Protokoll der Sitzung vom 03.06.2010

Es gibt seit Dienstag - Sie wissen das - im Land Brandenburg an der Oder keine Alarmstufe IV mehr. In Frankfurt (Oder) und Eisenhüttenstadt ist der Pegelstand unter die Alarmstufe III zurückgegangen. Aber - auch das will ich noch einmal deutlich unterstreichen - es gibt noch viel Wasser in der Oder.

Die Pegel sinken leider nur sehr langsam, und das bedeutet einen sehr langen und heftigen Druck des Wassers auf die Deiche. Die Hochwassersituation in der Uckermark ist jetzt überschaubar. Die Uckermark hat - das wissen Sie auch - jetzt einen erfahrenen Landrat, nämlich den ehemaligen Abteilungsleiter für Bodenschutz und Wasserwirtschaft meines Ministeriums. Auch hier ist also Kompetenz vor Ort, wie Sie, Herr Dombrowski, richtigerweise eingefordert haben. Wir brauchen sehr gut qualifizierte Leute vor Ort, im Landesumweltamt, aber auch in den Verwaltungen und bei den Behörden.

Die neuen Deiche haben sich bewährt; das will ich noch einmal eindeutig unterstreichen. 90 % der 160 km Deichlänge an der Oder sind seit 1997 neu gebaut worden - für 220 Millionen Euro; Herr Woidke ist darauf eingegangen -, ein Riesenprogramm. Auch an Folgendes will ich noch einmal erinnern Frau Kaiser hat es erwähnt -: Meine Fraktion hatte ursprünglich ein komplexes Programm gefordert; ich komme noch darauf zurück.

Dennoch, die Situation ist so: Die Deiche müssen kontrolliert werden, und wir brauchen immer noch Einsatzkräfte vor Ort, wenn auch weniger, denn wir müssen ganz sicher sein, dass das Hochwasser jetzt auch abfließen kann, ohne dass die Gefahr besteht, dass Schäden auftreten.

Es gab drei Risikostellen, die wirklich ernst zu nehmen waren; wir hatten nämlich drei Baustellen. Die häufigste Frage am Bürgertelefon in Frankfurt (Oder) lautete: Warum habt ihr die Baustellen nicht fertigbekommen?

(Petke [CDU]: Da war Herr Platzeck im Fernsehen!)

Man kann die Frage beantworten - nicht so wie Sie, Herr Petke, sondern sachlich.

Es ging um drei Baustellen, um die Maßnahme Deichrückverlegung südlich von Eisenhüttenstadt, um die Maßnahme in Brieskow-Finkenheerd und die Baustelle bei Criewen am Polder A/B. Aber es gab zu keinem Zeitpunkt, obwohl es sehr viele Anstrengungen gekostet hat, diese Baustellen sicher zu machen, Anzeichen dafür, dass die Situation unbeherrschbar werden würde.

Das Meldezentrum, das spätere Hochwasserlagezentrum, des Landesumweltamtes ist in Frankfurt (Oder) vor Ort gewesen. Ich will es hier noch einmal betonen: Es gab eine deutlich verbesserte Zusammenarbeit mit den polnischen Kollegen. Es gab

dreistündlich Abgleiche der Daten und Prognosen. Ich glaube, das ist eine gute Basis, auch künftig noch besser zusammenarbeiten zu können. Alle Informationen waren sofort transparent. Sie sind im Internet auch jetzt noch abrufbar.

Und es war eine kluge Entscheidung, das Bürgertelefon zu schalten, weil: So konnte vielen Bürgerinnen und Bürgern geholfen und ihnen Antwort auf ihre Fragen gegeben werden. Ich hatte überhaupt das Gefühl - wir waren viel am Deich und in den Ortschaften unterwegs -, dass viele der Bürgerinnen und Bürger vor allem in den Gebieten der Alarmstufe IV gut und rechtzeitig informiert waren. Es gab also keine Panik. Den Leuten war auch bewusst - logischerweise, sie leben schon lange dort -, dass sie sich, da sie am Fluss leben, mit ihm auseinandersetzen müssen, dass sie aber auch gern an diesem Fluss leben wollen.

Sandsäcke wurden vor Ort bereitgestellt. Die Bürgermeister, die Landräte und zahlreiche Hilfskräfte waren ständig vor Ort. Der Dank ist hier schon ausgesprochen worden; ich möchte mich ihm ausdrücklich anschließen. Es war eine große Hilfe, und wir brauchen sie noch bis zum Ende der Hochwasserlage. Es war ein Gemeinschaftswerk der Landesregierung, auch das will ich hier frohen Herzens noch einmal sagen.

