Zur im Entwurf vorliegenden „Energiestrategie 2030“ für das Land Brandenburg will ich eingangs nur ein paar Grundzüge ausführen. Wir in der SPD-Fraktion haben uns mit der Energiepolitik Brandenburgs intensiv befasst. Ich habe es schon gesagt: 2012 wird das Jahr der Energie. Das ist durchaus ein treffendes Bild, weil in diesem Jahr für unser Land die Grundlagen für die Entwicklungen in den nächsten 20 Jahren im Energiebereich gelegt werden. Die Energiestrategie bietet bereits im Entwurf eine sehr gute Grundlage dafür, denn unsere Themen und Thesen unterscheiden sich gar nicht so wesentlich.
Es geht bei der Energieversorgung um vier Aspekte, die in der Energiestrategie auch deutlich herausgearbeitet werden:
Erstens. Versorgungssicherheit ist die Grundlage jeder modernen Industriegesellschaft - selbstverständlich.
Zweitens. Energieversorgung muss bezahlbar sein. Das ist nicht nur für die Wirtschaft unverzichtbar, sondern das ist auch eine soziale Aufgabe. Wir müssen es den Bürgerinnen und Bürgern im Land ermöglichen, sich die Selbstverständlichkeit der Energieversorgung leisten zu können.
Drittens. Der Klimaschutz spielt in unseren Überlegungen eine immer größere Rolle. Das ist angesichts der Veränderungen des globalen Klimas auch eine Selbstverständlichkeit; das wissen wir wohl.
Wir haben aber erkannt - und das ist ebenfalls gut an dieser Energiestrategie -, dass wir noch einen vierten Aspekt einbe
ziehen müssen: Akzeptanz. Diesen Aspekt haben Sie, Herr Bretz, sogar kurz erwähnt, nur leider nicht mit Schlussfolgerungen untersetzt. Die Akzeptanz bei den Bürgern im Land wird eine immer größere Rolle spielen.
Wie wollen wir die Energieversorgung in unserem Land künftig sicherstellen? Auch angesichts des Erfordernisses des Klimaschutzes sagen wir - es ist gut, dass es auch ausdrücklich in der Strategie steht -: Brandenburg soll Vorreiter bei den erneuerbaren Energien bleiben. Das ist eine zentrale Aufgabe. Wir müssen so schnell wie möglich dazu kommen, dass es in unserem Land möglich ist, die Stromversorgung ausschließlich aus erneuerbaren Energien zu gewährleisten.
Aber wir sagen auch: Das ist eine Aufgabe für Jahrzehnte. Brandenburg ist und bleibt Energieexportland. Auch das ist ein Bekenntnis in dieser Energiestrategie. Wir sind nicht nur für uns in Brandenburg verantwortlich, sondern darüber hinaus für Berlin und alle Ballungsräume in Deutschland, in denen viel Strom verbraucht wird. Wir produzieren die Grundlagen für den deutschen Wohlstand. Das dürfen wir nicht in Abrede stellen. Insoweit haben wir eine nationale Verantwortung.
Gerade weil wir diese nationale Verantwortung haben, wissen wir: Wir werden noch auf lange Sicht nicht ohne Braunkohle als Übergangstechnologie auskommen. Ich bin mir fast sicher: Die Braunkohleverstromung wird auch in 20 oder 30 Jahren noch eine Rolle spielen müssen, wenn wir in Deutschland eine moderne Industriegesellschaft mit bezahlbarer Energie bleiben wollen.
Gleichzeitig müssen wir die erneuerbaren Energien so schnell wie möglich ausbauen; das ist übrigens kein Widerspruch zu dem, was ich eingangs gesagt habe. Das wollen wir, und das tun wir. Dafür brauchen wir alle im Land, denn da geht es um Akzeptanz. Herr Bretz, Sie haben in diesem Zusammenhang einen Bauern aus Bork bei Linthe erwähnt. Ich glaube, Linthe ist nicht viel größer als Bork, aber ich weiß, welches Dorf Sie meinen. Dieser Bauer ist in der Tat exemplarisch für viele andere in der Region. Wir müssen Akzeptanz auf verschiedene Weise erzeugen.
Sie haben zu Recht auf Folgendes hingewiesen: Der freie Markt bei Windenergie reicht nicht, wir müssen hier regulierend eingreifen. Da bin ich ganz bei Ihnen, Herr Bretz.
Aber das ist eben nur ein Aspekt. Wir müssen, wenn es darum geht, Trassen für die Stromversorgung herzustellen, dafür sorgen, dass wir in diesem Land Akzeptanz für Stromtrassen finden. Wir müssen dafür sorgen, dass Windparks auch in Gegenden möglich werden, wo das bisher vielleicht nicht so ohne Weiteres möglich war, vielleicht auch in einfachen, zur Holzproduktion vorgesehenen Forsten, die nicht naturnah sind.
