Protokoll der Sitzung vom 01.09.2011

Wenn man andere Kriterien will, muss man das regeln. Wo soll es geregelt werden, wenn nicht in einem Gesetz? - Wenn Sie Regeln wollen, die unterhalb oder oberhalb dessen liegen, was gegenwärtig Kriterium ist, dann muss das geregelt werden. Das ist einfach so. Die Anfrage der Landesregierung an Ihren Verkehrsminister, welche Regeln zur Anwendung kommen sollen, wurde abschlägig beantwortet. Herr Ramsauer hat gesagt: Das müssen Sie selbst klären. Damit haben wir nichts zu tun.

Frau Abgeordnete, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Er sagt, dass lediglich 15 Mitglieder in dieser Kommission sein dürfen, jedoch will er keine Kriterien regeln, wie diese 15 Mitglieder die Probleme einer ganzen Region handeln sollen. Das ist die Krux der Sache.

Deswegen kann man Ihren Antrag nicht umsetzen, denn der wird so gut es geht im Rahmen der gesetzlichen Möglichkeiten gehandelt. Das ist das Problem.

(Beifall DIE LINKE)

Es gibt eine Zwischenfrage der Abgeordneten Dr. Ludwig.

Sie reden gerade davon, Kriterien ändern zu wollen. Kennen Sie denn die jetzt geltenden Kriterien? Könnten Sie dann auf diese eingehen?

Ja. Da haben Sie mich gerade in meinem Redebeitrag mit Ihrer Anfrage unterbrochen; dazu würde ich gerne noch kommen. Denn die sind öffentlich kommuniziert worden. Alle Gemeinden, die mit diesem Prozess zu tun haben, wissen: Wenn sie ei

nen Antrag zur Aufnahme in die Fluglärmkommission stellen, bekommen sie einen Brief. Das ist also keine Verschlusssache, sondern ein öffentliches Dokument. Darin stehen die Kriterien. Es werden Gemeinden aufgenommen, bei denen hohe Dauerschallpegel aufgrund geringer Abflughöhen von unter 2 000 m auftreten bzw. die unter 25 km vom Flughafen entfernt liegen.

Jetzt geht es nach Ihrer Darstellung um die Problematik der Anund Abflüge. Wir werden uns doch nun wohl in diesem Raum einig sein, dass es einer unterschiedlichen Gewichtung von An- und Abflügen bedarf. Die höchsten Dauerschallpegel und die größten Betroffenheiten gibt es beim Abflug; das wissen Sie auch.

(Zuruf der Abgeordneten Dr. Ludwig [CDU] - Zurufe von der CDU: Ha, ha!)

Insofern muss man natürlich auch Kriterien gewichten. Insofern unterstütze ich auch, dass die Abflüge höher gewichtet werden als die Anflüge.

Frau Abgeordnete, gestatten Sie zwei weitere Zwischenfragen?

Ich würde zunächst weiterreden wollen; vielleicht erübrigt sich das dann.

Also nein.

Was aber mit den Anflugrouten droht, über die wir gerade gesprochen haben, dass sie weniger schwer gewichtet werden, Herr Genilke und Frau Dr. Ludwig, konnten wir in der vergangenen Woche öffentlich wahrnehmen. Die Überlegungen der Deutschen Flugsicherung über längere und niedrigere Anflughöhen in Richtung Flughafen machen jetzt viel größere und weitere Betroffenheiten deutlich. Bei dem, wie hier die Deutsche Flugsicherung erneut agiert und Mitwirkungsrechte der Betroffenen mit Füßen getreten hat, graut jedem Hund und hat es scheinbar System. Wir reden doch hier immer wieder über diese öffentliche Verfahrensweise der Deutschen Flugsicherung. Wer hat denn die Verantwortung für die Deutsche Flugsicherung? Mir wäre es lieb, Frau Dr. Ludwig, wenn man über den kleinen Dienstweg an Herrn Ramsauer und Herrn Scheurle diese Probleme herantragen würde, die hier thematisiert werden, als an einer Stelle, die nichts ändern kann.

(Beifall DIE LINKE und SPD)

Der Abgeordnete Goetz hat zu diesem Beitrag eine Kurzintervention angemeldet.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Sehr geehrte Frau Kollegin Wehlan! Dass etwas gesetzlich nicht geregelt ist, heißt

ja nicht, dass man es nicht trotzdem tun kann. Wenn die Landtagssitzung heute zu Ende ist, dann fahren Sie nach Hause, und ich vermute, irgendwann gehen Sie ins Bett. Das tun Sie, obwohl es nicht gesetzlich geregelt ist.

(Beifall und Heiterkeit DIE LINKE - Oh! bei der Frak- tion DIE LINKE und bei der SPD - Frau Kaiser [DIE LINKE]: Das ist für einen Volljuristen viel zu hoch!)

So einfach ist das und genauso einfach geht es auch in diesem Falle. Man könnte wesentlich mehr tun.

