Das Land Brandenburg besitzt neben den familien- und den behindertenpolitischen Leitlinien damit aus unserer Sicht ein drittes wichtiges und bereichsübergreifendes gesellschaftspolitisches Konzept. Insofern begrüßen wir es ausdrücklich, dass die Landesregierung ihre Vorstellungen, wie sie die Interessen einer stetig wachsenden Bevölkerungsgruppe unterstützen möchte, in einem eigenen Papier darlegt.
Ich will nicht verhehlen, dass ich an dieser Stelle auch etwas Wasser in den Wein schütten muss, weil wir als Fraktion hinsichtlich des Grundtenors des von Ihnen initiierten Maßnahmenpakets in vielen Teilen mit Ihnen übereinstimmen, in einigen Teilen aber auch nicht. Hinsichtlich des Inhalts der Leitlinien stimmen wir mit Ihnen überein, dass bürgerschaftliches Engagement weiter gestärkt werden soll, dass wir einen Intergenerationendialog brauchen, dass dieser ausgebaut werden muss und wir insbesondere die Mobilität gerade mit Blick auf den ländlichen Raum gewährleisten müssen.
Wir sehen aber auch, dass einige Punkte in diesem Maßnahmenpaket eine gewisse Gefahr in sich bergen und gerade das Gegenteil dessen bewirken, was zur Aktivierung und Förderung der ehrenamtlichen Arbeit von Seniorinnen und Senioren notwendig wäre. Wir sehen auch die Gefahr, dass die Eigeninitiative und das Engagement von Senioren durch einen vielfältigen, bunten Strauß von Fördermaßnahmen und Prüfaufträgen durch das Land vielleicht behindert und somit eher gehemmt statt ausgebaut werden.
Deswegen glauben wir auch, dass wir eine vernünftige Evaluierung der Maßnahmen in einem angemessenen Zeitraum brauchen. Sie greifen das in Ihrem Entschließungsantrag auch auf, dass uns darüber Erfahrungen vermittelt werden. Ich glaube aber auch, dass April 2014 zu spät ist. Es ist richtig, dass das Programm bis zum Jahr 2014 gilt, Frau Kollegin Heppener. Ich glaube aber, dass wir uns durchaus vornehmen sollten, Evaluation zu einem früheren Zeitpunkt hinzubekommen.
Und, meine Damen und Herren, ich war einigermaßen überrascht, als wir in der vergangenen Woche im Sozialausschuss das Fachgespräch mit dem Landesseniorenrat hatten, dass zumindest die Seniorenräte auf der unteren Ebene nicht oder nur unzureichend in die Erarbeitung des Papiers eingebunden waren. Zumindest konnte ich den Aussagen der anwesenden Mitglieder entnehmen, dass viele die Inhalte des Pakets erst nach dessen Fertigstellung in die Hände bekommen haben. Mein Eindruck hat sich auch ein Stück weit verstärkt, wenn ich lese, dass als zweite Maßnahme fünf Regionalkonferenzen zur Seniorenpolitik geplant sind. Wir haben ja die Daten bekommen, und ich werde daran auch teilnehmen. Warum haben wir das aber nicht schon vor oder während der Erarbeitung des Maßnahmenpakets gemacht? Deshalb mein Appell:
Wenn Sie es denn ernst meinen mit der Beteiligung der Senioren und der Stärkung der Beteiligung vor Ort, dann müssen Sie alle Ebenen frühzeitig und in einem intensiven Prozess in die Erstellung solcher Leitlinien einbinden.
Schlussendlich muss sich das Paket zuallererst an den Möglichkeiten für die Aktivierung der Senioren messen lassen. Gelingt das nicht, werden auch die einzelnen Maßnahmen nur geringe Wirkung erzielen. Die Große Anfrage der CDU-Fraktion
zum Ehrenamt in Brandenburg hat es uns eindrucksvoll vor Augen geführt: Etwas mehr als ein Drittel der Senioren in Brandenburg war 2004 engagiert. 24 % bekundeten ihr Interesse an gesellschaftlichem Engagement. Die mit Abstand größte Gruppe waren mit 41 % jedoch die nicht interessierten Senioren. Genau diese Gruppe ist es, um die mit niedrigschwelligen Angeboten für ein Ehrenamt geworben werden muss.
Wir Liberale möchten, dass die geplanten Maßnahmen rechtzeitig evaluiert werden, damit wir rechtzeitig wissen, welche Maßnahmen eventuell ausgebaut werden müssen und welche obsolet sind.