Das alles ist eine Herausforderung für die nächsten Wochen und Monate, bis wir diese Strategie einmal fertig haben. Dann müssen wir daran arbeiten, sie in den nächsten Jahrzehnten umzusetzen. Auch Sie, Herr Bretz, können daran mitwirken. Vielleicht denken Sie einmal darüber nach; noch ist alles offen. Ich danke Ihnen.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich war natürlich sehr gespannt, welche Begründung uns denn heute für diese Aktuelle Stunde geliefert wird. Sie haben in der Tat einen hervorragenden Grund geliefert. Ich stelle fest: Das Kabinett dieses Landes hat keine abschließende und keine einheitliche Meinung zur Energiepolitik. Damit lohnt es sich, dass wir darüber reden.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, es gibt Worte, die wir im allgemeinen Sprachgebrauch so oft verwenden, dass wir ihre eigentliche Bedeutung und ihren tieferen Sinn meist gar nicht mehr reflektieren: sie werden in gewisser Weise zur sprachlichen Alltagsnormalität. Eines der prägnantesten Beispiele dieser Art ist das Wort „Strategie“. Wir haben uns daran gewöhnt, so ziemlich alles, was wir machen, mit dem Zuwort „Strategie“ zu versehen. Wir reden zum Beispiel von „Lebensstrategie“. In der Suchmaschine eines großen Onlinebuchhändlers gab es heute Morgen dazu genau 14 Buchempfehlungen. Der eine oder andere von Ihnen befindet sich vielleicht gerade mitten in einer Diätstrategie.
Die Suchanfrage beim gleichen Buchhändler wirft übrigens weit über 1 000 Suchanfragen aus, aber das behandle ich bei anderer Gelegenheit.
Wie dem auch sei, es lohnt sich in der Tat, gelegentlich die Bedeutung solcher Modewörter inhaltlich zu reflektieren, bevor man sie selbst anwendet. Wenn ich das in Bezug auf „Strategie“ tue und einfach ein klassisches Wörterbuch zur Hand nehme, dann kann ich dort lesen:
„Strategie ist ein längerfristig ausgerichtetes Anstreben eines Ziels unter Berücksichtigung der verfügbaren Mittel und Ressourcen.“
Wer sich der Mühe unterzieht, ein Wörterbuch der Betriebswirtschaftslehre zur Hand zu nehmen, der kann dort lesen:
„Unter Strategie werden in der Wirtschaft klassisch die meist langfristig - geplanten Verhaltensweisen der Unternehmen zur Erreichung ihrer Ziele verstanden.“
Allerdings lesen Sie auch, dass diese klassische Definition von Strategie „heute vor allem aufgrund ihrer Annahme der Planbarkeit kritisiert“ wird.
Und wenn Sie sich sehr tiefgehend mit Fragen der unternehmerischen Strategie beschäftigen, dann kommen Sie um die berühmten Bücher von Henry Mintzberg nicht herum, und Sie lernen zusätzlich, dass eine unternehmerische Strategie heute nicht mehr von einem detaillierten Plan, sondern von einer gut verstandenen Vision ausgeht. Mintzberg nennt das wie folgt:
Dann, liebe Kolleginnen und Kollegen, bekommen Sie genau dieses Papier in die Hände, 55 Seiten, von Wirtschaftsminister Christoffers und Umweltministerin Tack mit zehn Monaten Verspätung und als verspätetes Weihnachtsgeschenk am 10. Januar dieses Jahres überreicht. Dann fangen Sie an, wie Sie das als guter Abgeordneter tun, nach dem Prüfschema zu prüfen:
Erstens, Ziele: jede Menge, in reichhaltiger Fülle, alle gekennzeichnet durch den deutlichen Ausdruck der Tatsache, dass man sich über die Ziele nicht einig ist. Toll, ganz hervorragend!
Zweitens, verfügbare Mittel und Ressourcen: Nur auf sieben der insgesamt 55 Seiten des Entwurfs werden Maßnahmen skizziert, mit denen die Energiewende im Land gelingen soll, wenigstens in Handlungsfelder untergliedert. Das ist ein halbwegs moderner Ansatz; zur Ehrenrettung sei das erwähnt. Aber Aussagen dazu, welchen Beitrag beispielsweise die Wirtschaftspolitik zur Energiewende leisten soll? Durchgängig Fehlanzeige, gerade so, als sei die Wirtschaftspolitik kein Instrument der Energiepolitik.
Drittens, Untersuchung der Nichtplanbarkeit: Super, absolut super, das ist wirklich das Einzige, was Ihnen gelungen ist: die Darstellung der absoluten Planlosigkeit, ganz hervorragend!
