Protokoll der Sitzung vom 18.12.2002

(Beifall SPD und DIE LINKE - Unmut bei der CDU)

Diese Vereinbarung ist unmissverständlich. - Wissend, dass nichts vergleichbar ist, würde ich den Kollegen, die im Moment sehr viel Lärm machen, sagen: Beschäftigen Sie sich wenigstens auch mal für eine Puseratze mit der Vergangenheit Ihrer Vorgänger-Blockparteien. Auch das würde durchaus guttun.

(Dr. Woidke [SPD]: Viel Spaß! Ich werde gern dabei hel- fen! - Widerspruch bei der CDU)

Da Sie ja sehr insistieren: Kollege Schönbohm sagte in einem Interview - angesprochen darauf, dass der Kollege Junghanns, der viele Jahre Wirtschaftsminister war, noch im August 1989 vehement die Mauer verteidigte -: Ja, das stimmt, aber der Kollege Junghanns hat dazugelernt. - Ich glaube, dass Dazulernen nicht an Parteizugehörigkeit gebunden ist, meine Damen und Herren. Das geht nicht nur in der CDU!

(Starker Beifall SPD und DIE LINKE)

Vor genau 20 Jahren entstanden mit dem Fall des Eisernen Vorhangs die Voraussetzungen für das neue Europa, in dem wir heute leben. In der Mitte unseres friedlich geeinten Kontinents gelegen ist das Land Brandenburg ein besonders glücklicher Nutznießer dieser europäischen Einigung. Auch deshalb bekennt sich die neue Brandenburger Regierung ausdrücklich zur

europäischen Integration und zur Europäischen Union. Rechtsgrundlage dafür ist unstreitig der Lissabonner Vertrag. Die Debatte um die Zukunft der Europäischen Union geht weiter. Wir werden uns dabei aktiv einbringen. Es geht um ein wettbewerbsfähiges und zunehmend sozialeres Europa. In Abstimmung mit den Gewerkschaften werden wir uns für ein neues Verhältnis von sozialen Grundrechten und wirtschaftlichen Grundfreiheiten in den europäischen Verträgen einsetzen, meine Damen und Herren!

(Beifall SPD und DIE LINKE)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Lebendige Demokratie und gelebte Freiheit, eine tatkräftige Regierung und ein handlungsfähiger Staat, engagierte Bürgerinnen und Bürger, starke Kommunen sowie eine solidarische Gesellschaft des Miteinanders in einem weltoffenen Land guter Nachbarn mitten in Europa - all dies gehört zusammen. Die Partner der Regierungskoalition wollen, dass es mehr Menschen werden, die sich an unserem demokratischen Gemeinwesen beteiligen, weil sie sich ihm zugehörig fühlen. Darauf werden wir hinarbeiten. Wer dieses Ziel teilt, ist herzlich eingeladen, mit uns zusammenzuarbeiten. So wird Brandenburg eine gute Perspektive für alle Menschen in diesem Lande bieten. - Ich danke Ihnen.

(Lebhafter anhaltender Beifall SPD und DIE LINKE)

Vielen Dank, Herr Ministerpräsident. - Das Wort erhält geschäftsordnungsgemäß die stärkste Oppositionsfraktion und damit Frau Prof. Dr. Wanka.

Ich sehe mich leider genötigt, Sie, meine lieben Kolleginnen und Kollegen der CDU-Fraktion, darauf hinzuweisen, dass Sie auch in der Rolle der Opposition Mitglieder dieses Hohen Hauses sind, und bitte Sie, die entsprechende Disziplin zu wahren.

(Schulze [SPD]: So was nennt man gute Kinderstube!)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Frau Kaiser wird vor wenigen Tagen in der „Berliner Zeitung“ bezüglich des Koalitionsvertrages mit den Worten zitiert:

„Wir sind nicht froh und glücklich über dieses Verhandlungsergebnis, aber das ist die SPD auch nicht.“

Ich kann sagen, Frau Kaiser, da stimmen wir ausnahmsweise wirklich ausnahmsweise - mal überein.

(Frau Kaiser [DIE LINKE]: Wir haben doch schon öfter übereingestimmt!)

Ich kenne auch niemanden, der über diesen Vertrag glücklich ist. Er ist kraftlos, er ist mutlos, und die Regierungserklärung, die wir gerade gehört haben, passt zu dem, was wir von RotRot in den letzten Wochen erlebt haben. Sie haben es nämlich tapfer - wirklich tapfer - vermieden, über Inhalte,

(Unmut bei der SPD - Vereinzelt Beifall CDU, FDP und GRÜNE/B90)

über konkrete Ziele, über Maßnahmen zu reden. Stattdessen gibt es nur Wunschvorstellungen, möglichst solche, die der Bund - Schwarz-Gelb - bezahlen muss; das haben wir gerade gehört. Es gibt Allgemeinplätze, es gibt Absichtserklärungen, aber nichts Konkretes. Dafür gibt es bundesweit belächelte ich finde: verunglückte - Rechtfertigungsversuche, missionarische Versöhnungsversuche und illustre Personalien.

