Protokoll der Sitzung vom 20.01.2005

Das Wort geht noch einmal an die PDS-Fraktion. Herr Sarrach, bitte.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Nach den notwendigen aufklärerischen Worten meines Fraktionskollegen Krause, aber auch nach den Worten von Frau Kollegin Stark möchte ich etwas zu den rechtlichen Aspekten des Themas sagen. Ich schicke voran: Wer hier aufklärt, ist auf keinen Fall ein Populist oder ein Verharmloser! Das Gebot, nicht zu verharmlosen, ist allerdings in zweifacher Hinsicht zu beachten:

Erstens: Sie werden in unseren Reihen niemanden finden, der jugendlichen Drogenkonsum ausdrücklich wünscht oder begrüßt.

Zweitens: Wir müssen uns jedoch darüber im Klaren sein, dass es sich beim Strafrecht um die schärfste Waffe des Staates handelt, die er nur dann einsetzen soll, wenn andere Mittel versagt haben. Schon gar nicht ist das Strafrecht dann zu gebrauchen, wenn es selber als Mittel gänzlich untauglich ist.

(Beifall bei der PDS)

An dieser Stelle setzt meine Kritik an der CDU an. Ich habe auch hier das Gefühl, dass sich manche in der CDU daran berauschen, der Staat zu sein und dessen Machtfülle und sein Gewaltmonopol für ihre Interessen einzusetzen.

(Zuruf von der PDS: Kein Recht auf Rausch!)

Denn von der CDU kommen in diesem Zusammenhang regelmäßig nur Beiträge zur Strafverschärfung und zur Kriminalisierung. Vorgetragen werden solche Forderungen von Protago

nisten wie den Herren Senftleben und Petke, denen ich persönlich die Mittel des Rechtsstaates gerade nicht überantwortet wissen möchte,

(Beifall bei der PDS - Minister Schönbohm: Aber Herrn Vietze?)

sind doch gerade sie, stellvertretend für die CDU, durch ein gestörtes Verhältnis zur Unabhängigkeit der Gerichte und zum Rechtsstaat aufgefallen

(Frau Funck [CDU]: Und das aus dem Munde der PDS!)

und wurden von einem Gerichtspräsidenten angezeigt, weil sie einen Richter und damit das gesamte Schöffengericht angegriffen haben, das zulässigerweise Sachverständige zur Gefährlichkeit von Cannabis zur Anhörung im Rahmen eines Strafverfahrens eingeladen hatte.

Die CDU-Rezepte lösen das gesellschaftliche Problem nicht. Es bleibt Heuchelei, wenn es einem darum geht, die Sucht und nicht den Süchtigen zu bekämpfen.

Die so genannte Drogenkriminalität ist klassisch ein hausgemachtes Problem. Schon der Begriff „Drogenkriminalität“ ist denkbar unscharf. Durch die strafrechtliche Stigmatisierung spezifischer Verhaltensweisen wurde überhaupt erst eine Kriminalitätsform mit einer uferlosen Ausdehnung geschaffen. Diese steckt hinsichtlich der repressiven Reaktion des Staates mit dem Betäubungsmittelgesetz im Vergleich relativ harmlose Suchtmittel wie Cannabis in eine Kategorie mit Opiaten und chemischen Substanzen. Das erschwert aufklärende Gespräche mit jungen Menschen. Die Kriminalisierung verhindert auch das freie Reden über Probierverhalten in der Schule oder zu Hause. Probiert wird trotzdem, heimlich eben, und dann verdrängt.

Der Alkohol- und Nikotinkonsum dagegen bleibt oft mit Traditionsargumenten und unter Bemühung des Bundesverfassungsgerichts unangetastet. Hierin muss unter rechtsstaatlichen Gesichtspunkten - im Zweifel auch im Gegensatz zum Verfassungsgericht - ein rechtlicher Wertungswiderspruch und eine juristisch wie politisch fragwürdige Ungleichbehandlung gesehen werden. Im Bewusstsein vieler Menschen gelten legale Drogen, da erlaubt, als gut und weniger gefährlich; illegale Drogen dagegen seien nicht ohne Grund verboten, also schlecht und gefährlich. Die Wirklichkeit sieht anders aus. Nikotin und Alkohol schaden der Volksgesundheit mehr als alle illegalen Drogen zusammen!

Weiterhin bedingen die Gesetzmäßigkeiten des kapitalistischen Marktes, dass ein kriminalisierter Konsum eine diesem gemäße illegale Angebotsstruktur entwickelt. Dealer leben von der Illegalität der Substanzen. Dieses illegale Angebot wird dann in seiner täglichen Erscheinungsform, vor allem durch die Verbindung mit anderen strafrechtlich relevanten Verhaltensweisen, insbesondere in Gewaltanwendung und Eigentumsdelikten, freilich zu einem ernst zu nehmenden Problem - keine neue Wahrnehmung!

Es bleibt dabei: Ein verfehltes politisch-gesetzgeberisches Handeln schafft, frei nach einer Volksweisheit, Gelegenheit, und diese macht folgerichtig Kriminalität. Dabei bleibt nicht verborgen, dass die augenscheinliche Schwerpunktsetzung auf die Drogenkriminalität benutzt wird, um sicherheitspolitisch

weitergehende konservative Interessen zu verfolgen - eine ebenfalls bekannte rechtspolitische Tendenz!

