Protokoll der Sitzung vom 10.11.2010

Der Abgeordnete Tomczak spricht für die FDP-Fraktion.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nach drei Vorrednern bleibt mir nicht mehr allzu viel hinzuzufügen. Trotzdem gibt es natürlich Bemerkungen.

Es gibt den Bericht zur Arbeit des Petitionsausschusses im ersten Jahr der 5. Legislaturperiode, und Sie sind so freundlich und nehmen davon Kenntnis. In der Vorberatung unter den Mitgliedern des Ausschusses fand der Bericht einmütig Zustimmung. Das ist symptomatisch für die Arbeit dieses Ausschusses. Wir alle sind uns im Klaren darüber, dass das Petitionsrecht eines der grundlegenden Bürgerrechte in unserem Staat ist, dass dies demokratische Bedeutung hat und dass der Konsens der in diesem Haus arbeitenden Parteien darüber grundsätzlich hergestellt ist.

Die Rechtsgrundlagen sind im Bericht dargestellt. Dem ist nichts hinzuzufügen. Die Schwerpunkte der Petitionsarbeit sind genannt. Es sind einzelne interessante Fälle vorgestellt worden. So weit - so schön. Man könnte also sagen, dass dies ein sehr entspannter Tagesordnungspunkt ist, und sich fragen, wozu man noch debattieren sollte. Trotzdem gibt es wie für meine Vorredner auch für mich beeindruckende Erlebnisse, die mit der Arbeit dieses Ausschusses zusammenhängen. Es beginnt mit, wie es im Bericht heißt, beispielhaften Einzelfällen, die in keinem Fall, schon aus Platzgründen nicht, auch nur annähernd verdeutlichen können, wie vielfältig die Gründe der Petenten in unserem Land sind, ihr Petitionsrecht zu nutzen. Hier stimme ich mit Herrn Günther völlig überein: Die seismografische Wirkung bezieht sich nicht nur darauf, was denn so los ist in Brandenburg, sondern es ist ein Seismograf unserer Arbeit hier im Haus. Dafür wurden mehrere Beispiele genannt, dass Petitionen von ihren Themen her fast gradlinig Eingang in die parlamentarische Arbeit gefunden haben, so in Form von Anträgen, ich sage nur Polizeireform, Lese-Rechtschreib- und Rechen-Schwäche sowie Haftrecht und vieles mehr. Das war auch ein Grund dafür, warum ich mich von Anfang an bereit erklärt habe, in diesem Ausschuss mitzuwirken, der tatsächlich, wie das Protokoll und eine andere Erhebung offengelegt haben, einer der fleißigsten und meistbeschäftigsten ist, wobei ich hier keine Abstufung zu anderen Ausschüssen machen möchte.

Eines lassen die genannten Einzelfälle doch erkennen. Das ist keine Kritik an diesem Bericht, aber der Bericht kann natürlich nicht offenlegen, was uns sonst noch in diesem Ausschuss beschäftigt. Es ist zum Beispiel die Tatsache, dass wir in diesem Ausschuss durchaus auch Erfolgserlebnisse, die in der Politik nicht so häufig sind, haben, nämlich wenn wir feststellen: Eine Petition ist im Interesse des Petenten zu Ende geführt worden. Man kann voraussetzen, dass sich der Petent darüber freuen wird, und Sie können mir glauben, auch wir als Mitglieder des Ausschusses sind sehr erfreut darüber, wenn man die Auseinandersetzung mit Partnern gegen Behördenwillkür, gegen bürokratische Hürden und Ähnliches zu Ende führen kann.

Es ist auch festzustellen, dass manchmal der Petent darauf hingewiesen werden muss, dass in einem Fall doch rechtmäßiges Verwaltungshandeln vorliegt. Je nach charakterlicher Veranlagung erleben wir manchmal regelrechte Fortsetzungsromane, oder es wird die dritte oder vierte Petition nachgereicht, weil der Petent doch nicht so einsichtig ist, wie man sich das wünschen würde.

