Protokoll der Sitzung vom 06.10.2010

Zuerst wird über den Änderungsantrag abgestimmt, eingebracht von CDU- und FDP-Fraktion, Drucksache 5/2104 (Neu- druck). Es geht um die Einfügung eines neuen Absatzes 3 in § 10 sowie um die Änderung des § 13 Abs. 1. Wer diesem Änderungsantrag Folge leisten möchte, den bitte ich um das Handzeichen. - Wer ist dagegen? - Enthaltungen? - Diesem Antrag ist damit nicht entsprochen worden.

Wir kommen nun zur Abstimmung über die Beschlussempfehlung in Drucksache 5/2064 des Ausschusses für Arbeit, Soziales, Frauen und Familie - Neuregelung Ausführungsgesetz zum Zwölften Buch Sozialgesetzbuch. Wer dieser Beschlussempfehlung zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. Wer ist dagegen? - Enthaltungen? - Damit ist das Gesetz in 2. Lesung verabschiedet.

Ich schließe Tagesordnungspunkt 8 und rufe Tagesordnungspunkt 9 auf:

Viertes Gesetz zur Änderung des Ordnungsbehördengesetzes

Gesetzentwurf der Landesregierung

Drucksache 5/2034

1. Lesung

Zunächst erhält die Landesregierung das Wort. Herr Dr. Woidke wird seine erste Rede - Jungfernrede sagt man da wohl nicht als Minister des Innern halten.

(Heiterkeit und Beifall SPD)

Frau Präsidentin, über Jungfräulichkeit wollen wir uns heute hier nicht unterhalten. Es geht hier um das Ordnungsbehördengesetz für das Land Brandenburg.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Brandenburger Landkreise, die kreisfreien Städte und die großen kreisangehörigen Städte haben in Brandenburg bisher grundsätzlich die Zuständigkeit für die Überwachung der zulässigen Höchstgeschwindigkeiten und der Befolgung von Lichtzeichenanlagen. Seit der Änderung der Brandenburger Kommunalverfassung im Dezember 2007 müssen große kreisangehörige Städte nicht wie bis dahin 45 000 Einwohner, sondern nur noch 35 000 Einwohner haben, um den Status einer großen kreisangehörigen Stadt zu erlangen. Erfreulicherweise werden am 1. Januar des Jahres 2011 die Städte Bernau bei Berlin, Falkensee und Oranienburg große kreisangehörige Städte. Die Einwohnerzahl liegt allerdings deutlich unter den 45 000, die bis dato für diesen Status erforderlich waren.

Die bisherige Formulierung des Brandenburger Ordnungsbehördengesetzes - § 47 Abs. 3 Satz 1 - sieht eine automatische Aufgabenübertragung, beispielsweise die Übertragung der Zuständigkeit für die Überwachung der Einhaltung der zulässigen Höchstgeschwindigkeiten und der Befolgung von Lichtzeichenanlagen, vor. Für alle anderen Ämter und amtsfreien Städte in Brandenburg erfolgt diese Zuständigkeitsübertragung auf Antrag, ein Antrag, in dem geprüft wird, ob diese Aufgabe sachgerecht, wirtschaftlich und wirksam wahrgenommen wer

den kann. Dies müssen die Gemeinden nachweisen. Dies sollte auch vor dem Hintergrund der Konnexität betrachtet werden. Eine automatische Übertragung dieser Aufgabe würde dazu führen, dass das Land, wenn die Städte nicht in der Lage sind, diese Aufgabe wirtschaftlich zu erfüllen, aufgrund der Konnexitätsverpflichtung aus der Landesverfassung eintreten müsste. Deswegen muss eine sachgerechte, wirtschaftliche und wirksame Aufgabenwahrnehmung durch diese Städte auch der Maßstab für die Übernahme dieser Aufgaben sein, übrigens nicht nur für diese Städte, sondern auch für weitere große kreisangehörige Städte, die in den kommenden Jahren hinzustoßen können.

Ich bitte um Ihre Zustimmung zur Überweisung an den Ausschuss für Inneres. - Danke sehr.

(Beifall SPD und DIE LINKE)

Vielen Dank, Herr Minister. - Wir setzen die Aussprache mit dem Beitrag der CDU-Fraktion fort. Der Abgeordnete Petke erhält das Wort.

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Herr Minister, ich bedanke mich auch bei Ihnen, dass Sie die Begründung des vorliegenden Gesetzentwurfs hier mündlich vorgetragen haben. Allerdings fehlten aus meiner Sicht jedenfalls einige Worte zur politischen Bedeutung dieses Gesetzentwurfs.