Wichtig ist nach meinem Dafürhalten, dass es uns gelingt, mehr Senioren dafür zu gewinnen, ihr Wissen und ihre Erfahrung einzubringen und insbesondere im Umgang mit den nachfolgenden Generationen für alle gewinnbringend einzusetzen. Vielen Dank.
Vielen Dank, Herr Abgeordneter Büttner. - Frau Abgeordnete Prof. Heppener hat eine Kurzintervention angemeldet. Eine muntere Debatte zum aktiven Altern!
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Büttner, ich will Ihnen die Kompetenz in der Seniorenpolitik nicht absprechen. Dazu habe ich keine Veranlassung, und ich hätte für eine solche Behauptung auch keine Beweise. Aber das, was Sie hier zur Einbeziehung der Seniorinnen und Senioren im Land Brandenburg in die Ausarbeitung des Maßnahmenpakets und die Erarbeitung der Leitlinien sagten, zeugt von Illusionen Ihrerseits. In Brandenburg leben 400 000 Menschen, die über 65 Jahre alt sind. An der Seniorenwoche - ich sagte es bereits - haben 45 000 Seniorinnen und Senioren teilgenommen. Nicht nur in der diesjährigen Seniorenwoche, sondern auch schon in den Seniorenwochen der Jahre 2007 bis 2010 wurde über die Leitlinien diskutiert.
An der Erarbeitung des Entwurfs der Leitlinien und des Maßnahmenpakets haben sich die Seniorenbeiräte der Landkreise und kreisfreien Städte mit Stellungnahmen, die an uns gerichtet waren und die wir verarbeitet haben, beteiligt; wenn ich „wir“ sage, dann meine ich den Seniorenrat. In den Landkreisen und kreisfreien Städten wurde mit den örtlichen Seniorenbeiräten diskutiert.
Nun mache ich mir keine Illusionen, dass jeder und jede Einzelne den Text kennt. Der Minister sagte es bereits: Wir müssen weiterhin Öffentlichkeitsarbeit leisten. Das tun wir mit den fünf Regionalkonferenzen. Dort geht es uns aber schon darum, das Maßnahmenpaket vor Ort umzusetzen. Die 40 Maßnahmen umfassen Vorhaben, die von der Landesregierung in Bewe
gung gesetzt werden. Fast jede vierte wird vom Seniorenrat oder den Seniorenbeiräten in Bewegung gesetzt, aber das ist vor allem eine Aufgabe der Landesregierung.
Seniorenpolitik muss vor Ort stattfinden, oder sie wirkt nicht. Daher müssen wir mit den Regionalkonferenzen auch damit beginnen, die Kommunen einzubeziehen. Wenn man sich die Arbeit der einzelnen Seniorenbeiräte in Städten und Gemeinden anschaut, stellt man fest, dass sich dort Initiativen entwickeln. Meine Sorge ist eher, dass wir nicht jede kennen. Der Erfahrungsaustausch muss intensiviert werden, man muss voneinander Kenntnis haben. Es passiert aber schon sehr viel in unserem Land. Auch die 100-Jährigen - wir haben schon fast 1 000 im Land - haben oft keine Zeit, um alt zu werden. - Schönen Dank.
Vielen Dank, Frau Prof. Heppener. - Für die Fraktion DIE LINKE setzt Frau Wolff-Molorciuc die Aussprache fort.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich habe es schon gemerkt: Falls man es in der Redezeit nicht schafft, ist der Trick die Kurzintervention, die dann ganz schön lang ist.
Demografischer Wandel, hohe Lebenserwartung, großartige Leistungen der Medizin, aber vor allem die Achtung vor dem Alter und den damit verbundenen Lebensleistungen erfordern es, sich dem Alter und dem Altern besonders zuzuwenden. Gleichzeitig gilt es, diese besondere Zuwendung in eine sich stets verändernde Gesellschaft, in der ganz unterschiedliche Menschen zusammenleben, zu integrieren.
Die Seniorenpolitischen Leitlinien wurden hier im Parlament, aber auch in Verbänden, Vereinen und Institutionen diskutiert. Ich kann das für einen Verband, die Volkssolidarität, ganz genau sagen. Sowohl was die Leitlinien als auch was das Maßnahmenpaket betrifft, haben wir die Möglichkeit genutzt, uns im Vorfeld, nachdem die Entwürfe vorlagen, in die Diskussion einzubringen. In Konferenzen wurden diese konkretisiert. Es blieb der Anspruch, die Leitlinien verbindlicher zu machen; Sie werden sich daran erinnern.
