Protokoll der Sitzung vom 07.05.2010

(Frau Wehlan [DIE LINKE]: Milliarden!)

- Milliarden, ja. Aber das ist gar nicht unser Thema.

Ich setze mich natürlich dafür ein, dass der schienengebundene Personennahverkehr entsprechend nutzerfreundlich gestaltet wird. Ich gehe davon aus, dass unabhängig von der Unternehmensstruktur alle Verträge eingehalten werden. Wir sind Besteller, wir sind Aufgabenträger für den schienengebundenen Personennahverkehr. Dann erwarten wir auch, dass diese Verträge eingehalten werden. Es sind Mittel des Bundes, die über die Länderebene eingesetzt werden, die die Unternehmen dann bekommen. Es ist eher eine kartellrechtliche Frage. Das muss natürlich geprüft werden. Es dürfte ja so sein, dass der Größte den Zweitgrößten kauft oder „schluckt“ - nennen Sie es, wie Sie wollen. Das muss natürlich kartellrechtlich überprüft werden. Es hat ja weitreichende Folgen. Ich gehe davon aus, dass das auch erfolgt, und ich gehe fest davon aus, dass die Verkehrsverträge entsprechend eingehalten werden, was den schienengebundenen Personennahverkehr betrifft.

Für die Nutzer können wir Entwarnung geben. Aber alles andere muss natürlich berücksichtigt werden. Wir haben großes Interesse daran, dass im schienengebundenen Personennahverkehr Wettbewerb stattfindet. Das wird natürlich mit einer solchen Unternehmensstruktur deutlich schwieriger.

Vielen Dank, Herr Minister. - Wir sind damit am Ende der Fragestunde angekommen.

Ich schließe Tagesordnungspunkt 1 und rufe Tagesordnungspunkt 2 auf:

Gesetz zur Änderung des Gesetzes über Hilfen und Schutzmaßnahmen sowie über den Vollzug gerichtlich angeordneter Unterbringung für psychisch kranke und seelisch behinderte Menschen im Land Brandenburg

Gesetzentwurf der Fraktion der SPD der Fraktion DIE LINKE

Drucksache 5/845

1. Lesung

Wir eröffnen die Aussprache mit dem Beitrag der Abgeordneten Wöllert von der Fraktion DIE LINKE. Bitte.

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Unser Antrag auf Änderung des Brandenburgischen Psychisch-Kranken-Gesetzes greift ein Anliegen des Netzwerkes Brandenburg der Psychiatrieerfahrenen, des Angehörigenverbandes und der Gesellschaft für soziale Psychiatrie auf, das auf den Erfahrungen von Besuchskommissionen vor allem des letzten Jahres basiert. Wir hatten im Mai des letzten Jahres hier ein novelliertes Psychisch-Kranken-Gesetz verabschiedet. Dem ging eine Anhörung im Februar des vergangenen Jahres im zuständigen Fachausschuss, damals noch Ausschuss für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Familie, voraus. Ich erinnere mich, es gab über 30 Änderungsanträge, die zumeist einstimmig beschlossen wurden. Es war eine qualitativ sehr hochwertige Anhörung, die uns gemeinsam zu vielen Änderungen ver

anlasste. Eine Änderung betraf unter anderem auch eine andere Form der Einrichtung der Besuchskommissionen.

Nach einem Jahr müssen wir feststellen: Wir haben unsere Anliegen nicht konkret genug im Gesetz formuliert, damit das, was die Abgeordneten aller Fraktionen und die Fachleute wollten, tatsächlich umgesetzt werden kann.

Die von mir vorhin schon Benannten haben in ihrem Schreiben die Abgeordneten informiert, dass Mitglieder der Besuchskommisionen nicht in allen psychiatrischen Krankenhäusern Zutritt erhielten und nicht alle Dokumente einsehen konnten, um zum Beispiel zu beurteilen, ob die Personalverordnung für psychiatrische Krankenhäuser auch tatsächlich umgesetzt wird.

Bereits in der zweiten Sitzung des Fachausschusses ging der Staatsekretär des Ministeriums für Umwelt, Gesundheit und Verbraucherschutz sehr ausführlich auf die Notwendigkeit der weiteren Entwicklung der Psychiatrieentwicklungsplanung ein. Ein Ergebnis war ja auch der erst kürzlich einberufene Psychiatriebeirat des Landes Brandenburg. Ich denke, die Ministerin wird nachher dazu noch einiges sagen.

Um eine noch bessere Qualität der Zusammenarbeit mit allen an der psychiatrischen Versorgung Beteiligten zu erreichen, ist es notwendig, die Aufgaben der Besuchskommissionen und deren Befugnisse klarer und deutlicher zu formulieren. Genau das haben wir mit dem vorliegenden Gesetzentwurf getan.

