Protokoll der Sitzung vom 21.10.2009

Durch den Einzug der FDP und der Fraktion GRÜNE/B90 hat sich das demokratische Parteienspektrum erweitert, und ich er

hoffe mir davon eine Belebung und Bereicherung der parlamentarischen Arbeit. Dabei gehe ich davon aus, dass die weiter dringend notwendige Auseinandersetzung mit dem Rechtsextremismus auf breiter demokratischer Grundlage und weitgehend im Konsens erfolgt und nicht zur parteipolitischen Profilierung genutzt wird.

Als ich den ersten Antragsentwurf aller Parlamentsparteien las, war ich diesbezüglich noch sehr optimistisch. Als dann jedoch der erste Änderungsantrag der CDU kam, war mein Optimismus nicht mehr so präsent.

(Senftleben [CDU]: Herr Kollege, den gab es nicht!)

Der jetzt vorliegende Änderungsantrag von CDU und FDP ist auch nicht viel besser.

Liebe Kolleginnen und Kollegen von der CDU und besonders Herr Dombrowski: Sie erweisen der Auseinandersetzung mit dem Rechtsextremismus keinen Dienst, wenn Sie ihn permanent mit dem Linksextremismus in einen Topf werfen,

(Senftleben [CDU]: Dass Sie sich nicht erinnern wollen, ist klar!)

wenn Sie die Nazidiktatur mit der Diktatur des Proletariats gleichsetzen.

(Zurufe von der CDU)

Damit verharmlosen oder relativieren Sie die Verbrechen des Dritten Reichs und tragen nicht zu einer differenzierten und tiefgründigen Betrachtung der deutschen Geschichte bei.

(Frau Dr. Funck [CDU]: Für Sie gibt es gute Gewalt und schlechte Gewalt?)

Deshalb sollten beide Themen auch getrennt behandelt werden. Das ist der Grund, aus dem wir Ihrem Änderungsantrag nicht zustimmen.

(Beifall DIE LINKE)

Die Linke hat darüber hinaus überhaupt kein Problem, an Gedenkveranstaltungen zum Mauerfall und für die Opfer der Mauer teilzunehmen.

Herr Dombrowski, noch einmal an Ihre Adresse: Auch die CDU hat ein politisches Erbe und hat sicher aus der Rolle als Blockpartei unter Anerkennung der führenden Rolle der SED gelernt. Das billigen wir Ihnen zumindest zu.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Dass die DVU den Wiedereinzug in den Landtag nicht geschafft hat, hat sicherlich viele Gründe. Dazu haben auch die Aufkündigung des Deutschlandpakts durch die NPD und die veränderten gesellschaftlichen Verhältnisse beigetragen.

Einen wesentlichen Beitrag hat aber auch die erfolgreiche Umsetzung des Handlungskonzepts der Landesregierung „Tolerantes Brandenburg - für eine starke und lebendige Demokratie“ geleistet. An diesem Handlungskonzept müssen wir festhalten und es weiterentwickeln. Sie alle wissen, dass die politisch motivierte Kriminalität rechts nach wie vor zu hoch ist.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! In einem längeren Lernprozess haben die bisher im Landtag vertretenen demokratischen Parteien in der Auseinandersetzung mit dem Rechtsextremismus zusammengefunden, wenn auch als Klammer oft die Anträge des Parlamentspräsidenten dienen mussten.

Im Zusammenhang mit Halbe darf ich an Folgendes erinnern: Zunächst war da das Aktionsbündnis Halbe gegen Heldengedenken und Naziaufmärsche. Lokale Akteure wie Karin Weber und Sylvia Lehmann organisierten demokratische Gegenaktionen gegen die Naziaufmärsche, und auch Sie, Frau Wanke, haben als Kreisvorsitzende der CDU diese Aktionen unterstützt.

Die Unterstützung der Einwohner von Halbe hielt sich damals noch stark in Grenzen, um nicht zu sagen, dass sie diese ablehnten. Als klar wurde, dass Halbe neuer Wallfahrtsort werden sollte, weil Wunsiedel nicht mehr zur Verfügung stand, entwickelte sich eine breite Bewegung, die am 12.11.2005 in eine Aktion des zivilen Ungehorsams mündete. Der Naziaufmarsch konnte gestoppt werden, auch weil viele Politiker aller demokratischen Parteien vertreten waren und den Menschen Mut machten. Der darauffolgende „Tag der Demokraten“ am 18. November 2006 brachte 8 000 Menschen vor Ort, und wir haben klargemacht, dass es mit dem Verbot der Demonstrationen und Aufmärsche auf dem Friedhof nicht getan ist, sondern wir Halbe den Nazis generell nicht überlassen wollen. Daran sollten wir anknüpfen. Seitdem trat ein wenig Ruhe ein, jedoch sehen wir an dem Antrag der Nazis, am 14. November erneut einen Aufmarsch durchzuführen, dass sie nicht aufgegeben haben. Deshalb sollten wir mit unserem Aufruf dazu beitragen - weil inzwischen die Bürger von Halbe selbst zu den Organisatoren der Gegenaktion gehören -, ihnen den Rücken zu stärken. Sie haben daraus gelernt, und wir sollten sie dafür unterstützen.

Wir sollten deshalb alle gemeinsam dazu aufrufen, am 14. November in Halbe für Demokratie, Toleranz und Weltoffenheit einzutreten. Ich richte meinen dringenden Appell an Sie: Stimmen Sie unserem Antrag zu!

(Beifall DIE LINKE und SPD)

Die Abgeordnete Wanka hat hierzu eine Kurzintervention angemeldet. Bitte sehr, Frau Wanka.

Herr Abgeordneter Bernig, Sie haben in Ihrem Redebeitrag behauptet, die CDU-Landtagsfraktion würde die Diktatur der Nazis mit den Jahren nach 1945 gleichsetzen. Ich empfinde dies als Unverschämtheit, und ich weiß nicht, woher Sie das moralische Recht für eine solche Behauptung nehmen, und erwarte, dass Sie sich entschuldigen.

(Beifall CDU und FDP)

Herr Dr. Bernig, Sie haben Gelegenheit, darauf zu reagieren. Wollen Sie?

(Dr. Bernig [DIE LINKE]: Nein! - Zuruf von der CDU: Dann wäre das ja auch geklärt!)

Wir fahren in der Rednerliste fort. Für die FDP-Fraktion spricht der Abgeordnete Goetz.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Zunächst danke ich Ihnen, Frau Prof. Dr. Wanka, für Ihre Intervention. Die Fraktion der FDP schließt sich dieser Intervention an.

Meine sehr geehrten Damen und Herren Kollegen! Der Antrag steht unter der Überschrift, eine Erklärung für ein tolerantes, weltoffenes Brandenburg sein zu sollen. Richtig ist, dass es Brandenburg immer dann besonders gut ging, dass es mit Brandenburg immer dann besonders aufwärtsging, wenn wir tolerant, wenn wir weltoffen waren. Das war vor 200 Jahren so, als jeder nach seiner Fasson selig werden konnte, und das hat sich bis heute nicht geändert.

Dass dieser Antrag mit der Erinnerung an die friedlichen Proteste des Jahres 1989, die zur deutschen Einheit führten und auf dem Weg zur deutschen Einheit eine linksextreme Diktatur beseitigt haben, beginnt, ist ein guter Einstieg. Diese Präambel tragen wir mit. Nur, wenn man mit einem solchen Einstieg beginnt, wenn man sagt, die friedlichen Proteste des Jahres 1989 führten zur deutschen Einheit, führten zur Beseitigung der Diktatur, dann ist es ein kurzer Schritt, sich der Opfer zu erinnern, die zuvor zu beklagen waren, und diese Opfer in den Antrag einzubeziehen. Genau das ist der Punkt, den CDU und FDP hier gemeinsam eingebracht haben, weil aus dieser Präambel heraus dieser Weg ein sehr kurzer ist und sich dieser Schluss unmittelbar ergibt.

Wenn man diesen Schluss zieht, dann ist es ein kurzer Weg auch nach Halbe, um zu sagen: Jawohl, Halbe ist für uns alle ein Ort der Erinnerung, der immer wieder deutlich macht, wie wertvoll es ist und wie dankbar wir sein können, dass wir seit Jahrzehnten in Deutschland in Frieden leben. Selbstverständlich darf Halbe, dieser Ort der Erinnerung für uns alle, nicht für rechtsextreme Demonstrationen, für rechtsextremes Gedankengut und rechtsextreme Parolen missbraucht werden. Das ist völlig klar. Nur, Toleranz ist nicht teilbar, Toleranz gilt für jeden, gilt in jede Richtung und hat auch in jeder Richtung ihre Grenzen. Insofern gehört, wenn man Toleranz festschreiben will, die Unteilbarkeit dazu. Genau das ist Inhalt unseres Antrags.

CDU und FDP haben Ihnen die Hand gereicht, einen gemeinsamen Antrag zu formulieren, um den Schulterschluss, der in den vergangenen Jahren hier herrschte, weiterhin aufrechtzuerhalten. Es liegt an Ihnen, die ausgestreckte Hand zu ergreifen. Danke.

(Beifall FDP und CDU)

Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN spricht die Abgeordnete Nonnemacher.

Sehr verehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Bevor ich den vorliegenden Antrag für unsere Fraktion kommen

tiere und begründe, möchte ich den Kollegen Dombrowski darauf hinweisen, dass der Antrag „Erklärung für ein demokratisches und tolerantes Brandenburg“ von unserer Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN mit eingebracht worden ist.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und DIE LINKE)

Vor dem historischen Hintergrund des zwanzigjährigen Jubiläums der friedlichen Revolution in der DDR und des Mauerfalls, die gewaltfrei zur Errichtung eines demokratischen Rechtsstaates im wiedergegründeten Land Brandenburg geführt haben, ist es für alle Demokraten eine zusätzliche Freude, dass in diesem sich konstituierenden Landtag keine rechtsextremen Parteien mehr vertreten sind. Sicher ist diese erfreuliche Tatsache sowohl erfolgreichen Handlungskonzepten wie dem Konzept „Tolerantes Brandenburg“ als auch konsequentem staatlichem Eingreifen zu verdanken.

Trotzdem wäre es fatal, sich jetzt bequem zurückzulehnen. 2,5 % Stimmen für die NPD am 27. September 2009 sind 2,5 % zu viel.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD und DIE LINKE)

Das Ergebnis der Juniorwahl 2009 in Brandenburg, bei der 6,2 % der Jugendlichen der NPD und 2,2 % der DVU ihre Stimme gaben, zeigt, dass weiterhin hohe Aufmerksamkeit geboten ist sonst haben wir nämlich in fünf Jahren im neu erbauten Landtag wieder rechtsextreme Parteien zu sitzen und dann, meine Damen und Herren, befürchte ich, wird es nicht mit der DVU sein Bewenden haben, sondern dann haben wir gleich die NPD hier.

(Vereinzelt Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Die Zahl rechtsextremer Übergriffe und Gewalttaten ist immer noch erschreckend hoch. Die rechte Szene ist gut organisiert, taktisch flexibel, und sie kommt längst nicht mehr nur plump mit Springerstiefeln einher, sondern auch in Gestalt der freundlichen jungen Mutter im Elternbeirat.

Das Ringen um Demokratie, Freiheit, Toleranz und um ein Leben in Würde und Sicherheit - unabhängig von Rasse, Geschlecht, Sozialstatus, Religion oder sexueller Orientierung ist und bleibt eine tägliche Aufgabe. Sie muss von jedem Mitglied der Zivilgesellschaft vor Ort im Alltag bewältigt werden. Im Kampf gegen rechtsextreme Gewalt ist kleinliches reflexartiges Proporzdenken nicht zuträglich. Dieses etwas reflexartige Proporzdenken scheint mir im Falle des ausgereichten Änderungsantrags der Fraktionen von CDU und FDP vorzuliegen. Wir von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sind die Letzten, die nicht des Unrechts des DDR-Regimes oder der Opfer der Stasi

verhöre gedenken würden. Stellen Sie diesbezüglich einen Antrag, rufen Sie zur Versammlung an der Stasigedenkstätte in der Lindenstraße auf, und wir sind ohne Wenn und Aber dabei!

(Vereinzelt Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

In dem ursprünglichen Antrag der SPD, der LINKEN und von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN wird aber auf das Problem des Rechtsextremismus und neonazistischer Gewalttaten fokussiert, die in unserem Lande ein anhaltendes Problem darstellen. Dies muss ohne Relativierungsversuche so auch benannt werden können. Deshalb lehnen wir den Änderungsantrag von CDU und Freien Demokraten ab.

Zurück zum alltäglichen Kampf gegen den Rechtsextremismus: Unsere Fraktion hält es für angemessen und geradezu zwingend, eine Erklärung für ein demokratisches und tolerantes Brandenburg mit einem Aufruf zu verbinden, neonazistischem Gedankengut gerade an einem Ort wie Halbe mit aller Entschiedenheit entgegenzutreten. Wir wünschen uns, dass gerade jetzt, wo wir nur noch Parteien aus dem demokratischen Spektrum in diesem Landtag haben, dieser Appell geschlossen erfolgen möge. - Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD und DIE LINKE)

Vielen Dank. - Wir sind damit am Ende der Rednerliste zum Tagesordnungspunkt 6 angelangt. Ich stelle den Änderungsantrag in Drucksache 5/20 der CDU- und der FDP-Fraktion zur Abstimmung. Wer ihm Folge leisten möchte, den bitte ich um das Handzeichen. - Gibt es Gegenstimmen? - Gibt es Enthaltungen? - Damit ist der Änderungsantrag ohne Enthaltungen mehrheitlich abgelehnt.