Es ist völlig klar, dass von den drei Anträgen, die hier heute vorliegen, weder der Antrag der CDU-Fraktion noch der Entschließungsantrag der Regierungskoalition noch der Antrag meiner eigenen Fraktion der große Wurf ist; das ist klar. Aber richtig ist auch, dass wir bei diesem Flughafen BER/BBI ein Akzeptanzproblem haben, weil Intransparenz herrscht, weil, wie Sie richtigerweise angesprochen haben, immer wieder durch Zufälle irgendwelche neuen Erkenntnisse ans Licht kommen, weil jahrelang Fakten bekannt sind, die dann plötzlich einer großen Öffentlichkeit bekannt werden und immer wieder der Eindruck entsteht, dass Informationen gezielt vorenthalten werden. Das ist genau der Punkt. Dann kann man darüber nachdenken, wie man diesen Punkt ausgleicht, welche Möglichkeiten man dafür hat.

(Unruhe bei der Fraktion DIE LINKE)

Natürlich ist die Fluglärmkommission kein Entscheidungsgremium, und es sollte auch niemand den Eindruck haben, dass durch Beteiligung an der Fluglärmkommission am Ende bessere Entscheidungen fallen. Es kommt dort eine Empfehlung heraus, und was die Flugsicherung damit macht, ist wieder eine andere Frage. Aber immerhin bekommt man mehr Informationen und schafft mehr Transparenz.

Wenn eben alle drei Anträge nicht der große Wurf sind, aber zu mehr Transparenz beitragen können, den Flughafen damit verständlicher machen, dann sollten wir uns in dem Wissen, dass das so ist, durchringen können, durchaus allen drei Anträgen unsere Zustimmung zu geben, weil jeder dieser einzelnen Anträge ein Baustein sein kann, der Transparenz und Akzeptanz schafft, die Menschen mit dem Flughafen vertrauter werden lässt und etwas den Eindruck mindert, dass hinter verschlossenen Türen irgendwelche Geheiminformationen zusammengetragen, ausgewertet und letztlich nur Interessen Dritter bedient werden, die für niemanden nachvollziehbar sind. Darum geht es doch nur; das kann mit jedem dieser Anträge gewährleistet werden.

Frau Wehlan hat die Gelegenheit, auf diese Kurzintervention zu reagieren.

Verehrter Kollege, da Sie in Ihrer Intervention eigentlich keine Gegenposition vorgebracht haben, möchte ich Ihnen unbedingt beipflichten: Ja, Sie haben Recht. Es geht darum, Gesetze, die nichts regeln, so auszugestalten, dass sie die Mitwirkungs- und Beteiligungsrechte gesetzlich fixiert geregelt haben. Da sind wir beieinander - hier gibt es gar keinen Dissens.

Im Übrigen habe ich das heute Vormittag schon gesagt. Es geht darum, dass wir das Luftverkehrsgesetz ändern müssen, Herr Eichelbaum; das war jetzt Ihre Frage. Hier müssen wir die Mitwirkungs- und Beteiligungsrechte regeln. Wenn Ihnen die Kriterien zu gering erscheinen oder aber nicht ausgewogen genug, dann gehören die genauso hinein. Ich sage jetzt einfach einmal: Wir sind hier doch nicht im Kindergarten.

(Görke [DIE LINKE]: Auch nicht im Bundestag! - Zuru- fe der Abgeordneten Kaiser [DIE LINKE])

Wir kennen doch die Betroffenheiten im Umfeld von Großflughäfen! Was muss denn da ins Luftverkehrsgesetz hinein? Ein konsequentes Nachtflugverbot für dichtbesiedelte Gebiete! Dann haben wir dieses Problem nicht mehr,

(Beifall DIE LINKE)

dass Politikerinnen und Politiker nach Haushaltslage entscheiden oder aber nach politischen Gegebenheiten, dass ein Großflughafen in diesem Metropolenraum ins dichtbesiedelte Gebiet kommt. Dann sind wir wirklich gut.

(Beifall DIE LINKE - Frau Kaiser [DIE LINKE]: Genau! Das hätten Sie alles haben können. - Görke [DIE LIN- KE]: Noch regiert ihr in Berlin - leider ohne FDP, die hat ja nur noch 2 oder 3 %! - Lachen der Abgeordneten Leh- mann [SPD])

Der Abgeordnete Jungclaus setzt für die Fraktion BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN fort.

Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Auch zu so später Stunde noch ein wenig Konzentration - denken Sie daran, wenn unser Nachtflugantrag nicht durchgeht: Die Leute, über die wir hier reden, müssen sich dann zukünftig auch noch zwei Stunden gedulden, bis sie zur Ruhe kommen.

(Beifall des Abgeordneten Goetz [FDP])

Unsere Fraktion setzt sich für eine faire Beteiligung aller von Lärm betroffenen Kommunen ein, wie wir ja auch in unserer mündlichen Anfrage zum Umgang mit der Fluglärmkommission schon zum Ausdruck gebracht hatten. Das bisherige Vorgehen des Ministeriums zur Berufung von Gemeinden in die Fluglärmkommission ist jedoch weder transparent noch nachvollziehbar, wie auch die CDU in ihrem Antrag verdeutlicht.

