Protokoll der Sitzung vom 25.02.2010

auszugehen, dass der Großteil der auch hier vertretenen Parteien im Bundestag zugestimmt hat.

Es ist, meine ich, nicht legitim, jetzt auf das Grundgesetz zu verweisen und zu sagen: Es gibt eigentlich für das Land Brandenburg keinen Handlungsbedarf, es steht ja alles im Grundgesetz. - Ich meine, es besteht sehr wohl Handlungsbedarf, denn allein dadurch, dass etwas in der Verfassung verankert ist, wird ja noch keine Aussage darüber getroffen, wie es im Land Brandenburg umgesetzt werden soll. Es ist angesprochen worden, dass die Schuldenbremse vorsieht, dass ab dem Jahr 2020 die Länder in konjunkturell normalen Zeiten keine Schulden zur Finanzierung ihrer Haushalte mehr aufnehmen dürfen. Eine schuldenfinanzierte, antizyklische Finanzpolitik ist ausschließlich für Zeiten wirtschaftlicher Rezession vorgesehen und mit der klaren Auflage verbunden, die Kredite in wirtschaftlich guten Zeiten zu tilgen. Aber im Grundgesetz steht ja nicht, wer für das Land Brandenburg erklärt, dass wir jetzt gerade eine konjunkturell nicht normale Zeit haben. Das müsste zum Beispiel in einem solchen Gesetz geregelt sein.

Es ist im Übrigen auch von der CDU nicht gefordert worden, dass wir hier ein Gesetz verabschieden sollen, das die Verfassung des Landes Brandenburg ändert, sondern es ist ein normales Gesetz gefordert worden, und ich finde das auch berechtigt. Wir müssen diese Schuldenbremse im Land Brandenburg auch rechtstechnisch gestalten.

(Bischoff [SPD]: Grundgesetz!)

- Nein, nicht Grundgesetz. Im Grundgesetz steht es. Trotzdem müssen die Länder Ausführungsgesetze erlassen, jedoch lässt sie der Bund bisher dabei allein.

Ich meine auch, dass es keine Überforderung darstellt, bis zur Haushaltseinbringung 2011 einen Entwurf zu erarbeiten, aus dem hervorgeht, wie sich die Landesregierung vorstellt, diese Schuldenbremse tatsächlich zu implementieren, und wie sie dann wirken soll.

Wir Grüne - das habe ich gestern ausführlich begründet - bekennen uns zur Schuldenbremse. Ich will aber auch die Risiken und Probleme nicht ausblenden. Sie sind hier in einigen Beiträgen auch schon vorgetragen worden. Für uns Grüne darf die Schuldenbremse nicht zu einem handlungsunfähigen Staat führen. Fiskalische Nachhaltigkeit darf nicht zulasten der Bereitstellung der notwendigen öffentlichen Güter gehen. Für die Generationengerechtigkeit ist nichts gewonnen, wenn notwendige Investitionen in Bildung unterbleiben, um die Schuldengrenze einzuhalten.

Umgekehrt gilt aber auch: Es stimmt etwas in einem Staat nicht, wenn die heutigen Bildungsinvestitionen nur mit Schulden zulasten künftiger Generationen finanziert werden können. Nachhaltig und generationengerecht ist eine Politik nur dann, wenn die Nutzung aller notwendigen öffentlichen Güter aus den laufenden Einnahmen eines Jahres bereitgestellt werden kann. Deswegen brauchen wir - auch das hatte ich gestern erläutert - eine Verständigung über die Rolle des Staates und den Umfang der Staatsaufgaben. Wir müssen die erforderlichen Aufgaben des Staates definieren. Wir müssen die staatlichen Leistungen auf ihren Nutzen für die Gesellschaft und die Effizienz der Leistungserstellung prüfen.

Wir können aber nicht nur die Ausgabenseite betrachten; damit hat Herr Bischoff Recht. Wir brauchen eine Sicherung der notwendigen Einnahmebasis für die Erbringung der definierten Leistungen. Wir wollen eine nachhaltige Schuldenbremse, die unseren Kindern nicht nur einen möglichst schuldenarmen Staat hinterlässt, sondern ebenso durch staatliches Handeln eine lebenswerte Umwelt, ein intaktes Klima, gute Bildung, sozialen Frieden für kommende Generationen sichert. Ich meine, wir sollten darüber diskutieren, wie wir das erreichen können. Ich begrüße ausdrücklich, dass die CDU diesen Antrag vorgelegt hat. Wir werden ihm zustimmen. - Danke.

(Beifall GRÜNE/B90 und CDU)

Vielen Dank, Herr Abgeordneter Vogel. - Wir setzen die Debatte mit dem Beitrag der Landesregierung fort. Bitte, Herr Minister Markov.

