Protokoll der Sitzung vom 11.11.2010

So attraktiv unsere Brandenburger Alleen auch sind, im Naturhaushalt haben sie eine geringe Bedeutung; denn sie sind ein denkbar ungünstiger Lebensraum für Bäume. Es möge sich jeder von uns einmal vorstellen, wir würden uns in einem zweiten Leben, in dem wir als Baum auf die Welt kommen, aussuchen können, ob wir uns in eine Waldgemeinschaft begeben oder an einem Straßenrand in Brandenburg stehen, wo uns dann im Winter regelmäßig Salz auf die Füße geworfen wird, wir ständig von irgendwelchen Blechkisten angefahren werden und wo wir uns mit wachsender Staublunge bemühen, an der Photosynthese teilzunehmen. Das ist nicht sehr attraktiv, meine Damen und Herren.

(Beifall CDU)

Von daher ist dies der zweite Punkt, bei dem ich auch in den Fachausschüssen darauf hingewiesen habe, dass hier aus meiner Sicht ein klarer Verstoß noch nicht vorliegt, aber vorliegen könnte, wenn es zu einer solchen Regelung kommt.

Wenn ich die Hinweise der Landesregierung auf eine Veränderung des Bundesnaturschutzgesetzes sehe, dass das Schwerpunkt wird, und dass es da keine Kollision geben kann, sage ich, dies ist falsch. Im Bundesnaturschutzgesetz ist nichts weiter ergänzt worden als der Punkt, dass Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen zukünftig auch in Geld geleistet werden können. Nicht mehr und nicht weniger. Im Bundesnaturschutzgesetz

sind keinerlei Kompromisse, das heißt Senkungen der Qualitätsstandards des Naturschutzes vorgenommen worden, und von daher sind wir ganz allein verantwortlich, meine Damen und Herren. Das kürzlich vom Wissenschaftlichen Dienst des Parlaments erstellte Gutachten ist für mich dabei nicht von Bedeutung. Darin steht für mich nichts Neues.

Die Unsicherheit kommt auch durch folgenden Umstand auf, Frau Kollegin Gregor-Ness, Sie wissen das: Wenn der Minister schon mal einen neuen Erlass für den Verwaltungsvollzug des Alleenkonzepts auf den Weg gebracht hätte, dann wüssten wir, wie die Alleenkonzeption, die wir in der letzten Wahlperiode gemeinsam getragen haben, umgesetzt würde. Aber noch ist ja der alte Erlass in Kraft, der einen 1 : 1-Ausgleich vorschreibt. Im Moment bewegen wir uns so ein bisschen zwar nicht im rechtsfreien Raum, aber es ist doch sehr unübersichtlich. Das ist ein Punkt, wo es an der Landesregierung wäre, für Klarheit und Vertrauen zu sorgen. Von daher darf im Moment jeder alles vermuten. Vor dem Hintergrund der haushälterischen Zwänge und Eckpunkte können wir uns dieser Sorge nicht verschließen.

Kurzum, meine Damen und Herren, wir haben einen Entschließungsantrag eingebracht. Was wollen wir? Wir wollen die Anregung der Volksinitiative natürlich aufnehmen und eine Evaluation. Das wollen Sie auch. Im Zuge der Evaluierung soll dargelegt werden, wie die anspruchsvollen Ziele der Alleenkonzeption umgesetzt werden sollen. Die Kritik der Volksinitiative an der unsachgemäßen Baumpflege an Brandenburger Alleen ist dokumentiert und auch weitgehend einvernehmlich unter uns.

Von daher, denke ich, wäre es gut, sich ein bisschen Zeit zu lassen, die Volksinitiative wirklich ernst zu nehmen. Sie wird ja heute von dem Hohen Haus abgelehnt werden, meine Damen und Herren. Nehmen Sie aber bitte auf, dass damit das, was Sie an Mühe eingebracht und uns an berechtigten Zielen nahegebracht haben, nicht zur Seite gelegt wird.