(Beifall CDU und FDP)

Das ist also der neue Stil, das ist der Politikwechsel.

Nun muss man an einer solchen Stelle fair sein und sich fragen: Was kann man, was muss man von einem Vertrag, von einer Regierungserklärung erwarten? Ich denke, man muss erwarten, dass gesagt wird: Was ist die Politik? Wie sieht sie in den nächsten Jahren aus? Man muss erfahren: Was ist das Neue? Das interessiert brennend. Und man muss wissen oder zumindest eine Andeutung bekommen: Was sind die Lösungen, die für die Probleme gesucht werden? Probleme haben wir ja.

Der Ministerpräsident hat bei der Unterschriftsleistung unter den Vertrag vollmundig verkündet, er wolle sich daran messen lassen. Das wird schwierig. Wir haben es gerade gehört: Er hat aufgezählt, was die Brandenburger von der Landesregierung erwarten können - eine lange Liste. Dann jedoch kommt die Quintessenz, nämlich die Aussage: Das geht aber nicht alles gleichzeitig.

(Zuruf von der SPD: Ja, das ist das Problem!)

Das ist wahr, und das kann man in fünf Jahren wieder sagen. Man kann auflisten, was alles erwartet werden konnte, und sagen, es ging nicht alles gleichzeitig, also ging das oder das. Das heißt, die Messlatte bleibt von vornherein unten. Wenn man den Grundtenor des Vertrags liest, stellt man fest, dass er lautet: Wir wollen alles besser machen, damit alles besser geht.

Was kann man nun wirklich erwarten? Was ist denn nun wirklich wichtig bei einer solchen Erklärung? Ich denke, es steht völlig außer Zweifel, dass man zu Beginn einer Regierungszeit eine schonungslose Analyse vornehmen und dann versuchen muss, Konsequenzen für die nächsten Jahre aufzuzeigen.

Gucken wir einmal, was die Kanzlerin zu dem sagt, was uns im Moment alle beschäftigt: die Krise. Die Krise ist bis jetzt in Brandenburg sehr gut bewältigt worden; da können wir nicht klagen.

(Ness [SPD]: Die kam über uns!)

Die Aussage der Kanzlerin: Die volle Wucht der Auswirkungen der Krise wird uns im nächsten Jahr erreichen, auch und gerade in den öffentlichen Haushalten der Kommunen, der Länder und des Bundes. - Die klare Aussage lautet also: Die volle Wucht der Krise wirkt im nächsten Jahr auf diesen Haushalt.

(Zuruf von der SPD: Deshalb muss man die Steuern senken!)

Meine Damen und Herren, was sagt der Vertrag?

(Zuruf von der SPD)

- Jetzt rede ich!

(Lachen bei der SPD)

- Was sagt der Vertrag? Der Vertrag sagt: Die Koalition wird sich für eine verbesserte Finanzausstattung von Bund, Ländern und Kommunen einsetzen. Klasse! Solch Wunschdenken grenzt schon an Realitätsverweigerung.

(Beifall CDU und FDP)

Es ist aber ganz typisch für diese dürre Seite - es ist nur eine dürre Seite im Koalitionsvertrag, auf der man zu Finanzen, Floskeln, Lippenbekenntnisse, Selbstverständlichkeiten liest -, dass zum Beispiel darin steht: Der Konsolidierungskurs muss nachhaltig fortgesetzt werden.

(Vereinzelt Lachen bei der CDU)

Das steht völlig im luftleeren Raum. Das Ganze wird aber noch schlimmer. So richtig Sorge bekommt man, wenn man liest, dass der neue Finanzminister damit kokettiert und in der Zeitung sagt, dass er vom Finanzressort eigentlich keine Ahnung hat,

(Vereinzelt Gelächter bei der CDU)

aber dann - Zitat - verkündet:

„Ich bin ein fleißiges Kerlchen, und ich arbeite mich schnell ein.“

(Vereinzelt Beifall DIE LINKE und CDU)

Wenn ich die letzten Sätze von ihm lese, aus denen hervorgeht, dass wieder Personaleinstellung und Stellenabbau gegeneinandergerechnet werden, dann stelle ich fest, dass wir immer noch in der Einarbeitungsphase sind. Dabei ist der Stellenabbau die zentrale Frage im Finanzbereich. Dazu liest man leider nichts.

(Bischoff [SPD]: Das steht darin! Schwarz auf weiß!)

Nun kommen wir zu Schwarz-Gelb. Das, was in der Regierungserklärung von Herrn Platzeck gesagt wurde, das, was hier zugerufen wurde, werden wir jetzt wochenlang hören.

(Zuruf von der SPD: Das ist auch richtig so!)

Das wird immer wieder gezogen: Der Bund - Schwarz-Gelb ist schuld. Was die beschließen, hindert uns, richtig das zu machen, was wir wollen, was sich alle wünschen.

(Bischoff [SPD]: Auf unserem Buckel!)

Früher war es der Klassenfeind, und jetzt ist es Schwarz-Gelb.