Dabei kann sinnvollerweise bei ernsthafter Betrachtung die wichtige Aufgabe der gesundheitsrelevanten Suchtbekämpfung nur im Interesse der Menschen, und zwar hinsichtlich aller Erscheinungsformen, gefordert werden. Die Möglichkeiten einer kompetenten und abgestimmten umfassenden Politik und gesellschaftlichen Praxis zur Suchtbekämpfung sind daher auszuschöpfen. Hierfür reicht im Gegensatz zur Auffassung der CDU das rechtspolitische Instrumentarium von Entkriminalisierung bis hin zur landespolitischen Nutzung der ohnehin viel zu spät geschaffenen Möglichkeit einer kontrollierten Abgabe in so genannten Druckräumen oder Fixerstuben.

Die Haltung der Landesregierung hierzu ist daher revisionsbedürftig. Der Beitrag des Kollegen Petke war ein Beitrag zur Ausgrenzung von kranken Menschen, von süchtigen Menschen, wenn er hier argumentiert, unter welchen Bedingungen in einem Wohngebiet keine Fixerstube zulässig ist. Die gleichen Argumente taugen auch, um zu verhindern, dass dort ein Obdachlosenheim oder ein Asylbewerberheim errichtet wird.

(Beifall bei der PDS - Widerspruch bei der CDU)

Kurzum, Rechtspolitik vermag Sozial- und Gesundheitspolitik nicht zu verdrängen.

(Zuruf von der CDU)

Ich danke Ihnen.

(Beifall bei der PDS)

Das Wort erhält noch einmal die Landesregierung. Sie hätten noch eine Minute innerhalb der normalen Redezeit. Sollten Sie länger benötigen, ist das Ihr gutes Recht. Das wird dann bei den anderen auch berücksichtigt.

Nein, ich möchte Herrn Sarrach nicht noch einmal hören. Ich möchte nur Folgendes sagen: Ihre Formulierungen, Herr Sarrach, sind deswegen schwer erträglich, weil Sie Dinge miteinander vermischen, die überhaupt nichts miteinander zu tun haben. Ich möchte Sie wirklich bitten, sich um die Sache zu kümmern, um die es geht. Es geht um die Bekämpfung des Drogenmissbrauchs, darum, wie wir Menschen helfen können, die in Not geraten. Sie sprechen von kapitalistischer Gesellschaft und anderen Dingen. Das hat hiermit überhaupt nichts zu tun,

(Beifall bei der CDU - Widerspruch bei der PDS)

es sei denn, Sie sagen: Es war in der DDR so schön, weil dort der Drogenhandel geringer war.

(Jürgens [PDS]: Jede Nachfrage schafft ein Angebot! - Weitere Zurufe von der PDS)

Als nächstes erhält Herr Petke das Wort. Bitte, sehr.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Debatte hat offenkundig gezeigt, dass die Kollegen der PDSFraktion sich in ideologischen Schützengräben befinden

(Beifall bei der CDU - Lachen bei der PDS)

und nicht bereit sind, die Realität in Brandenburg, die teilweise schlimm und bedrückend ist, zur Kenntnis zu nehmen.

Ja, ich bekenne mich für unsere Fraktion dazu: Es ist konservativ, wenn es unser Ziel ist, den Menschen, den Jugendlichen, den Kindern in Brandenburg ein drogenfreies Leben zu ermöglichen.

(Beifall bei der CDU - Zuruf von der PDS: Und weiter? - Weitere Zurufe von der PDS)

Wir werden nicht nachlassen, um das Ziel zu erreichen, dass Eltern, deren Kinder in die Schule gehen oder die Disco besuchen, sicher sein können, dass keine Drogen im Spiel sind.

(Frau Kaiser-Nicht [PDS]: Dann verbieten Sie Zigaretten und den Alkohol! - Das ist doch absurd!)

Dazu gibt es eine ganz klare staatliche Verpflichtung. Wir werden nicht tatenlos zusehen, wenn unsere Jugend Gefahren ausgesetzt ist, weil Kriminelle auf Kosten der Gesundheit unserer Jugendlichen Profit machen wollen. Hier muss und wird der Staat in Brandenburg einschreiten.

(Beifall bei der CDU - Zuruf von der PDS: Wir sprechen uns wieder, Herr Petke!)

Zu den einzelnen Argumenten: Bei uns steht der Mensch im Mittelpunkt und der Staat ist dazu da, den Menschen ein Leben in Recht und Freiheit sowie in Wohlstand zu ermöglichen. Bei Ihnen stehen kalte und nicht nachprüfbare Zahlen im Mittelpunkt.

(Lachen bei der PDS - Gehrcke [PDS]: Wo sind die Popu- listen?)

Das ist die Argumentation der PDS.

Ich möchte ausdrücklich auch etwas gegen die DVU sagen und dazu, die SPD und die PDS bei diesem Thema in das gleiche Boot setzen. Diese Debatte hat gezeigt, dass die Linie zwischen den Fraktionen an dieser Stelle und nirgendwo anders in diesem Parlament verläuft.

(Beifall bei der CDU und vereinzelt bei der SPD - Gehr- cke [PDS]: Unverschämtheit! - Zuruf der Abgeordneten Dr. Enkelmann [PDS])

Sowohl die Aussage des Kollegen der PDS als auch insbesondere die zynischen Zwischenrufe werte ich persönlich als politische Bankrotterklärung der PDS bei diesem Thema.

(Beifall bei der CDU - Lachen bei der PDS - Zuruf der Abgeordneten Dr. Enkelmann [PDS])

Ihre Sprache ist verräterisch, „Drogen genossen“. Denken Sie

einmal über Ihre Sprache nach. Sie vernebeln die Probleme, Sie verharmlosen die Probleme - und das auf Kosten unserer Jugendlichen. Das spielt Leuten in die Hände, die mit illegalen Drogen viel Geld machen.

(Beifall bei der CDU - Frau Osten [PDS]: Herr Petke, wir reden in der Haushaltsdebatte über ganz konkrete Dinge! Da bin ich gespannt auf Sie!)