Meine Damen und Herren von den Regierungsfraktionen, wir stimmen mit Ihnen überein, dass eine gute Bildung nicht vom Geldbeutel der Eltern abhängen darf.
Aber Sie setzen ohne Kontrollmöglichkeiten und ohne ein klares zweckmäßiges Konzept an der falschen Stelle und viel zu spät an. Das ist in der Anhörung der Experten deutlich geworden. Es ist klar, dass der Gesetzentwurf so nicht beschlossen werden kann. Setzen Sie die vielen Millionen Euro lieber dort ein, wo sie wirklich gebraucht werden und unseren Kindern tatsächlich zugutekommen. Nur so können Sie Ihre Wahlversprechen einlösen, was den Schulkindern und unserem Bundesland nutzt. - Vielen Dank.
Vielen Dank, Herr Abgeordneter Büttner. - Wir setzen die Debatte mit dem Beitrag der Linksfraktion fort. Es spricht der Abgeordnete Krause.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Dombrowski, gestatten Sie mir zu Beginn eine persönliche Anmerkung.
Ich habe großen Respekt vor Ihrer Biografie. Sie werden nicht erleben, dass ich die Geschehnisse von vor 20 Jahren in irgendeiner Weise verherrliche. Ich bin verdammt froh, dass ich aufgrund meines jungen Alters nie in die Situation gekommen bin, dass ich mich wie viele andere damals für oder gegen etwas entscheiden musste. Aber ich bin es verdammt leid, dass Sie jeden Punkt, der auf der Tagesordnung steht und diskutiert wird, heranziehen, um eine Brücke zur DDR oder zur Stasi zu schla
gen. Das geht nicht! Ich habe wirklich großen Respekt vor Ihrer Biografie, aber ich halte es nicht für angemessen und angebracht, dass Sie immer wieder versuchen, diese Brücke zu bauen und alle Menschen darüber zu führen.
Nun aber zur Debatte. Wir haben eine Menge über Küchentische und Mahlzeiten gehört. Herr Hoffmann, ich gönne Ihnen jede Mahlzeit. Wirklich, ich werde Ihnen nichts wegnehmen. Es ist alles in Ordnung. Ich gönne Ihnen alles.
Wir diskutieren hier aber über eine Klientel, die sich nicht jeden Tag ein warmes Mittagessen leisten kann oder es sich nicht leisten möchte, weil sie an anderer Stelle Prioritäten setzt. Hier geht es um Menschen, die gut überlegen müssen, wofür sie ihr Geld ausgeben. Wir wollen ihnen diese Entscheidung erleichtern. Sie sollen nicht länger überlegen müssen, ob sie sich für ein warmes Mittagessen oder für Schulmaterialien entscheiden. Das ist der Punkt! Es gibt viel zu viele Kinder in unserem Land, die sich gut überlegen müssen, wofür sie Geld ausgeben: Sie können sich eben kein zusätzliches Schulbuch kaufen, sie können sich keine Busfahrt zur Schwimmhalle leisten und sie können die Kino-Eintrittspreise nicht zahlen. Ich führe das ganz bewusst an, weil es angesprochen worden ist. Ich bin davon überzeugt, dass man in guten Filmen oder auf Konzerten etwas lernen kann, was der Gesellschaft nutzt, und dass dafür Landesmittel einzusetzen sind.
Es geht darum, dass die Wahl des Bildungsgangs nicht vom finanziellen Hintergrund der Familie abhängen darf. Das ist im Wahlkampf vertreten und im Koalitionsvertrag festgeschrieben worden. Darum kümmern wir uns jetzt. Insofern können Sie uns nicht vorwerfen, wir würden nichts tun, und gleichzeitig alles, was wir angestoßen haben, kritisieren. Das passt nicht zusammen. Sie müssen sich mal entscheiden. Ich glaube, dass das Schüler-BAföG ein Schritt zu mehr Chancengleichheit sein kann. Wir haben viel darüber gehört, was in der Anhörung diskutiert wurde. Interessant wird es immer dann, wenn Menschen über die Anhörung sprechen, die gar nicht daran teilgenommen haben. Die Quintessenz aus der Anhörung - das kann man im in Kürze erscheinenden 100 Seiten starken Protokoll nachlesen - ist, dass sich alle Experten einig waren, dass es richtig ist, etwas zu tun, um Chancengleichheit herzustellen und diesen Weg einzuschlagen.
Herr Abgeordneter Krause, ich habe eine Nachfrage. Sie haben sehr emotional für das Schüler-BAföG argumentiert und gesagt, dass Schülerinnen und Schüler die Möglichkeit haben müssen, mit dem Bus Fahrziele wie eine Schwimmhalle oder andere Orte, an denen sie Freizeit verbringen wollen, anzusteuern. Ist Ihnen bekannt, dass Schülerinnen und Schüler, die im Besitz einer Schüler-Monatskarte sind, in fast allen Landkreisen - auch in unserem Landkreis Uckermark - schon jetzt kostenlos im ganzen Kreis mobil sind? Die Regierungsfraktionen
haben kürzlich beschlossen, dass Kinder von Hartz-IV-Leistungsbeziehern diese Monatskarten zur Schülerbeförderung kostenlos erhalten. Insofern sollte man dieses Argument nicht hinzuziehen.
