Protokoll der Sitzung vom 06.10.2010

„Ich freue mich außerordentlich, dass wir den Vertretern der Mitgliedsstaaten eine generelle Zahlungsfrist von 30 Tagen abringen konnten. Das ist eine gute Nachricht für alle kleinen und mittleren Unternehmen.“

Dieses Zitat stammt von der SPD-Europaabgeordneten Barbara Weiler. Ich kann ihr an dieser Stelle nur zustimmen und hoffe, dass dieser Antrag auch die Zustimmung der Regierungskoalition erhält.

Eine Zahlungsverpflichtung innerhalb von 30 Tagen würde vielen Unternehmern nicht nur helfen, sondern teilweise auch vor ernsten betriebswirtschaftlichen Schwierigkeiten schützen. Das gilt insbesondere bei den Ausschreibungen aufgrund des Konjunkturpaketes II der Bundesregierung. Ich hoffe, dass die

Zahlungsmoral verbessert werden kann, damit die regionale Wirtschaft davon profitieren kann und die Mittel wie vorgesehen bei den Betrieben ankommen.

Wir können es einfach nicht zulassen, dass Betriebe teilweise als Bank für öffentliche Auftraggeber herhalten müssen und ihren Werklohn nicht fristgemäß erhalten. Denken Sie bitte daran, dass hinter jedem Betrieb auch Mitarbeiter stehen, die aus diesem Grund teilweise ihren Lohn nicht erhalten können. Wir als CDU werden deshalb diesem Antrag zustimmen und hoffen auf Ihre Unterstützung. Man sollte immer daran denken: Die Firmen brauchen das Geld. Alles, was wir hier reden, ist auf der einen Seite Theorie. Deshalb möchte ich es einmal mit den Worten von Mario Barth sagen: Machen und nicht quatschen! Wie gesagt, jeder kann an seiner Stelle noch darauf einwirken, dass die öffentliche Hand in den Kommunen pünktlich bezahlt.

(Beifall CDU und FDP)

Vielen Dank, Herr Abgeordneter Bommert. - Wir setzen die Aussprache mit dem Beitrag der Fraktion DIE LINKE fort. Der Abgeordnete Domres hat das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Die öffentliche Hand ist ein wichtiger Auftraggeber für kleine und mittelständische Unternehmen und hat selbstverständlich eine Vorbildfunktion, auch und gerade, wenn es um die Zahlungsmoral geht. Die EU will jetzt per Richtlinie staatliche Behörden und Unternehmen zu einer besseren Zahlungsmoral verpflichten. Öffentliche Einrichtungen sollen künftig Rechnungen innerhalb von 30 Tagen bezahlen, Unternehmen dagegen sollen eine Frist von 60 Tagen einhalten. Die endgültige Abstimmung über die Richtlinie soll im Oktober dieses Jahres erfolgen. Danach bleiben den Mitgliedsstaaten zwei Jahre für die Umsetzung in nationales Recht.

Auch meine Fraktion teilt das Anliegen, dass kleine und mittlere Unternehmen nicht unverschuldet durch verspätete Zahlungen in Liquiditätsprobleme geraten dürfen. Dass dabei aber eine freiwillige Selbstverpflichtung die angemessene Antwort ist, wage ich zu bezweifeln. Zwingende gesetzliche Sonderregelungen für öffentliche Auftraggeber, die die Vertragsfreiheit im Geschäftsverkehr zwischen Unternehmen einschränken, halte ich unbeschadet ihrer rechtlichen Zulässigkeit ordnungspolitisch zumindest für fragwürdig.

Zudem frage ich mich, worin der Mehrwert im Vergleich zu den jetzigen Regelungen besteht. Nach meiner Lesart - und mich konnte im Zuge der Beratung Ihres Antrages niemand vom Gegenteil überzeugen - würden sich Landesregierung und Kommunen zu nichts weiter verpflichten als dazu, das einzuhalten, was sich als Zahlungsfrist schon heute aus § 16 der Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen und aus § 17 der Verdingungsordnung für Leistungen ergibt. In Ziffer 3 des Antrages wird dazu aufgefordert, den Vorschlag der EU-Kommission auf Bundesebene zu unterstützen.