Sie haben richtig gesagt, dass die Frage der Geschwindigkeitsüberwachung und die Frage der Einhaltung anderer verkehrsrechtlicher Vorschriften vom Grundsatz bei den kreisfreien Städten und den Landkreisen liegt. Wenn man sich aber diesen Gesetzentwurf genauer betrachtet - das will ich in der zur Verfügung stehenden Zeit tun -, stellt man fest, dass die Landesregierung einige grundsätzliche Fragen aufwirft.

Ich zitiere einmal Punkt I auf Seite 2 des Gesetzentwurfs - „I. Erforderlichkeit“ -: „Inhaltlich ist die Regelung erforderlich, da anderenfalls die Gefahr besteht, dass im Falle der Anwendbarkeit...“ Dann geht es weiter: „Diese Gefahr besteht aufgrund der Absenkung der maßgeblichen Einwohnerzahl...“

Ich finde, dass das Wort „Gefahr“ an dieser Stelle im Zusammenhang mit dem Konnexitätsprinzip - ein Prinzip, das in unserer Landesverfassung verankert ist, das durch mehrere Urteile unseres Landesverfassungsgerichts auch ausgestaltet worden ist - deplatziert ist. Wir haben die Situation, dass die Aufgabe, von der hier gesprochen wird, von vielen Städten wahrgenommen wird, die deutlich kleiner als kreisangehörige Städte sind, die deutlich weniger als 35 000 Einwohner haben, die damit auch deutlich weniger als 45 000 Einwohner haben. Hier wird etwas beschrieben, wonach, wenn man es im Umkehrschluss sieht, die Landesregierung davon ausgeht, dass die Kommunen bestimmte Aufgaben - hier die Verkehrsüberwachung - eben nicht wirtschaftlich leisten können.

Nun steht das im Widerspruch zu der bisherigen Praxis, dass eine Vielzahl von Kommunen im Land diese Aufgabe bisher schon wahrnimmt. In dem Gesetzentwurf heißt es: Ja, das haben sie auf Einzelfallantrag gemacht, und das liegt nicht daran,

dass sie so und so viele Einwohner haben, sondern dass sie an einer verkehrsgünstigen Stelle wie auch immer liegen.

Wir jedenfalls gehen davon aus, dass die Begründung, überhaupt der Anlass des vorliegenden Gesetzentwurfs, hier nicht ausreichend dargestellt wird, insbesondere deswegen nicht, weil wir hier zur Wirtschaftlichkeit der Verkehrsüberwachung überhaupt nichts finden. Wir finden überhaupt keine Aussagen dazu - jeder von uns hat da so seine eigenen Erfahrungen -, ob die Verkehrsüberwachung, die natürlich zuvörderst dazu zu dienen hat, dass die Vorschriften eingehalten werden, sowohl auf der kommunalen Ebene als auch auf der Landesebene wirtschaftlich betrieben werden.

Insofern ist der Gesetzentwurf, finden wir, wenig überzeugend sowohl in der Sache als auch insgesamt in den Ausführungen. Deswegen werden wir zwar der Überweisung des Gesetzentwurfs an den entsprechenden Ausschuss zustimmen, aber im Ausschuss insbesondere die Frage zu diskutieren haben, ob eine Aufgabenübertragung von der Landesebene auf die kommunale Ebene für das Land - so heißt es hier wörtlich - eine Gefahr darstellen kann. Diese Frage haben wir insbesondere vor dem Hintergrund zu diskutieren, weil wir gleichzeitig hören - die Kritik ist ja nicht ganz unberechtigt -, dass es endlich mit der Funktionalreform vorangehen soll, nachdem in den vergangenen Jahren diese Fortschritte dort insbesondere der Fraktion DIE LINKE nicht ausgereicht haben. Jedenfalls in diesem Gesetzentwurf wird die Frage der Aufgabenübertragung vom Land oder von großen Kommunen wie Landkreisen an kreisangehörige Gemeinden als Gefahr beschrieben. Das sehen wir nicht so. Deswegen gilt es, zu diesem Gesetzentwurf im Innenausschuss eine ausführliche und vor allen Dingen auch kritische Diskussion zu führen. - Danke schön.

(Beifall CDU und FDP)

Vielen Dank, Herr Abgeordneter. Sie haben Ihr selbstgestecktes Ziel erreicht. - Wir kommen nunmehr zur SPD-Fraktion. Die Abgeordnete Stark erhält das Wort.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Zunächst einmal herzlichen Glückwunsch, Herr Minister Dr. Woidke, zu Ihrer spektakulären Jungfernrede zu diesem wichtigen Thema.

