Protokoll der Sitzung vom 21.10.2009

Die DDR war auch nicht nur kein fröhlicher Rechtsstaat, sie war überhaupt kein Rechtsstaat. Es liegt mir durchaus am Herzen: Wir müssen gerade jungen Menschen nahebringen, dass Demokratie und Rechtsstaat Werte an sich sind, übrigens gerade dann, wenn sie nicht fröhlich, sondern mühsam und anstren

gend sind. Deshalb ist das Kriterium Fröhlichkeit vollkommen überflüssig.

Für die notwendige Auseinandersetzung mit dem SED-Regime ist die Überprüfung der Abgeordneten nur ein kleiner Baustein, aber ein wichtiger, weil er unserer Vorbildfunktion gerecht wird. Hinzukommen muss einiges, zum Beispiel die angemessene Ausstattung und Ausgestaltung des Amtes des Landesbeauftragten, die Bewahrung und Würdigung der authentischen Gedenkorte im Land Brandenburg und vermehrte Anstrengungen um den Geschichtsunterricht an unseren Brandenburger Schulen.

Ich möchte heute der Bundesbeauftragten für die wichtige Arbeit danken und daran erinnern, dass die Existenz und Arbeit der Bundesbeauftragten auf den Willen der letzten und zugleich ersten frei gewählten Volkskammer zurückgeht. Lassen Sie uns heute ein Zeichen setzen, gerade wenn hier vermeintlich oder tatsächlich so viel Konsens besteht. Wir begrüßen den Antrag der Grünen, sagen aber auch: Wir können heute schon mit der freiwilligen Überprüfung der Mitglieder unseres Hauses ohne Wenn und Aber ein Signal setzen. Dazu gibt der Antrag in Drucksache 5/16 die Möglichkeit. Lassen Sie uns ein Zeichen setzen, statt hier zu verschieben und zu verhandeln! Danke.

(Beifall FDP, CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, wir sind damit am Ende der Rednerliste angelangt und kommen zu den Abstimmungen. Als Erstes wird die Überweisung des Gesetzentwurfs in der Drucksache 5/13 der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN an den noch einzusetzenden Hauptausschuss empfohlen. Wer diesem Vorgehen seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich um sein Handzeichen. - Gibt es Gegenstimmen? - Enthaltungen? Das ist beides nicht der Fall.

Wir kommen zum Antrag der CDU-Fraktion in der Drucksache 5/16. Die CDU-Fraktion hat namentliche Abstimmung beantragt. Ich bitte die Schriftführer, mit der Verlesung der Namen zu beginnen, und Sie bitte ich, laut und deutlich zu antworten, damit das hier richtig registriert wird.

(Namentliche Abstimmung)

Hatte jemand der Anwesenden keine Gelegenheit, seine Stimme abzugeben? - Das ist nicht der Fall. Ich bitte die Schriftführer um Auszählung.

Ich gebe Ihnen das Ergebnis der namentlichen Abstimmung bekannt. Mit Ja haben 30 Abgeordnete gestimmt, mit Nein 56. Damit ist dieser Antrag abgelehnt.

(Abstimmungslisten siehe Anlage S. 25)

Wir kommen zum Antrag in der Drucksache 5/17 der Fraktion der SPD und der Fraktion DIE LINKE. Wer diesem Antrag Folge leisten möchte, den bitte ich um sein zustimmendes Handzeichen. - Gibt es Gegenstimmen? - Gibt es Enthaltungen? Bei einer Enthaltung und einer Reihe von Gegenstimmen ist dieser Antrag mehrheitlich angenommen.

Ich schließe Tagesordnungspunkt 5 und rufe Tagesordnungspunkt 6 auf:

Erklärung für ein demokratisches und tolerantes Brandenburg

Antrag der Fraktion der SPD der Fraktion DIE LINKE der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Drucksache 5/15

