Protokoll der Sitzung vom 07.05.2010

(Beifall FDP)

Vielen Dank, Herr Abgeordneter Lipsdorf. - Wir setzen die Aussprache mit der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN fort. Die Abgeordnete Nonnemacher erhält das Wort.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Gäste! Das Gesetz über Hilfen und Schutzmaßnahmen sowie über den Vollzug gerichtlich angeordneter Unterbringung für psychisch kranke und seelisch behinderte Menschen im Land Brandenburg - vereinfacht auch PsychKG genannt sieht in den §§ 33 und 49 Besuchskommissionen vor. Ursprünglich sollten diese Besuchskommissionen überprüfen, ob die mit einer gerichtlich angeordneten Unterbringung verbundenen Aufgaben eines Krankenhauses bzw. eines Maßregelvollzugs erfüllt und die Rechte der so untergebrachten Personen gewahrt sind.

In der letzten Novelle dieses Gesetzes vom 5. Mai 2009 wurden die Aufgaben der Besuchskommissionen wesentlich erweitert und ihnen umfangreiche Kontrollbefugnisse zugestanden. So sollen sie sich jetzt auch um zivilrechtliche Unterbringungen in Heimen und Krankenhäusern, um die Überprüfung der Behandlungsbedingungen aller psychiatrischen Patienten, also nicht nur der untergebrachten, sowie um die Einhaltung der Anforderungen der Psychiatrie-Personalverordnung - PsychPV genannt - kümmern. Diese Kontrollbefugnisse, ob die Personalausstattung der Krankenhäuser und die Stellenpläne den Anforderungen der PsychPV genügen, stellten bei der Novelle im letzten Jahr einen erheblichen Paradigmenwechsel dar. Diese Ausweitung der Rechte der Besuchskommissionen im Sinne der betroffenen Patienten ist auf jeden Fall begrüßenswert.

Es waren damit aber Konflikte vorprogrammiert. Stellt schon die Überprüfung der Behandlungsbedingungen aller psychia

trischen Patienten eine immense Aufgabe für eine meist einmal jährlich agierende Kommission dar, so gerät sie durch die Überprüfung der Vorgaben der PsychPV in die ökonomische Schusslinie zwischen Klinikbetreibern, Kostenträgern und den berechtigten Patienteninteressen.

Die angeführte Auffassung der Landeskrankenhausgesellschaft, die Tätigkeit der Kommission erstrecke sich entgegen dem Wortlaut des Gesetzes nur auf die gerichtlich angeordnet untergebrachten Personen, zeigt diese ökonomische Konfliktlinie auf. Dass die Zusammenarbeit der Besuchskommissionen mit den Kliniken im vergangenen Jahr manchmal zu wünschen übrig ließ, erscheint naheliegend. Die vorliegende Novelle versucht, diese Konflikte juristisch zu lösen. Um den Widerstand der Klinikbetreiber gegen Prüfungen ihrer sächlichen und personellen Ausstattung auszuhebeln, wird der § 33 zu den Besuchskommissionen aus dem Abschnitt 3 der öffentlich-rechtlichen Unterbringung gestrichen und modifiziert in den Abschnitt 1 - Allgemeines - integriert. Zusätzlich werden die Prüfungskompetenzen der Besuchskommissionen präzisiert und ausdrücklich auch auf die Dienstpläne der Stationen ausgeweitet. Der Gesetzentwurf versucht die dem Wortlaut nach schon bestehende Zuständigkeit der Kommissionen für alle Psychiatriepatienten noch klarer herauszuarbeiten. Zusätzlich wird ihre Aufgabe konkretisiert. Das mag einige der bestehenden Probleme abschwächen.

Bestehen bleibt aber unter anderem das Problem, dass die Kommissionen mit einer sehr großen Fülle von Aufgaben belastet sind. Diese berühren partiell auch die Fragen der Fachaufsicht und sind von der Zuständigkeit des Ministeriums und dem LASV als Träger der Fachaufsicht abzugrenzen. Die Definition bedarf dort vielleicht näherer Klärung.

Außerdem denken wir, dass die ehrenamtlichen Kommissionen damit überfordert werden, kontroverse Diskussionen mit den Geschäftsführern von Krankenhäusern über Sachmittel- und Personalausstattung auszufechten. Unsere Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat höchste Sympathie für eine gute Personalausstattung psychiatrischer Einrichtungen und die Umsetzung der PsychPV. Wir unterstellen den Koalitionsfraktionen auch hier die allerbesten Absichten bei der Vorlage dieser Novelle. Wir sehen aber einige offene Fragen und halten es für begrüßenswert, dass das im Ausschuss noch einmal unter den Fachleuten diskutiert wird.