Herr Wichmann, ich glaube, dass Sie eigentlich klug genug sind, um zu verstehen, in welche Richtung ich mit dieser Argumentation … - Sie schütteln den Kopf. Gut, so klug sind Sie also nicht. Halten wir das fest.
Folgendes ist mir wichtig zu erwähnen: In der Anhörung haben auch die Vertreter der GEW festgehalten, dass sie über den Paradigmenwechsel in der Landespolitik froh sind. Dieser wurde natürlich dadurch herbeigeführt, dass die Wählerinnen und Wähler 2009 anders entschieden haben als 2004. Auch ich bin froh darüber.
Es gab natürlich eine Reihe von Kontroversen über den Weg, mit dem dieses Ziel, mehr Chancengleichheit herzustellen, erreicht werden kann. Natürlich gibt es viele Vorstellungen darüber, wie die zur Verfügung stehenden Mittel auszugeben sind; das ist unbestritten. Es gab die Forderung, dass mehr Teilungsstunden und Förderungsunterricht stattfinden.
Herr Hoffmann, Sie haben es angesprochen, wir wollen Frühförderung. Diesbezüglich haben wir als erste Maßnahme den Kita-Personalschlüssel verändert. Ein Erzieher wird zukünftig weniger Kinder zu betreuen haben. Das ist ein Beitrag zur Frühförderung. Es gibt Sprachstandsfeststellungen und die entsprechende Förderung dazu. Das geschieht schon. Herr Fuchs hat in der Anhörung vorgerechnet, dass man mit dem Geld theoretisch auch 100 Grundschullehrer mehr einstellen könnte. Wir stellen 450 Lehrer ein, das sind mehr als 100. Wir sind doch auf dem Weg! Das Geld, das uns nun zur Verfügung steht, setzen wir eben dafür ein, ein Schüler-BAföG einzuführen. Ich glaube, dass das richtig ist.
Sie haben den Zeitpunkt der Einführung zur Debatte gestellt. Sie sagen, wenn das Schüler-BAföG zum August 2010 eingeführt wird, habe es keinen Einfluss mehr auf die jetzt anstehende Entscheidung der Schülerinnen und Schüler hinsichtlich ihres Bildungsweges. Das stimmt. Die Schüler kommen jetzt in die 11. Klasse. Ich bin froh darüber, dass sie sich, wenn sie Schüler-BAföG erhalten, auf die Schule konzentrieren können, dass sie freitags nicht zwingend hinter einer Supermarktkasse sitzen, samstags Zeitungen austragen und mittwochs bei Privatleuten Gartenarbeit verrichten müssen.
Ich bin froh darüber, dass sie diese Unterstützung bekommen und sich auf ihre Bildung konzentrieren können. Es ist richtig, das Schüler-BAföG schnellstmöglich einzuführen. Wir haben über Verwaltungsaufwand, Software und Auszahlungen diskutiert. Herr Günther hat es angesprochen. Natürlich könnte man jetzt sagen: Wir legen die Hände in den Schoß und warten. Aber ich hielte das nicht für richtig. Geld nachgezahlt zu be
Diskutiert wurde auch über die mit dem Schüler-BAföG verbundenen Bürokratiekosten. Die Experten haben gesagt, sie seien verträglich. Gleichzeitig wurde gefordert, die Verwendung des Geldes zu kontrollieren. Das würde die Bürokratiekosten in die Höhe treiben, und es würde weniger Geld für die Schülerinnen und Schüler zur Verfügung stehen. Deswegen halte ich das nicht für zielführend.
Der Landesschülerrat ist angesprochen worden. Nun kann man viel über die Legitimation des Landesschülerrates reden, weil es dort kein eindeutiges Wahlverfahren gibt; das möchte ich an dieser Stelle jedoch nicht tun. Der Landesschülerrat hat -
(Senftleben [CDU]: Eine wunderbare Kette von Argu- menten! Jetzt ist es plötzlich nicht richtig! So ein Quatsch!)
wenn Sie an der Sitzung des Landeschulbeirates teilgenommen hätten, wüssten Sie das, Herr Büttner -, zugegeben, dass man sich nicht sicher sei, ob man diese Klientel vertreten kann, weil man nicht in der Situation sei wie die Schülerinnen und Schüler im Adressatenkreis des Schüler-BAföGs. Sie, die Vertreter, säßen schließlich mit einem Laptop da, besäßen ein iPhone und besuchten Kinos und Konzerte. Das haben sich die Vertreter des Landesschülerrates eingestanden. Sie müssen sich mit denen einmal unterhalten. Ich glaube, dass eine bessere Durchmischung allen Vertretungen guttun würde. Anscheinend gibt es für Sozialschwache nicht nur in der Bildungskarriere Hemmnisse, sondern auch in den Vertretungen wird offensichtlich nicht das gesamte Spektrum repräsentiert.