(Heiterkeit - Beifall SPD und DIE LINKE)

Herr Kollege von der CDU, Herr Petke, Sie fokussieren Ihren Diskussionsbeitrag hier allein auf die Frage, ob es sich bei einer Aufgabenübertragung - einer freiwilligen Aufgabenübertragung - um eine Gefahr handelt. Die Frage, ob wir hier drei Kommunen ermöglichen wollen, auf Antrag die Aufgabe der Überwachung und Einhaltung zulässiger Höchstgeschwindigkeiten und die Befolgung von Lichtzeichenanlagen im Straßenverkehr, so heißt es - also kommunale Geschwindigkeitsüberwachungen im weitesten Sinne - zu übernehmen, das ist die rechtliche Grundlage dafür, dass der vorliegende Gesetzentwurf möglich ist.

Ich finde: Gegen diesen Gesetzentwurf kann man rein theoretisch überhaupt nichts haben, es sei denn, man versucht, so,

wie Sie es immer versuchen, große Nebelkerzen zu werfen und zu sagen: Wir müssen uns im Ausschuss darüber unterhalten, ob das eine Gefahr darstellt. Ehrlich gesagt, sehe ich da keine Gefahr. Die Bürgermeister und die Stadtverordneten vor Ort werden ganz allein entscheiden, ob sie Herr oder Frau der Lage sind, ob sie diese Aufgabe der kommunalen Verkehrsüberwachung in ihre Kommunen holen wollen oder ob sie es eben nicht tun wollen. Dazu braucht man eine Rechtsgrundlage. Diese Rechtsgrundlage liegt uns vor. Das ist dieser Gesetzentwurf, der nahezu unspektakulär im weitesten Sinne ist. Insofern verstehe ich, wie gesagt, Ihren Pappkameraden hier nicht.

Ich habe jetzt die Zeit für den Parlamentarischen Abend herausgeholt und möchte an dieser Stelle schließen und sagen: Stimmen Sie der Überweisung dieses Gesetzentwurfes zu. Danke schön.

(Beifall SPD)

Vielen Dank, Frau Abgeordnete Stark. - Wir sind jetzt in einen Wettbewerb eingetreten: Wer holt am meisten Zeit für den Parlamentarischen Abend heraus? Die Feuerwehr wird es uns danken.

Wir setzen mit der FDP-Fraktion fort. Der Abgeordnete Goetz erhält das Wort. - So schnell, wie das hier geht, kann niemand an das Podium eilen.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herr Kollegen! Das Vierte Gesetz zur Änderung des Ordnungsbehördengesetzes - ein spannender Titel und ein Thema, wie es so spannend in diesem Landtag bisher kaum vorgekommen ist. Ich nehme an, allein deswegen haben Sie alle gelesen, was darin steht. Falls nicht, es wäre es wert gewesen.

Frau Kollegin Stark, es ist durchaus so, dass dieser Begriff der Gefahr eben nicht von Herrn Petke erfunden worden ist, sondern sich unmittelbar aus der Vorlage ergibt, die uns unterbreitet worden ist. Insofern ist es auch das Ergebnis der demografischen Entwicklung, was wir jetzt mit diesem Gesetzentwurf vor uns haben.

Wir haben erlebt, dass die ehemaligen Großen kreisangehörigen Städte immer kleiner werden, also groß wird kleiner. Weil es trotzdem weiterhin Große kreisangehörige Städte geben soll, soll eine Änderung des Gesetzes vorgenommen werden, sodass die größeren Städte jetzt eben kleinere sind, schon mit 35 000 Einwohnern. Insofern unterscheidet sich das zu früher.

Erfolgt das ausschließlich aus Opportunitätsgründen heraus, sodass die Kommunalverfassung insoweit angepasst wurde. Mit den neuen Grenzen folgen gegebenenfalls neue Ansprüche. Genau das ist der Punkt, der hier als Gefahr dargestellt worden ist, nämlich dass jetzt plötzlich drei weitere Städte eben nicht mehr nur Eberswalde, Eisenhüttenstadt und Schwedt, die übrigens teilweise auch keine 45 000 Einwohner mehr haben, Eisenhüttenstadt liegt deutlich darunter, auch Schwedt inzwischen -, auch weitere Kommunen die Möglichkeit erhalten, eine Große kreisangehörige Stadt zu werden und damit kraft Gesetzes die Übertragung erreichen würden.

