Protokoll der Sitzung vom 07.05.2010

(Zuruf des Abgeordneten Dombrowski [CDU])

nämlich dass Bildung tatsächlich vom Geldbeutel abhängt, entgegenzuwirken, ist Ihnen nichts eingefallen. Das ist nicht Ihr Thema, weil Ihre Wählerschaft nicht aus diesen Schichten kommt, weil Sie diese Wähler möglicherweise auch gar nicht für sich gewinnen wollen.

Wir als Sozialdemokraten und diese Regierungskoalition insgesamt haben sich die Aufgabe gestellt, dass Menschen in diesem Land gleiche Chancen haben. Die werden in erster Linie über Bildung verteilt. Wir haben Vorschläge, wie das realisierbar ist. Das Schüler-BAföG wird eine Trendwende einleiten.

(Dombrowski [CDU]: Aha!)

Das Schüler-BAföG hat ein historisches Vorbild. Herr Dombrowski, Sie haben ja zehn Jahre im Westen gelebt.

(Dombrowski [CDU]: 14 Jahre!)

Von daher müssten Sie sich noch daran erinnern können: Zwischen 1971 und 1983 hat es ein Schüler-BAföG gegeben,

(Zuruf des Abgeordneten Dombrowski [CDU])

das dazu führte, dass sich der Anteil von Arbeiterkindern unter den Abiturienten in Westdeutschland zwischen 1971 und 1983 verdoppelte. 1983 kam die damalige schwarz-gelbe Bundesregierung an die Macht. Eine ihrer ersten Maßnahmen war es, dieses Schüler-BAföG abzuschaffen. Während sich der Anteil der Arbeiterkinder unter den Abiturienten zu der Zeit, als das Schüler-BAföG existierte, verdoppelte, hat er sich nach Abschaffung des Schüler-BAföGs halbiert. Wer diesen Zusammenhang nicht erkennt, sollte sich noch einmal auf die Schulbank setzen - meinetwegen auch ohne Schüler-BAföG, wenn die Eltern genug Geld haben - und etwas über Zusammenhänge lernen, dass nämlich manche Menschen Unterstützung brauchen und andere nicht. Ich finde es unerträglich, dass in diesem Land manche Kinder auf die Welt kommen und aufgrund der Tatsache,

(Senftleben [CDU]: 20 Jahre SPD-Bildungspolitik!)

dass ihre Eltern einen dicken Geldbeutel haben,

(Senftleben [CDU]: 20 Jahre SPD-Bildungspolitik!)

ihre Chance, das Abitur zu machen, achtmal größer ist

(Senftleben [CDU]: 20 Jahre tragen Sie dafür Verantwor- tung!)

als die Chance der Kinder, die in eine Facharbeiterfamilie hineingeboren werden.

(Senftleben [CDU]: 20 Jahre Ihre Verantwortung!)

Ich weiß gar nicht, warum Sie das so fürchterlich aufregt.

(Senftleben [CDU]: Ich sage es nur!)

Sie sind eine Klientelpartei der Besserverdienenden, hier im Land ohnehin.

(Beifall SPD und DIE LINKE)

Ich sage Ihnen: Wenn Sie so weitermachen, werden Ihnen die 19,6 % der Stimmen, die Sie bei der letzten Wahl bekommen haben, noch als glorreiches Ergebnis erscheinen.

(Zurufe von der CDU)

Sie werden als CDU auf das Niveau der FDP in den aktuellen Umfragen schrumpfen, wenn Sie so weitermachen.

(Zurufe von der CDU)

Ich will aber auch noch einen Satz in Richtung der Grünen sagen, weil ich die Gegenargumente durchaus ernst nehme. Wenn es zuträfe, dass dieses Schüler-BAföG eine Einzelmaßnahme ist, die in diesem Land umgesetzt wird, um mehr soziale Gerechtigkeit herzustellen, dann würde ich Ihre Kritik annehmen und Ihnen dahin gehend Recht geben, dass dies unzureichend ist. Aber der Bildungsminister hat völlig zu Recht darauf hingewiesen, dass die Landesregierung hier ein Paket vorlegt. Dieses Paket beinhaltet eine deutliche Verbesserung im Bereich der Kinderbetreuung, beinhaltet auch die Neueinstellung von 450 Lehrern mit Beginn des nächsten Schuljahres und wird um dieses Schüler-BAföG ergänzt. Ich glaube, dass dieses Paket in der Bildungspolitik insgesamt eine Trendwende in Brandenburg einleiten wird, dass mehr soziale Gerechtigkeit hergestellt wird. Das wird auch angenommen werden. Dadurch, dass Sie das ablehnen, erklären sich auch die Umfrageergebnisse in diesem Land: Während die Landesregierung eine dicke Mehrheit hinter sich hat, dümpeln Sie, die schlechteste CDU Deutschlands, im Keller herum.