Auch in meiner gestrigen Anfrage gab es nur die Info, dass Neuenhagen und Märkisch-Oderland jetzt ebenfalls in die Kommission aufgenommen wurden. Die eigentliche Frage, wie eine gerechte Besetzung der Kommission zukünftig gewährleistet wird, wurde vom Minister nicht beantwortet.

In der Antwort auf unsere Große Anfrage zum Thema Fluglärm wurden von der Landesregierung ausschließlich Kriterien für die Abflugrouten des BBI genannt, die für die Aufnahme der Gemeinden in die Fluglärmkommission ausschlaggebend sein sollen. Doch noch nicht einmal diese Kriterien wurden bisher

verlässlich angewandt, wie man am Beispiel Potsdam und der Gemeinde Nuthetal erkennen kann.

Der Aspekt der Anflugrouten ist bisher völlig außer Acht gelassen worden. So gewinnt man den Eindruck, dass landende Flugzeuge völlig problemlos wären. Dabei haben erst kürzlich erfolgte Messungen am Schwielowsee gezeigt, dass Flugzeuge im Landeanflug in einer Höhe von 850 Metern auf Werte von ca. 53 dB kommen. Doch nicht nur die Havelsee-Gemeinden sollten in die Fluglärmkommission aufgenommen werden, sondern alle von Fluglärm betroffenen Gemeinden und Städte, die faire und geeignete Kriterien erfüllen. Hier fordern wir mehr Transparenz und eine klare Position der Landesregierung.

(Beifall GRÜNE/B90)

Das Ministerium für Infrastruktur und Landwirtschaft verweigerte in vielen Fällen die Aufnahme weiterer Gemeinden in die Fluglärmkommission unter dem Vorwand, die Fluglärmkommission sei dann nicht mehr arbeitsfähig. Für die Aufnahme weiterer Gemeinden ist daher aus unserer Sicht eine neue Struktur der Fluglärmkommission notwendig. Hier fordern wir die Landesregierung auf, endlich ein schlüssiges Konzept und angepasste Kriterien vorzulegen und nicht nur punktuell aktiv zu werden, wenn der Druck zu groß wird, wie jetzt in meiner Heimatgemeinde Neuenhagen.

Weiterhin fordern wir die Landesregierung auf, sich für die Beibehaltung des Sinkflugs in den Anflugverfahren einzusetzen. Die Fluglärmproblematik würde stark verschärft werden, wenn die letzte Woche bekannt gewordenen Empfehlungen der Deutschen Flugsicherung zur Vergrößerung des Luftraums umgesetzt werden würden. Eine Abkehr vom bisherigen dreistufigen Verfahren hätte die Konsequenz, dass der Fluglärm nicht nur in der Fläche, sondern auch in der Intensität zunähme.

Die Flugzeuge würden im Falle einer Umsetzung nur noch in etwa in 1 000 Metern Höhe fliegen, und dies in einem Umkreis von 70 km um den Flughafen. Dass Sie im Falle einer Umsetzung dieser Empfehlung hiermit eine riesige Welle von Protesten lostreten würden, ist schon jetzt klar. Das Abstandskriterium von 25 Kilometern um den Flughafen wäre mit Sicherheit nicht mehr haltbar. Würden in diesem Fall alle vom Fluglärm betroffenen Gemeinden in der Fluglärmkommission vertreten sein, könnte die Fluglärmkommission sicherlich einen ganzen Hörsaal füllen.

Der vorliegende Antrag macht vor diesem Hintergrund Sinn. Ich möchte an die Adresse der CDU allerdings auch die Bemerkung richten, dass die Unterstützung einer lediglich beratenden Kommission nicht das konstruktive Eintreten für den Lärmschutz ersetzt. Hierzu bedarf es mehr als unabgestimmter Zwischenrufe von Abgeordneten, deren Wahlkreis betroffen ist. Ich appelliere daher gerade an Ihre Adresse: Unterstützen Sie unsere Forderung nach einem Nachtflugverbot und bekennen Sie sich klar zu der Position: Lärmschutz vor Wirtschaftlichkeit.

Abschließend möchte ich festhalten: Es ist höchste Zeit, dass die bisherige Praxis zur Aufnahme von Gemeinden und Städten in die Lärmschutzkommission auf den Prüfstand kommt und nachvollziehbare Kriterien sowie eine neue Beteiligungsstruktur entwickelt werden, die allen betroffenen Gemeinden die Möglichkeit geben, sich in die Diskussion einzubringen. Wir unterstützen daher den Antrag der CDU zur fairen Beteili

gung aller vom Fluglärm betroffenen Kommunen an der Fluglärmkommission.

Der Antrag von Rot-Rot ist unserer Auffassung nach für eine Regierungsfraktion erheblich dünn. Da er aber doch in irgendeiner Form Bewegung signalisiert, werden wir ihm ebenfalls zustimmen.