Grundsätzlich begrüßen wir, dass die Kommissionen auch für die Personalausstattung zurate gezogen werden und dass sie sich zu den Personalausstattungen äußern können. Dabei werden jedoch ökonomische Probleme des Krankenhauswesens Kommissionen aufgelastet, die damit vielleicht ein wenig überfordert sind. - Danke schön.

(Beifall GRÜNE/B90 sowie vereinzelt bei der Fraktion DIE LINKE)

Frau Ministerin Tack spricht für die Landesregierung.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Vielen Dank an die Kollegen der Regierungsfraktionen sowie auch an Frau Nonne

macher, die mit ihrem Beitrag sehr deutlich gemacht haben, dass die Vorlage dieser Novelle zur Verbesserung der Situation und der Möglichkeiten der Besuchskommissionen notwendig war. Eine Klarstellung mit der Gesetzesnovelle ist also nötig, obwohl - hieran möchte ich nochmals erinnern - die Novellierung des PsychKG im vergangenen Jahr - Frau Lehmann hat es ja beschrieben - sehr umfänglich erfolgt ist. Dies ging bis hin zu dem Punkt, dass es als neues Gesetz bezeichnet wird.

Wie in der Gesetzesbegründung vermerkt, dienen die Änderungen der Klarstellung - und darum geht es uns hier. Wir wollen kein neues Gesetz, wir wollen nicht alle Probleme wieder auf den Tisch legen; sie wurden bereits im vergangenen Jahr hinlänglich geklärt. Es gab qualitativ hochwertige Debatten, Anhörungen und Entscheidungen. Wir wollen, dass die bisherigen Vorschriften für die Besuchskommissionen klargestellt werden und danach in der Praxis verfahren werden kann, und dies besser als bisher. Denn in der Praxis folgten oft Umsetzungsschwierigkeiten; daraus resultiert ja der Widerspruch und die Bitte, zu reagieren.

Insbesondere die Landeskrankenhausgesellschaft sowie einzelne Krankenhausträger bemängelten die Formulierung und vor allen Dingen auch die systematische Stellung der Vorschrift im Gesetz. Wenn das die Gründe sind, so glaube ich, dass sich dies beheben lässt. Wir wissen allerdings auch, dass dies nicht die alleinigen Gründe sind.

Nach dem Verständnis der Landeskrankenhausgesellschaft und einzelner Krankenhausträger sei die Tätigkeit der Besuchskommissionen nach wie vor allein auf den Kreis der gerichtlich untergebrachten Personen beschränkt. Darin besteht unter anderem der Widerspruch. Sie haben hinlänglich begründet, dass dies für alle Patientinnen und Patienten zutreffen muss. Wir haben erfahren, dass es bei Besuchen zwischen Kommissionsmitgliedern und Krankenhausträgern vereinzelt zu sehr ernsten Disputen gekommen ist, bis hin zu dem Punkt, dass die Besuchskommissionen ihre Prüfrechte nicht in Anspruch nehmen konnten. Deshalb brauchen wir hier die gesetzliche Klarstellung und auch eine Präzisierung der Prüfungsbefugnisse der Besuchskommissionen.

Diesem Wunsch trägt der nun vorliegende Gesetzentwurf Rechnung, und ich glaube, wir brauchen, wenn der Entwurf heute überwiesen wird - der Gesetzentwurf muss ja überwiesen werden, um dann im Ausschuss behandelt zu werden -, nicht mehr viel Zeit, um dies zu korrigieren. Wir sollten uns hierbei auf das Nötigste beschränken und nicht das neue Gesetz generell infrage stellen. Ich plädiere für eine Klarstellung und für die eindeutige Ausgestaltung der Rechte und Pflichten der Besuchskommissionen.

Ich möchte an dieser Stelle noch zum Ausdruck bringen, wie wichtig und wie ernst es uns und insbesondere auch mir ist, dass die Rechte der Besuchskommissionen ausgestaltet werden, denn wir alle wissen, dass die psychisch Kranken im Land Brandenburg mehr Aufmerksamkeit brauchen. Sie wissen, dass die Anzahl der Erkrankten zunimmt; das ist eine Tatsache. Wir können also davor nicht die Augen verschließen. Deshalb bin ich Ihnen sehr dankbar, dass Sie diese Gesetzesnovelle eingebracht haben.

Ich möchte in diesem Zusammenhang - Frau Wöllert hat es erwähnt - hinzufügen, dass ich am 22. April dieses Jahres den Landespsychiatriebeirat berufen habe. Damit konnte ein weite

res neues Gremium geschaffen werden, um öffentliche Aufmerksamkeit und Akzeptanz für diese Kranken im Land Brandenburg herzustellen. Zum anderen kann sichergestellt werden, dass dieser Beirat in der Lage ist, viele Erfahrungen aus dem Agieren der Berliner aufzunehmen und im Interesse der Erkrankten wirken zu können. - Vielen Dank.