Herr Abgeordneter Dombrowski, die rote Lampe leuchtet schon seit einer Minute.

- Ich komme zum Schluss.

Wir werden darauf achten, dass die Brandenburger Landesregierung die Alleen nicht verkümmern lässt. - Danke schön.

(Beifall CDU)

Vielen Dank, Herr Abgeordneter Dombrowski. - Wir setzen die Aussprache mit dem Redebeitrag der Fraktion DIE LINKE fort. Die Abgeordnete Steinmetzer-Mann wird ihn halten.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Liebe Vertreterinnern und Vertreter der Volksinitiative „Rettet Brandenburgs Al

leen!“, Sie haben mit Herzblut und Engagement im letzten Jahr 26 758 gültige Unterschriften gesammelt.

(Beifall DIE LINKE und GRÜNE/B90)

All diese brachten eines zum Ausdruck: dass den Brandenburgerinnen und Brandenburgern der Schutz und der Erhalt der Alleen sehr am Herzen liegt. An dieser Stelle möchte ich mich im Namen meiner Fraktion DIE LINKE bei Ihnen sehr herzlich für Ihren Einsatz bedanken, und auch ich persönlich möchte Ihnen Danke sagen.

(Beifall DIE LINKE)

Sie haben es ermöglicht, dass das Thema politisch neu diskutiert werden kann. Sie haben während Ihrer Kampagne und auch in der Anhörung im Fachausschuss eindrucksvoll auf die Problemlage aufmerksam gemacht: die Gefährdungslage der Alleebäume an Straßen, die Überalterung, der schlechte Gesundheitszustand und der zu befürchtende Rückgang der Alleen durch Fällungen.

Die Fraktion DIE LINKE hat seit jeher dem Schutz und dem Erhalt der Alleen einen hohen Stellenwert eingeräumt, und das hat sich mit der Regierungsbeteiligung auch nicht geändert.

Ohne ein Geheimnis zu verraten, kann man sehr wohl sagen, dass DIE LINKE dem Alleenkonzept, das im Jahre 2007 unter Rot-Schwarz entwickelt wurde, kritisch gegenüberstand. Die von der Volksinitiative begrüßenswerte Forderung nach mehr Nachpflanzung, sprich eins zu eins, stößt aber aufgrund der Haushaltskonsolidierung an Grenzen. Deswegen hat Rot-Rot sich auf einen Kompromiss geeinigt, der die von der Volksinitiative genannten Probleme aufgreift und Lösungen aufzeigt.

Unser Ziel im vorliegenden Beschlusstext ist es, über die bisherige Planung hinaus zusätzliche Bäume zu pflanzen, ohne den Haushalt zusätzlich zu belasten. Wir wollen eine Lenkungsfunktion einbauen, dass Nachpflanzungen nicht an Autobahnschleifen oder Böschungen erfolgen, also an Stellen, an denen es für das Landschaftsbild oder aus ökologischer Sicht wenig sinnvoll ist, sondern verstärkt an Alleen. Und, Herr Dombrowksi, zum Thema Naturschutzfonds: Keiner von uns das hat auch die Anhörung im Ausschuss ergeben - möchte Alleen gegen Naturschutz ausspielen. Zusätzliche finanzielle Mittel können zum Beispiel Versicherungszahlungen nach Unfällen sein. Für einen beschädigten Baum wird mitunter eine vierstellige Summe gezahlt, je nach Umfang und Schaden.

Alleen sind touristische Attraktionen im ländlichen Raum. Deswegen möchten wir EU-Mittel für den Alleenschutz im ländlichen Raum einsetzen, und auch der Bund soll für die Unterhaltung der Alleen an Bundesstraßen zahlen.

(Zuruf des Abgeordneten Senftleben [CDU])

Nun zum plötzlich veröffentlichten Gutachten von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Als Fraktion, die nun wirklich Einblick in die Verwaltungsabläufe hat, hätten Sie die Arbeit der Fraktion im Umgang mit der Volksinitiative effektiver unterstützen können, hätten Sie Ihren Prüfauftrag rechtzeitig dem Wissenschaftlichen Dienst übergeben, sodass dies im Vorfeld der Beschlussfassung hätte beraten werden können.

