Protokoll der Sitzung vom 24.03.2011

(Beifall SPD)

Meine Damen und Herren! Grundsätzlich gilt, dass sich alle am demokratischen Willensbildungsprozess beteiligen sollen und darin einbringen können müssen. Die Vertretung von Interessen gegenüber Parlament und Regierung ist legitim, und ich bin den Vorrednern, auch Herrn Bommert, sehr dankbar, dass sie dies hier dargestellt haben. Oft wird ja gerade in Parlamenten, im Landtag, in Kreistagen, im Bundestag externer Sachverstand gebraucht, um richtige Entscheidungen treffen zu können. Lobbyisten sind meist nicht nur Interessenvertreter, sondern auch Experten auf bestimmten Gebieten. Sie haben einen Wissensvorsprung, dürfen aber keine verdeckte Einflussnahme ausüben.

Wenn wir diesen latenten Verdacht als Problem identifizieren, ist der Antrag der CDU aber keineswegs die Lösung, die er zu sein verspricht, denn er ist unklar und in sich widersprüchlich. Warum? Einerseits ist in ihm die Rede davon, dass sich in das Register Verbände, Vereinigungen und sonstige Interessenvertreter eintragen lassen sollen - so steht es im Antragstext - und sich andererseits eintragen lassen müssen - so steht es in der Begründung. Dann wiederum zieht der Antrag ausdrücklich eine Analogie zum Register des Bundestages, wo entsprechende Regelungen vollkommen freiwillig sind. Da fragt sich der geneigte Leser: Was ist denn damit gemeint? - Ich habe den Eindruck, dass dieser Antrag mit sehr schneller Feder geschrieben worden ist.

(Zuruf von der SPD)

Der Entschließungsantrag von SPD, Linken und Grünen erscheint deutlich überlegter und zielführender.

(Vereinzelt Beifall CDU und DIE LINKE)

Er benennt als Diskussionsforum für die Ausgestaltung eines Lobbyregisters den Hauptausschuss des Landtags, also den Landtag selbst. Das ist auch richtig, denn genau darum geht es doch: um ein positiv besetztes Verhältnis von der Öffentlichkeit und Transparenz politischer Prozesse zu Meinungs- und Vereinigungsfreiheit. Lobbyismus darf kein kontrollfreier Raum sein. Lobbyismus betrifft aber nicht nur das Landesparlament. Dass der Entschließungsantrag die kommunale Ebene und die Landesregierung einbezieht, ist also nur schlüssig. Ich möchte Sie bitten, diesem Antrag zuzustimmen. - Danke sehr.

(Vereinzelt Beifall SPD und DIE LINKE)

Das Wort erhält noch einmal die antragstellende Fraktion. Bitte, Herr Bommert.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Mir stellen sich nach diesen zwei Tagen zwei Fragen. Erstens: Was macht die Regierungskoalition ohne die Bundesregierung? Denn an allem ist immer der Bund schuld.

(Zurufe von der SPD)

Zweitens: Haben Sie als Regierungskoalition kein Vertrauen in Ihre Landesregierung, dass Sie das in den Hauptausschuss schieben? Das erstaunt mich sehr.

(Oh! bei der SPD)

Wenn ich Minister Dr. Woidke richtig verstanden habe, dann sagte er, dass der Antrag der Regierungskoalition deutlicher zu sein scheint. Er hat nicht gesagt „er ist deutlicher“, sondern „er scheint deutlicher zu sein“. Deshalb freuen wir uns, dass die Regierungskoalition die Wertigkeit unseres Antrags erkannt hat. Dass sie sich ihn jetzt zu eigen machen will, zeigt das auch. Die Unterschiede sind marginal; der Intention der CDU wird an dieser Stelle gefolgt.

Lassen Sie mich das Ganze mit den Worten eines großen Brandenburgers - Fontane - beenden:

„Über Plagiate sollte man sich nicht ärgern. Sie sind wahrscheinlich die aufrichtigsten aller Komplimente.“

(Beifall CDU und DIE LINKE - Zuruf von der SPD: Das sagt der Richtige!)

Vielen Dank für Herrn Fontane. - Wir sind damit am Ende der Rednerliste angelangt und kommen zur Abstimmung.

Als Erstes steht der Antrag der CDU-Fraktion in der Drucksache 5/2936 zur Abstimmung. Wer ihm Folge leisten möchte, den bitte ich um das Handzeichen. - Gibt es Gegenstimmen? Gibt es Enthaltungen? - Der Antrag ist bei zwei Enthaltungen mit großer Mehrheit abgelehnt.