Natürlich muss die Aufgabe wahrgenommen werden. Ziel dieser Aufgabe ist es letztlich, nicht Gesetze oder Vorschriften einzuhalten, sondern die Sicherheit zu gewährleisten, insbesondere im Straßenverkehr. Das ist der Sinn der Vorschrift, der dahintersteht. Das muss in vollem Umfang gewährleistet bleiben. Insofern ist es wichtig, dass die betroffenen Kommunen handlungsfähig sein müssen. Eine Vielzahl von Städten ist es aber nicht. Die Stadt Teltow, aus der ich komme, mit 20 000 Einwohnern selbst Verkehrsbehörde, hat es an sich gezogen, leistet dort gute Arbeit und ist dabei auch auskömmlich. Wir führen jedes Jahr in der Haushaltsdebatte die Diskussion darüber. Ich war kein Fan davon, weil ich skeptisch war. Ich sehe aber jetzt, dass die Kosten durch die vorhandenen Überwachungsmaßnahmen hereinkommen und die innere Sicherheit dadurch gut gewährleistet werden kann, besser als es vorher durch den Landkreis passiert ist.

Das Problem, das mit diesem Gesetz einhergeht, ist, dass Sie im Grunde zwei Klassen von Großen kreisangehörigen Städten schaffen. Es wird Große kreisangehörige Städte erster Klasse geben, nämlich die jetzt im Gesetzentwurf benannten Städte Eisenhüttenstadt, Eberswalde, Schwedt, und es wird Große kreisangehörige Städte zweiter Klasse geben, die neu hinzukommenden Städte Bernau, Falkensee, Oranienburg. Darüber werden wir im Ausschuss sprechen müssen. Das können wir gern tun. Der Überweisung an den Ausschuss stimmen wir natürlich zu. - Ich danke Ihnen.

(Beifall FDP)

Vielen Dank, Herr Abgeordneter Goetz. - Wir setzen die Aussprache mit der Fraktion DIE LINKE fort. Die Abgeordnete Mächtig erhält das Wort.

Frau Präsidentin! Sehr verehrte Damen und Herren! Mit dem Gesetzentwurf soll geregelt werden, dass aufstrebende und wachsende Große kreisangehörige Städte wie Falkensee, Oranienburg und Bernau zukünftig bestimmte Aufgaben erhalten sollen, aber erst dann - so im Gesetzentwurf -, wenn sie wirtschaftliche Aufgabenerfüllung nachgewiesen haben.

Meine Damen und Herren, der eine oder andere von Ihnen wird sich noch daran erinnern können: Zwei Jahre begleitete dieses Haus einen Sonderausschuss für Bürokratieabbau. Vielleicht haben Sie ein gewisses Verständnis dafür, dass mir hier etwas im Magen liegt.

In der Kommunalverfassung wurde Ende 2007 die Absenkung der Grenzen für Große kreisangehörige Städte von 45 000 Einwohner auf 35 000 Einwohner geregelt. Ich darf daran erinnern, dass das eine heftige Diskussion war, ob es Sinn macht und mit welchen Konsequenzen wir es hier zu tun haben werden, wenn wir diese Absenkung vornehmen. Sie wurde dennoch mehrheitlich in diesem Hause beschlossen. Es war Wille des Gesetzgebers, die Aufgabe an Kommunen abzugeben, wenn diese die entsprechende Einwohnerzahl erreicht haben.

Nunmehr erreicht uns also der Vorschlag, ab 01.01.2011 für neu hinzukommende Städte in dieser Kategorie eine Hürde

einzubauen, die die betreffenden Kommunen überspringen können bzw. müssen. Bei allem Fleiß des einen oder anderen Mitarbeiters im Ministerium - die Zeit der Überprüfung von Normen und Standards in der vergangenen Legislatur hat die Linke und auch mich gelehrt, bei der Erhöhung von bürokratischen Hürden aufmerksam zu sein.

Weil es einer Kommune in der Vergangenheit nicht gelang, den Nachweis wirtschaftlicher Aufgabenerledigung zu führen, soll nun eine neue Hürde aufgebaut werden. Ich bitte, dass wir noch einmal gemeinsam darüber nachdenken, ob die von meinem Vorredner genannte Schaffung von zwei Kategorien für Große kreisangehörige Städte tatsächlich hilfreich ist. Ich denke, wir werden uns im Innenausschuss mit Blick auf den Gleichstellungsgrundsatz der Kommunen darüber verständigen können.

Ich bin sicher, es wird eine interessante Beratung im Innenausschuss. Das bestätige ich Ihnen.

(Beifall DIE LINKE)