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen von der FDP, die Debatte um diese EU-Richtlinie auf der Ebene des Bundes dürfte Ihnen nicht entgangen sein. Die Bundesregierung teilte in einer

Antwort auf eine Kleine Anfrage der Linksfraktion im Bundestag mit:

„Es ist aus Sicht der Bundesregierung nicht zu erwarten, dass durch die vorgeschlagenen Regelungen alle Probleme mit Zahlungsverzug ausgeräumt werden. Denn die Ursachen für Zahlungsverzug sind vielfältig, worauf bereits die Europäische Kommission in der Begründung ihres Richtlinienvorschlags hingewiesen hat.“

Auf Initiative der schwarz-gelben Koalition hat der Bundestag im Rahmen eines fraktionsübergreifenden Antrages die Bundesregierung aufgefordert, bei den Verhandlungen in Brüssel darauf hinzuwirken, dass erstens keine Sondervorschriften für den Zahlungsverzug für die öffentliche Hand geschaffen werden, zweitens keine unangemessenen Pauschalbeträge für Beitreibungskosten vorgeschrieben werden, drittens die vertragliche Freiheit, Zahlungs- sowie Abnahme- und Überprüfungsfristen zu vereinbaren erhalten bleibt, insbesondere die Abnahme- und Überprüfungsfrist im Regelfall nicht nur um 30 Tage verkürzt wird, viertens kein Strafschadensersatz eingeführt wird, fünftens durch Einführung eines abdingbaren angemessenen Fälligkeitszinses für alle dem Geltungsbereich der Richtlinien unterfallenden öffentlichen und privaten Stellen ein Anreiz zur raschen Erfüllung der Zahlungspflichten geschaffen wird und schließlich sechstens dargestellt wird, dass nur eine Rechnung, die prüffähig ist, den Zahlungsverzug begründen kann.

Meine Damen und Herren von der FDP, das hat Ihre Bundestagsfraktion mit beschlossen.

(Dr. Bernig [DIE LINKE]: Das ist auch gut so!)

Mit Ihrer Forderung nach einer Initiative auf Bundesebene zur Unterstützung der EU-Richtlinie konterkarieren Sie die eigene schwarz-gelbe Bundespolitik.

Einen weiteren Punkt möchte ich noch nennen, der zumindest Fragen aufwirft. In der Begründung zum Antrag schreiben Sie, dass aus Untersuchungen der EU-Kommission hervorgeht, dass öffentliche Stellen Rechnungen häufig erst lange nach Ablauf der geltenden Zahlungsfristen begleichen. Die Frage ist: Haben Sie konkrete Erkenntnisse, dass dies in Brandenburg auch der Fall ist?

(Zuruf von der SPD: Ja!)

Wodurch wird Ihre Behauptung unterlegt? Relevant in diesem Zusammenhang ist vielleicht auch eine Umfrage des Betriebswirtschaftlichen Instituts der Bauindustrie aus dem Jahr 2008 ich glaube, Herr Bommert hat soeben schon daraus zitiert -, worin es heißt:

„Die Region Ost umfasst die Antworten der 60 Teilnehmer aus Berlin, Brandenburg, Sachsen und SachsenAnhalt. Hier wurde die Zahlungsmoral insgesamt noch am besten beurteilt.... Die Abschlagsrechnungen wurden von fast allen Bauherren etwas schneller als im Bundesdurchschnitt beglichen. Sie hinken aber dennoch meist eine Woche hinter den Zahlungszielen der Bauunternehmen hinterher.“

Die Schlussrechnungen wurden von den öffentlichen Bauherren und der Deutschen Bahn AG im Schnitt weitgehend VOBkonform beglichen.

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen von der FDP, Sie schreiben schlussendlich in Ihrer Begründung:

„Wenn auch im Einzelnen geprüft werden muss, ob die vorgeschlagenen Regeln sinnvoll sind, ist der Vorschlag der Kommission grundsätzlich zu begrüßen.“

Das sehen wir nicht ganz so. Die Linksfraktion steht für den verantwortungsvollen Einsatz von Steuergeldern und nicht für eine Vergeudung dieser durch übertriebene Strafzahlungen. Deshalb lehnen wir Ihren Antrag ab.

Im Übrigen ist für die Umsetzung der EU-Richtlinie der jeweilige Mitgliedsstaat verantwortlich. Dass ich kein Vertrauen zu dieser schwarz-gelben Bundesregierung habe, wird wohl hier jeder verstehen.

(Zurufe von der CDU)

Dass Sie selbst hier aber auch Zweifel haben, ist schon eine neue Qualität. In Punkt 3 fordern Sie die rot-rote Landesregierung auf, sich bei der schwarz-gelben Bundesregierung für die Umsetzung einer EU-Richtlinie einzusetzen. Größer kann ein Misstrauensvotum gegenüber der eigenen Regierungsarbeit wohl kaum sein. - Herzlichen Dank.