Frau Abgeordnete Steinmetzer-Mann, lassen Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Dombrowski zu?

Er hatte vorhin die Möglichkeit. Ich möchte jetzt gern fortfahren.

So haben Sie, verehrte Kolleginnen und Kollegen von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, eine wirklich wichtige Chance vertan. Ihr hastiger Flügelschlag noch am Dienstag, die heutige Entscheidung zu vertagen, missachtet eindeutig den juristischen Umgang mit Volksinitiativen. In letzter Minute konnten Sie auf den Boden der Gesetzmäßigkeiten zurückkommen.

(Zuruf des Abgeordneten Senftleben [CDU])

Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich will Ihnen aber auch sehr deutlich sagen: In der von uns angestrebten Alleenevaluierung ist nun die Berücksichtigung dieses Gutachtens möglich. Und noch etwas: Wenn Sie, verehrte Kolleginnen und Kollegen, uns als Linke vorhalten, vor der Wahl die 1 : 1-Regelung bevorzugt zu haben, und nun nichts mehr davon wissen zu wollen,

(Zuruf des Abgeordneten Senftleben [CDU])

so sei Ihnen gesagt, dass mit dem vorliegenden Text alles möglich und selbst eine 1 : 1-Regelung nicht ausgeschlossen ist. Das dürfte Sie doch nun wirklich freuen. Ich bin wirklich gespannt, verehrte Kollegen von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, wie Sie Ihren Vorschlag, Ihre Forderung - die 1 : 1-Regelung im Haushalt finanziell untersetzen wollen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Vertreter der Volksinitiative! Wir haben klare Absichten formuliert, wieder mehr Bäume zu pflanzen und Alleen eine langfristige Zukunft als Kulturgut zu geben, ohne den Haushalt zusätzlich zu belasten. Wir sind sicher: Uns kann es gelingen, dass unsere Kinder und Enkel Alleen erleben können, so wie wir sie gewohnt sind. Und ich möchte die Naturschutzverbände und auch die Vertreter der Volksinitiative herzlich einladen, den weiteren Prozess kritisch und intensiv gemeinsam mit uns zu begleiten. - Danke schön.

(Beifall DIE LINKE und vereinzelt SPD)

Vielen Dank, Frau Abgeordnete Steinmetzer-Mann. - Wir setzen die Aussprache mit dem Beitrag der FDP-Fraktion fort. Der Abgeordnete Beyer hat das Wort.

Frau Präsidentin! Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Volksinitiative „Rettet Brandenburgs Alleen!“ hat es sich zum Ziel gesetzt, den Alleenbestand des Landes Brandenburg zu erhalten und zu sichern. Sie fordert, dass die Konzeption zur Entwicklung von Alleen an Bundes- und Landstraßen aus dem Jahr 2007 des Landes Brandenburg außer Kraft gesetzt wird. Stattdessen sollen Regelungen zum Schutz und zur Entwicklung von Alleen erlassen werden, die unter anderem auf folgenden Grundsätzen beruhen:

Erstens: Nachpflanzung von Alleebäumen, die aus Gründen der Verkehrssicherheit gefällt werden, mindestens im Verhältnis 1 : 1, und zweitens - es sind nur zwei Beispiele - die Nachpflanzung innerhalb eines Jahres nach der Fällung, um den jetzigen Bestand ständig und dauerhaft mindestens auf dem jetzigen Niveau zu halten.

Die Vertreter der Volksinitiative haben es geschafft - das ist sehr zu begrüßen -, 25 700 Unterschriften zu sammeln. Das zeigt uns, dass das Thema „Alleen“ den Brandenburgerinnen und Brandenburgern am Herzen liegt, und den Fraktionen auch das haben die Beratungen in den Ausschüssen gezeigt liegt das Thema ebenso am Herzen. Wir alle verfolgen gemeinsam das Ziel - das ist auch das Ziel der Volksinitiative -, den nachhaltigen Erhalt der brandenburgischen Alleen sicherzustellen. Insofern herrscht auch in allen Fraktionen Einigkeit, und das ist gut so.