Herr Hoffmann hat uns vorgeworfen, dass das Schüler-BAföG in Richtung Klientelpolitik geht. Ich finde das völlig in Ordnung. Ich bin stolz auf unsere Klientelpolitik. Menschen am Rande der Gesellschaft, die nicht in der Sonne sitzen, sondern im Schatten stehen, die sich kaum etwas leisten können - ich bin froh darüber, dass diese Klientel in unseren Blick gerät und in den Mittelpunkt gerückt wird. Es wird Zeit, dass wir uns um sie kümmern. Ja, es ist Klientelpolitik, und diese Klientel hat es bitter nötig, dass wir ihr helfen.
Wir haben darüber diskutiert, ob das Schüler-BAföG eine Wirkung haben wird oder nicht. Es wurde vielfach angeführt, dass es dazu keine Untersuchung gebe. Es wird eine Untersuchung geben. Wir werden einen Entschließungsantrag formulieren. Wir werden dieses Gesetz in Kraft setzen und dann untersuchen, ob wir das damit verfolgte Ziel erreichen. Wir werden schauen, wer die Förderung in Anspruch nimmt und ob sich Bildungsbiografien verändern. Wir werden prüfen, ob das Geld effektiv eingesetzt ist. Gerade in Zeiten knapper Kassen ist es wichtig zu schauen, wohin das Geld fließt, da gebe ich Ihnen Recht. Deswegen werden wir das untersuchen. Dass noch keine Untersuchung vorliegt, hindert uns nicht daran, endlich damit anzufangen und diese Klientel zu bedienen. Vielen Dank.
Wir setzen die Debatte mit dem Beitrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN fort. Frau von Halem erhält das Wort.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Wie so oft sind, wenn man am Ende der Rednerliste steht, viele Argumente bereits vorgetragen worden. Aber was hier mit dem Schüler-BAföG passiert, ist so hanebüchen, dass man es ruhig wiederholen darf, auch wenn Sie als Vertreter der Koalitionsparteien gegenüber guten Argumenten offensichtlich beratungsresistent sind.
Wir haben die Anhörung Ende Mai 2010 gefordert, und sie hat all unsere Einwände bestätigt, wenn nicht sogar übertroffen. Das Schüler-BAföG ist und bleibt ein Polit-Placebo. Nicht nur in der Umsetzung ist es mangelhaft. Soziale Selektion findet beim Übergang an die weiterführenden Schulen statt - hier wird aussortiert.
Wer dem begegnen will, muss früher fördern: in der Kita, der Grundschule und nicht erst nach der 10. Klasse.
Bei der Bildung kommt es auf den Anfang an - das pfeifen die bildungspolitischen Spatzen längst von allen Dächern.
So lobenswert das Ziel auch ist, Bildungsungerechtigkeiten abzubauen und mehr Jugendlichen das Abitur zu ermöglichen, niemand weiß, ob das Schüler-BAföG dazu beitragen kann. Wenn die Anzuhörenden immer wieder bemüht werden und gesagt wird, sie hätten alle die grundsätzliche Intention geteilt, dann ist das richtig: Ja, sie haben die grundsätzliche Intention geteilt und es begrüßt, etwas gegen Bildungsungerechtigkeiten zu tun.
Die Antwort auf die Frage, ob das Schüler-BAföG dazu beitragen kann, diese Ungerechtigkeiten abzubauen, kennen wir alle nicht, und auch der von der SPD abgesandte künftige Leiter des Ministerbüros kennt sie nicht. Er hat bestätigt, dass darüber keine Aussage zu treffen ist. Wir haben dazu am 4. Mai 2010 also gestern vor vier Wochen - die - bis heute unbeantwortete Anfrage gestellt, ob es eine Grundlage für die Vermutung gibt, dass die Zahl der Abgänge nach der 10. Klasse durch das Schüler-BaföG verändert würde. Ich wage einmal die These, dass, wenn es eine Antwort gäbe, das Ministerium ein großes Interesse daran haben müsste, diese Zahlen vorzulegen. Umgekehrt kann ich wohl aus der Tatsache, dass diese Zahlen bis heute nicht vorliegen, schließen, dass auch die Landesregierung nicht den Schimmer einer Ahnung hat, warum ca. 5 % al
ler Jugendlichen nach der 10. Klasse die Berechtigung zum Besuch einer weiterführenden Schule nicht nutzen und ob sie angenommen, sie bekämen die Förderung - weiter die Schulbank drücken würden.