Protokoll der Sitzung vom 19.11.2009

Nachdem Sie in der letzten Woche eine Haushaltssperre und einen Nachtragshaushalt forderten, soll nun die Landesregierung ein Haushaltssicherungsgesetz vorlegen. Offensichtlich so stellt sich das mir zumindest dar - kompensieren Sie Ihren Verlust an Regierungsverantwortung mit Aktionismus und treiben eine haushaltspolitische Sau nach der anderen durchs Dorf.

(Beifall DIE LINKE)

Während Sie sich hier in der Rolle des Konsolidierungswächters offenbar gefallen, propagieren Sie im Bund Steuerentlastungen auf Pump.

(Zuruf des Abgeordneten Wichmann [CDU])

- Das ist schon die Wahrheit, Herr Wichmann, da können Sie so lange zwischenrufen, wie Sie wollen. Dass man in einer Art Hütchenspielermanier einen Haushalt tatsächlich konsolidieren könnte, glaubt außer Ihnen nur noch Ihr marktradikaler Koalitionspartner im Bund. So viel muss dazu auch gesagt werden dürfen.

(Zurufe von der CDU)

Meine Fraktion teilt die Einschätzung, dass die Finanzpolitik dieses Landes vor großen Herausforderungen steht - unser Minister Herr Markov hat dazu bereits einige Ausführungen gemacht -, diese sind durch dramatische Steuerausfälle geprägt.

Wir folgen aber nicht Ihrer, der schwarz-gelben Argumentation, dass ein Rückgang der Einnahmen des Landes eine verbindliche Reduzierung der Ausgaben erforderlich macht, sondern wir stellen uns vor - vielleicht können Sie auch darüber einmal nachdenken -, dass es auch um Einnahmeverbesserung gehen muss. Was ist zum Beispiel mit der Erhöhung des Spitzensteuersatzes? Was ist mit der Einführung einer Börsenumsatzsteuer?

(Beifall DIE LINKE)

Zu den Kollegen der FDP vielleicht so viel: Die Affinität zu Fünfjahrplänen hätte ich bei Herrn Goetz vielleicht noch ein Stück weit

nachvollziehen können, bei Frau Dr. Ludwig finde ich das schon einigermaßen erstaunlich. Wie diese Planungen in der Vergangenheit ausgegangen sind, konnten wir alle erleben. Ich möchte Sie nur an Ihre Koalitionsvereinbarung aus der letzten Legislaturperiode an dieser Stelle erinnern. Darin heißt es konkret:

„Die Nettokreditaufnahme soll bei Einnahmen gemäß mittelfristiger Finanzplanung bis spätestens 2010 auf Null reduziert sein, sodass es danach möglich ist, Schulden abzubauen.“

Wie dieser Plan aufgegangen ist, ist uns allen bekannt. In der Realität angekommen, steht am Ende Ihrer Regierungsbeteiligung ein Minus von 548 Millionen Euro. 548 Millionen Euro! Nichts von Null! Nichts von neuen Schulden! 548 Millionen Euro, davon allein bei den Steuern 350 Millionen Euro an Mindereinnahmen. Diese Hypothek zeichnete sich bereits in der Mai-Steuerschätzung ab. Das hätten Sie nachlesen können. Damals waren Sie noch an der Regierung, Frau Dr. Ludwig. Damals hätten Sie diese Pläne auf den Weg bringen können.

(Beifall DIE LINKE)

Da Sie das Problem unzureichend beschreiben, werden Sie auch keine geeigneten Maßnahmen für Lösungen vorschlagen können. So stellt sich das zumindest dar.

Die Bürgerinnen und Bürger sowie die Beschäftigten des Landes werden nur dann die Haushaltskonsolidierung akzeptieren, wenn dieser Prozess engagiert begleitet wird, glaubwürdig vermittelt werden kann und insbesondere sozial gerechte Politik verfolgt. Darum geht es nämlich an dieser Stelle. Daran werden wir auf Landesebene arbeiten. Wenn Sie daran mitwirken möchten, diese sozial gerechte Politik zu gestalten, sind Sie dazu herzlich eingeladen. - Vielen Dank.

(Beifall DIE LINKE und SPD)

Herr Abgeordneter Vogel spricht für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir alle sollten darin übereinstimmen, dass die Zeiten einer steten und steigenden Neuverschuldung der Vergangenheit angehören.

Wir sollten auch in dem Ziel übereinstimmen, ausgeglichene Haushalte über den Konjunkturzyklus hinweg zu haben, das heißt, dass es in Zeiten des Abschwungs auch möglich sein muss, höhere Ausgaben zu tätigen, und in Aufschwungphasen Überschüsse zur Tilgung verwendet werden. Allerdings stelle ich anhand des Beitrags der FDP fest, dass Sie das so nicht mittragen, weil ihr Verschuldungsverbot dieser Zielsetzung nicht entspricht.

