Der zweite Punkt erscheint mir hier besonders wichtig: Zur Verbesserung der Wirksamkeit der Amtsausübung der Landesbeauftragten erhält sie nun mehr Entscheidungsmöglichkeiten im Hinblick auf ihr Personal. Ulrike Poppe hatte das zu Recht schon mehrfach vorab gefordert. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Landesbeauftragten haben große Verantwortung. Einen Löwenanteil der Arbeit wird sicherlich die Beratung zum Umgang mit den Erkenntnissen aus den Stasiakten ausmachen, aber auch die Beratung in psychosozialen Fragen, wie es das Gesetz vom Juli schon vorsieht. Die Mitarbeiter müssen sich also an der Aufgabenstellung, zur Aufarbeitung der Folgen der kommunistischen Diktatur in Brandenburg beizutragen, messen lassen können. Dazu bedarf es einer besonderen Qualifikation.
Drittens: Der unabhängige Rechtsstatus des Amtes ist auch für die enge Zusammenarbeit mit anderen Organen oder Einrichtungen von Vorteil. Da ist zum einen der Bereich der politischen Bildung. Hier wird die Landesbeauftragte eng mit der Landeszentrale für politische Bildung zusammenarbeiten, aber nicht nur das. Gerade für den Bereich der politischen Bildung erhoffe ich mir von dem Amt der Landesbeauftragten neue Impulse, was das Thema Aufarbeitung angeht. Die Bedeutung der Bildungsarbeit in Schulen beispielsweise kann nicht oft genug genannt werden.
Zum anderen wird auch der Kontakt zum Justizministerium intensiv sein, wenn es um die Rehabilitierung geht. Das war unter anderem der Grund, aus dem andere Bundesländer ihre Landesbeauftragten teilweise beim Justizressort angesiedelt haben. Ein unabhängiger Rechtsstatus verleiht dem Amt in dieser Hinsicht einen größeren Spielraum und ein größeres Gewicht.
Viertens: Es geht um die Aufarbeitung der Folgen der kommunistischen Diktatur. Das ist eine gewaltige gesamtgesellschaftliche Aufgabe, die sich nicht nur auf die Frage beschränken lässt, wie wir mit früheren - offiziellen wie inoffiziellen - Mitarbeitern der Staatssicherheit umgehen. Viel wichtiger ist doch die Frage, wie wir die Verantwortung derer aufarbeiten, die letztlich den Auftrag für Bespitzelung, Denunziation und Unterdrückung gegeben haben, nämlich der Verantwortlichen in der SED.
Die DDR-Diktatur war ein ganzes System der Unterdrückung; es geht heute darum, die Funktionsweise dieses Systems und seine Wirkung offenzulegen. Damit kann auch die Perspektive der Opfer mehr Beachtung finden als bisher - hierauf hat Ulrike
Poppe schon zu verschiedenen Gelegenheiten hingewiesen. Dafür danke ich ihr ausdrücklich und wünsche ihr für die Ausübung ihres Amtes alles Gute. Ich bin mir sicher, dass sie die großen Hoffnungen, die berechtigterweise in ihre Arbeit gesetzt werden, nicht enttäuschen wird. - Ich danke Ihnen.
Vielen Dank, Frau Teuteberg. - Das Wort erhält die Abgeordnete von Halem für die Fraktion GRÜNE/B90.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir ändern heute ein Gesetz, das vor einem halben Jahr im Landtag verabschiedet worden ist. Als Angehörige einer damals noch nicht im Landtag vertretenen Partei frage ich mich angesichts des jetzt herrschenden großen Konsenses: Warum nicht gleich so? Was hat die damals beteiligten Parteien davon abgehalten, die der Landesbeauftragten jetzt konzedierte Unabhängigkeit sofort ins Gesetz zu schreiben? War es nach der unrühmlichen Episode Jörn Mothes, der dann doch lieber Referatsleiter im Schweriner Kultusministerium wurde, etwa die Angst der beteiligten Parteien, einer noch undefinierten Person zu viel Unabhängigkeit zuzugestehen? Wenn diese Beobachtung zutrifft, was führte dann jetzt dazu, dies Unbehagen zu überwinden?
