Protokoll der Sitzung vom 18.12.2002

Früher war es der Klassenfeind, und jetzt ist es Schwarz-Gelb.

(Beifall CDU und FDP - Zuruf des Abgeordneten Bischoff [SPD])

- Herr Bischoff, dass der Klassenfeind schuld war, das wussten wir. Aber wenn man einmal die Zahlen für das nächste Jahr, 2010, betrachtet und feststellt, was da an Mindereinnahmen zu verzeichnen ist, so muss man hinzusetzen: Das haben Ihre Truppen bis zum Wahltag - SPD auf Bundesebene - alle mit beschlossen.

Oder: Herr Platzeck sagt, Schwarz-Gelb mache Klientelpolitik. Gucken Sie einmal, was ab 1. Januar geschieht: Das ist für Familien, das ist für Kinder - das ist unsere Klientel.

(Beifall CDU und FDP - Ness [SPD]: Und Hotelbesitzer! - Zuruf von der SPD: Vor allem für Reiche!)

- Keine Aufregung, liebe Kollegen, es geht weiter, der Höhepunkt kommt noch.

(Zwischenrufe bei der SPD - Zuruf von der CDU: Wie wär's mit einem Ordnungsruf?)

Was wäre, wenn Frau Merkel so reagiert hätte? Dann hätten wir seit anderthalb Jahren ständig und überall Klasse-Reden gehört

(Frau Alter [SPD]: Das macht sie doch!)

über den Feind, über die Finanzhaie, über die USA etc. Da hätte man ständig sagen können: Die sind schuld an der Krise, an der Finanzkrise, an der Wirtschaftskrise, das könnte man ständig geißeln. Aber was hat sie gemacht?

(Frau Alter [SPD]: Gar nichts! Sie reist herum!)

Sie hat einen Kurs entwickelt, der Deutschland erfolgreich durch die Krise führt. Wir sind das Musterland bei der Bewältigung der Krise.

(Beifall CDU - Ness [SPD]: Wer ist denn schuld an der Krise?)

Und genau das kann man von einer Landesregierung erwarten: dass sie die hier genannten Fakten - wie sich der Haushalt verändert, Solidarpakt, alles jahrelang bekannt - klar benennt. Also muss man - die nächsten fünf Jahre sind die entscheidenden - deutlich machen: Welche Wegstrecke will die Regierung denn bis zum Jahre 2014 zurücklegen, um 2019 wirklich in einer wirtschaftlich selbstständigeren Form zu sein? Das muss man erwarten.

Dabei gibt es natürlich Unsicherheiten. Aber diese Unsicherheiten in der Einnahmesituation hat auch Baden-Württemberg, hat auch Niedersachsen, die haben alle. Da kann man sich doch nicht einfach hinstellen und sagen: Jetzt sage ich nichts dazu, weil ich nicht weiß, wie es genau kommt.

(Bischoff [SPD]: Und jetzt gibt’s noch einen obendrauf!)

Gucken Sie sich doch einmal die Koalitionsverträge an, die jetzt geschlossen wurden. Es haben ja mehrere Bundesländer Koalitionsverträge geschlossen. Da steht was drin. Oder wenn Sie dies nicht wollen, gucken Sie doch in unseren alten Vertrag von 2004! Wir haben damals massiv gestritten - das war mit das Heftigste -, und da steht was drin: über die Investitionsquote, über das Verhältnis von konsumtiv und investiv. Da steht Aufgabenkritik drin, da stehen Einsparpotenziale und Einsparziele drin.

(Minister Speer: Ja, das ist alles von mir! - Gelächter bei der CDU)

Das ist alles möglich gewesen in diesem Vertrag.

(Bischoff [SPD]: Aber Schönbohm war der Vorreiter; das stimmt! - Unruhe im Saal)

In diesem Vertrag, meine Damen und Herren von der Regierungskoalition, haben Sie sich eine dürre Seite genommen, auf der wirklich nichts steht. Es ist wirklich ein beispielloser Verlust an Verbindlichkeit. Es ist eben eine Wolke von Beliebigkeit.

(Bischoff [SPD]: Deshalb ja die Steuersenkungen!)

Das Wort Schuldenbremse zum Beispiel steht gar nicht darin.

(Minister Speer: Das ist ja auch ein Witz!)

Das hat der ehemalige Finanzminister mit ausgearbeitet und Platzeck im Bundesrat mit beschlossen. Es steht nichts darin; man muss sich nicht wundern. Platzeck hat es beschlossen, und der neue Finanzminister sagt, er hält nichts davon.

Nun weiß ich es nicht mehr ganz genau, aber wenn ich richtig informiert bin, klagt die eine Hälfte der Regierung gegen die andere - genau wegen der Schuldenbremse.