Sehr geehrte Frau Vizepräsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Um es noch einmal klarzustellen: Ich habe gestern die Maastricht-Kriterien genannt, die für die Bundesrepublik Deutschland wie jeden anderen Mitgliedsstaat der Europäischen Union gelten. Der Haushaltsplan 2010 der Bundesregierung reißt diese Maastricht-Kriterien bei weitem, er steht nämlich mit der Staatsverschuldung bei 73,9 %, aber wir bei Mitte 30 %. Bei der maximalen Verschuldung liegen wir bei 1,17 % und die Bundesrepublik bei ungefähr 5 %. Das habe ich gestern gesagt, und das kann ich noch oft wiederholen, denn das sind die Fakten: Die Schuldenmacher sitzen bei Schwarz-Gelb in Berlin.

(Beifall DIE LINKE und SPD - Widerspruch bei der CDU)

Um auf das Nächste zu kommen...

(Zuruf der Abgeordneten Prof. Dr. Wanka [CDU])

- Ja, ich kann rechnen. Sie sind zwar Mathematikprofessorin, aber das heißt ja nicht, dass Sie rechnen können müssen.

(Heiterkeit bei der Fraktion DIE LINKE sowie bei der SPD)

Ich möchte Ihnen jetzt gerne etwas vorlesen:

„Die Länder dürfen im Zeitraum vom 1. Januar 2011 bis zum 31. Dezember 2019 nach Maßgabe der geltenden landesrechtlichen Regelungen von den Vorgaben des Artikel 109 Absatz 3 abweichen. Die Haushalte der Länder sind so aufzustellen, dass im Haushaltsjahr 2020 die Vorgabe aus Artikel 109 Absatz 3 Satz 5 erfüllt wird.“

Herr Minister, lassen Sie eine Frage des Abgeordneten Bretz zu?

Ja, klar.

Herr Minister, habe ich Sie - weil Sie gerade ausgeführt haben, dass Sie keine Schulden machen wollen - richtig verstanden, dass Sie den gestern eingereichten Haushaltsentwurf zurückziehen wollen?

Nein, das haben Sie nicht richtig verstanden. Gestern hat diese Landesregierung einen Haushaltsplan eingereicht. Er ist in 1. Lesung vom Parlament - das hätten Sie mitkriegen müssen - angenommen worden, er ist in die Ausschüsse überwiesen worden. Ich habe lediglich gesagt, dass die Verschuldung des Bundes im Haushaltsplan des Bundes 2010 entschieden höher ist, dass sich der Bund proportional maßlos mehr verschuldet als wir in Brandenburg. Und deswegen: Lassen Sie die Kirche im Dorf! Sie können so viel springen wie Rumpelstilzchen über das Lagerfeuer, aber Sie werden es nicht verändern, weil die Leute nämlich klüger sind. Die Leute sind klug und können nachrechnen.

(Beifall DIE LINKE und SPD)

Dagegen hatte ich gestern den Eindruck, dass das bei Ihnen einfach nicht funktioniert.

Derzeit regelt Artikel 103 der Landesverfassung Brandenburgs die Kreditaufnahme. Das heißt, wir haben eine Schuldenbremse, um das einmal klar und deutlich zu sagen. Auch das lese ich noch einmal vor:

„Die Einnahmen aus Krediten dürfen die im Haushaltsplan veranschlagten Ausgaben für Investitionen nicht überschreiten. Ausnahmen sind nur zulässig zur Abwehr einer Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts im Sinne von Artikel 101 Absatz 1.“

Das ist unsere gesetzliche Grundlage. Im Übrigen: Eine Umsetzung der grundgesetzlichen Änderung in den jeweiligen Landesverfassungen oder sonstigen Landesregelungen ist nicht verpflichtend. Wenn die Länder bis 2020 keine Anpassungen vornehmen, dann gilt Artikel 109 Abs. 3 des Grundgesetzes. Das ergibt sich ganz einfach als Rückschluss aus Artikel 143d Grundgesetz. Das kann man nachlesen. Aber offensichtlich haben Sie weder Lust noch Zeit dazu. Ich frage mich manchmal, was das soll. Das hat doch mit einer vernünftigen, qualifizierten Auseinandersetzung zu Sachthemen nichts mehr zu tun. Und die wünsche ich mir, dazu brauche ich Sie sogar. Wir haben ja noch ein bisschen Zeit, das mit Ihnen gemeinsam in fünf Jahren hinzukriegen.

Insofern sage ich Ihnen: Das Land Brandenburg wird und sollte irgendwann, aber nicht zum jetzigen Zeitpunkt, eine Umsetzung in Landesrecht vollziehen, weil wir, wenn wir das nicht machen, keine Ausnahmetatbestände mehr haben. Wenn wir Ausnahmetatbestände haben wollen, zum Beispiel Konjunkturbereinigungsverfahren, Tilgungsverfahren bei erfolgter Kreditaufnahme etc., dann brauchen wir eine neue Landesregelung richtig. Aber das machen wir, wenn es an der Zeit ist. Das brauchen wir jetzt nicht zu tun. Wir haben unsere landesverfassungsrechtlichen Regelungen. Deswegen ist Ihr Antrag wirklich zum falschen Zeitpunkt eingebracht. - Danke.