(Beifall SPD und DIE LINKE)

Herr Senftleben, Sie gestatten mir eine Feststellung zu meiner Beobachtung: Ihre Zwischenrufe werden nicht wirksamer, wenn Sie sie sieben- bis achtmal wiederholen, wie soeben geschehen.

Wir setzen mit dem Beitrag des Abgeordneten Goetz von der FDP-Fraktion fort.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich kehre vom Landwirtschaftsanpassungsgesetz zur Bildungspolitik in Brandenburg zurück. Es gibt ein Problem in Brandenburg, nicht nur in Brandenburg, in ganz Deutschland, über das wir uns fraktionsübergreifend möglicherweise sogar einig sind. Es trifft zu, dass Kinder aus bildungsnäheren Elternhäusern größere Chancen haben, zum Abitur zu kommen, ein Studium zu absolvieren. Es trifft genauso zu, dass junge Menschen aus bildungsfernen Elternhäusern geringere Chancen darauf haben. Weil es heißt, dass Talente zum großen Teil zwar angeboren sind, aber dann entwickelt werden müssen, ist es wichtig, in dieser Position gegenzusteuern.

(Präsident Fritsch und der Abgeordnete Senftleben [CDU] führen eine Unterhaltung.)

Meine Herren, die Geräuschkulisse hinter mir stört mich wirklich. Ich bitte darum, das zu beenden. Vor mir können Sie machen, was Sie wollen, hinter mir bitte ich um Ruhe. Das wäre schön.

Es gibt Talente, die angeboren sind, die sich aber nicht entwickeln können, weil Bildung vorenthalten wird. Insofern ist es richtig, dass gegengesteuert wird, denn wir können es uns gerade in Brandenburg nicht leisten, irgendein Talent brachliegen zu lassen. Jedes Talent muss entwickelt werden. Das ist gar keine Frage. Insofern ist es auch richtig, wenn man anstrebt, mehr Kinder aus bildungsfernen Elternhäusern zum Abitur zu führen.

Was wir wollen, ist Chancengerechtigkeit am Start, nicht Gleichheit irgendwo am Ziel. Auch das ist richtig. Die Frage ist dann aber, wie man das erreicht, ob man die Förderung von Talenten, das bessere Ansprechen von Talenten mit einem solchen Schüler-BAföG erreicht, mit 100 oder 50 Euro im Monat, die ab der Sekundarstufe II dann gezahlt werden sollen. Tatsächlich ist es eigentlich nur ein nettes Taschengeld. Meine Damen und Herren Juristen unter uns - Kollege Schöneburg ist jetzt nicht da -, Kollege Groß, Kollege Eichelbaum, es gibt im Strafrecht den untauglichen Versuch. Beim untauglichen Versuch geht es darum, dass die Ehegattin, die sich auf einfache Weise von ihrem Gatten trennen möchte, ihm eine Taschenlampenbatterie in die Badewanne wirft, in der Hoffnung, dass der Stromschlag ihren Gatten ins Jenseits befördert.

(Zuruf von der Fraktion DIE LINKE)

Das funktioniert im Regelfall nicht.

(Bischoff [SPD]: Das ist mehr als schief!)

Genau das ist aber das, was Sie hier machen.

Der Vorteil Ihres untauglichen Versuchs ist es, wie der Kollege Hoffmann es auch schon sagte, dass am Ende niemand wirklich zu Schaden kommt, aber es bringt eben auch nichts.

