Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Heute morgen haben wir an dieser Stelle den Entwurf des Landeshaushalts 2011 diskutiert. Wegen dieses zeitlichen Zusammenfalls will ich kurz auf die finanzielle Dimension dessen eingehen, was wir hier zu entscheiden haben. Dann wird vielleicht auch deutlich, warum wir Ihrem Änderungsantrag so nicht zustimmen werden.
Im Einzelplan des Ministeriums für Arbeit, Soziales, Frauen und Familie finden Sie die Zahl, die mit dem vorliegenden Gesetzentwurf korrespondiert. Das sind 350 Millionen Euro, wahrlich keine kleine Größenordnung. Hinter dieser Summe stehen Leistungen, die wir als Land insbesondere für Menschen mit Behinderung in Form der Eingliederungshilfe und für Pflegebedürftige als Hilfe zur Pflege zur Verfügung stellen.
Neben dem Land sind die Landkreise und kreisfreien Städte an den Kosten beteiligt. Mit schöner Regelmäßigkeit haben sich Land und Kommunen wegen des Ausführungsgesetzes vor dem Verfassungsgericht getroffen. Die Novellierung des Ge
setzes ist also die notwendige Konsequenz aus der Entscheidung des Verfassungsgerichts. Ich brauche darauf nicht näher einzugehen. Das wurde hier mehrfach erläutert.
Wir müssen mit diesem Gesetz austarieren, in welchem Verhältnis Zuständigkeit und Finanzierung zwischen Land und Kreisen stehen sollen. Das Gesetz setzt in hohem Maße die Kompetenz der örtlichen Sozialhilfeträger, also der Kreise und kreisfreien Städte, voraus. Den größten Teil der Kosten trägt wieder das Land. Ich hatte die Zahlen genannt. Deshalb ist es verständlich und notwendig, dass man sich miteinander bemüht, die Strukturen so hinzubekommen, dass an erster Stelle dem Bedarf und den Wünschen der Betroffenen Rechnung getragen, dass zweitens der Grundsatz ambulant vor stationär weiter verfolgt und drittens auch versucht wird, die finanziellen Mittel möglichst wirtschaftlich einzusetzen.
Für eine sparsame Aufgabenwahrnehmung gibt das Gesetz den Kommunen Anreize. Das ist auch richtig so. Das heißt, nicht bei den Leistungen zu kürzen, aber zu verhindern, dass aus finanziellen Erwägungen von einem Kostenträger so entschieden wird, dass die Kosten beim anderen Träger, also beim Land, anfallen.
Sie haben in den Ausschussberatungen schon einen höheren Kostenanteil des Landes verlangt. Wir landen jetzt bei 85 % Landesanteil. Das ist eigentlich - ich rede nicht vom Städteund Gemeindebund - auch von den Kommunen akzeptiert, da das in den einzelnen Gemeinden vor Ort mit den Anteilen sowieso sehr differenziert aussieht. Ich sehe daher gar keinen Grund, nun noch draufzusatteln, etwa um den Kommunen ihre Klagefreudigkeit abzukaufen.
Ich sage noch einmal, was jedes Prozent mehr für das Land an Kosten bedeutet, nämlich 3,5 Millionen Euro. Jetzt erinnere ich Sie einmal daran, werte Oppositionsfraktionen, was Sie heute früh zum Haushalt und zum sparsamen Wirtschaften gesagt haben.
So dicke haben wir es halt nicht. Es gibt auch keinen Grund, so zu tun, als hätten wir das Geld im Überfluss. Ich finde, die Steigerung ist ohnehin beträchtlich. Auch das ist richtig und gut so und zeigt, wohin die Entwicklung im sozialen Bereich unter dieser Koalition läuft. Immerhin waren im alten Gesetz 312 Millionen Euro, jetzt sind es 350 Millionen Euro. Das sind 38 Millionen Euro mehr, die nun im Gesetz veranschlagt sind. Das ist fast so viel, wie wir im Bereich der Personalaufstockung bei den Kitas ausgegeben haben, um nur einmal die Größenordnung zu verdeutlichen.
Ich denke, wir sind mit diesem Gesetzentwurf auf einem guten Weg, damit vor allem den Belangen der betroffenen Menschen vor Ort mit hoher Qualität Rechnung getragen werden kann. Deshalb bitte ich Sie, diesem Gesetz zuzustimmen.
