Protokoll der Sitzung vom 23.06.2011

Sie haben behauptet, Sie wollen erreichen, dass Kinder wegen eines sonderpädagogischen Förderbedarfs nicht mehr von der Schule verwiesen werden. Wissen Sie, dass die Kinder, die an den Schulen mit dem sonderpädagogischen Förderschwerpunkt Lernen unterrichtet werden, auf Wunsch der Eltern und nicht gegen den Willen der Eltern dort sind? Wissen Sie, dass Kinder mit dem sonderpädagogischen Schwerpunkt Lernen schon heute in eine Regelschule gehen können, wenn sie das wollen?

Wenn Sie sagen, Frau Große, die Eltern seien dann schlecht beraten, möchte ich daran erinnern: Wissen Sie, ich habe 40 Jahre in einem Staat gelebt, in dem der Staat besser wusste als die Eltern, was für die Kinder gut ist.

(Beifall CDU)

Ich möchte das nicht noch einmal erleben. Es fehlt nur noch, dass Sie mir hier unterstellen, mir würde der feste Klassenstandpunkt fehlen.

(Beifall - Bischoff [SPD]: Das war ein totaler Fehlgriff! - Zuruf der Abgeordneten Große [DIE LINKE])

Welche Auffassung Sie, Frau Dr. Münch, über die Arbeit von Lehrern an Förderschulen haben, kann man sehr deutlich an Ihrer Äußerung im Bildungsausschuss ablesen. Sie haben behauptet, dass die Kinder mit dem sonderpädagogischen Schwerpunkt Lernen an Förderschulen auf ihrem niedrigen Niveau bleiben, während sie sich an Regelschulen weiterentwickeln. Einen schlimmeren Tritt gegen das Schienbein von Förderschullehrern kann man sich wohl nicht vorstellen.

(Anhaltender Beifall CDU und FDP)

Wir setzen mit dem Beitrag des Abgeordneten Hoffmann für die CDU-Fraktion fort. - Frau Ministerin, wollten Sie reagieren? Sie haben ohnehin noch Redezeit.

(Frau Hackenschmidt [SPD]: Das ist aber eine andere Redezeit!)

Wiederholung ist letzten Endes die Mutter des Lernens. Ich möchte noch einmal etwas zu den Förderschulen sagen. Wir haben gesagt: Ab dem nächsten und übernächsten Schuljahr werden wir verstärkt die Freiwilligkeit des gemeinsamen Unterrichts unterstützen,

(Bischoff [SPD]: Ja!)

und wir werden die Förderschulen in diese Entwicklung einbeziehen.

(Zuruf von der Fraktion DIE LINKE: Richtig!)

Ich habe niemals gesagt, dass 2019 alle Förderschulen geschlossen werden. Das ist Unsinn. Das stammt von Ihnen, meine Damen und Herren von der Opposition.

(Beifall SPD, DIE LINKE, des Ministerpräsidenten Platzeck sowie von Minister Dr. Markov)

Wichtig ist mir die Arbeit von Förderschulen. Auch für Förderschulpädagogen ist es eine Herausforderung und eine Aufwertung, dass wir sie verstärkt im gemeinsamen Unterricht brauchen werden,

(Zuruf von der Fraktion DIE LINKE: Genau!)

und dass wir die Ergebnisse dieser Kinder, die wir jetzt trotz dieser guten Sonderkondition nicht zu einem Abschluss führen, erheblich verbessern. Das bedeutet eine Aufwertung der Arbeit der Sonderpädagogen. - Danke.

(Bischoff [SPD]: Darum geht es! - Frau Lehmann [SPD]: Ja, das war richtig! - Beifall SPD, DIE LINKE, des Minis- terpräsidenten Platzeck sowie von Minister Dr. Markov)

Danke sehr. - Jetzt ist der Abgeordnete Hoffmann an der Reihe.

Sehr geehrter Herr Präsident! Werte Damen und Herren! Liebe Kollegen! Ich bin sehr froh, dass die CDU-Fraktion heute diese Aktuelle Stunde beantragt hat.

(Frau Lehmann [SPD]: Aber Sie dürfen gar nichts sagen!)

Der vorliegende Entschließungsantrag und die aktuelle Diskussion in der Bildungswelt, in den Medien, offenbar auch in der Regierungskoalition und heute hier im Plenum, zeigen, dass diese Aktuelle Stunde in höchstem Maße gerechtfertigt ist.

Wie ist die aktuelle Situation? Die derzeitige Situation stellt sich so dar, dass Schüler, Eltern und Lehrer in höchstem Maße verunsichert sind. Gerade am letzten Samstag waren 400 Menschen in Potsdam auf der Straße, um gegen den Unterrichtsausfall zu demonstrieren. Sie werden natürlich sagen, an dieser Verunsicherung seien wir schuld, denn in diesem Landtag habe sowieso die Opposition Schuld, wenn es nicht läuft. Ich muss Ihnen aber sagen: Es war ein Stadtverordneter von den Linken, der diesen Protest organisiert hat.

(Beifall CDU)

Sie werfen uns immer vor - und das war heute schon wieder zu hören -, wir würden Panikmache betreiben und Ängste und Sorgen schüren. Das genau sind die Worte, mit denen Sie uns vor einigen Wochen abzubügeln versuchten, als wir nämlich hier einen Antrag der CDU-Fraktion zum Thema Förderschulen behandelt haben und Sie sagten, das alles sei Quatsch. Die Vertreter der Regierungskoalition und der Landesregierung sind hier reihenweise an das Pult getreten, haben sich hingestellt und sinngemäß gesagt: Niemand hat die Absicht, eine Förderschule zu schließen.