Antizyklische Politik muss möglich sein. Da ist es verfehlt, Herr Krause - das muss ich auch deutlich sagen -, der vorherigen Regierung vorzuwerfen, dass sie in Zeiten einer wirtschaftlichen Krise nicht ihre Zielzahlen eingehalten hat. Die Einnahmen sind nun einmal eingebrochen. Das entspricht nicht der

Zielsetzung antizyklischer Politik, die Sie an anderer Stelle immer einfordern.

(Beifall GRÜNE/B90 und CDU - Zurufe von der FDP)

Die Idee, während eines Konjunkturzyklusses mit Null abzuschließen, entspricht der Idee der Schuldenbremse, die wir ausdrücklich unterstützen. Wir sollten das gemeinsame Konsolidierungsziel haben, dass der Schuldenstand am Ende der Legislaturperiode - wenn ich davon ausgehe, dass diese in etwa einem Konjunkturzyklus entspricht - nicht höher, sondern niedriger sein wird, als er es heute ist.

Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Aber gern. Von wem?

Bitte, Herr Krause.

Gerade vor dem Hintergrund der letzten Legislaturperiode möchte ich Sie fragen, ob Sie es für sinnvoll erachten, jetzt auf fünf Jahre die Konsolidierung und die Haushaltszahlen festzuschreiben?

Genau darauf wäre ich jetzt gekommen, weil ich nämlich dem Antrag der CDU-Fraktion nicht zustimmen werde. Ich halte es für verfehlt, in der derzeitigen Situation für fünf Jahre im Voraus festzulegen, was man erreichen möchte. Wir lehnen Ihren Antrag nicht deswegen ab, weil Sie heute Vormittag Steuersenkungen verteidigt haben, die den Landeshaushalt aus dem Gleichgewicht bringen, und am Nachmittag die Schuldenbremse ziehen wollen, sondern wir lehnen Ihren Antrag ab, weil wir uns damit überhaupt keinen Gefallen täten.

Dieser Antrag in seiner Substanz überfordert letztlich unseren Finanzminister. Das meine ich nicht persönlich, sondern ich meine das Finanzministerium in seiner Gesamtheit. Es hat auch nichts damit zu tun, Herr Markov, dass Sie in Ihrer ersten Presseerklärung vom 09.11. zum Ergebnis des Arbeitskreises Steuerschätzung die Einnahmen mit 6,45 Milliarden Euro veranschlagt haben und damit 1,6 Milliarden Euro unterschlugen.

Es hat etwas damit zu tun, dass die mittelfristige Finanzplanung dieses Landes aus dem Jahre 2007 stammt und die Zahlen absolute Makulatur sind. Ihr Vorgänger hat es abgelehnt, im Mai eine regionalisierte Steuerschätzung vorzulegen, weil er der Meinung war, da werde eine Genauigkeit vorgetäuscht, die wir überhaupt nicht garantieren können. Niemand weiß, was sich gegenwärtig abspielt. Letztendlich wäre es Kaffeesatzleserei. Herr Speer hat den Satz gesagt:

„Wir fahren jetzt erst einmal auf Sicht.“

Ich denke, dass das in dieser Situation auch richtig war. Die Steuerschätzungen und auch die Haushaltsplanungen dieses

Landes sind grotesk. Im Jahre 2007 hatte man ein Defizit von 560 Millionen Euro vorausgesagt, tatsächlich aber 400 Millionen Euro Überschuss erwirtschaftet. Man hat sich also um fast 1 Milliarde Euro verschätzt. 2008 hat man ein Defizit von 230 Millionen Euro vorausgesagt und 140 Millionen Euro Überschuss erwirtschaftet, sich also um eine halbe Milliarde Euro verschätzt. Wir alle sollten es für falsch halten, auf Basis unzureichender Informationen und fehlerhafter Schätzungen bereits am Anfang der Legislaturperiode die Kreditaufnahme für die nächsten fünf Jahre festzuschreiben.

(Beifall GRÜNE/B90 und DIE LINKE)

Zu Ihrem Antrag möchte ich sagen, dass ich es völlig richtig finde, Frau Ludwig, Vorgaben für die Umsetzung einer kritischen Überprüfung der Landesaufgaben jetzt zu formulieren. Es geht um die Aufgabenkritik. Aber wenn Sie gleichzeitig sagen, der Finanzminister soll bereits zur Haushaltseinbringung das dürfte spätestens im Januar sein - schon vorlegen, wie er in den Jahren 2010 bis 2014 den Stellenabbau plant, und im nächsten Tagesordnungspunkt die Frage stellen wollen, wie wir zukünftig die Polizei mit Stellen ausstatten wollen, dann widerspricht sich das. Das sollten wir nicht machen.