Ich erlaube mir zwei Fragen. Die erste Frage: Kann man, um Kosten zu sparen, verfassungswidrige Gesetze verabschieden?
Zweite Frage: Worauf gründet sich Ihr Vertrauen, dass das gleiche Ministerium, das schon verfassungswidrige Gesetze vorgelegt hat, dieses Mal einen verfassungskonformen Entwurf erarbeitet hat, nachdem sowohl der Städte- und Gemeindebund als auch der Landkreistag - ich empfehle Ihnen besonders Seite 8 des Protokolls - auf die Verfassungswidrigkeit des Gesetzes hingewiesen haben?
Zur zweiten Frage: In der letzten Regierung ging diesem Beschluss ein Kabinettsentwurf voraus. In diesem Kabinett haben auch Sie gesessen. Also haben Sie ebenfalls einem nicht der Verfassung entsprechenden Gesetzentwurf zugestimmt. Deshalb sind die Wahlen sicher auch so ausgegangen, wie sie ausgegangen sind, und Sie sitzen jetzt dort.
Vielen Dank, Frau Abgeordnete Wöllert. - Wir setzen die Aussprache mit dem Beitrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN fort. Die Abgeordnete Nonnemacher erhält das Wort.
Während Frau Nonnemacher zum Rednerpult kommt, begrüßen wir herzlich die Mitglieder des Oberbarnimer Kulturvereins Bad Freienwalde. Seien Sie herzlich willkommen bei einer Debatte, die Sie möglicherweise besonders interessiert.
Verehrte Frau Präsidentin! Liebe Kollegen! Verehrte Gäste! Ich denke, der Austausch der Argumente ist schon so weit fortgeschritten und der Gegenstand von allen Seiten beleuchtet worden, dass ich mich bemühen werde, zwei Minuten für den heutigen Parlamentarischen Abend zu gewinnen.
Nach dem schon mehrfach zitierten Verfassungsgerichtsurteil vom Dezember 2008 hat die Landesregierung einen neuen Gesetzentwurf zur Neuregelung der Ausführungsgesetze zum Zwölften Buch Sozialgesetzbuch erarbeitet und am 8. September in den Landtag eingebracht.
Dem Gesetzentwurf liegen umfassende und konstruktive Diskussionsprozesse sowohl auf kommunaler Ebene als auch zwischen den Vertretern der kommunalen Gebietskörperschaften und dem Ministerium für Soziales zugrunde. In der Anhörung am 15.09. im Ausschuss wurden von vielen Anzuhörenden die im Gesetzentwurf fixierten Vorschläge als Fortschritt gelobt. Insbesondere wurden noch einmal die Bündelung der Zuständigkeit bei den örtlichen Trägern der Sozialhilfe und das pauschalierende Kostenerstattungssystem mit gemeinsamer Erfassung von ambulanten, teilstationären und stationären Leistungen hervorgehoben.
In der Anhörung wurden aber auch eine Reihe Kritikpunkte und Änderungswünsche vorgetragen, zum Beispiel die zwingende Übertragung der Zuständigkeit auf die örtlichen Träger der Sozialhilfe bei Erfüllung der gesetzlichen Voraussetzungen. Die Ansiedlung der Geschäftsstelle beim LASV wurde kritisiert. Zu kurze Fristen zur Erbringung von Kostennachweisen waren ein Thema und der Zeitpunkt der Evaluierung des Gesetzes.
Einige dieser Anregungen wurden im Ausschuss durch Änderungsanträge sowohl der Koalitionsfraktionen als auch der Oppositionsfraktionen berücksichtigt. Insgesamt lagen die Änderungsanträge, die die Opposition gemeinsam einbrachte, deutlich näher an den Wünschen der Vertreter der kommunalen Gebietskörperschaften und auch der Wohlfahrtsverbände.
Wir bedauern, dass sich trotz der viel gelobten Annäherungen die Koalitionsfraktionen immer für die Sichtweise des Ministeriums und gegen die Sichtweise der Kommunen entschieden haben.
Obwohl der vorliegende Gesetzentwurf sicher Verbesserungen enthält, hätten wir uns mehr Sicherheit bei der Kostenerstattung für die Landkreise und kreisfreien Städte gewünscht. Ob mit der gefundenen Regelung die Finanzkraft der kommunalen Gebietskörperschaften nicht doch überstrapaziert wird, bleibt abzuwarten. Und ob die Regularien tragen, wird sich sicher erst in nächster Zeit zeigen. Deshalb wäre uns eine schnellere Evaluierung in drei, spätestens fünf Jahren ein Anliegen gewesen. Es ist überhaupt nicht verständlich, warum das so lange hinausgezögert wird. Kollege Büttner hat auch explizit darauf hingewiesen. Es besteht die Gefahr, dass wir uns bald wegen Verletzung des Konnexitätsprinzips hier wiedersehen.