Es ist zwar selten, kommt aber auch vor, dass trotz gleicher sachlicher Bearbeitung manche Petition ein gewisses Spaßpotenzial hat. Wir erinnern uns - diese eine Ausnahme möchte ich hier schildern -, dass ein Petent den Vorschlag einreichte, behördliche Negativbescheide Bußgeldbescheide, Ablehnungen und andere unangenehme Dokumente aus der Verwaltung dem Bürger in Geschenkpapier zu offerieren, mit einem positiven Spruch versehen, sodass sich der Frust bei dem Bürger im Rahmen hält. Es gibt also auch Schelme unter den Petenten. Wir haben uns über diese Petition auch ein Stück weit gefreut und amüsiert.

Weitere positive Fakten sind auch zu nennen. Als Erstes - auch schon mehrfach von meinen Kollegen genannt - die sachliche und hilfreiche Zusammenarbeit mit Herrn Korte und dessen Kolleginnen im Referat, die zu jeder Zeit, auch noch einmal zwischendurch, auskunftsfähig und -bereit sind, wenn es in der Phase der Bearbeitung der Berichte zu Fragen kommt. Und zweitens ganz deutlich auch die kollegiale, ja freundliche Zusammenarbeit der Mitglieder des Petitionsausschusses untereinander, die das Arbeitsklima im Petitionsausschuss ausgesprochen befördert. Auch ich kann hier feststellen, dass die angenehme Zusammenarbeit durch die erfahrene, gediegene und manchmal sehr ruhige Arbeit des Ausschussvorsitzenden Thomas Domres befördert wird.

Noch ein Wort zum Abschluss: Als junges Mitglied dieses Landtages - ich meine hier jung an Monaten der Mitwirkung ist es dennoch für mich wichtig, hier festzustellen, dass der Petitionsausschuss trotz verschiedener Standpunkte bei der Lösungsfindung in der Zusammenarbeit, zum Beispiel als KoBerater zu einem Thema, immer zu einer gemeinsamen Berichterstattung kommt. Im Petitionsausschuss ist kein Platz für Polemik, für Profilneurosen, keine Zeit für rhetorische Selbstdarstellung, und das ist auch gut so. Darauf baut die Arbeit dieses Ausschusses auf. Ich meine, dass wir gemeinsam diese Arbeit fortsetzen werden. Darauf freue ich mich und habe die Hoffnung, dass sich der Stil der Arbeit dieses Ausschusses einmal auf das ganze Haus überträgt. Davon würden wir alle profitieren. - Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!

(Beifall FDP, SPD, DIE LINKE und GRÜNE/B90)

Die Abgeordnete Fortunato spricht für die Linksfraktion.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Als ich vor einem Jahr meine Arbeit im Petitionsausschuss begann, konnte ich nicht ahnen, was das bedeutet. Mein Fachgebiet sind dort unter anderem die Petitionen des Sachgebiets SGB II und Sozialwesen. Allein der Bereich des Sachgebiets Sozialgesetzbuch II betrifft 5 % der Petitionen. Das sind ca. 80 Einzelpetitionen in einem Jahr.

Die Probleme der Brandenburgerinnen und Brandenburger zu diesem Thema sind vielfältig. Es geht den Petenten um die Bewilligung der Kosten der Unterkunft und deren Höhe, die Bereitstellung von persönlichen Budgets für Behinderte, Widersprüche gegen Sanktionen wie Kürzungen der Regelleistungen, Bearbeitungszeiten von Anträgen in Jobcentern oder Optionskommunen.