Die jetzige Systematik des § 2 a erklärt ganz eindeutig, dass sich die Tätigkeit der Besuchskommissionen auf alle Bereiche der psychiatrischen Klinikversorgung bezieht. Darüber hinaus wird klargestellt, dass sich die Aufgaben der Besuchskommissionen auf alle psychisch kranken und seelisch behinderten Menschen erstreckt, unabhängig von den Umständen ihres Klinikaufenthalts. Im Gegensatz zur bisherigen Regelung geht es auch nicht mehr nur um die Wahrung der Rechte dieser Personen, sondern es wird ausdrücklich auf die Wahrung ihrer Interessen gegenüber dem Krankenhaus verwiesen. Im Abs. 4 des § 2 a werden die Befugnisse der Besuchskommissionen deutlich formuliert. Damit sind klare Aussagen getroffen, dass den Mitgliedern der Besuchskommissionen auf Verlangen Zutritt zu den entsprechenden Geschäftsräumen zu gewähren und die Einhaltung der Psychiatriepersonalverordnung darzulegen ist. Dabei ist besonders auch die Einsicht in Stellenbesetzungsund Dienstpläne zu gewähren.

Mit den Änderungen im vorliegenden Gesetzentwurf entsprechen wir genau den Intentionen, wie wir sie im Rahmen der Anhörung im vergangenen Jahr im Fachausschuss zu hören bekamen. So sagte zum Beispiel Dr. Dr. Rommel, Chefarzt der Klinik für Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik am Klinikum Frankfurt (Oder), er sprach allerdings für die Chefärzte aller brandenburgischen Psychiatriekliniken, für diesen Arbeitskreis war er zur Anhörung gekommen:

„Die Besuchskommissionen stellen ein Element in der psychiatrischen Versorgung dar, das dazu beiträgt, die psychiatrischen Kliniken aus ihrer unglücklichen Isolation und Verborgenheit in eine Transparenzverpflichtung zu nehmen. Ich begrüße das ausdrücklich. Psychiatrie muss sich als Ort der Geborgenheit und nicht als Ort der Unterdrückung und Wegschließung von Mitmenschen erweisen. Deswegen sind Besuchskommissionen geeignete Instrumente, um die Behandlungsqualität zu überprüfen.“

Auch Herr Zywicki, Vertreter des Netzwerks Brandenburg e. V., Landesarbeitsgemeinschaft der Psychiatrieerfahrenen, Herr Dr. Kühl, Vorsitzender Richter am Landgericht Frankfurt (Oder), und Herr Osinski von der Brandenburgischen Gesellschaft für soziale Psychiatrie, haben inhaltlich diese Aussagen so getroffen.

Ich wünsche mir sehr, dass wir zügig, nicht überstürzt, eine Änderung dieses Psychisch-Kranken-Gesetzes gemeinsam erreichen, die die Intentionen der Fachleute und des größten Teils der oder aller Abgeordneten erfüllt. In diesem Sinne bitte ich Sie um Überweisung unseres Antrags in den zuständigen Fachausschuss. - Danke.

(Beifall DIE LINKE und SPD)

Vielen Dank, Frau Abgeordnete Wöllert. - Bevor wir die Aussprache mit dem Beitrag der CDU-Fraktion fortsetzen, begrüße ich Schülerinnen und Schüler aus dem Einstein-Gymnasium Potsdam ganz herzlich in unserem Hohen Haus. Willkommen bei uns!

(Allgemeiner Beifall)

Sie erleben gerade die Debatte zum Gesetz über Hilfen und Schutzmaßnahmen für psychisch kranke Menschen.

Herr Abgeordneter Schierack, Sie haben das Wort.

Guten Morgen! Sehr geehrte Präsidentin! Sehr geehrte Abgeordnete! Liebe Frau Wöllert, ich danke für die einführenden Worte. Sie bringen heute erstmalig eine Novelle für das Psychisch-Kranken-Gesetz ein. Ich danke Ihnen, dass Sie die Überweisung beantragt haben - ich hatte bis vor kurzem gedacht, Sie möchten heute darüber abstimmen -, deswegen bin ich zunächst dankbar dafür.

(Frau Kaiser [DIE LINKE]: Das ist ein Gesetzentwurf!)

Es stand für mich nämlich die Frage: Warum bringen Sie das als Koalition ein, nicht als Regierung; denn wenn etwas eilig ist, ist dieser Weg vorgegeben. Da habe ich mich schon gefragt, warum das dann so eilig ist. Das hat sich mir bisher nicht erschlossen.