Wir beginnen die Debatte mit dem Beitrag der SPD-Fraktion. Es spricht der Abgeordnete Baaske.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! In der Tat geht es, wenn wir über diesen Antrag reden, auch um den Änderungsantrag, den die CDU-Fraktion vorgelegt hat. Frau Wanka, ich teile in Ansätzen, vielleicht sogar ganz, wenn man über die eine oder andere Formulierung noch einmal redet, Ihren Absatz 2. Ich weiß auch, was Sie damit wollen, nämlich dass wir auch auf den 20. Jahrestag aufmerksam machen, dass wir darauf hinweisen, dass am 9. November abends um 19 Uhr in der Lindenstraße eine Veranstaltung stattfindet, wo es darum geht, noch einmal die Demokratie zu würdigen, das, was wir in den letzten 20 Jahren geschaffen haben. Eine ähnliche Veranstaltung findet dann am 10. November nachmittags an der Glienicker Brücke statt. Es ist wichtig, dass wir darauf hinweisen, es ist aber nicht die Intention, die wir mit unserem Antrag verfolgen. Der Antrag, wie wir ihn vorlegen, greift das auf, was wir in den Jahren zuvor hier leider immer wieder machen mussten, nämlich darauf hinweisen, dass wir in diesem Lande gefährliche rechtsextreme Tendenzen haben, die dazu führen, dass Veranstaltungen, wie sie die NPD dieses Jahr wieder in Halbe durchführen will, unsere Reaktion erfordern. Diese Veranstaltungen erfordern unsere Reaktion! Genau das wollten wir tun.

Die DVU - das ist auch ein Punkt, den wir hier berücksichtigen wollten und sollten - saß zwei Legislaturperioden in diesem Landtag. Wir sind froh und glücklich, dass wir all das, was wir von Frau Hesselbarth und Herrn Schuldt - ich will die Namen gar nicht mehr nennen - über Rassismus, Antisemitismus, Fremdenfeindlichkeit, Menschenfeindlichkeit, Rechtsextremismus schlechthin, hören mussten, nicht mehr hören müssen.

(Beifall SPD, DIE LINKE und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Auch das sollte durch Beschluss dieses Antrags zum Ausdruck kommen. Dazu kann man sich auch bekennen. Wir sind in dieser Frage in den vergangenen Jahren gut vorangekommen. Wir konnten in der vergangenen Legislaturperiode hier in Brandenburg unter Anwesenheit des Bundespräsidenten miteinander zehn Jahre Handlungskonzept „Tolerantes Brandenburg“ begehen. Wir hatten eine sehr würdevolle Veranstaltung. Wir hatten eine gute, teilweise auch sehr gute Resonanz darauf, gerade in den großen öffentlichen überregionalen Medien, weil Brandenburg, glaube ich, auch ein Stück seiner Stigmatisierung abwerfen konnte. Brandenburg galt viele Jahre als ein Land, wo es gefährlich sein könnte für Andersfarbige, für Andersdenkende,

sich zu outen und bestimmte Regionen zu betreten. Das ist nicht mehr so, ganz im Gegenteil, wir haben in der überregionalen Presse von Experten, die das beurteilen können, viel Lob dafür bekommen, dass wir große Schritte voran gemacht haben.

Das Handlungskonzept „Tolerantes Brandenburg“ hat dazu geführt, dass, egal wohin man in diesem Land kommt, wenn sich die NPD oder die DVU wagt, etwas zu veranstalten, sofort Initiativen dagegenstehen. Ich habe in den letzten Jahren nicht eine einzige Veranstaltung erlebt, wo nicht wesentlich mehr Demokraten aus Brandenburg anwesend gewesen wären als Vertreter von NPD oder DVU oder irgendwelche andere Krachmacher, die aus ganz Deutschland oder vielleicht sogar ganz Europa zusammengerufen wurden. Auch das ist unser Verdienst, auch das haben wir aus dem Landtag heraus mit solchen Aufrufen - um einen solchen geht es gerade wieder - in den letzten Jahren erreicht. Es war auch das Handlungskonzept, das uns dazu aufgerufen hat, das bürgerschaftliche Engagement, die Zivilcourage, die gegen Rechtsextremismus aufsteht, zu würdigen und zu beleben. Das hat dazu geführt, dass die Initiativen, von denen ich gerade sprach - es gibt nicht nur das Handlungskonzept, es gibt viele Bündnisse vor Ort, die das regeln -, aktiv im Land wirken.

Zum anderen möchte ich mich ausdrücklich noch einmal beim Kollegen Schönbohm bedanken. Ich glaube, er hat, gerade was die Repression angeht, in den letzten Jahren mit unserer Polizei viel erreicht.

(Beifall SPD und DIE LINKE)

Ich erinnere an die MEGA, an die TOMEG, an die vielen Aktivitäten, die die Polizei durchgeführt hat. Sie hat Courage gezeigt, wenn es darum ging, vor Ort die beiden großen Lager zu trennen, wenn es darum ging, klare Kante zu zeigen gegen rechtsextremistische Tendenzen, ob das nun die Kameradschaften waren oder ob es die von mir benannten Parteien waren.

Ich bin aber auch - da richte ich jetzt noch einmal meinen Appell an die CDU-Fraktion - allen demokratischen Fraktionen in diesem Landtag für den Schulterschluss der Demokraten dankbar, den wir in den letzten Jahren in diesem Hause zeigen konnten. Dieser Schulterschluss hat es ermöglicht, dass wir in diesem Hause Anträge, abgesehen von der DVU, einstimmig beschließen konnten.

In diesen Anträgen haben wir deutlich gemacht, dass wir zu Zivilcourage aufrufen, dass wir zu Veranstaltungen aufrufen. Wir haben deutlich gemacht, dass wir gegen Rassismus sind, dass wir gegen Antisemitismus, gegen Menschenfeindlichkeit, gegen Sozialdarwinismus und gegen Nationalismus sind. All dies konnten wir mit unserem Schulterschluss bewirken.

Ich finde, Frau Wanka, es stünde Ihnen gut zu Gesicht, wenn Sie diesem Antrag heute zustimmen würden und damit den Schulterschluss der Demokraten in diesem Hause fortführten, damit das, was in LDS - Ihrem Wahlkreis - möglich ist, hier ebenfalls ermöglicht würde, nämlich einen geschlossenen Aufruf zu starten, dass die Bürger am 14. November nach Halbe kommen, um Flagge zu zeigen. Das muss auch hier möglich sein. Ich bitte um Ihre Zustimmung. - Danke.

(Beifall SPD und DIE LINKE)

Für die CDU-Fraktion spricht der Abgeordnete Dombrowski.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Baaske, vielen Dank, dass Sie auch Herrn Innenminister Schönbohm noch einmal gewürdigt haben, der in besonderer Weise und sehr erfolgreich seinen Anteil geleistet hat, damit der Kampf gegen Rechtsextremismus in Brandenburg erfolgreich gestaltet werden konnte.

(Schulze [SPD]: Wir sind nicht ganz so vergesslich wie andere!)

Nun haben Sie gesagt, Herr Baaske: Das, was die CDU beantragt hat, könnte man ja mit ein paar Änderungen usw. tun. Sie haben einen Änderungsantrag von uns dazu gehabt. Von daher wäre das kein Problem gewesen, wenn Sie denn gewollt hätten, den Antrag von SPD und LINKE zu ergänzen. Dann könnten wir diesen Antrag heute in großer Einmütigkeit beschließen.

Was uns an diesem Antrag von SPD und LINKE stört, ist nicht der Aufruf an die Bürgerinnen und Bürger, am 14. November nach Halbe zu kommen. Da ist die CDU jedes Jahr vertreten. Wir werden auch in diesem Jahr wieder dort sein. Es ist für die Demokraten in Brandenburg selbstverständlich, dort vor Ort zu sein und durch ihre Anwesenheit und ihre Beiträge ihren Standpunkt zum Thema Rechte und Nationalsozialismus usw. deutlich zu machen. Da gibt es einen großen Konsens. Nur, Sie haben gesagt, die Intention Ihres Antrags sei eine andere. - In der Tat ist sie eine andere. Sie leiten hier folgendermaßen ein: Mit der friedlichen Revolution der Bürgerinnen und Bürger der DDR vor 20 Jahren..., würdigen das und kommen dann zu dem Schluss: Weil das so ist, sollten sich alle am 14. November gegen Rechtsextremismus usw. in Halbe versammeln.

(Baaske [SPD]: Dazwischen steht auch noch was!)