Wir kommen zum Entschließungsantrag in der Drucksache 5/2983. Wer ihm Folge leisten möchte, den bitte ich um das Handzeichen. - Gibt es Gegenstimmen? - Gibt es Enthaltungen? - Bei wenigen Gegenstimmen und einigen Enthaltungen ist dieser Antrag angenommen.

Wir schließen Tagesordnungspunkt 6, und ich rufe Tagesordnungspunkt 7 auf:

Fortschreibung des Demografie-Berichtes

Antrag der Fraktion der SPD der Fraktion DIE LINKE

Drucksache 5/2941

Der Abgeordnete Ness beginnt die Debatte für die SPD-Fraktion. Bitte sehr!

Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich fasse mich kurz: Ich bin davon überzeugt, dass dieser Antrag nicht viel Widerspruch in diesem Parlament finden wird. Die brandenburgische Landesregierung hat eine Vorreiterrolle in der Demografiedebatte gespielt. Brandenburg war das erste Bundesland, das einen Demografiebericht vorgelegt hat. Ich glaube, es ist jetzt, nachdem der zweite Bericht mittlerweile sechs Jahre alt ist, höchste Zeit, dass wir eine Fortschreibung des Demografieberichts von der Landesregierung vornehmen lassen, zumal wir gestern eine Enquetekommission eingesetzt haben, die für ihre Arbeit dringend darauf angewiesen ist, dass dieser Demografiebericht fortgeschrieben wird.

Die Debatte um Demografie war vor zehn Jahren für viele sicherlich noch ein Fremdkörper, sicher auch ein Fremdwort. Auch heute wissen noch zu wenige Brandenburger, was sich hinter der Debatte um Demografie verbirgt. Deshalb beantragen wir gleichzeitig, dass die Landesregierung ein Konzept darüber vorlegt, wie diese Demografiedebatte in der Bevölkerung verbreitet, also zum Gegenstand einer gesellschaftlichen Debatte wird, damit wir uns in Brandenburg auf das vorbereiten können, was an notwendigen Konsequenzen gezogen werden muss, um den demografischen Veränderungen Rechnung tragen und trotzdem in allen Teilen des Landes gleichwertige Lebensverhältnisse gewährleisten zu können.

Lassen Sie mich zum Abschluss nur auf einen Punkt hinweisen: Nach 1990 - dem letzten Jahr der DDR - mussten wir - mit der Gründung des Landes Brandenburg - erleben, dass sich die Geburtenzahlen faktisch halbierten. Einige sprachen von einem transformationsbedingten Gebärstreik. Wie auch immer! Auf jeden Fall sind die Geburtenzahlen in Brandenburg auf teilweise 12 000, 13 000 zurückgegangen; wir werden in den nächsten 15, 20 Jahren das demografische Echo auf diese gesunkenen Geburtenzahlen erleben. Das wird wiederum Konsequenzen für unsere Kindertagesstätten, unsere Schulen - zunächst für die Grundschulen, dann auch für die erweiterten Schulen - haben. Wir haben das alles schon einmal in den 90er Jahren durchgemacht; so etwas steht uns erneut bevor. Ich glaube, der von uns beantragte Demografiebericht kann einen sehr guten Beitrag leisten und uns Hinweise geben, wie wir noch besser darauf reagieren können, als wir es in den 90er Jahren gemacht haben. Er wird uns sicherlich auch Hinweise darauf geben können, welche spezifischen Unterschiede zwischen Brandenburg und anderen ostdeutschen Ländern bestehen.

Wir haben eine etwas andere Entwicklung. Wir haben im engeren Verflechtungsraum zu Berlin nach wie vor Zuzug - gerade von jungen Familien, die entweder in Brandenburg ihre Kinder zeugen oder ihre kleinen Kinder hierher bringen. Parallel gibt es in den äußeren Regionen einen eindeutigen Sterbeüberschuss; das verschiebt die Gewichtung im Land. Auch das wird neue Herausforderungen mit sich bringen.

Ich glaube, dieser Demografiebericht kann einen Beitrag dazu leisten, diese Debatte im Land gemeinsam aufzunehmen und sie zusammen mit der Bevölkerung zu führen. Ich bitte Sie deshalb um Ihre Zustimmung.

(Vereinzelt Beifall SPD, CDU und DIE LINKE)

Der Abgeordnete Lakenmacher setzt für die CDU-Fraktion fort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Ness, in der Begründung des Antrags steht:

„Der demografische Wandel ist ein steter Prozess.“

Das stimmt. Wenn man sich einmal die Bevölkerungsvorausschätzung des Landesamtes für Bauen und Verkehr anschaut, dann sieht man, dass es bis zum Jahre 2030 einen Bevölkerungsrückgang um 11 % - um 300 000 Brandenburger - geben wird, also einen Rückgang auf knapp 2,2 Millionen Einwohner. Dies sind die Auswirkungen, mit denen wir uns hier intensiv beschäftigen müssen; das ist ganz richtig.