Die Vielzahl der Anträge, die uns auf den Tisch kommt, zeigt, wie viele Menschen in Brandenburg mit dem Existenzminimum leben müssen, wie geduldig manche oft über Monate auf eine Entscheidung zu ihren Anträgen oder Widersprüchen warten, bis sie sich dann doch hilfesuchend an den Petitionsausschuss wenden. Auch das, obgleich ihr Recht, erfordert Vertrauen in die Arbeit der Abgeordneten des Ausschusses; denn letztlich kehren die Petenten, besonders in meinem Bereich, ihr persönliches Leben, ihre Lebensumstände vor mir, vor dem Ausschuss aus.

Das, was viele von Ihnen, meine Damen und Herren, in den Bürgerbüros erleben, dass Menschen mit Problemen aus ihrem persönlichen Leben zu Ihnen kommen, stellt sich im Petitionsausschuss in verstärkter Form dar und betrifft auch Fälle, die sich geraume Zeit hinziehen, sei es aufgrund langer Bearbeitungszeiten, wo es manchmal den Anschein hat, die Anliegen des Bürgers würden nicht wirklich ernst genommen, ob in den kommunalen Behörden und Verwaltungen oder aufgrund von Zurückweisungen und immer neuen Stellungnahmen der verschiedensten Beteiligten.

Dabei zeigt sich nach meiner Einschätzung durchaus eine gewisse Unsicherheit der Behörden in der Anwendung des SGB II, wobei der Anteil der Optionskommunen hierbei nach meiner Einschätzung überwiegt. Eine Lösung im Sinne der Bürgerinnen und Bürger zu suchen und zu finden, dazu sind wir angetreten - und das nicht nur in diesem Ausschuss.

Die Arbeit des Petitionsausschusses ermöglicht es aber auch, Informationen für die parlamentarische Arbeit zu erhalten, für die Beseitigung der Missstände bei der Ausübung der Kontrollfunktion des Parlaments und besonders für die Arbeit in den Fachausschüssen. Der Petitionsausschuss repräsentiert besonders deutlich, dass wir es anstreben, die Meinung der Bürger einzubeziehen. Da es der Schutz der persönlichen Anliegen des Einzelnen nicht zulässt, die Sitzungen öffentlich abzuhalten, begrüße ich außerordentlich die neue Praxis des Petitionsausschusses, sich direkt vor Ort zu begeben, um den Betroffenen die Möglichkeit einzuräumen, ihre Anliegen persönlich vorzutragen, ihre Fragen zu stellen und Hinweise zu geben - ganz im Sinne unseres Verständnisses für Demokratie und Bürgerbeteiligung.

Eine gute Zusammenarbeit mit den Ministerien und Dienststellen im Land Brandenburg ermöglicht es uns, direkt Anfragen wie in meinem Petitionsbereich zum Beispiel an die Landkreise zu bestimmten Vorgehensweisen und Entscheidungen zu stellen, Stellungnahmen anzufordern, auf falsche Entscheidungen oder aktuelle Rechtsprechungen hinzuweisen. Das allein hat schon manchmal ein Umdenken in der Behörde bewirkt, so zum Beispiel bei der pauschalen Berechnung von Heizkosten durch einige Grundsicherungsträger, bei denen zum Nachteil der Antragsteller Einzelfallprüfungen nicht stattgefunden haben. Es gibt sicher viele Menschen, die den Schritt einer Petition nicht gehen, sei es aus Unkenntnis oder aus falsch verstandenem Respekt. Wir alle sind aufgerufen, liebe Kolleginnen und Kollegen, die Menschen zu ermutigen, sich gegen Ungerechtigkeiten, falsche Entscheidungen zu wehren, und wenn es nicht anders zu lösen ist, durch eine Petition.

Auch wenn Sie mir damit noch so manche Nachtschicht bescheren werden: Ich mache das gern. - Danke schön.

(Beifall DIE LINKE)

Die Abgeordnete Nonnemacher setzt für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN fort.

Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Gäste! Nächsten Dienstag wird die 20. teilweise öffentliche Sitzung des Petitionsausschusses stattfinden. Daran sind zwei Dinge bemerkenswert. Erstens: Der Petitionsausschuss ist besonders fleißig. Auf 20 Sitzungen hat es in dieser Wahlperiode noch kein anderer Ausschuss gebracht. Ich persönlich habe manchmal den Eindruck: Wir tagen jede Woche. Nach der Landtagsstatistik vom 30. September hatte der Petitionsausschuss in 10 Monaten 18 Mal insgesamt über 47 Stunden und 19 Minuten oder 2 839 Minuten getagt. Auch nach der Tagungsdauer liegt er deutlich auf Platz 1 vor dem Bildungsausschuss.

(Beifall von Minister Dr. Markov sowie Zuruf: Echt gut!)

- Gut, nicht wahr!

Der Petitionsausschuss ist von seiner Aufgabe her am nächsten am Bürger, und der kleine Ausflug in die Statistik zeigt, dass er sich wirklich müht, ganz im Sinne von Bürgerfreundlichkeit die Bearbeitungszeiten nicht zu lang werden zu lassen.

Zum Zweiten ist bemerkenswert, dass der Ausschuss am 16.11. teilweise öffentlich tagt. Zu Beginn dieser Wahlperiode hat sich glücklicherweise einvernehmlich die Öffnung aller anderen Fachausschüsse für die Öffentlichkeit durchgesetzt. Ebenso einvernehmlich haben sich die Mitglieder des Petitionsausschusses für die Beibehaltung der Nichtöffentlichkeit ausgesprochen. Es geht bei Petitionen häufiger um soziale und wirtschaftliche Notlagen, es geht um Krankheit, um Behinderungen, um Hilfebedürftigkeit, es geht um Nachbarschaftsstreitigkeiten, um Konflikte mit Behörden, um Beschwerden über konkrete Verwaltungen oder einzelne Mitarbeiter. Diese Anliegen können nicht immer eindeutig anonymisiert werden. Trotzdem bemühen wir uns, auch unseren Ausschuss zu öffnen, und wir suchen den Kontakt mit den Bürgerinnen und Bürgern durch unsere neuen Bürgersprechstunden in den Landkreisen, zum Beispiel am 22. November in Senftenberg, und wie zuletzt durch Beratungsangebote auf dem Brandenburgtag in Schwedt.

Wir haben im Frühsommer Vorarbeiten zur Überarbeitung des Petitionsgesetzes vom 13. Dezember 1991 geleistet und auch dabei die Herstellung von mehr Öffentlichkeit im Blick gehabt. Ich hätte mir manchmal etwas weiter gehende Regelungen gewünscht, aber Signum des Petitionsausschusses ist die Suche nach einvernehmlichen Lösungen und nicht so sehr der Wettstreit der politischen Idee. Der neue Gesetzentwurf wird in der erwähnten 20. Sitzung öffentlich debattiert, er bringt Verbesserungen gerade bei der elektronischen Einreichung von Petitionen.

Das Petitionsrecht, meine Damen und Herren, ist ein Grundrecht, das ohne wesentliche Formalitäten und kostenfrei allen Bürgern und Gruppen, Vereinen und Verbänden offensteht. Es ist nicht gebunden an Volljährigkeit oder Staatsbürgerschaft, und das Petitionsrecht wird in Brandenburg gleichbleibend gern in Anspruch genommen; Herr Wichmann hatte schon die

„Mecker-Märker“ erwähnt, die mit ihren Petitionen an den Deutschen Bundestag deutlich an der Spitze liegen.

Wir können auch wirklich häufig Abhilfe schaffen. Im Übrigen ist es für viele Petenten einfach wichtig, in ihrem Anliegen ernst genommen zu werden und ausführliche Erläuterungen zu ihren Problemen zu erhalten. Die Sorgfalt, mit der der Ausschuss auch wiederholte und manchmal etwas absonderlich erscheinende Anliegen bearbeitet, hat mich vom ersten Tag an sehr positiv beeindruckt. Auch an dieser Stelle mein Dank an die sehr gründliche und sorgfältige Arbeit der ausgezeichneten Referentinnen und Referenten des Ausschusses!