Die vorliegende Fassung des Gesetzentwurfs ist ohne die von uns gewünschten Änderungen für uns nicht zustimmungsfähig. - Vielen Dank.
Vielen Dank, Frau Abgeordnete Nonnemacher. - So ist das mit den selbstgesteckten Zielen. Das war dann doch ein bisschen drüber, und die Feuerwehr muss warten.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren, schönen guten Tag! Wir haben in der Tat eine schwierige Gemengelage; keine Frage. Frau Blechinger fragt nicht ganz zu Unrecht, inwiefern man denn dem Ministerium zutrauen könne, dass es jetzt einen Gesetzentwurf vorlegt, der dann auch trägt, wo es doch schon zweimal vor dem Verfassungsgericht gescheitert ist. Ich will versuchen, die Antwort zu übernehmen:
Das erste Mal ist das Ministerium im Februar 2002 vor dem Verfassungsgericht gescheitert. Damals hatte der Landkreis Potsdam-Mittelmark bezüglich der Verfassungsgemäßheit dieser Vorlage geklagt. Der federführende Sozialdezernent war damals Günter Baaske, der jetzt Minister ist. Insofern klappt es diesmal vielleicht doch, wenngleich ich sagen muss: Es ist kein Spagat - wie Sie es nannten -, den wir hier ausführen müssen, es ist im Wesentlichen ein Balanceakt. Wenn wir auf der einen Seite zu straff ziehen, also zu sehr darauf drängen, dass vor Ort ambulantisiert wird, begeben wir uns sofort in die Gefahr, dass die Konnexität greift und die Kommunen klagen können und klagen werden - es ist inzwischen schon fast ein Sport geworden - und uns dann wieder am Kanthaken haben.
Wenn wir auf der anderen Seite zu locker lassen - das sage ich jetzt auch in Richtung von Frau Nonnemacher und Herrn Büttner -, heißt das automatisch, dass eben nicht ambulantisiert wird, sondern dann - das ist ganz klar - der gute alte Spruch meines Großvaters greift: Auf fremdem Arsch ist gut durch Feuer reiten. - Dann wird der Landkreis, der auch nicht viel Geld hat - das ist nun einmal so -, natürlich sagen: Diesen Fall werden wir nicht ambulant, sondern stationär behandeln - dann bezahlt das Land das. - So, und schon haben wir es - wir bezahlen es! Und - da komme ich zu dem, was Sie sagen wollten, was die Finanzausstattung angeht - wir helfen damit nicht unbedingt den Betroffenen, Frau Nonnemacher.
Weil: Die Betroffenen wollen in der Regel gar nicht in die stationäre Einrichtung, sondern wollen viel lieber zu Hause bleiben. Sie wollen viel lieber ambulant betreut werden. Es hilft also nicht unbedingt den Betroffenen, wenn wir einfach sagen: Wir schütten das Problem mit viel Geld zu und helfen euch mit teilstationären und stationären Leistungen. - Das ist ein Trugschluss; das will ich hier in dieser Deutlichkeit noch einmal rübergebracht haben.
Zum anderen, was die Finanzierung angeht: In der Tat ist es so, dass es meinerseits auch ein Angebot an die Landkreise gab. Vor einem halben Jahr, etwa im Mai, habe ich die Landkreise und die kreisfreien Städte angeschrieben und gesagt: Leute, wir können das ganze Ding auch so machen, weil ich weiß: Ihr seid zuständig für die Ambulanten, wir sind zuständig für die Stationären/Teilstationären. Es ist immer schwierig, das auseinanderzuhalten; es wird nicht immer ein Abwägen im Einzelfall sein. Es wird immer der Blick ins Portemonnaie sein, es wird immer der Blick zum Kämmerer sein, der dazu führt, dass man vielleicht doch nicht so entscheidet, dass es den Betroffenen und nachher womöglich dem Gesamtbudget auch hilft. Darum habe ich gesagt, ich mache euch folgenden Vorschlag: Ihr tragt alle Aufgaben allein. Wir finanzieren 86 % auf Dauer, ihr
finanziert 14 % auf Dauer. Ihr schafft euch eine eigene Struktur als Kommunalverband und tragt dann diese Verantwortung. Das wurde abgelehnt. Ich sage nur: Als Rolle rückwärts wird das auch nicht greifen.