(Beifall DIE LINKE und vereinzelt bei der SPD)

Vielen Dank, Herr Abgeordneter Domres. - Von der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN möchte der Abgeordnete Vogel noch zu uns sprechen.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir alle wissen - und heute Vormittag in der 1. Lesung des Landeshaushaltes ist es auch mehrfach angemerkt worden -, dass die finanzielle Lage des Landes und vor allem vieler Kommunen schwierig, um nicht zu sagen, prekär ist. Über die Hälfte der Brandenburger Kommunen unterliegen Maßnahmen der Haushaltssicherung. Diese Sparzwänge minimieren die Gestaltungsspielräume auf allen politischen Ebenen. Das darf aber kein Grund dafür sein, dass sich die öffentliche Hand von den Grundprinzipien Glaubwürdigkeit und Zuverlässigkeit im Geschäftsverkehr verabschiedet.

(Vereinzelt Beifall FDP)

Das Land Brandenburg und die Kommunen besitzen eine große Bedeutung als Auftraggeber. Das Land Brandenburg gibt jährlich rund eine Milliarde Euro für Beschaffung aus, die Kommunen zwei Milliarden. Die öffentliche Vergabepraxis kann daher in besonders hohem Maße die Entwicklungschancen der Unternehmen im Land positiv oder negativ beeinflussen. Offene Rechnungen sofort zu begleichen unterstützt die Entwicklung der Unternehmen, ist die billigste Wirtschaftsför

derung überhaupt, schafft Planungssicherheit für unsere Unternehmen, sichert damit Arbeitsplätze und hilft speziell kapitalschwachen Unternehmen, ihre Liquidität zu sichern. Lange Zahlungsverzögerungen sind kein Kavaliersdelikt. Eine solche Zahlungsmoral nimmt Liquiditätsengpässe und Insolvenzen von Unternehmen billigend in Kauf. Deswegen begrüßen wir auch die Initiative der FDP, eine ambitionierte 30-Tage-Frist für die Begleichung von Rechnungen der öffentlichen Hand zu verankern.

Jetzt komme ich zu dem, was Herr Domres und Herr Kosanke hier ausgeführt haben. Eine EU-Richtlinie ist innerhalb von zwei Jahren in nationales Recht umzusetzen. Der Antrag der FDP läuft darauf hinaus, diese 30-Tage-Frist sofort, also in Anlehnung und im Vorgriff auf diese Umsetzung auch im Land Brandenburg zur Anwendung zu bringen. Ich denke, dagegen kann überhaupt niemand etwas haben.

(Beifall FDP)

Der von Herrn Kosanke angesprochene Artikel 5 Abs. 2b des Entwurfs gilt sowieso schon. Die Kommission schlägt ja in diesem Zusammenhang überhaupt keine Änderung des Status quo vor. Von daher ist Ihr Argument, Herr Kosanke, überhaupt nicht zutreffend gewesen.

Nun zum dritten Punkt des Antrags: Herr Domres, das finde ich nun doch ziemlich affig. Die FDP schlägt vor, mitgetragen von der CDU, dass dieser Landtag die Landesregierung auffordert, „sich auf Bundesebene dafür einzusetzen, dass die Bundesrepublik Deutschland den Vorschlag der EU-Kommission zur Neufassung der Richtlinie der Bekämpfung von Zahlungsverzug im Geschäftsverkehr unterstützt“. Anschließend führen Sie aus, dass auf Bundesebene die Bundesregierung eine ganz andere Auffassung hat, dass also die Bundesregierung lauter Vorstellungen hat, wie man diese Richtlinie so einschränken könnte, dass sie den Unternehmen im Lande zum Nachteil gereicht.

Nun ist dies doch eine recht interessante Konstellation: Schwarz-Gelb im Land Brandenburg fordert uns auf, dass die Landesregierung initiativ wird, dass die Bundesregierung gegen ihre eigenen Positionen handelt und die Vorgaben der EU eins zu eins unterstützt. Was kann uns denn Besseres passieren, als wenn dieser Landtag sich auf Initiative von Schwarz-Gelb gegen eine Position der Bundesregierung stellt, die unseres Erachtens überhaupt nicht haltbar ist? Ich finde, dies ist wirklich einmal ein wegweisender Antrag, der einen ganz neuen Ansatz hat. Deswegen finde ich, dass auch die Regierungskoalition diesem Antrag zustimmen sollte. - Recht herzlichen Dank.