(Beifall FDP und DIE LINKE)

In den Petitionen spiegelt sich für uns Abgeordnete die Stimmung im Land wider, die Sorgen, die Nöte der Bürger. Gerade an Mehrfach- und Massenpetitionen kann der politische Diskurs sehr gut verfolgt werden. So erreichten uns zahlreiche Schreiben zu den Sonderzahlungen für Beamte, Einwendungen gegen den Ausbau der A 10 aus der Region Michendorf und zur Wohnnutzung von Wochenendhäusern. Die Petenten weisen uns immer wieder auf handwerklich schlecht gemachte Gesetze, Gesetzeslücken und Missverständnisse hin. Sie sollten uns ständig Mahnung sein, unsere Arbeit zu verbessern.

Ich komme zum Schluss. Der Ausschuss wird oftmals belächelt als ein Ort, wo sich Neulinge die Hörner abstoßen. Das Gegenteil ist der Fall. Die Arbeit im Petitionsausschuss ist eine Frischzellenkur gegen Fachidiotentum, eine Dauerfortbildung für Generalisten und verschafft Bewohnern des Elfenbeinturms Bodenhaftung. Wir sollten ihn wertschätzen.

(Beifall FDP, SPD sowie DIE LINKE)

Meine Damen und Herren! Die Landesregierung hat Verzicht auf Redezeit angemeldet. - Wir sind damit am Ende der Debatte und haben den Bericht des Petitionsausschusses zur Kenntnis genommen.

Ich schließe Tagesordnungspunkt 11 und rufe Tagesordnungspunkt 12 auf:

Landesstrategie zur Umsetzung der Nationalen Strategie zur biologischen Vielfalt erstellen

Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Drucksache 5/2211

Dazu liegt Ihnen ein Entschließungsantrag der Fraktion der CDU und der Fraktion der FDP in der Drucksache 5/2293 vor.

Der Abgeordnete Jungclaus beginnt die Debatte für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Gäste! Wie beim letzten Mal, als das Thema Biodiversität auf der Tagesordnung stand, haben wir auch heute wieder einen recht aktuellen Bezug.

Das Nagoya-Protokoll, das am 29. Oktober auf der Vertragsstaatenkonferenz des Übereinkommens zur biologischen Vielfalt in Japan beschlossen wurde, wird von den 193 beteiligten Staaten, aber auch von den Umweltverbänden als großer Erfolg gefeiert. Ein zweites Kopenhagen im Naturschutz wollte man unbedingt vermeiden. Dies ist wohl auch gelungen. Die Beschlüsse der Nagoya-Konferenz machen deutlich: Der Erhalt der Biodiversität als unsere Lebensgrundlage ist essenziell und muss in allen Gesellschaftsbereichen ernst genommen werden.

Aus den Beschlüssen ergeben sich aber auch besondere Herausforderungen für die Umsetzung auf nationaler wie internationaler Ebene und für die Bundesländer. Denn internationale Beschlüsse allein können nichts verändern, wenn sie auf nationaler und Länderebene nicht verbindlich umgesetzt werden.

Besonders anschaulich ist das im Fall der 2007 von der Bundesregierung verabschiedeten Biodiversitätsstrategie zu beobachten. Die Bundesregierung entwickelt eine progressive Strategie, doch unten kommt davon nichts an. Auch in unserem Bundesland liegt einiges im Argen. Rot-Rot hat sich im Koalitionsvertrag zwar dafür ausgesprochen, die Strategie zur biologischen Vielfalt umzusetzen, bislang hat die Landesregierung aber noch keine eigene Landesstrategie vorgelegt. Die Kernbotschaft auf unsere Große Anfrage lautete jedenfalls: Es wird keine Landesstrategie geben. - Angeblich existieren aber ausreichend Instrumente, um die dramatische Problemlage in den Griff zu bekommen. Das heißt, alle Ministerien des Bundes tragen die nationale Strategie mit und fordern die Länder zum Handeln auf. Brandenburg sagt bisher nichts anderes als: Wir machen schon alles richtig, wir machen weiter so wie bisher.