(Lachen sowie anhaltender Beifall CDU - Frau Lehmann [SPD]: Niemand hat die Absicht, eine Mauer zu errichten!)

Drei Tage später plauderte Frau Dr. Münch in Schipkau aus dem Nähkästchen, dass es bis 2019 die Hälfte aller Förderschulen nicht mehr geben werde. Das war natürlich ein Paukenschlag. Mich haben zahlreiche Briefe von aufgebrachten Lehrerinnen und Lehrern erreicht. Aber na klar, aus Ihrer Sicht ist das alles unsere Schuld.

Jetzt muss man sich doch tatsächlich die Frage stellen: Was verunsichert die Eltern? Was ärgert die Lehrer jetzt? Warum sind sie so besorgt? Sie alle sind deshalb so besorgt, weil sie merken, dass Frau Dr. Münch wahnsinnig eifrig bei der Sache ist. Sie merken aber auch, dass Frau Dr. Münch leider keinen Plan von der Sache hat, die sie sich auf den Tisch gezogen hat.

(Beifall CDU)

Wissen Sie, meine Damen und Herren: Ich glaube, Frau Dr. Münch arbeitet deshalb so eifrig an diesem Thema, weil sie damit kaschieren will, dass sie in allen anderen Bereichen total blass geblieben ist.

(Beifall CDU - Frau Lehmann [SPD]: Das ist dummes Zeug!)

Frau Dr. Münch ist mehr als 100 Tage im Amt und alles, was sie hinbekommen hat, ist, das klaglose Akzeptieren der Sparvorgaben von 27 Millionen Euro für das nächste Jahr und

(Frau Lehmann [SPD]: Schön bei der Sache bleiben!)

die Abschaffung der Förderschulen ins Land posaunt zu haben.

(Bischoff [SPD]: Das stimmt doch gar nicht! - Zuruf der Abgeordneten Kaiser [DIE LINKE])

- Mensch, Frau Kaiser, seien Sie doch nicht so „upstranotscht“. Ein bisschen lässig hier vorn!

(Bischoff [SPD]: Quatsch! - Frau Kaiser [DIE LINKE]: Bleiben Sie sachlich!)

Ich will an dieser Stelle einmal ganz klarstellen: In den vielen Gesprächen, die ich mit den Vertretern der Schulen geführt habe, gab es kaum jemanden, der sagte: „Inklusion ist alles Quatsch. Das machen wir nicht mit.“ Da gab es kaum jemanden.

(Frau Melior [SPD]: Das ist schon eine gute Basis!)

Fast alle sagen - und das sage auch ich -: Jawohl, der Gedanke, dass Menschen mit Behinderung in allen Bereichen in der Gesellschaft, auch im Bildungsbereich, teilhaben müssen, ist richtig so. Das unterstützen auch wir.

(Frau Lehmann [SPD]: Natürlich!)

Ich würde es begrüßen, wenn wir es hinbekämen, dass Kinder ohne Behinderung in einer Welt aufwachsen, in der sie die Menschen mit Behinderung als etwas begreifen und erfahren, das ganz normal zum Leben dazugehört,

(Frau Lehmann [SPD]: Das ist ja richtig!)

und wenn wir diese Trennung von Lebenswelten ein Stück weit aufbrechen könnten und sich Berührungsängste erst gar nicht ausprägen.

(Zuruf: Genau! - Beifall CDU)

An dieser Stelle, Herr Günther - ich weiß nicht, ob es Ihnen aufgefallen ist -, habe ich jetzt vier Punkte genannt, die bei der Inklusion positiv zu sehen wären. Das zeigt, dass Ihre Pressemitteilung, wonach wir diese Aspekte gar nicht kennen und wir sie heute nicht erwähnt hätten, unnötig war. Das kommt eben davon, wenn man bei einer Aktuellen Stunde nach 20 Minuten eine Pressemitteilung herausschickt, Herr Günther.

(Beifall CDU)

Dazu muss ich ehrlich sagen: Damit haben Sie sich keinen Gefallen getan.

(Zuruf der Abgeordneten Kaiser [DIE LINKE])

Wenn man erreichen will, dass es diese Berührungsängste nicht gibt, muss man die entsprechenden Rahmenbedingungen schaffen. Das ist es, worüber wir reden, denn genau diese Rahmenbedingungen fehlten. Das, was man in diesem Prozess dringend bräuchte, ist zunächst einmal ein Konzept. Das wäre das allererste. Dieses Konzept fehlt. Man bräuchte ein Konzept, in dem man endlich einmal die vielen offenen Fragen diskutiert und auch Antworten gibt. Das alles steht im Entschließungsantrag. Da wird gefragt: Wie viele Kinder mit sonderpädagogischem Förderbedarf sind in einer Klasse? Wie viel Personal brauchen wir dann? Welche Ausbildung brauchen die Lehrkräfte, nicht nur die Sonderpädagogen, sondern auch die anderen? Wie funktioniert in der Praxis die Binnendifferenzierung und die äußere Differenzierung? Sind die Lehrerinnen und Lehrer überhaupt darauf vorbereitet, in Teams zu arbeiten? Können sie das jetzt schon? Wie gehen sie mit individuellen Lehrplänen um? Wie erfolgt die Bewertung? Wie müssen die räumlichen Voraussetzungen sein? Was muss der Schulträger dort leisten?