(Beifall GRÜNE/B90, FDP und vereinzelt CDU)

Vielen Dank, Herr Abgeordneter Vogel. - Wir setzen die Aussprache mit dem Beitrag der Landesregierung fort. Herr Minister Christoffers, Sie haben das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Kollege Vogel, ich gebe Ihnen Recht, das wäre eine char

mante Situation. Wir müssten jetzt nur noch überprüfen, ob erstens der Gegenstand der richtige ist, der uns eine solche charmante Situation nutzen lässt, und zweitens, ob uns die vorgeschlagene Regelung der Europäischen Union tatsächlich helfen würde. Daran hat die Landesregierung erhebliche Zweifel.

Meine Damen und Herren, worum geht es denn? Sie schlagen vor, im Vorgriff auf eine mögliche Veränderung der Richtlinie 2/35 EG sofort zu handeln. Wenn wir Ihrer Empfehlung folgen würden, hätten wir de facto eine Aufforderung zum Rechtsbruch, denn noch gelten VOB und VOL. Solange VOB und VOL gelten, sollte man sich auch an Recht und Gesetz halten.

Der zweite Punkt: Welche materiellen Änderungen würden sich denn ergeben, wenn man dem Vorschlag der Europäischen Kommission folgen würde? Gar keine. In der VOB sind 2 Monate Prüf- und Zahlungsfrist festgelegt. In der Mitteilung der Kommission geht es um 30 Tage Prüffrist und 30 Tage Zahlungsfrist; das sind insgesamt auch 60 Tage. Nach VOL § 17 beträgt die Zahlungsfrist 30 Tage. Es würde also im Gegenteil rein von der gesetzlichen Seite her eine Verschlechterung der Situation eintreten. Insofern finde ich den Vorschlag nicht zielführend.

Drittens: Sie haben - aus meiner Sicht bedauerlicherweise - gegenüber Ihrem Ursprungsantrag einen Absatz aus Ihrer Begründung herausgestrichen. Er lautete: Die Bundesregierung sieht das kritisch! - Obwohl ich der Bundesregierung nicht in jedem Fall folge, in diesem Fall tue ich es. Herr Domres hat den Antrag der Koalitionsfraktionen auf Bundesebene erwähnt; ich glaube, das ist der richtige Weg, damit umzugehen. Die Kommission greift zu einem Instrument, das ich als etwas schwierig betrachte. Sie hat, wenn von der geltenden Richtlinie 2035/EG im Sinne eines Vertragsverletzungsverfahrens abgewichen wird, bereits jetzt die Möglichkeit, sofort tätig zu werden.

In der Begründung, weswegen eine Neuregelung angestrebt wird, heißt es: Unter den 27 Mitgliedsstaaten sind etliche Staaten, bei denen es zu erheblichen Zahlungsdefiziten gekommen ist, und die öffentliche Hand überträgt Gelder von einem Haushaltsjahr in das nächste. - Ein solcher Fall ist in Brandenburg nicht bekannt. Die Kommission hat die Länder nicht benannt. Sie ist der Meinung, dass das Agieren bestimmter Länder dazu führt, dass die Richtlinie neu betrachtet werden muss.

Ich hoffe sehr, dass der Antrag der Koalitionsfraktionen auf Bundesebene, mit dem die Bundesregierung aufgefordert wird, einige Veränderungen herbeizuführen, eine Mehrheit findet, denn die Neuregelung der EU-Richtlinie würde keine Verbesserung hinsichtlich der Zahlungssituation betroffener Unternehmen bewirken, sondern teilweise sogar eine Verschlechterung.

Viertens: Ich glaube, wir alle sind in der Pflicht. Egal, wie die gesetzliche Regelung ausfallen wird, wir alle tragen politische Verantwortung, viele von uns auf Landes- und auf Kommunalebene. Ich meine, dass wir viel mehr erreichen können, wenn wir gemeinsam darauf hinwirken, dass die öffentliche Hand pünktlich ihre Rechnungen begleicht. Die Landesregierung wird auf jeden Fall sicherstellen, dass die Zahlung für geleistete Dienste wie Bauarbeiten pünktlich erfolgt.

Insofern halte ich den Antrag der FDP-Fraktion nicht für zielführend. Leider hat er nicht ganz den Charme, Herr Kollege

Vogel, von dem Sie gesprochen haben, hier eine günstige Position gegenüber der Bundesregierung auszunutzen. Aber diese Gelegenheit mag es zu einem späteren Zeitpunkt noch geben; die Legislaturperiode ist noch jung. Ich bitte Sie herzlich, den Antrag abzulehnen. - Vielen Dank.