Wie Sie sich denken können, teilen wir diese Einschätzung nicht. So wichtig spezielle Artenschutzprogramme auch sind, solange sie nicht in eine übergreifende Strategie zum Erhalt der biologischen Vielfalt eingebunden werden, stellen sie lediglich den Versuch dar, Symptome zu bekämpfen, aber nicht, die Ursachen zu beseitigen. Die bisherigen Maßnahmen und Aktivitäten sind daher definitiv nicht ausreichend.

Denn auch, wenn in der Lausitz wieder die Wölfe heulen und bei Belzig die Großtrappen balzen, die Liste der bedrohten Arten und Lebensräume in der Mark ist lang. So gibt es beispielsweise einen dramatischen Rückgang von Bodenbrütern sowie von Pflanzenarten kalkreicher Niedermoore und Feuchtwiesen. Nur ein Viertel der bedrohten Arten findet hierzulande gesicherte Lebensverhältnisse vor. Durch Flächenversiegelung und -zerschneidung, industriell betriebene Landwirtschaft, Braunkohletagebaue und den durch Klimawandel bedingten sinkenden Grundwasserpegel werden immer mehr natürliche Lebensräume zerstört.

Weil dieser Entwicklung unbedingt entgegengewirkt werden muss, fordern wir die Regierung auf, bis Ende 2011 eine Landesstrategie für Brandenburg zu erarbeiten, welche eine Umsetzung der nationalen Strategie zur biologischen Vielfalt zum Ziel hat. Die Landesstrategie muss als Kabinettsbeschluss entworfen werden. Denn biologische Vielfalt ist keine Naturschutzaufgabe, Frau Ministerin. Der Schutz der biologischen Vielfalt ist ein Querschnittsthema, an dessen Umsetzung ressortübergreifend gearbeitet werden muss. Damit diese Strategie ihren Namen auch verdient, müssen konkrete und überprüfbare Maßnahmen und Ziele aufgenommen werden, die an die einzelnen Ressorts adressiert und mit Umsetzungsfristen unterlegt sind.

Angesichts immer knapper werdender Kassen muss vor allem auch in der Haushalts- und in der mittelfristigen Finanzplanung des Landes diese Strategie Berücksichtigung finden. Denn was nützen uns beste Absichten, wenn Ministerin Tack bei jeder Kritik dann doch wieder nur schulterzuckend auf den Kollegen Finanzminister verweisen kann. Damit wir Parlamentarier den Arbeitsprozess der Landesregierung auch nachvollziehen können, fordern wir diese auf, bis Juni 2011 dem Landtag einen Bericht über den Stand des Arbeitsprozesses vorzulegen.

Artenverlust - da sind wir uns hier, so glaube ich jedenfalls, einig - ist irreversibel. Mit gezielten und rechtzeitig durchgeführten Maßnahmen könnten die erforderlichen Erfolge erzielt werden. Deshalb müssen wir schleunigst handeln, denn biologische Vielfalt lohnt sich. Der Schutz der Biodiversität ist nicht nur aus ökologischer und ethischer Sicht, sondern auch aus ökonomischen Gründen zwingend notwendig. Ich bitte Sie daher, unseren vorliegenden Antrag zu unterstützen und damit die verbleibende Zeit im Jahr der Biodiversität zu nutzen, um den Rahmen für eine landeseigene Strategie zur Artenvielfalt zu schaffen. - Vielen Dank.

(Beifall GRÜNE/B90)