Der zweite Demografiebericht der Landesregierung liegt mittlerweile sechs Jahre zurück. Von daher ist es richtig und wichtig, dass wir ihn fortschreiben. Wichtig ist aber vor allem, dass wir uns im Alltagsgeschäft immer wieder vergegenwärtigen, welche Erfahrungen wir hier gesammelt haben und welche Konsequenzen wir für alle Lebensbereiche ziehen können und müssen.

Dabei ist der demografische Wandel, der natürliche Bevölkerungsrückgang nicht nur für uns Brandenburger unausweichlich, er ist ein bundesweites Problem; das hat Herr Ness schon gesagt. Während heute rund um Berlin, im Speckgürtel - was nur 15 % der Landesfläche ausmacht -, ca. 36 % der Brandenburger leben, werden es im Jahre 2030 ungefähr 45 % sein.

Wir müssen feststellen, dass die Geburtenrate auch in Brandenburg zukünftig auf niedrigem Niveau bleiben wird. Dieser Effekt wird sich von Generation zu Generation verstärken. Von der heutigen zur nächsten Elterngeneration wird der Rückgang schon ca. ein Drittel betragen. Daran wird das Problem deutlich. Der Bevölkerungsrückgang dynamisiert sich.

Es freut uns alle, dass die Lebenserwartung der Brandenburger steigt. Aber viele junge Menschen wandern ab. Diese Tendenz war schon mehrfach Gegenstand von Debatten. Dabei ging es insbesondere um die Frage, wie wir die Abgewanderten nach Brandenburg zurückholen können.

Letzter Aspekt: Brandenburg wird auch zukünftig vom Zuzug junger Familien profitieren, aber nur im Umfeld von Berlin, nicht aber in den ländlichen, peripheren Regionen.

Wir können den demografischen Wandel nicht aufhalten und nicht umkehren. Deshalb ist es umso wichtiger, dass wir - ausgehend von den Erfahrungen mit den bisherigen Projekten und Maßnahmen - weiter langfristig an tragfähigen Lösungen arbeiten, diese diskutieren und abwägen sowie - das ist das Wichtigste - umsetzen.

Die von der CDU, der FDP und den Grünen angeregte und nunmehr nach einigem Hin und Her, das teilweise unnötig war, vom Landtag insgesamt getragene Enquetekommission ist ein wichtiger Schritt in diese Richtung. Schon in wenigen Jahren wird der Landeshaushalt nicht mehr 10, sondern nur noch ca. 7,5 Milliarden Euro umfassen. Schon deshalb brauchen wir ein

zukunftsfähiges Konzept für eine effektive, zukunftsfeste Kommunal- und Landesverwaltung, die bürgernah bleibt.

Bei allen Maßnahmen und Handlungsmodellen, die wir neu oder weiterentwickeln, müssen wir den Bürgern Perspektiven aufzeigen. Wir müssen sie dort abholen, wo sie heute - zum Teil mit Ängsten - stehen. Sie fragen sich: Kann ich in meiner Region bleiben? Wie wird sie in zehn Jahren aussehen? Welche Verkehrsanbindung wird es geben? Wie sieht es dann mit der infrastrukturellen Versorgungsanbindung aus?

Lassen Sie mich den ehemaligen Innenminister Jörg Schönbohm zitieren. Er hat es in der Debatte zum zweiten Demografiebericht, wie ich finde, sehr treffend gesagt:

„Der demografische Wandel wird auf alle Lebens- und Politikbereiche Auswirkungen haben. Dafür brauchen wir ein Mannschaftsspiel: alle Ressorts der Landesregierung, alle gesellschaftlichen Gruppierungen sowie die Kommunen und die Wirtschaft müssen Hand in Hand arbeiten, damit wir den demografischen Wandel zum Wohle unserer Mitbürger gestalten können.“

Meine Damen und Herren! Da es bei der Gestaltung des demografischen Wandels viel zu tun gibt, fordere ich Sie auf: Lassen Sie uns das auf der Basis eines - dann aktuellen - Demografieberichts gemeinsam tun! Lassen Sie uns diese Herausforderung gemeinsam angehen und die Zukunft erfolgreich gemeinsam gestalten!

Jede Region bei uns ins Brandenburg hat ihren einzigartigen Reiz. Jede Region bedeutet Heimat, Identität und Geborgenheit. Jede Region hat ihre Potenziale.

Wir werden dem Antrag zustimmen. - Vielen Dank.

(Beifall CDU)

Der Abgeordnete Ludwig setzt für die Linksfraktion fort.