Das heißt, wenn jetzt wieder eine Klage kommt und wir uns verzweifelt die Haare raufen und uns fragen werden: Was machen wir denn nun?, will ich sagen können: Wir übertragen es. Ich sage Ihnen, was wir dann machen können: Wir nehmen das ganze Geschäft wieder zu uns herüber. Ich kann es mir beim besten Willen nicht anders vorstellen.
Das ist ein Aushandlungsprozess, der eineinhalb Jahre gedauert hat. Eineinhalb Jahre wurde mit den Kommunen, mit den Bürgermeistern, den Landräten darüber verhandelt, wie man das gemeinsam bewerkstelligen könnte. Das Ergebnis ist, dass man festgestellt hat, dass wir mit Konfrontation, mit ewigem Misstrauen nicht weiterkommen, sondern wir nur dann weiterkommen, wenn wir uns Gremien schaffen, in denen miteinander darüber diskutiert wird, wie wir das Beste für die Betroffenen herausholen. Die Gremien wurden hier schon genannt; ich muss das nicht wiederholen. Die Vertreter der Kommunen, des Landes und der Träger sind am Tisch und können dann miteinander darüber beraten, was das Effizienteste ist, was man tun kann, um vor Ort eine vernünftige Steuerung hinzukriegen.
Tatsache ist - das will ich auch gleich sagen -, dass es sehr, sehr unterschiedliche Ansätze vor Ort gibt, womit man auch erklären kann, dass wir eine Spanne von 8 % Ambulantisierung bis 22 % Ambulantisierung haben. Frau Blechinger hat vollkommen Recht, wenn sie sagt: Die prozentualen Angaben bei den Kosten sagen noch nicht viel darüber aus, wie viel Fälle es denn sind. - Aber wie wollen wir das hinkriegen? Darüber haben wir ewig gegrübelt. Ich finde da keinen anderen Weg. Ich glaube, wir müssen generell davon wegkommen, immer nur ein „Einrichtungsdenken“ zu verfolgen, getreu dem Motto: Der Mensch hat die und die Behinderung, daher muss er in die und die Einrichtung. - Das ist einfach nicht zeitgemäß. Das hat auch mit Inklusion nichts zu tun, sondern wir müssen wirklich sehen, dass wir den Menschen da abholen, wo er ist, und sagen: Für dich kann man vor Ort die und die Lösung mit den und den Leuten und den und den Partnern anbieten. - Ich habe damals Sylvi Lehmann in ihrem Landkreis bewundert. Als sie Sozialdezernentin war, hat sie wunderbare Sachen im ehrenamtlichen Bereich gemacht, mit Familien, die sich da eingesetzt haben, und, und, und. Die Palette ist breit; da kann man eine Menge tun. Ich ermuntere die Kommunen ausdrücklich, das auch zu machen. Wir haben extra eine Experimentierklausel aufgenommen, mit deren Hilfe wir sie noch einmal - auch mit zusätzlichem Geld - ermuntern wollen, da ein bisschen mehr zu tun.
Herr Büttner, Ihnen will ich noch sagen: Es ist kein Gesetz - so darf man es auch nicht verstehen -, mit dem die Finanzausstattung der Kommunen bessergestellt würde, als sie jetzt vielleicht ist. Ich kann Ihnen aber sagen, dass die FDP einige Gesetze in den Bundestag eingebracht hat, die die Kommunen eindeutig schlechter stellt, als sie jetzt gestellt sind. - Ich danke fürs Zuhören.
Danke sehr, Herr Minister Baaske. - Wir sind damit am Ende der Aussprache angelangt und kommen zur Abstimmung.
Zuerst wird über den Änderungsantrag abgestimmt, eingebracht von CDU- und FDP-Fraktion, Drucksache 5/2104 (Neu- druck). Es geht um die Einfügung eines neuen Absatzes 3 in § 10 sowie um die Änderung des § 13 Abs. 1. Wer diesem Änderungsantrag Folge leisten möchte, den bitte ich um das Handzeichen. - Wer ist dagegen? - Enthaltungen? - Diesem Antrag ist damit nicht entsprochen worden.