Das ist jetzt mit dem Maßnahmenpaket auf der Grundlage der Leitlinien gelungen. 40 konkrete Maßnahmen werden dargestellt. Der Prozess lässt es zu, sie im Verlauf zu konkretisieren. Die Vielfalt der Maßnahmen geht auf die Vielfalt des Älterwerdens ein. Die Maßnahmen eint, dass sie auf das aktive Altern ausgerichtet sind. Nicht unwesentlich ist der Hinweis unter 1.1 im Maßnahmenpaket:
„... die Art, das aktive Alter zu leben... hat... erhebliche Auswirkungen auf die Art, später Hilfebedürftigkeit zu bewältigen.“
Da der Zusammenhang zwischen Senioren- und Pflegepolitik groß ist, muss, wie angekündigt, ein pflegepolitisches Programm folgen. Ich bin der festen Überzeugung, dass der Landessenio
renrat, die Seniorenbeiräte, Vereine, Verbände und viele andere Akteure an der Umsetzung des Maßnahmenpakets aktiv Anteil nehmen werden, wie sie es bisher, im Vorfeld, schon getan haben.
Herr Büttner, machen wir uns nichts vor: Es ist keine Besonderheit der Altersgruppe, die wir alle hier nicht definieren wollen, dass manchmal nicht ganz so viele mitmachen. Auch in vorhergehenden Altersgruppen sind nicht alle an allen Prozessen beteiligt.
Was die zeitnahe Prüfung der Wirksamkeit von Maßnahmen angeht, so verweise ich auf den Entschließungsantrag der Koalition, der insoweit Festlegungen trifft. Lassen wir bei dem, was wir mit dem Maßnahmenpaket zu leisten versuchen, nicht außer Acht, dass aktives Altern auch ein Altern in Würde ist. Würde hängt auch von der Anerkennung geleisteter Arbeit in unterschiedlichster Form ab. Dazu gehört eine das Lebensniveau sichernde Altersrente, die Altersarmut verhindert. Deshalb lautet eine Forderung der Partei DIE LINKE, diese Altersrente auf mindestens 850 Euro festzulegen. Wir dürfen nicht länger so tun, als ob Altersarmut etwas sei, was vorkommen könnte. Es gibt sie bereits heute.
Sie ist vorprogrammiert für Hartz-IV-Empfänger, für die Generation Praktikum, für Menschen, die schon heute von ihrer Arbeit allein nicht leben können. Bedenken wir dann noch, dass das Rentenniveau, wie gestern veröffentlicht, bis 2025 um 10 % sinken wird, wissen wir, dass Seniorenpolitische Maßnahmenpakete allein nichts an der Situation ändern werden. Die Rahmenbedingungen müssen sich ändern!
Wir bitten Sie um Zustimmung zum Maßnahmenpaket und zum Entschließungsantrag der Koalition. Dann wünschen wir viel Freude und viele Erfahrungen bei der Umsetzung.
Gestatten Sie mir noch einen Hinweis aus dem Leben eines Verbandes, der zeigt, wie das mit dem Älterwerden und dem Altsein so eingeschätzt wird: Auch unser Verband - das darf ich hier sagen - ringt ab und an darum, neue Mitglieder zu gewinnen. Sie kennen das aus diesem und aus anderen Verbänden. Wir kennen 75-Jährige, die uns sagen: Nein, so alt sind wir noch nicht!
Lassen Sie uns in diesem Sinne gemeinsam die Projekte umsetzen und generationenübergreifend arbeiten. Dann merken wir gar nicht, wie wir alt werden, und diejenigen, die es merken wollen, kriegen es mit. - Danke.
Vielen Dank, Frau Abgeordnete Wolff-Molorciuc. Sie hat sich bisher als Einzige an die Redezeit gehalten.
Wir setzen mit dem Beitrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN fort. Frau Abgeordnete Nonnemacher hat das Wort.