Viertens, Visionen und Ideen: Mein Gott, gänzliche Fehlanzeige und Leere! - Ist das wirklich alles, was Sie an Visionen und Ideen für unser Land entwickeln können?
Meine sehr verehrten Damen und Herren, damit bin ich mit dem Papier eigentlich zu Ende; unser eigenes Papier haben wir ja vor einer Woche vorgestellt.
Aber eines noch: Epilog. Eine Betrachtung lohnt sich in der Tat noch. Das Wort „Strategie“ ist ja kein deutsches Wort, es kommt vom altgriechischen „strategos“. Das meint so viel wie Feldherr oder Kommandant. Das ist der, der die Vision und die Idee, die für die Truppe gelten soll, der Truppe voranträgt und voranmarschiert. Da sitzt er nun, der Commandante. Und was stellen wir fest? Sprachlosigkeit, nichts als Sprachlosigkeit. Vielen Dank.
Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Liebe Gäste! Seit über anderthalb Jahren warten wir nun schon gespannt auf die Fortschreibung der Energiestrategie und wurden unter Angabe immer neuer Gründe vertröstet. Mal ist es die ausstehende Abstimmung zwischen den Ministerien, dann
der beschleunigte Atomausstieg oder die ungeklärte Entwicklung beim Netzausbau, dann sind es Akzeptanzprobleme und, und, und. Man könnte meinen, die Landesregierung erwarte das Eintreten eines einflussfreien statischen Zustands im Bereich Energie, um dann mit dem ultimativen Angebot aufzuwarten.
Der langen Wartezeit entsprechend waren unsere Erwartungen an den aktuellen Entwurf natürlich recht hoch. Unser Anspruch an eine Energiestrategie lautet dabei: erstens, ambitionierte und realistische Perspektiven für eine Vollversorgung aus erneuerbaren Energien; zweitens, feste Ziele und Zeithorizonte, damit alle Beteiligten wissen, wohin die Reise geht; drittens eine Aussage dazu, welche Rolle Brandenburg als Energieexportland einnehmen soll.
Aber was lesen wir im Entwurf der Energiestrategie? Nichts davon. Im Gegenteil, die selbstgesteckten Klimaschutzziele der Energiestrategie 2020 werden mit dem neuen Entwurf aufgegeben. Die Ziele werden den Maßnahmen angepasst statt umgekehrt. Dafür, dass Sie mit dem Entwurf über ein Jahr überfällig sind, ist am Ende nicht viel herausgekommen. Das ist vermutlich auch der Grund, warum das Papier nicht mit einer Regierungserklärung des Ministerpräsidenten vorgestellt, sondern vorab eine Aktuelle Stunde quasi als Stoßdämpfer benutzt wird.
Mit Verlaub, von „Aktualität“ kann bei einem Papier, auf das man über anderthalb Jahre wartet, nun wirklich nicht die Rede sein.
In Ihrem „Leitszenario 2030“ sprechen Sie davon, dass der Bereich der bisher anvisierten CO2-Reduzierung erreicht werde. Tatsache ist aber, dass Sie den Rückwärtsgang eingelegt haben, anstatt einen Gang höher zu schalten. Da hilft es auch nicht, sich hinter nationalen und europäischen Zielen zu verstecken.
Noch schlimmer ist aber die Art und Weise, wie Sie dieses abgeschwächte Ziel erreichen wollen. Nach wie vor sprechen Sie von einem neuen Braunkohlekraftwerk Jänschwalde mit CCS, einer Technologie, die, wenn überhaupt, frühestens zwischen 2025 und 2030 ausgereift sein wird. Sie gehen weiterhin davon aus, dass bis zur Inbetriebnahme dieses neuen Kraftwerks ein europäisches CO2-Pipelinenetz vorhanden sein wird. Sie wollen die von uns erzeugten Klimagase ins Ausland transportieren und so das Problem verlagern. Ihr CO2-Reduktionsziel basiert damit auf vagen Vermutungen, Wunschvorstellungen und einer Technologie, die von den Bürgerinnen und Bürgern abgelehnt wird. Wie die CO2-Bilanz ohne CCS aussieht, wird in Ihrer Energiestrategie interessanterweise mit keinem Wort erwähnt.
Sie verlieren auch kein einziges Wort zu den Mehrkosten dieser CCS-Infrastruktur, sprechen aber andererseits von Preisstabilisierung durch Braunkohle. Fakt ist, dass sich durch den Einsatz von CCS die Stromentstehungskosten deutlich erhöhen würden, und auch deshalb lehnen wir dies ab.
Sie sprechen vom Vorrang des Ausbaus der erneuerbaren Energien, gleichzeitig aber auch vom Neubau eines Kohlekraftwerks. Sie müssen sich da schon einmal entscheiden, Minister Christoffers: entweder für das Festhalten an einer zentralisti