Ich will eine umfangreiche Einbeziehung des Landtages in die Haushaltsberatungen, die Haushaltsaufstellungen und auch die mittelfristige Finanzplanung sicherstellen. Ich will nicht durch Delegation des Auftrages an den Finanzminister die Regierung aus der Verantwortung entlassen. In Sachsen-Anhalt macht die Personalplanung übrigens eine Enquetekommission des Landtages. Man sollte einmal darüber nachdenken, ob das ein möglicher Ansatz wäre. Einer Überweisung des Antrags an den Ausschuss würde ich zustimmen, um eine umfangreiche Beratung sicherzustellen. Wenn es aber zu einer sofortigen Abstimmung kommt, muss ich leider dagegen stimmen.

(Beifall GRÜNE/B90, DIE LINKE und SPD)

Es spricht Minister Markov für die Landesregierung.

(Zuruf: Aber nicht so lange wie heute Vormittag!)

Nein, ich darf nicht so lange wie heute Vormittag reden.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich hatte geglaubt, dass die Kollegen von der FDP und von der CDU die Zahlen mitgeschrieben haben, die ich Ihnen genannt habe. Aber ich fange mit dem an, was Herr Vogel als Letztes gesagt hat. Ich bin wirklich gerne bereit, mit Ihnen darüber zu debattieren, ob wir ein Haushaltssicherungsgesetz brauchen. Ihr Antrag lehnt sich sehr stark an das Haushaltssicherungsgesetz von 2003 an mit den zwei Komponenten finanzpolitische Leitlinien und Vorgaben sowie Vorgaben zur Modernisierung der Landesverwaltung aus Artikel 1 und 2.

Auch ich habe ein Problem damit, dass Sie Ihren Entschließungsantrag heute zur Abstimmung gestellt haben. Wer ernsthaft über Finanzpolitik, Sicherung, Konsolidierung und notwendige Investitionen reden möchte, der muss das Thema im Ausschuss auf die Tagesordnung setzen. Insofern bitte ich Sie, Ihren Antrag zu ändern. Beantragen Sie die Überwei

sung an den Ausschuss, und ich werde dieser Überweisung zustimmen.

Schauen wir uns die einzelnen Punkte an. Erstens: „Verbindliche Obergrenzen für die Nettokreditaufnahme in den Jahren 2010 bis 2014“. Sie meinen offensichtlich etwas anderes, als dort steht. Eine Obergrenze für die Nettokreditaufnahme besteht gemäß Artikel 103 der Landesverfassung in Verbindung mit Artikel 18 Abs. 1 der Landeshaushaltsordnung. Die besagt eindeutig, dass wir Nettokreditaufnahmen bis zur Höhe der Investitionen tätigen können. Sie stellen also einen Antrag auf etwas, das gesetzlich bereits da ist.

Zweitens schreiben Sie: „Nutzung höherer Einnahmen und niedrigerer Zinsausgaben zur Senkung der Neuverschuldung“. Was glauben Sie denn, wie Haushaltsrecht funktioniert? Steuereinnahmen und niedrigere Zinsausgaben im Haushaltsvollzug führen automatisch zur Absenkung einer Nettokreditaufnahme. Das ist doch Tatsache, darüber brauchen wir nicht zu debattieren. Wenn Sie zusätzliche Wünsche und Ideen haben, dann finde ich das in Ordnung, und wir können im Ausschuss darüber debattieren.

Sie sagen drittens: „Ausgestaltung der Planung des Stellenabbaus in den Jahren 2010 bis 2014 unter Wahrung der Leistungsfähigkeit in den hoheitlichen Kernbereichen der Landesverwaltung“. Ja, daran arbeiten wir. Das wird gemacht. Das werden wir - das ist auch gesetzlich vorgeschrieben - mit dem Plan 2010 einreichen. Auch diesbezüglich steht in Ihrem Antrag nichts Neues.

Viertens heißt es: „Ziele und Vorgaben zur weiteren Modernisierung der Landesverwaltung“. Sie können uns glauben, dass wir mit Minister Speer selbstverständlich ganz eng zusammenarbeiten. Ich habe Ihnen bereits heute früh in der Debatte gesagt, dass es stimmt, dass die Steuereinnahmen höher sind, als sie in der Steuerschätzung 2005 angegeben wurden. Trotzdem sind die Deckungslücken größer gewesen, als sie zu erwarten waren. Das heißt ganz einfach, Sie haben der Haushaltskonsolidierung nicht in dem Maße Rechnung getragen, wie Sie es sich selber vorgenommen hatten.

Herr Minister, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Ja.

Bitte, Frau Prof. Wanka.