Frau Präsidentin, ich gelobe, mich ebenfalls an die Redezeit zu halten. - Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Das Jahr 2012 wurde von der EU-Kommission zum „Europäischen Jahr für aktives Altern“ ausgerufen. Es soll als Höhepunkt zahlreicher Programme und Maßnahmen zum aktiven Altern im Zeitraum 2011 bis 2014 angesehen werden. Damit reagiert auch die EU auf den demografischen Wandel, der sich unter anderem darin äußert, dass ab 2012 in Europa die Zahl der Menschen im erwerbsfähigen Alter abzunehmen beginnt. Das Jahr soll zur Schaffung von mehr Beschäftigung und besseren Arbeitsbedingungen für die zunehmende Zahl Älterer beitragen, ihnen helfen, eine aktive Rolle in der Gesellschaft zu spielen, und ein gesundes Altern fördern.
Dass die EU gerade den Beschäftigungsaspekt in den Vordergrund rückt, hat auch mit der dringend erforderlichen Bekämpfung der Altersarmut zu tun. 2008 waren 19 % der über 65-Jährigen in der EU von Armut bedroht. Das vorliegende Seniorenpolitische Maßnahmenprogramm greift das europäische Motto auf: „Aktiv altern in Brandenburg“. Das ist nicht nur politisch sinnvoll, vielleicht erhöht es auch die Finanzierungschancen aus den Europäischen Strukturfonds über die jetzige Förderperiode hinaus.
Die sechs Schwerpunkte des Maßnahmenpaketes werden bis 2014 durch Fortschreibung und Weiterentwicklung dialogisch und partnerschaftlich mit vielen Akteuren der Landes- und Kommunalebene, wie Verbänden und Unternehmen, Ministerien und nicht zuletzt Seniorinnen und Senioren, bearbeitet. Die entsprechenden Regionalkonferenzen sind in Vorbereitung; an dieser Stelle meinen Dank an den Landesseniorenbeirat.
„Das Land kann und will neue Ansätze nur modellhaft fördern und an ausgewählten Punkten einen Beitrag zur Infrastruktur der Seniorenpolitik leisten.“
Einen Erfolg kann das Maßnahmenpaket nur erreichen, wenn „es gelingt, ein solidarisches Miteinander der Generationen zu gestalten.“
Von daher weisen die einzelnen Maßnahmen sinnvollerweise einen Bezug zum familienpolitischen Programm, und - da auch in Brandenburg die größte Gruppe der Menschen über 65 Jahre Frauen sind - einen Bezug zum gleichstellungspolitischen Rahmenprogramm auf.
In den Punkten „Öffentliche Wahrnehmung“, „Wohnen und Mobilität“ sowie „Engagement“ zeigt das Maßnahmenpaket einen erfreulichen Ideenreichtum und viele interessante Projekte. Schauen wir uns aber analog zur Schwerpunktsetzung auf europäischer Ebene den Punkt „Arbeit“ an, so kommt Enttäuschung auf. Trotz der immensen Bedeutung der Hebung der Erwerbsquote Älterer zur Prophylaxe der Altersarmut und zur Milderung unseres Fachkräfteproblems finden sich im entsprechenden Kapitel nur drei Maßnahmen:
Gefördert wird die INNOPUNKT-Initiative „Ältere - Erfahrung trifft Herausforderung“, die darauf abzielt, die Beschäftigungschancen älterer Erwerbspersonen zu erhöhen. Dafür werden seit 2008 bis zum 09.12.2011 2,8 Millionen Euro aus ESF
und Landesmitteln bereitgestellt. Bei älteren Erwerbslosen soll die Beschäftigungsfähigkeit durch praxisbezogene Lehrarrangements an Hochschulen verbessert werden. Dieses Projekt lief insgesamt nur drei Jahre, und es wird im Dezember 2011 enden. Nachhaltig ist das nicht.
Der zweite Punkt ist das „Lebenslange Lernen zur Qualifizierung von Ingenieuren und Technikern“. Es handelt sich um eine zweijährige Weiterbildungsmaßnahme, die ebenfalls Ende des Jahres ausläuft. Das Maßnahmenpaket ist kaum verabschiedet, da geht den Maßnahmen zur Arbeitsförderung schon die Luft aus. Gute Politik muss nicht immer Millionen verschlingen, aber ein Maßnahmenpaket, das bei Inkrafttreten schon nicht mehr finanziert ist - schließlich soll es bis 2014 gehen -, bleibt doch sehr im Vagen. Die Maßnahme Nr. 19, die INNOPUNKT-Initiative „Beruf, Familie, Pflegen. Neue Vereinbarkeitslösungen für Brandenburg“ läuft immerhin drei Jahre, bis zum September 2013.