(Lebhafter Beifall DIE LINKE und SPD)

Vielen Dank, Herr Minister. - Die Abgeordnete Dr. Ludwig hat noch einmal das Wort.

Ich freue mich wirklich sehr, dass ein einfacher Satz - ich glaube, mehr war es gar nicht -, der die neue Schuldenbegrenzungsregel erwähnt, die im Grundgesetz verankert wurde, zu solchen Ausbrüchen führt.

Herr Görke, ich bin herzlich gern bereit, mich auf einen Kaffee mit Ihnen zu treffen und auch zu lernen,

(Oh! bei der Fraktion DIE LINKE und bei der SPD)

ohne Wenn und Aber. Nur, wir haben Gott sei Dank schnelle Referenten, die mir das Grundgesetz noch einmal gebracht haben. Ich weiß nicht, worauf Sie abgezielt haben. In unserer Begründung steht, dass das Grundgesetz Bund und Länder verpflichtet, grundsätzlich ohne Einnahmen aus Krediten auszukommen. Ich gebe es Ihnen gern, Herr Görke, dann können Sie es noch einmal nachlesen.

Unabhängig davon dachte ich immer, wir beschließen das, was im Text steht, und nicht die Begründung. Es wäre auch etwas schwierig, wenn Sie darin ein Problem sehen würden.

Es erstaunt mich auch sehr, dass Sie gar keinen Bedarf sehen, dies umzusetzen. Länder wie Sachsen, Baden-Württemberg, Thüringen oder Nordrhein-Westfalen haben es. RheinlandPfalz habe ich jetzt extra für die Kollegen der SPD herausgesucht.

(Frau Lehmann [SPD]: Das ist aber nett!)

- Na selbstverständlich, daran haben wir doch gedacht.

Dort gibt es einen Entschließungsantrag dazu, in dem man sich damit beschäftigt, wie es umgesetzt werden soll.

Es freut mich schon, dass Sie zur Schuldenbremse stehen. Nur muss es wirklich umgesetzt werden, und zwar in Landesrecht.

Und, Herr Bischoff, dieses Spielchen kennen wir: Von der Opposition Einsparvorschläge erwarten, die man selber nicht bringt. Wir wären dankbar gewesen, hätten Sie die gleichen Haushaltsansätze wie 2009 gehabt, hätten den Haushalt einfach einmal überrollt und nicht überall deutlich mehr Ansätze für das Jahr 2010 gebracht. Ich nenne Ihnen gleich zwei Beispiele, ganz kleine vielleicht, aber 5 oder 6 Millionen Euro sind ja auch keine Peanuts. Sachverständigen-, Gerichts- und sonstige Kosten 6 Millionen Euro mehr, Ausgaben für Landschafts- und Naturschutz 1,4 Millionen Euro mehr. Man kann über Aus- und Fortbildung diskutieren, ohne Wenn und Aber, aber nicht, wenn man die dramatischste Wirtschafts- und Finanzkrise erlebt, die wir in Deutschland vorzuweisen haben. Für Aus- und Fortbildung 1,6 Millionen Euro mehr, auch eine deutliche Mehrausgabe.

Wir fangen mit der Haushaltsdebatte erst an. Wenn Sie unsere Vorschläge dringend brauchen - klar, Sie sind die Regierung, aber wir sind eine nette Opposition -, werden wir Ihnen zeigen, wie es geht, wenn Sie es nicht können. Es wäre schon schön,

wenn Sie die gesetzlichen Vorgaben, die auch wir uns selbst im Bund auferlegt haben, entsprechend umsetzen würden, damit wir 2019 in eine gute Zukunft schauen können. Ich werbe ausdrücklich noch einmal dafür, da wir ohnehin eine gesetzliche Grundlage im Land Brandenburg für die Schuldenbegrenzungsregel schaffen müssen, dass Sie unserem Antrag zustimmen. - Vielen Dank.

(Beifall CDU und FDP)

Vielen Dank, Frau Dr. Ludwig. - Damit ist die Aussprache zum Tagesordnungspunkt 10 beendet. Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag in der Drucksache 5/437 mit dem Titel „Schuldenbremse auch in Brandenburg umsetzen“, der von der CDU-Fraktion eingebracht wurde. Wer dem Antrag folgen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. - Wer ist dagegen? Enthaltungen? - Bei einer deutlichen Mehrheit gegen den Antrag ist der Antrag abgelehnt.

(Bischoff [SPD]: Gut, dass nicht ausgezählt wurde!)

Ich schließe Tagesordnungspunkt 10 und rufe Tagesordnungspunkt 11 auf:

Festhalten an der unmittelbaren Wahl der Landräte im Land Brandenburg

Antrag der Fraktion der CDU

Drucksache 5/438