Und ich gebe zu, meine Damen und Herren, und richte dies auch an all diejenigen, die gern etwas anderes unterstellen wollen: Ich war schon froh, dass die 97er hochwassererfahrenen Kollegen wie der Innenminister sowie der Präsident des Landesumweltamtes und vor allem der Ministerpräsident - das hat Vertrauen geschaffen - vor Ort waren. Es war sozusagen die gebündelte Kompetenz der Erfahrungsträger aus der Hochwasserkatastrophe von 1997 vor Ort. Das war die richtige Entscheidung und hat den Menschen auch Sicherheit gegeben.

(Beifall DIE LINKE, SPD sowie von Minister Dr. Markov)

Meine Damen und Herren! Nach dem Hochwasser ist vor dem Hochwasser. Viele von Ihnen haben hier schon Schlussfolgerungen gezogen oder darauf hingewiesen, welche sie ziehen werden - organisatorische, konzeptionelle und auch strategische -, wenn das Hochwasser vorbei ist. Sie sind auch darauf eingegangen, welche wir jetzt schon ziehen können. Wir werden am Montag den ersten schriftlichen Bericht, der dann sowohl vonseiten der Abteilung Wasser- und Bodenschutz als auch vom Landesumweltamt vorliegen wird, mit unserer Hausleitung beraten. Wir werden anhand dieses Berichts weitere Schlussfolgerungen ziehen.

Wir müssen - auch das ist deutlich gesagt worden - den Deichbau weiter vorantreiben. Die Altdeiche sind abzulösen und zu erneuern. Deiche müssen gepflegt werden; ein wichtiges Thema. Dazu brauchen wir ganz dringend die Ausgestaltung des Vertragsnaturschutzes und natürlich das Geld dafür, Herr Finanzminister.

Die vorhin erwähnten Baustellen müssen zügig zu Ende gebracht werden. Die Rückverlegung der Altdeiche und die Schaffung von Überflutungsflächen ist dringend geboten. Ich muss hier nicht weiter argumentieren; Sie haben alle dazu gesprochen. Dem Grundsatz Folge zu leisten, dem Fluss wieder mehr Raum zu geben, ist der beste Hochwasserschutz, den wir leisten können.

(Beifall DIE LINKE und GRÜNE/B90)

Außer den 60 ha Überflutungsfläche, die wir im Land Brandenburg bereits an der Oder haben, sind 30 ha im Bau, immerhin ein weiterer Baustein. Aber auch das ist angesprochen worden: Wir brauchen für die Gewinnung weiterer Überflutungsflächen auch die Akzeptanz der Menschen vor Ort. Da, haben wir gelernt, ist noch ein steiniger Weg zu gehen.

Die Flutung der Polder im Nationalpark in der Uckermark und im Unteren Odertal hat spürbare Entlastungen sowohl für Schwedt als auch für Stützkow und inbesondere für unsere polnischen Nachbarn gebracht. Auch das ist eine gute Erfahrung, die uns künftig sagen lässt: Es macht Sinn, Polder und Überflutungsflächen anzubieten.

Nun noch ein Wort zum Biber: Der Biber ist nicht schuld am Hochwasser, und der Biber hat die Deiche zu keiner Zeit wirklich gefährdet. Aber er hat mindestens 65 größere Schadstellen an den Deichen angerichtet, die sofort verbaut worden sind. Deshalb gab es Deichläufer und gab es die Einsatzkräfte vor Ort. Es gab auch eine ganze Reihe kleinerer Biberschadstellen. Biber-Management muss sein. Aber mit dem Finger aus den Landkreisen nur auf das Land zu zeigen - und wir zeigen möglicherweise auf die Landkreise zurück - wird nicht helfen, sondern wir müssen uns da gemeinsam Gedanken machen.

Ich will nicht unerwähnt lassen: Es gab einige Landräte, die sehr entschlossen die Schuld für die Population der Biber nur bei der Landesregierung sehen wollten. Ich kann Ihnen nur sagen: Seit zwei Jahren gibt es eine Artenschutz-Zuständigkeitsverordnung, nach der die Landkreise eindeutig für den Artenschutz, auch für den Biber und das Biber-Management vor Ort, zuständig sind. Ich denke, wir müssen uns gemeinsam etwas einfallen lassen. Die Natur- und Tierschützer sehen das logischerweise ein bisschen anders als die Deichschützer. Wir brauchen hier eine Risikobewertung, wir brauchen hier gute Ideen. Wir müssen gemeinsam mit dem Biber leben wollen; das kriegen wir hin.

(Beifall DIE LINKE und GRÜNE/B90 - Schippel [SPD]: Aber nicht mit zu vielen!)

- Das ist eine schwierige Frage, Herr Schippel.