- Ich glaube, Herr Baaske, da fehlt noch ein kleines bisschen. Was in unserem Antrag steht, ist: Jawohl, Halbe - selbstverständlich, würden wir mit aufrufen; dort sind wir sowieso. Aber wir finden auch, dass der Landtag Brandenburg im 20. Jahr der friedlichen Revolution gut daran täte, sich auch einmal dort zu versammeln, wo in Potsdam das SED-Unrechtsregime seine Klaue am härtesten gezeigt hat, nämlich bei der Untersuchungshaftanstalt des damaligen MfS. Dass dies mit Ihrer Intention des Antrags nicht gemeint war, nämlich nicht beabsichtigt ist, dem Repressionsapparat in der DDR noch einmal den Spiegel vorzuhalten, ist das, was uns dabei betrübt, und das trennt uns eben an der Stelle.

(Beifall CDU)

Ob Absicht dahintersteckt, weiß ich nicht. Vielleicht ist es im Moment einfach peinlich.

Ich glaube, die Bürgerinnen und Bürger der DDR sind nicht auf die Straße gegangen, weil sie gegen Rechtsextremismus demonstrieren wollten, sondern sie wollten die DDR loswerden, und sie wollten die Stasi loswerden. Das ist das, was die Bürgerinnen und Bürger unabhängig von politischen Präferenzen in

der heutigen Zeit im Großen und Ganzen hier in Brandenburg vereint. Von daher finde ich es schade, dass SPD und LINKE nicht bereit und in der Lage sind, zu einem solchen Anlass auch durch Landtagsbeschluss die Bürgerinnen und Bürger aufzurufen, auch dieses Ereignisses der friedlichen Revolution zu gedenken und auch dort ein Zeichen von Demokratie und Toleranz zu setzen. Das finde ich schade, meine Damen und Herren. Von daher werden wir Ihrem Antrag nicht zustimmen können.

Vielleicht finden sich ja auch ohne den Beschluss des Landtags Bürgerinnen und Bürger, die am 9. November - sozusagen in Ersatzfunktion - dieses Gedenken wahrnehmen werden.

Meine Damen und Herren, ich darf abschließend sagen: Dem Antrag von SPD und der Fraktion DIE LINKE werden wir nicht zustimmen, weil wir glauben, dass im 20. Jahr der friedlichen Revolution das öffentliche Gedenken an die Opfer von SED und Stasi im Vordergrund stehen sollte und nicht, was jetzt im Weiteren aus der friedlichen Revolution abgeleitet wird. Von daher bitte ich um Verständnis, dass der Konsens, wie ihn Herr Baaske beschrieben hat, in dieser Landtagssitzung nicht stattfinden kann. Wenn sich die SPD und die Fraktion DIE LINKE überwinden können, unseren Absatz 2 aufzunehmen, könnten wir dem Antrag insgesamt zustimmen.

(Frau Mächtig [DIE LINKE]: Das ist nicht zu fassen!)

Es ist noch nicht zu spät. Im Moment sehe ich die Bereitschaft nicht. Von daher werbe ich für den Antrag von CDU und FDP und bitte um Zustimmung zu diesem Antrag.

(Beifall CDU und FDP)

Der Abgeordnete Dr. Bernig setzt die Debatte für die Linksfraktion fort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Zunächst meinen persönlichen Glückwunsch zu Ihrer Wiederwahl als Präsident des Landtages Brandenburg. Ich möchte diesen Glückwunsch mit einem Dank für Ihr Tun in der Vergangenheit verbinden, in der Sie in der Auseinandersetzung mit dem Rechtsextremismus immer versucht haben, zu schlichten, uns zusammenzubringen und dafür zu sorgen, dass die demokratischen Parteien in diesem Parlament auch gemeinsam handeln. Dafür unseren Dank.

(Beifall DIE LINKE und des Abgeordneten Platzeck [SPD])

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich darf meiner Genugtuung und Freude darüber Ausdruck geben, dass ich meine erste Rede als Abgeordneter des 5. Landtags halten kann, ohne dass in diesem Hohen Haus Nazis vertreten sind. Das ist ein toller Erfolg aller Demokraten in diesem Land, und so soll es auch bleiben. Wir sollten alles dafür tun, dass nie wieder ein gesellschaftliches und politisches Klima entsteht, in dem Rechtsextremisten eine Chance haben. Das betrifft die Wahlen, aber besonders auch den Alltag.

Durch den Einzug der FDP und der Fraktion GRÜNE/B90 hat sich das demokratische Parteienspektrum erweitert, und ich er