(Zurufe von der SPD)

Der Nachteil ist, dass dieser Versuch im Jahr 2010 1 Million Euro kostet und später 5 Millionen Euro - Geld, das wirklich an jeder anderen Stelle im Bildungshaushalt gut aufgehoben wäre. Besser wäre es, jedem Schulamtsbezirk zusätzlich drei Lehrer zu geben. Damit wäre wirklich etwas getan. Damit

könnten Vertretungsreserven erhöht werden, da könnte man mit kleineren Klassenfrequenzen im Grundschulbereich arbeiten. Damit könnte in diesem Bereich eine bessere Bildungspolitik gemacht werden. Es würde weniger Unterricht ausfallen. Auch im Sekundarbereich wären mehr Lehrer der richtige Ansatz.

Wenn man etwas ändern will, so ist die frühkindliche Prägung der Kinder entscheidend. Das erreicht man eben nicht, wenn man erst in der 11. Klasse ansetzt. Man muss früher ansetzen, im Kita-Bereich, im Grundschulbereich, um entsprechend gegenzusteuern. Wer erst einmal die 11. Klasse erreicht hat, der braucht diese Hilfe nicht mehr, denn der ist ja dann schon auf dem Weg zum Abitur. Dass an dieser Stelle noch jemand scheitert, mag eintreten, das hat dann wohl aber eher mit Leistungen und eigener Verantwortung zu tun als damit, ob 50 oder 100 Euro im Monat gezahlt werden.

Im Koalitionsvertrag von Rot-Rot wird eine intensive individuelle Förderung versprochen. Halten Sie sich daran! Tun Sie genau das! Ich erinnere daran - Bildungsminister Rupprecht hatte es angesprochen -, dass am Gymnasium „Am Burgwall“ in Treuenbrietzen nun drei 7. Klassen eingerichtet werden; das ist sehr löblich, dadurch verringert sich die Klassenfrequenz. Es freut mich sehr, dass das gelungen ist, denn die geringeren Klassenfrequenzen ermöglichen eine bessere individuelle Förderung, und dadurch wird mehr Schülern die Chance gegeben, zum Abitur zu kommen. Es ging in Treuenbrietzen um eine einzige Lehrerstelle; 28, 25 Schüler vom Lehrer-Schüler-Schlüssel her machen eine Klasse aus. Es ist gut, dass nun eine dritte 7. Klasse eingerichtet wird, wodurch individueller gefördert werden kann, und das Geld dahin geflossen ist.

Wenn man die Millionen zusammennimmt, könnten Sie das an 20 Schulen machen. Sie könnten 20 zusätzliche Klassen einrichten, 20 Lehrer stünden mehr zur Verfügung, um dann dauerhaft für individuelle Förderung zu sorgen und dadurch im Abiturbereich, wenn es wirklich schwierig wird und Kinder aus bildungsfernen Elternhäusern möglicherweise mehr Schwierigkeiten haben, zum Abitur zu gelangen, weil das Elternhaus eben nicht helfen kann, zu besseren Ergebnissen zu verhelfen.

Meine Damen und Herren, das, was Sie sich vorgenommen haben, werden Sie mit Ihrem Gesetzentwurf zum Schüler-BAföG nicht erreichen. Es ist ein untauglicher Versuch, Bildung dort hinzubringen, wohin sie gebracht werden muss. Den Ansatz erkenne ich an, dass wir Bildung auch bildungsferneren Schichten zu ermöglichen versuchen müssen. Nur so, wie Sie sich das vorstellen, funktioniert es eben nicht. Im Vergleich zu dem, was Sie als Schüler-BAföG anbieten, ist die Berliner Abiturlotterie geradezu ein Leuchtturm hervorragender und erfolgreicher Bildungspolitik. Was Sie vorhaben, wird nicht funktionieren.

Einer Überweisung an den Ausschuss stimmen wir zu, wir können dort gern weiterreden. Aber im Ergebnis wird dabei nichts herauskommen. - Ich danke Ihnen.

(Beifall CDU und FDP - Jürgens [DIE LINKE]: Das war ein untauglicher Versuch!)

Der Abgeordnete Krause spricht für die Linksfraktion.

(Zuruf von der CDU: Wo bleibt Frau Kaiser?)

- Frau Kaiser ist da; Sie können sich gern mit ihr unterhalten.

(Frau Kaiser [DIE LINKE]: Wer vermisst mich?)