Ich will zum Schluss noch einmal auf die Zusammenarbeit mit Polen eingehen. Wir haben uns mit dem Frankfurter Oberbürgermeister und dem Bürgermeister von Slubice in Frankfurt getroffen. Es entstand sofort die Erwartungshaltung, dass wir uns künftig für einen besseren gemeinsamen Hochwasserschutz in der Zwillingsstadt Frankfurt (Oder)-Slubice engagieren werden und auch ein regionales Entwicklungskonzept diesseits und jenseits der Oder anstreben. Ich glaube, das sind kluge Ideen.

Wir werden alle Möglichkeiten nutzen, den Hochwasserschutz auch europapolitisch weiter voranzutreiben und auch da tätig zu werden, wo das Hochwasser entsteht, zum Beispiel in den Beskiden.

Ich will Ihnen zum Schluss noch sagen: Nächste Woche ist Umweltministerkonferenz in Bad Schandau, auch ein sehr gebeuteltes ehemaliges Überschwemmungsgebiet der Elbe. Ich habe dort den Hochwasserschutz auf die Tagesordnung setzen lassen, damit wir uns gemeinsam Gedanken machen, welche Maßnahmen Bund und Länder ergreifen müssen, um einen noch besseren Hochwasserschutz leisten zu können. - Vielen Dank.

(Beifall DIE LINKE und SPD)

Die Landesregierung hat die Redezeit um knapp vier Minuten überschritten. Ich frage die Fraktionen, inwiefern sie von der ihnen zustehenden Redezeit Gebrauch machen möchten. Ich frage die SPD-Fraktion. - Ich frage die CDU-Fraktion. - Die Linke. - Die FDP. - Die Fraktion GRÜNE/B90. - Es besteht offensichtlich kein weiterer Redebedarf. Damit beenden wir die Rednerliste zum Tagesordnungspunkt Aktuelle Stunde zum Thema Oderhochwasser.

Ich schließe Tagesordnungspunkt 1 und rufe Tagesordnungspunkt 2 auf:

Fragestunde

Drucksache 5/1156 Drucksache 5/1279 Drucksache 5/1280 Drucksache 5/1281 Drucksache 5/1289 Drucksache 5/1290 Drucksache 5/1291

Die Mündlichen Anfragen 244, 251 und 256 wurden von den Fragestellern zurückgezogen.

Wir kommen jetzt zur Worterteilung. Zunächst stellt die Abgeordnete Wehlan von der Linksfraktion die Dringliche Anfrage 18 (Verzögerungen beim BBI).

Stichwort Bauverzögerung beim BBI. Ich frage die Landesregierung, wie sie den aktuellen Stand der Situation bewertet, vor allem hinsichtlich des Termins zur Eröffnung des Baus, der planmäßig für Oktober 2011 vorgesehen ist.

Vielen Dank. - Die Dringliche Anfrage 19 (Fertigstellung des BBI) stellt der Abgeordnete Kosanke. Sie haben das Wort.

Wie das bei so wichtigen Themen ist; es fragen dann alle das Gleiche. Also auch von mir die Frage: Welche Erkenntnisse liegen der Landesregierung zu den Bauverzögerungen vor? - Danke.

Danke. - Zum gleichen Inhalt stellt der Abgeordnete Homeyer von der CDU-Fraktion die Dringliche Anfrage 22 (Bauverzö- gerung beim Flughafen Berlin Brandenburg International).

Im gleichen Kontext die Frage: Mit welchen Maßnahmen beabsichtigt die Landesregierung, den Eröffnungstermin im Herbst 2011 sicherzustellen?

Vielen Dank, Herr Homeyer. - Wir kommen nun zur Beantwortung der Anfragen durch die Landesregierung. - Will keiner? Doch. Herr Christoffers, bitte.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Gestatten Sie mir zunächst, die Möglichkeit der Beantwortung Ihrer Anfragen dafür zu nutzen, den Angehörigen des durch einen Arbeitsunfall zu Tode gekommenen Mitarbeiters des BBI mein aufrichtiges Beileid auszusprechen.

Meine Damen und Herren, die Nachfragen, die heute hier zur Debatte stehen, sind selbstverständlich berechtigte Nachfragen, weil es sich um eines der größten Infrastrukturprojekte in der Bundesrepublik Deutschland mit enormen Wirkungen auf die Entwicklung der Hauptstadtregion handelt.

Sie konzentrieren sich auf zwei Problemstellungen, erstens auf die Planung der technischen Gebäudeausrüstung am Terminal durch die möglichen Zeitverzögerungen aufgrund der Insolvenz eines Planungsbüros und zweitens auf die Umsetzung veränderter Sicherheitsanforderungen seit diesem Jahr durch das Inkrafttreten einer europäischen Richtlinie. Daraus könnte sich eine Gefährdung des Eröffnungstermins am 30. Oktober 2011 ergeben. Dazu gab es in den letzten Tagen eine ganze Reihe von Veröffentlichungen sowohl von politisch Verantwortlichen als auch von der Geschäftsführung des Flughafens.