Als das PsychKG im Jahr 2009 geändert wurde, fand eine Anhörung statt. Ich war damals noch kein Abgeordneter, konnte mich aber einlesen. Im Ausschuss ging es um eine Besuchskommission für Personen, deren Unterbringung gerichtlich angeordnet wurde. Aber ich möchte deutlich sagen: Es gab keine Anhörung zur Ausdehnung der Besuchskommission für alle psychisch Kranken. Es gab - wie Sie eben sagten - einen Chefarzt, der vorgeschlagen hat, die Besuchskommission auszuweiten, aber der Grund dafür hat sich mir noch nicht erschlossen; von anderen angehörten Fachärzten wurde das ebenfalls nicht beschrieben.

Ich habe mich noch nicht dafür oder dagegen entschieden und halte es für gut, den Gesetzentwurf im Fachausschuss zu erörtern. Wir sollten uns angewöhnen, die Landeskrankenhausgesellschaft und die Träger einzuladen. Zwar heißt es im Gesetz

entwurf, dass das Gesetz notfalls auch gegen die Träger durchgesetzt werden soll - das können Sie natürlich tun, Sie haben die Mehrheit -, aber ich meine, es gehört zum guten Ton, sie einzuladen und anzuhören.

Es geht ja vordergründig nicht nur um die Einrichtung, sondern vor allem auch um die psychisch kranken Menschen. Jemand, der an einer psychischen Erkrankung leidet, mag es nicht unbedingt, dass das bekannt wird. Nun stellen Sie sich einmal vor das meine ich ernst -, Sie geraten selbst in eine solche Situation und werden dann mit einer Besuchskommission konfrontiert. Sie werden erkennen, wie schnell Sie unfreiwillig davon tangiert werden könnten. Im Entwurf heißt es zwar, ein Kranker könnte die Einsicht in die Akten verweigern. Sie sprechen von einer Patientengruppe mit besonderer Abhängigkeit und Schutzwürdigkeit; da stimme ich Ihnen zu. Aber meinen Sie wirklich, dass Menschen mit einer psychischen Erkrankung, die sich womöglich in einer Psychopharmaka-Therapie befinden, zu jeder Zeit und in jeder Situation in der Lage sind, die Tragweite ihrer Entscheidung - ob Akten eingesehen oder nicht eingesehen werden - klar erkennen können? Wissen diese Menschen tatsächlich, worum es geht? Insofern erwarte ich von der Anhörung im Ausschuss eine Klarstellung für die seelisch kranken Menschen.

Es gibt weitere wichtige Fragen, die ich gern geklärt haben möchte: Werden die Besuchskommissionen Auswirkungen auf den Klinikalltag, also auf die klinische Behandlung, haben? Es heißt „Besuch mindestens einmal im Jahr“, das kann also auch zweimal, dreimal, viermal bedeuten. Das setzt ja eine gewisse Kooperationsbereitschaft voraus. Ich glaube außerdem, dass die Fachärzte für Psychiatrie gute Arbeit leisten und dass es eines Dialogs bedarf. Auch das bitte ich zu klären.

Ich spreche mich für eine Überweisung des Gesetzentwurfs an den Fachausschuss - vielleicht mitberatend auch an den Rechtsausschuss - aus, um ihn dort mit Juristen, Klinikbetreibern, der Landeskrankenhausgesellschaft, Ärzten und Patientenvertretern zu erörtern. - Herzlichen Dank.

(Beifall CDU und FDP)

Vielen Dank, Herr Prof. Dr. Schierack. - Wir setzen die Debatte mit dem Beitrag der SPD-Fraktion fort. Die Abgeordnete Lehmann erhält das Wort.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr verehrte Gäste, die Besuchskommission im PsychKG ist ja im Grunde nichts Neues. Im Mai 2009 wurde das alte PsychKG durch ein neues abgelöst. Es war also keine Novelle, sondern ein neues Gesetz. Das vorhergehende Gesetz aus dem Jahr 1996 war ein „Evergreen“ unter den brandenburgischen Gesetzen, denn es war eben schon einige Jahre alt. Es hatte sich ein Stück weit überholt. Das damalige Gesetz bezog sich noch auf das Bundesprogramm „Aufbruch Psychiatrie“. Es ging darum, psychiatrische Strukturen im Land Brandenburg aufzubauen. Das haben wir inzwischen Gott sei Dank gut auf den Weg gebracht. Es gab zwischenzeitlich einige Veränderungen im Bereich des Maßregelvollzugs. Im Mai 2005 haben wir ein neues PsychKG verabschiedet. Es war eine sehr intensive Anhörung

zu diesem Gesetz, für mich persönlich die intensivste und fachlich qualifizierteste Anhörung, die ich in der letzten Wahlperiode erlebt habe. Wir haben viele Änderungsvorschläge in dieses Gesetz aufgenommen.