Es stellt sich dann aber in der Umsetzung die Frage: Wie geht das? Hierüber bestehen unterschiedliche Meinungen. Im Kern geht es letzten Endes um zwei Probleme: Erstens muss man sich die Frage stellen, was genau eine Allee ist und was ihren typischen Charakter als Allee ausmacht, und muss dabei die Zu- und Abgänge in den verschiedenen Jahresverläufen und den Wachstumsphasen von Alleen betrachten. Zweitens - ich glaube, das ist fast das Wichtigere -: Wie finanziere ich das, was ich dann als richtig für den Erhalt der Alleen erkannt habe?

Zur ersten Frage: Was ist eine Allee? Ich habe manchmal den Eindruck, es herrschen sehr unterschiedliche Vorstellungen, und auch der heutige Vergleich zu Wäldern ist nur sehr bedingt richtig; denn Alleen sind doppelseitige Linienelemente, die durch die Gleichaltrigkeit ihrer Bestandsglieder gekennzeichnet sind. Das führt leider dazu, dass ich, wenn ein Baum, der innerhalb einer Allee abgängig ist, an genau dem gleichen Punkt ersetzt wird - zumindest bei einem gewissen Alter - damit nachhaltig den Charakter der Allee nicht erhalten kann, weil ich langfristig die Gleichaltrigkeit nicht sichere. Der große Charakter der Alleen besteht eben darin, einen Kronenschluss über dem Lichtraumprofil zu haben, und dafür braucht man, um diesen Tunnelblick zu bekommen, der unsere Alleen gerade ausmacht, die Gleichaltrigkeit.

Daraus folgt, dass eben nicht funktioniert, was im Wald funktioniert. Es gibt leider keine Dauerwaldbewirtschaftung. Und, Kollege Dombrowski, der Vergleich hinkt auch deshalb - darauf will ich nur ganz kurz eingehen: Ich bin mir nicht sicher, wo ich lieber stehen würde. Bei einem Dauerwald würde ich vielleicht lieber im Wald stehen, aber noch haben wir im Waldgesetz die Möglichkeit der Kahlschläge von 2 ha.

(Zuruf der Abgeordneten Wehlan [DIE LINKE])

Da bin ich mir nicht ganz sicher. Darüber müssen wir uns auch noch einmal unterhalten, ob der Standplatz an einer Allee, abgesichert durch alle Naturschutzgesetze, die wir haben, nicht vielleicht der bessere ist. Aber das ist gar nicht das Entscheidende. Das Entscheidende und Interessante ist die Frage der Bilanz bei den Zu- und Abgängen. Ich habe mir erlaubt, einmal in meinem privaten Archiv zu stöbern, und habe ein Protokoll des Jahrestreffens der „Schutzgemeinschaft Brandenburger Alleen“ vom 8. April 2005 im Haus der Natur in Potsdam gefunden. Ich habe das deshalb herausgesucht, weil es regierungsunabhängige Zahlen sind, die darin genannt werden. Darin finden

wir, was diese Bilanzberechnung anbelangt, eine ganz interessante Aussage, damals übrigens hier im TOP 1 vom seinerzeitigen Geschäftsführer des NABU vorgetragen, auch ein Verband, der, denke ich, über jeden Zweifel erhaben ist.

(Zuruf)

- Na ja, ich unterstelle es jetzt mal.

In dem Protokoll steht:

„Bilanzen von den Straßenbauämtern für 2001 - 2003: In jedem Jahr wurden mehr Bäume gefällt als gepflanzt.“

- Das kann man erst einmal so stehen lassen.

„Dies ergibt in dem Zeitraum ein Defizit von 2 370 Bäumen“,

- und dann kommt in Klammern - das ist das Entscheidende -: