten Legislaturperiode besser geht und die Bilanz dann eine wirklich gute Bilanz wird.

(Beifall bei der Fraktion DIE LINKE)

Wünscht die CDU-Fraktion noch einmal das Wort dazu? - Bitte sehr.

Frau Kollegin Große, Sie haben gerade von einem wichtigen Thema gesprochen, von den Portfolios. Das möchte ich aufgreifen. Ich weiß nicht, wo Sie so unterwegs sind. Aber wenn ich in den Kindertagesstätten unterwegs bin, dann sehe ich immer freudestrahlende Erzieherinnenaugen, die mir von diesen Heftern berichten und die sagen: Natürlich schauen die Eltern da hinein, und natürlich gehen auch die Kinder da hin, um einmal zu schauen, was für ein Bild sie vor einem Jahr gemalt und was sie mittlerweile dazugelernt haben.

Sie sollten einfach die Dinge so akzeptieren, wie sie sind, und vielleicht nicht alles verallgemeinern. Frau Große, Sie sind ja eine engagierte Vertreterin der Bildungspolitik. Sie sollten es aber an dieser Stelle nicht immer nur Ihrer Partei recht machen, sondern vielleicht auch einmal für die Dinge eintreten, die wir gemeinsam angehen wollen. Das wäre einmal ein guter Ansatz in diesem Landtag.

Ich bin schon ein wenig erstaunt darüber, dass Kollege Rupprecht an dieser Stelle den Wahlkampf einläuten möchte, indem er uns vorwirft, wir hätten ungedeckte Schecks ausgestellt. Deswegen möchte ich deutlich machen: Als wir vor knapp anderthalb Jahren als CDU darauf hingewiesen haben, dass wir für die Schule im ländlichen Raum Lösungen finden müssen, um das Schulnetz nicht weiter auszudünnen, haben Sie, Herr Rupprecht, gesagt: Mit mir nicht, mit mir gibt es keine Ausnahmen. - Wir haben heute diese Ausnahmen gemeinsam in der Koalition beschlossen. Deswegen habe ich eine große Bitte. Nehmen Sie bitte Folgendes zur Kenntnis: Wenn wir als CDU Vorschläge machen, dann werden wir uns mit Sicherheit etwas dabei gedacht haben, auch finanziell.

(Zurufe von der Fraktion DIE LINKE)

Dann sollten wir bzw. Sie überlegen, ob das, was Sie auf dem Parteitag - Quelle: SPD-Finanzministerium - vorgelegt haben, inhaltlich richtig war. Wenn Sie sagen: „Das, was die CDU will, ist inhaltlich richtig“, dann können Sie nicht einfach nur sagen: Es ist falsch, weil es finanziell nicht zu machen ist. Dann lassen Sie uns über diesen Weg reden. Ich glaube, wir können Ihnen auch die Finanzierungsmöglichkeiten zeigen.

Aber das alles ist eine große Aufgabe für die nächsten fünf Jahre, und das werden wir gemeinsam in dieser Form voranbringen.

(Beifall bei der CDU)

Meine Damen und Herren, die DVU-Fraktion hat keinen zusätzlichen Redebedarf signalisiert. Wir sind damit am Ende der Debatte zur Aktuellen Stunde angekommen.

Ich schließe Tagesordnungspunkt 1 und rufe Tagesordnungspunkt 2 auf:

Fragestunde

Drucksache 4/7691 Drucksache 4/7743 Drucksache 4/7745

Wir beginnen mit der Dringlichen Anfrage 67 (Vierte Klassen Carl-Anwandter-Grundschule Calau), die die Abgeordnete Schier stellen wird.

Am Freitag vergangener Woche haben besorgte Eltern der Grundschule in Calau darüber informiert, dass die bestehenden drei 4. Klassen im kommenden Schuljahr zu zwei 5. Klassen zusammengelegt werden sollen, da die Gesamtschülerzahl sich von 60 auf aller Voraussicht nach auf 57 reduzieren wird.

Ich frage die Landesregierung: Wie bewertet sie diesen Fall und vergleichbare Fälle im Land vor dem Hintergrund des Bestands- und Vertrauensschutzes für Eltern, Lehrer und Kinder?

Herr Minister Rupprecht antwortet.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Sehr geehrte Frau Schier, derzeit werden in den drei 4. Klassen der Calauer Grundschule 60 Schülerinnen und Schüler unterrichtet. Mit Beginn des neuen Schuljahres werden drei Schülerinnen und Schüler in eine LuBK wechseln, und ein Schüler wird aufgrund des Umzugs der Eltern die Schule verlassen, sodass mit Beginn des Schuljahres 56 Schülerinnen und Schüler die Jahrgangsstufe 5 dieser Grundschule besuchen werden.