Die Besuchskommission war in dieser Anhörung ein wichtiger Punkt. Sie ist bislang im PsychKG geregelt. Ihre Aufgabenstellung war recht allgemein gehalten. Zunächst lautete die Formulierung, die Besuchskommission solle prüfen, ob die Aufgaben für die Unterbringung erfüllt - eine sehr allgemeine Formulierung - und ob die Rechte der Patienten gewahrt werden. Mehr stand dazu nicht darin. In der Anhörung ist gesagt worden, dass diese Formulierungen zu allgemein seien und die Besuchskommission deswegen ein zahnloser Tiger sei. Der Gesetzgeber wurde gebeten, diese Aufgabenstellung konkreter zu formulieren. Das haben wir getan. Was wir jedoch nicht getan haben ich glaube, das war der Kardinalfehler -, war, die Besuchskommission aus dem Abschnitt öffentlich-rechtliche Unterbringung gerichtliche Unterbringung - herauszunehmen und in den Abschnitt Grundsätze der psychiatrischen Versorgung zu überführen, sodass die Besuchskommission allgemein für die Unterbringung psychiatrischer Patienten in Kliniken gegolten hätte.

Das war die Intention im vergangenen Jahr, das war die Intention der Anhörung. Insofern wollten wir das schon immer so und müssen es nun schlicht und einfach korrigieren. Das Netzwerk Brandenburg der Psychiatrieerfahrenen, aber auch der Verband der Angehörigen und die Brandenburgische Gesellschaft für soziale Psychiatrie hat sich an den Ausschussvorsitzenden Herrn Jungclaus gewandt und uns auf das Problem aufmerksam gemacht, dass die Besuchskommission vor Ort in ihrer Arbeit beeinträchtigt wird; ich will bewusst nicht das Wort „behindert“ verwenden.

Ich gebe gern zu, dass wir bei dieser Frage natürlich auch die Interessen der Krankenhäuser zu berücksichtigen haben. Wenn es um die Rechte der Patienten geht, werden wir uns - so denke ich - in dieser Frage sicherlich einigen; schließlich haben wir das gleiche Interesse. Ich gebe zu, dass wir auch Fragen des Datenschutzes auf die Tagesordnung setzen müssen. Ich empfehle im Namen meiner Fraktion, den Gesetzentwurf in den Fachausschuss zu geben und uns dort über all diese Dinge zu verständigen. - Herzlichen Dank.

(Beifall SPD und DIE LINKE)

Vielen Dank, Frau Abgeordnete Lehmann. - Wir fahren in der Aussprache mit dem Beitrag der FDP-Fraktion fort; Herr Abgeordneter Lipsdorf erhält das Wort.

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Zuerst einmal lassen Sie mich mein Befremden darüber äußern, dass hier zwar festgestellt wurde, dass man getagt hat und wohl alle einbezogen worden sind, mir gleichzeitig aber ein Brief vorliegt, aus dem eindeutig hervorgeht, dass die Krankenhausträger und die Krankenhausgesellschaft am Gesetzgebungsverfahren im Jahr 2009 nicht beteiligt waren.

(Frau Wöllert [DIE LINKE]: Auch die CDU hatte ein Vorschlagsrecht bei der Einladung der Anzuhörenden!)

Das lässt sich ja nachholen.

Prinzipiell rollt der Gesetzentwurf für uns Fragen auf. Es ist fraglich, inwieweit derart weite, praktisch unbeschränkte Befugnisse der Besuchskommission sinnvoll sind und den von Ihnen angesprochenen Rechten genügen. Das muss man dezidiert prüfen, und zwar unter Einbeziehung der Krankenhausträger.

Das, was Prof. Schierack gesagt hat, ist ein weiterer Punkt: Inwieweit wird der Krankenhausbetrieb gestört? Wird die Betreuung der Patienten durch ein Übermaß nicht eher gestört? Das muss besprochen, das muss geklärt werden. Deswegen ist es richtig, den Gesetzentwurf im Ausschuss mit einer Vielzahl von Fachleuten, auch mit den Trägern, zu behandeln. Wir weisen speziell auf § 2 a Abs. 4 bzw. Abs. 7 Satz 2 hin, die zum Teil verfassungsrechtliche Fragen aufwerfen und nicht so angelegt sind, dass wir auf ein nachhaltiges Gesetz hoffen können und darauf, uns nächstes Jahr nicht wieder an gleicher Stelle treffen zu müssen, weil sich abermals bestimmte Organisationen beschweren, dass es eben nicht sinnvoll ist. Darauf möchten wir verweisen. Wir freuen uns auf die Diskussion im Ausschuss, wo wir diese Fragen mit allen Beteiligten hoffentlich ganz pragmatisch behandeln werden. - Ich bedanke mich.

(Beifall FDP)