Das Wort erhält noch einmal die Abgeordnete Wöllert von der Fraktion DIE LINKE.

Lassen Sie mich noch zu zwei Problemen Anmerkungen machen.

Das eine Problem ist die Sorge, man könnte in einem psychiatrischen Krankenhaus entdeckt werden, weil eine Besuchskommission unterwegs ist, und es sieht einen jemand. Ich bitte Sie: Das ist ein offenes Krankenhaus, ich kann jederzeit dort jemanden besuchen, und mir können alle möglichen Leute auf dem Flur über den Weg laufen. Genau das ist gewollt: Wir wollen die psychisch Kranken und die psychiatrischen Krankenhäuser nicht mehr in dieser besonderen, anrüchigen Ecke haben. Psychische Krankheiten gibt es mitten in unserem Leben, sie gehören zu unserem Leben dazu. Die Frau Ministerin hat es gesagt: Es sind immer mehr Menschen, übrigens auch junge Menschen, davon betroffen. Lassen Sie uns offen damit umgehen, und dazu ist dies ein Weg.

Eine zweite Sache: Herr Lipsdorf, wenn Sie hier schon verfassungsrechtliche Bedenken zum § 2a anmerken - dieser Paragraph hat neun Absätze -, dann benennen Sie doch bitte Ihr verfassungsrechtliches Bedenken ganz klar und eiern Sie hier nicht so herum.

(Beifall der Abgeordneten Kaiser [DIE LINKE])

Vielleicht schaffen Sie das bis zur Ausschusssitzung.

Eine dritte Sache möchte ich hier noch bemerken. Die Chefärzte aller psychiatrischen Krankenhäuser haben die Erweiterung auf den öffentlichen Bereich ausdrücklich begrüßt. Ich glaube, es sind 15 Chefärzte in dieser Arbeitsgemeinschaft. Ich freue mich, Prof. Schierack, dass wir dieses Missverständnis ausräumen konnten, und das wird uns, denke ich, im Ausschuss weiter gelingen.

Eine Bitte habe ich: Die Landeskrankenhausgesellschaft war bei dieser Anhörung nicht vertreten. Aber wenn Sie, Kollege Lipsdorf, den Brief bekommen haben, dann haben Sie auch den Vergleich mit den Gewerbebetrieben gesehen. Also, bitte schön, ein psychiatrisches Krankenhaus ist doch wohl alles andere als ein gewerbliches Unternehmen. Das wird unser Ausgangspunkt nicht sein. Darüber sind wir uns alle, meine ich, in diesem Hohen Haus einig: Im Mittelpunkt stehen die Interessen der Patientinnen und Patienten.

In diesem Sinne meine ich: Schieben wir das Gesetz nicht auf die lange Bank! Aber wir werden es mit der notwendigen Gründlichkeit erörtern und zügig auf den Weg bringen. Darum bitte ich Sie noch einmal.

(Beifall DIE LINKE und SPD)

Meine Damen und Herren, wir sind am Ende der Rednerliste zu diesem Tagesordnungspunkt angelangt. Die Fraktionen der SPD und der Linken beantragen die Überweisung des Gesetzentwurfs in der Drucksache 5/845 an den Ausschuss für Umwelt, Gesundheit und Verbraucherschutz. Wer dem Folge leisten möchte, den bitte ich um sein Handzeichen. - Gegenstimmen? - Stimmenthaltungen? - Das ist nicht der Fall. Damit ist diese Überweisung beschlossen.

Ich schließe Tagesordnungspunkt 2 und rufe Tagesordnungspunkt 3 auf:

Fünftes Gesetz zur Änderung des Kindertagesstättengesetzes

Gesetzentwurf der Landesregierung

1. Lesung

Wir beginnen die Debatte mit dem Beitrag von Minister Rupprecht.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Gute Bildung von Anfang an ist der erklärte Wille dieser Landesregierung. Die Verbesserung der Personalausstattung der Kindertagesstätten ist dabei eines der wichtigsten Vorhaben. Wir können heute und hier einen entscheidenden Schritt zur Qualitätsverbesserung in den Kindertagesstätten machen. Das wird, meine Damen und Herren - gestatten Sie mir etwas Pathos -, ein guter Tag für unser Land und seine Kinder werden.

Wir schlagen am heutigen Tag - auch das ist interessant - einen bildungspolitischen Bogen: Jetzt, bei diesem Tagesordnungspunkt, sprechen wir über die Kindertagesbetreuung, also den Anfang einer Bildungsbiografie. Im nächsten Tagesordnungspunkt geht es dann um die Schülerinnen und Schüler der gymnasialen Oberstufe, um diejenigen also, die im Lernen schon weit vorangekommen sind. Beides hat natürlich miteinander zu tun. Denn wer in Brandenburg Abitur macht, hat in aller Regel in einer Kindertagesstätte begonnen, die Welt lernend zu entdecken, wie es so schön heißt.