Zunächst zum zeitlichen Ablauf nach Angaben der Geschäftsführung der FBS: Am 8. Februar 2010 gab es die Insolvenz des Planungsbüros IKG. Am 11. Februar gab es eine Zusage der verbliebenen Planungsbüros der Planungsgemeinschaft BBI, diesen Ausfall zu kompensieren. Am 26. März wurde der Aufsichtsrat über diese Problematik informiert. Zu diesem Zeitpunkt war nach Kenntnis der FBS mit keiner Verzögerung zu rechnen.

Erstens: Wie Sie der Presse entnehmen konnten, haben sich die Probleme weiter konkretisiert. Die letztmalige Aussage des gemeinsamen Planungsbüros BBI vom 19. Mai 2010 war, dass die kompletten Planungsleistungen auch nach der Insolvenz des anderen Planungsbüros erbracht werden könnten. Der eingesetzte Projektcontroller wies - ebenfalls am 19. Mai - auf die Gefährdung des Zeitplans hin. Dadurch gab es zwei unterschiedliche Aussagen über das Gefährdungspotenzial, das sich aus der Insolvenz des Planungsbüros ergeben hat. Die FBS beauftragte daraufhin einen Gutachter, um diese unterschiedlichen Einschätzungen von Planungsbüros einschätzen zu können.

Zweitens: Es gab eine veränderte Situation durch das Inkrafttreten einer europäischen Richtlinie zu Sicherheitsstandards in der Luftfahrt. Am 29. April 2010 wurde die EU-Verordnung über Kontrollbestimmungen für Flüssigkeiten im Handgepäck von Passagieren in Kraft gesetzt. Sie bezieht sich darauf, dass ab 2013 die Mitnahme von Flüssigkeiten während des Fluges wieder erlaubt ist, allerdings nur unter dem Einsatz verstärkter Sicherheitstechnik im Check-in-Bereich von Flughäfen.

Im März und April - also bereits vor Inkraftreten dieser Richtlinie - gab es Gespräche zwischen den Berliner Flughäfen und der Bundespolizei zur Abschätzung der technischen Folgen dieser Richtlinie. Am 26. März 2010 wurde der Aufsichtsrat darüber informiert und die Aufforderung an die Geschäftsführung gerichtet, die Thematik bis zur nächsten Aufsichtsratssitzung im Juli aufzubereiten und zu klären, dass Entscheidungen getroffen werden können.

Am 25. Mai 2010 legte die Bundespolizei eine konkretisierte Prognose zur Umsetzung dieser Richtlinie vor. Die Umsetzung dieser Verordnung führt zu einer Verdopplung des Flächenbedarfs im Check-in-Bereich. Die daraus resultierenden Platzprobleme an den BBI-Sicherheitsschleusen sowie der Einfluss auf die Ausformung des BBI-Terminals sind offensichtlich. Die FBS sucht gemeinsam mit Architekten und Bundespolizei nach Lösungen. Eine Variante war und ist, mit der vorhandenen Technik zu beginnen und den Einsatz der neuen Technik ab 2013 sicherzustellen. Die gegenwärtige Prüfung zielt darauf ab, dem Aufsichtsrat verschiedene Varianten zur Entscheidung vorzulegen. Beide genannten Themen - sowohl die möglichen zeitlichen Verzögerungen aufgrund der Insolvenz des Planungsbüros als auch die Umsetzung der europäischen Richtlinie - werden gegenwärtig aufbereitet und dem Projektausschuss am 16. und dem Aufsichtsrat am 25. zur Entscheidung vorgelegt. Zum gegenwärtigen Zeitpunkt ist es - auch das war der Presse bereits zu entnehmen - nicht auszuschließen, dass eine zeitliche Verzögerung des Eröffnungstermins die Folge sein kann. - Vielen Dank.

Herr Minister, der Abgeordnete Homeyer hat Nachfragebedarf. - Bitte.

Herr Minister, am 25.05. soll auf dem Gelände des BBI eine Besprechung aller beteiligten Behörden, Ministerialbeamten und des BBI stattgefunden haben, wo ganz offen und klar die möglichen Bauverzögerungen und möglichen Maßnahmen besprochen wurden sowie, wie man das verhindern kann.

Erste Frage: Können Sie diesen Termin bestätigen? Wenn ja, haben Sie davon Kenntnis bekommen, was da besprochen wurde?