(Beifall CDU und FDP - Zurufe von der SPD)

Da kann man es natürlich nicht hineinschreiben; da fehlt es natürlich.

(Beifall CDU und FDP)

Also: Ich kann lesen und rechnen.

(Vereinzelt Heiterkeit)

Sie sagen: Wir übernehmen Verantwortung in schwieriger Zeit. Aber Sie haben keinen Mut, Sie haben kein Selbstvertrauen, um sich wirklich Ziele zu setzen, die man dann auch einmal verfehlen kann. Das findet sich in diesem Vertrag nicht.

Das Motto der letzten Legislaturperiode lautete: „Erneuerung aus eigener Kraft“. Das passt auf keinen Fall mehr für die jetzige; das muss auch nicht sein. Es gibt ein neues Motto.

Wenn Sie sich die Summen, die im Koalitionsvertrag für irgendetwas stehen, angucken, stellen Sie fest, dass diese größtenteils zu 100 % vom Bund finanziert sind. Zum Beispiel kommen die 12 Millionen Euro, die hier bei den Hochschulen extra erwähnt wurden, zu 100 % vom Bund; es kommen sogar 39 Millionen - kleine Korrektur.

(Heiterkeit bei der CDU)

Die 200 Millionen Euro für die Bauten sind mindestens zu 50 % vom Bund,

(Dr. Woidke [SPD]: Die sind nicht vom Bund, sondern vom Steuerzahler!)

im Krankenhausbereich zu drei Vierteln bzw. aus EU-Mitteln.

(Görke [DIE LINKE]: Das war vorher auch so!)

Das heißt, wir finden hier in diesem Vertrag eigentlich nur zwei Zahlen, die wirklich Landeszahlen sind, wo zu 100 % vom Land finanziert wird. Das sind das Schüler-BAföG und die Lehrergehälter; die konnten wir noch nicht abgeben.

(Zuruf von der CDU: Und die 40 Millionen für den Ar- beitsmarkt!)

- Dazu komme ich noch. Die müsst ihr ja nicht ausgeben.

Das heißt, dieser Koalitionsvertrag enthält an vielen Stellen eine Kürzung, zum Beispiel im Wissenschaftsbereich. Darin steht: 200. Das ist de facto schon eine Kürzung. Und so passiert es an vielen Stellen, aber da wollen wir jetzt nicht kleinlich sein. Auf jeden Fall muss man sagen, dass dieser Koalitionsvertrag eigentlich ein Kofinanzierungsvertrag ist; die anderen sollen zahlen.

Wir sagen immer wieder: Keine Region darf abgehängt werden. - Ich habe mir genau angesehen, was hierin zum FAG steht. Meine Güte, das ist doch die entscheidende Stelle. Es geht nicht nur darum, wie die Verbundquote vielleicht verändert wird, sondern es geht darum, dass man das FAG anders stricken muss. Ansonsten können Sie in den Ämtern - unten in Elbe-Elster - die Bürgersteige hochklappen, Sie können das nicht einmal bezahlen, wenn Sie weiterhin nur auf Schlüssel, auf Personenzahlen setzen. Das muss geändert werden.

(Beifall CDU)

Wenn man wirklich alle Regionen einbeziehen, keinen abhängen will, dann ist das ein wichtiger Punkt.

Sehen wir den Koalitionsvertrag insgesamt an: Es steht sehr oft darin, dass man bewährte Dinge beibehalten wolle. Wir haben es gerade genannt bekommen: „Stärken stärken“ in der Wirtschaft ist so etwas. Man evaluiert und modifiziert vielleicht ein bisschen, aber im Prinzip will man die guten Sachen beibehalten. Der neue Wirtschaftsminister hat im Moment die größte Zustimmung, wenn er sich irgendwo hinstellt und sagt, dass er die Politik von Uli Junghanns nicht grundlegend ändern wolle.

Nun könnte man sagen: Das ist doch gut, wenn die Fortsetzung dieser erfolgreichen Politik dort drinsteht. Die SPD hat das durchgesetzt. Die SPD ist ja nicht dumm.

(Das stimmt! bei der SPD)

- Ich muss euch auch einmal was Gutes tun.

Die SPD hat das durchgesetzt, weil sie natürlich die Erfolge der letzten Jahre kennt: Halbierung der Arbeitslosenzahlen, Verdoppelung der Exportquote, Spitzenplätze im Wissenschaftsbereich. Das kennt sie natürlich. Also ist sie an der Stelle so klug, das durchzusetzen, und es hat funktioniert. Die Linke hat es akzeptiert, und wir lesen jetzt staunend, was da alles von den Linken getragen wird. Im Saarland haben die Grünen nur knapp über 5 %.