Oder ist es vielmehr der Druck der öffentlichen Debatte, der die Toleranz erzwingt, die es vor einem halben Jahr noch nicht gab?
Aber schauen wir nach vorn! Jetzt gibt es diese Einigkeit. Wir Bündnisgrüne unterstützen selbstverständlich die Anbindung der Landesbeauftragten zur Aufarbeitung der Folgen der kommunistischen Diktatur beim Landtag. Wir unterstützen ihre Unabhängigkeit, ihr Recht, sich in Wahrnehmung ihres Amtes jederzeit öffentlich zu äußern.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, was erwarten wir eigentlich von der Einrichtung dieses neuen Amtes? Nachdem alle anderen ostdeutschen Bundesländer unmittelbar nach dem Mauerfall Stasibeauftragte berufen haben, tun wir das erst jetzt, zwanzig Jahre danach. Auch ein Brandenburger Weg - nachdem die Hälfte der Zeit, welche die DDR überdauert hat, nach ihrem Ende noch einmal vergangen ist.
Was wollen wir jetzt? Natürlich steht die Opferberatung an allererster Stelle. Dass den Opfern über zwei Jahrzehnte hier kein ständiger Ansprechpartner zur Verfügung gestanden hat, wurde als völlig unzureichend wahrgenommen. Viele hätten sich eine bessere Unterstützung in ihren Rehabilitationsverfahren gewünscht. Ein Wunsch, den wir jetzt - spät - erfüllen.
Darüber hinaus erwarten wir Beratung der Verwaltung. So könnte beispielsweise für personalführende Stellen des öffentlichen Dienstes eine Handreichung zur Überprüfung von Beschäftigten und Bewerbern auf eine Tätigkeit für das MfS erstellt werden, wie sie unser Nachbarland Sachsen schon seit den 90er Jahren hat. Dann würde es künftig vielleicht nicht versäumt werden,
zum Beispiel einen Leiter des Serviceteams Außenwirtschaft bei der ZukunftsAgentur Brandenburg bei seiner Einstellung nach einer Tätigkeit für das MfS zu befragen.
Aber als wichtigste der in § 2 des Brandenburgischen Aufarbeitungsbeauftragtengesetzes beschriebenen Aufgaben erscheint mir die Unterrichtung der Öffentlichkeit über die Wirkungsweise diktatorischer Herrschaftsformen in enger Zusammenarbeit mit den für politische Bildung zuständigen Stellen. Hier geht es um Erwachsenenbildung, aber auch um das politische Bewusstsein unserer Kinder.
Christoph Schlingensief sagte kürzlich in einem Interview, in dem er zu seinen Projekten im afrikanischen Burkina Faso und zu seinen Wünschen für 2010 befragt wurde:
„Politisch wünsche ich mir, dass wir Deutschen allmählich kapieren, welch einen riesigen Schatz wir mit unserem Demokratiemodell haben. Dieser Schatz benötigt unser Engagement. Lieber Klappe auf als Stimme weg.“
Das wünsche ich mir für unsere Kinder. Sie müssen lernen, dass es sich lohnt, die Klappe aufzumachen, und dass ein System, das das gewährleistet, auch gepflegt werden muss.
Ich wünsche mir von der neuen Stasibeauftragten Unterstützung unserer Schulen bei der Vermittlung von Zeitzeugen und Historikern sowie Beratung für Lehrer bei der Planung von Projekttagen und Unterrichtseinheiten zur DDR-Geschichte.
Die Biografien der allermeisten von uns, auch die meine, sind geprägt von innerfamiliären Ost-West-Beziehungen, von der Teilungsgeschichte dieses Landes, ganz egal, ob wir im Osten oder im Westen aufgewachsen sind. Eine bessere Aufarbeitung der SED-Diktatur wird sowohl öffentliche als auch in den Familien geführte Diskussionen neu beflügeln und letztlich zu mehr Verständnis füreinander führen.
In diesem Sinne wünsche ich der neuen Beauftragten Ulrike Poppe Mut und Offenheit für diese Aufgaben.
Vielen Dank, Frau von Halem. - Für die Landesregierung erhält Herr Minister Speer das Wort. Möchte er sprechen? - Nein, er verzichtet. Die Landesregierung verzichtet.
Damit kommen wir zur Abstimmung. Uns liegt der Gesetzentwurf in Drucksache 5/457 vor, den alle Fraktionen dieses Hohen Hauses eingebracht haben. Es geht um das Gesetz zur Änderung des Brandenburgischen Aufarbeitungsbeauftragtengesetzes. Wer diesem Gesetzentwurf zustimmen möchte, den bitte ich um sein Handzeichen. - Gegenstimmen? - Stimmenthaltungen? - Damit ist der von allen Fraktionen eingebrachte Gesetzentwurf einstimmig angenommen worden.
Fünftes Gesetz zur Änderung des Brandenburgischen Schulgesetzes/Kostenfreiheit bei der Schülerbeförderung
Des Weiteren liegt Ihnen der Entschließungsantrag der Fraktion der SPD und der Fraktion DIE LINKE in Drucksache 5/494 vor.
Ich eröffne die Aussprache mit dem Beitrag der einbringenden Fraktion der FDP. Der Abgeordnete Büttner hat das Wort.
Sehr geehrte Frau Vizepräsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! In den vergangenen Jahren haben wir in Brandenburg knapp 200 Schulschließungen, insbesondere im ländlichen Raum, erlebt. Die Folge davon ist: Schülerinnen und Schüler haben immer längere Fahrzeiten zur Schule, und die Eltern müssen in den meisten Landkreisen sogar Geld für diese aus meiner Sicht verfehlte Politik zahlen. Hinzu kommt, dass gerade Schüler im ländlichen Raum unter der strukturellen Benachteiligung leiden, denn für außerschulische, soziale, musische oder sportliche Freizeitgestaltung bleibt ihnen durch die obendrein schlecht abgestimmten Fahrzeiten in vielen Bereichen am Nachmittag weniger Zeit als den Schülerinnen und Schülern der städtischen Gebiete. Die Schülerinnen und Schüler im ländlichen Raum werden also in ihren Bildungschancen dadurch benachteiligt. Dies ist eine Zumutung für die Eltern und vor allem für die Kinder.
Ich darf in diesem Sinne auch noch einmal an den Werdegang der Schülerbeförderung erinnern. Nachdem das Land festgestellt hat, dass die Einnahmen der kommunalen Haushalte sinken, hat es ein Haushaltsentlastungsgesetz verabschiedet, indem es unter anderem bei den Schülerfahrtkosten Einsparpotenzial für die öffentlichen Haushalte erkannt hat. Die Kreise mussten also Elternbeiträge erheben.
Insbesondere der Landkreis Ostprignitz-Ruppin hat sich dagegen gewehrt. Im Zuge dessen ist eine Volksinitiative entstanden. Unterstützung fand sie unter anderem beim Landesverband der FDP-Brandenburg, beim Landesverband GRÜNE/B90 und auch beim Landesverband PDS-Brandenburg.
Die Fahrtkostenregelung sieht seither vor, dass nunmehr die Kreise frei darüber entscheiden können, ob sie Elternbeiträge erheben oder nicht. Damit, meine Damen und Herren, hat aus unserer Sicht die Landesregierung den Schwarzen Peter den Kommunen zugeschoben, frei nach dem Motto: Nun seht mal
zu, wie ihr damit klarkommt! - Die Landkreise, die es sich finanziell leisten können, schaffen die Elternbeiträge ab.
Diejenigen, die es sich nicht leisten können, müssten sie eigentlich erheben. Gleichwohl gibt es Landkreise, die einen defizitären Haushalt haben und sich trotzdem für die Kostenfreiheit entscheiden, weil sie das vernünftige Anliegen erkennen, den Schulbesuch der Kinder über den Umweg der Elternbeiträge nicht kostenpflichtig werden zu lassen. Dies führt zu Kürzungen bei anderen freiwilligen Ausgaben, und es führt zu Erhöhungen bei den Kreisumlagen. Es wird also am Ende wieder den Städten und Gemeinden Geld weggenommen, die ihrerseits weniger in freiwillige Aufgaben investieren können.
Diese ungerechte Entwicklung wird sich weiter verschärfen, da im Haushaltsentwurf der Landesregierung 200 Millionen Euro weniger für die Kommunen veranschlagt sind. Wir glauben, dass sich das ganz praktisch zu einer Zwei-Klassen-Gesellschaft entwickeln wird: Schüler, deren Schule sich vor Ort befindet, haben Glück gehabt, die anderen haben eben Pech gehabt. Damit hat sich die Landesregierung aus der Verantwortung gezogen. Wir halten das gesamte System für falsch. Das Land hat sich von einer Aufgabe auf Kosten der Kreise und der Eltern befreit. Dies ist ein Politikansatz, der aus unserer Sicht nicht gerechtfertigt ist, und deshalb muss das System geändert werden.
Die Landesregierung, die durch Schulschließungen einer zunehmenden Anzahl von Schülern unangemessen lange Schulwege zumutet und die Eltern dafür auch noch zahlen lässt, steht in der Pflicht, die sich daraus ergebenden Belastungen auszugleichen.
Die Intention der Fraktionen der SPD und DIE LINKE, Schülerinnen und Schüler aus Bedarfsgemeinschaften nach dem SGB II und dem SGB XII vollständig von der Kostenbeteiligung auszunehmen, geht ins Leere. Nur drei Landkreise in Brandenburg, Oberhavel, Havelland und Uckermark - haben diese Regelung nicht. Der Landkreis Uckermark hat sich für eine generelle Kostenfreiheit hinsichtlich der Schülerbeförderung ausgesprochen. Das ist vom damaligen Landrat leider beanstandet worden und liegt gegenwärtig im Innenministerium zur Prüfung vor.
Meine Damen und Herren! Leiden denn nur Kinder aus HartzIV-Familien an den durch die Schulschließungen verursachten verlängerten Fahrtwegen in diesem Land? Stimmen Sie nicht mit mir überein, dass man allen Kindern, egal wie ihre familiäre Situation ist, gleiche Bildungschancen ermöglichen sollte? Wir Liberale wollen eine chancengerechte Bildung für alle Kinder; denn das ist die beste Sozialpolitik, die man betreiben kann.
Ich frage mich, warum sich die Linke in den Kreistagen stets und ständig für eine komplette Befreiung von den Kosten für die Schülerbeförderung ausgesprochen hat und im Landtag nur für eine partielle Lösung plädiert. Ich darf aus einer Pressemitteilung der Fraktion DIE LINKE mit dem Titel: „Keine Beiträge für die Schülerbeförderung durch die Hintertür“ vom 7. August 2008 zitieren:
„Dies wäre eine Ungleichbehandlung der betroffenen Eltern und deren Kinder in Abhängigkeit von der Region, in der sie leben. Denn die übergroße Mehrheit der Landkreise in Brandenburg hat keinen ausgeglichenen Haushalt....
Die Linke fordert die Landesregierung auf, für gleichwertige Lebensverhältnisse in allen Regionen des Landes zu sorgen. Dazu gehört, allen Kindern die entgeltfreie Beförderung zur Schule zu ermöglichen, egal ob sie in DahmeSpreewald oder in Ostprignitz-Ruppin leben.“
Im Landkreis Ostprignitz-Ruppin unterstützte die Linke die Volksinitiative, in der Uckermark machte sie sich noch vor wenigen Wochen ebenfalls für die kostenlose Beförderung der Schüler stark, und so könnte ich jeden weiteren Brandenburger Landkreis aufzählen. Ich kann mich noch sehr gut an den Redebeitrag des Abgeordneten Krause im Kreistag Uckermark erinnern, in dem er die Übernahme der Kosten durch das Land gefordert hat. Doch hier passiert das Gegenteil. Anstatt sich gemäß der Versprechungen auf kommunaler Ebene auf Landesebene stark zu machen, setzt man nur auf einen Teil der Kinder und stellt sich damit gegen die gleichwertigen Verhältnisse. Lassen Sie Ihren Worten Taten folgen und stimmen Sie dem Antrag - zumindest auf Überweisung an den Ausschuss - zu. Er ist gut für alle Kinder und damit für ganz Brandenburg. - Vielen Dank.