Die Kindertagesbetreuung ist - das wissen wir alle - aus bildungs- wie aus familienpolitischer Sicht von hoher Bedeutung. Sie hat gleichermaßen sozialpolitische, arbeitsmarkt- und kinderpolitische Aspekte, und sie leistet einen wichtigen Beitrag zur Zukunftssicherung des Landes. Neben der Familie legt sie den Grundstein für die späteren Bildungsprozesse. Schulische Bildung, berufliche Bildung und universitäre Bildung - sie alle bauen auf Grundfähigkeiten auf, die in den ersten Jahren herausgebildet werden.

Dabei sind wir längst nicht nur in Brandenburg von der veralteten, verfehlten Unterscheidung von Bildung, Betreuung und Erziehung weggekommen. Bildung, Betreuung und Erziehung gehören untrennbar zusammen. Wer Kinder betreut, übernimmt

damit auch Verantwortung für ihre Bildung; wer Bildung vermittelt, kann dies nur erzieherisch tun.

Die Erwartungen und auch die Aufgaben haben sich dadurch verändert, die Anforderungen sind gewachsen. Im Vordergrund steht heute, dass Kinder einen sicheren, verlässlichen und anregungsreichen Erfahrungsraum finden. Kindertagesbetreuung übernimmt darüber hinaus eine weitere gesellschaftliche Aufgabe: Sie ist eine wichtige Grundlage für die Vereinbarkeit von Beruf und Familie.

Für diese Vereinbarkeit, meine Damen und Herren, haben wir in den vergangenen Jahren sehr viel getan. Das Land Brandenburg verfügt heute über ein vorbildliches Angebot an Plätzen für Kinder bis zum Ende der Grundschulzeit. Für die Altersgruppe der unter Dreijährigen haben wir heute mit einer Betreuungsquote von 48 % schon deutlich mehr als die bundesweit angepeilten 35 %; bei den Kindergartenkindern sind es 95 % und bei den Erst- bis Sechstklässlern fast 54 %. Mit über 230 000 betreuten Kindern - das sind fast 65 % aller Kinder vom ersten bis zum zwölften Lebensjahr - ist die Kindertagesbetreuung in Brandenburg bundesweit und sogar im europäischen Maßstab beispielgebend. Dafür danke ich an dieser Stelle ganz ausdrücklich den Städten, den Gemeinden und den Kreisen unseres Landes, denn ohne deren großes Engagement wären diese Ergebnisse nicht zu erreichen gewesen.

(Beifall SPD und DIE LINKE)

Verdienter Applaus, vielen Dank, meine Damen und Herren!

Trotzdem gibt es gute Gründe, den erreichten Standard zu überprüfen und zu fragen, ob wir für die Zukunft auch gut aufgestellt sind. Die Diskussionen des letzten Jahres und auch die Aktionen von engagierten Eltern haben uns gezeigt: Für diese Qualitätsanforderungen - ich will einige nennen, beispielsweise die Grundsätze elementarer Bildung oder den gemeinsamen Orientierungsrahmen für Kita und Grundschule oder auch die Sprachförderung von Anfang an - müssen auch entsprechende Rahmenbedingungen geschaffen werden.

Insofern müssen wir die Personalausstattung für Kinder im Krippen- und Kindergartenalter verbessern, um diesen Anforderungen besser gerecht zu werden. Da die pädagogische Qualität der Kindertagesbetreuung in einem hohen Umfang von der Qualifikation und natürlich auch von der Zahl der zur Verfügung stehenden Erzieherinnen bestimmt wird, hat eine Verbesserung der personellen Ressourcen natürlich auch positive Auswirkungen auf die Entwicklungschancen der Kinder.

Diese Verbesserungen hatten die Koalitionsparteien vor der Wahl versprochen, und, meine Damen und Herren, dieses Versprechen halten wir.

(Beifall SPD und DIE LINKE)

Meine Damen und Herren von der Opposition, bei allem, was Sie gleich in der Debatte einwenden werden, bitte ich Sie: Erinnern Sie sich an die Haushaltsdebatte vorgestern. Nur vor dem Hintergrund unserer Haushaltslage lässt sich ermessen, welch ein Riesenschritt die Bereitstellung von zusätzlichen Mitteln bedeutet: Ging der Koalitionsvertrag noch von 33 Millionen Euro zusätzlicher Kosten aus, wissen wir heute, dass wir jährlich 36 Millionen Euro zusätzlich aufbringen müssen, um