Protokoll der Sitzung vom 26.01.2012

Sie sprechen vom Vorrang des Ausbaus der erneuerbaren Energien, gleichzeitig aber auch vom Neubau eines Kohlekraftwerks. Sie müssen sich da schon einmal entscheiden, Minister Christoffers: entweder für das Festhalten an einer zentralisti

schen Infrastruktur von gestern oder für den ambitionierten Ausbau mit erneuerbaren Energien und flexiblen Gaskraftwerken für den Übergang.

(Beifall GRÜNE/B90)

Beides zusammen, meine Damen und Herren, geht nicht, es sei denn, der Minister erläutert uns in seiner Rede nachher noch die Funktionsweise eines flexiblen Braunkohlekraftwerks.

Der vorliegende Entwurf der Strategie ist widersprüchlich und gibt keine Antworten auf die eigentliche Frage, wie unsere Energieversorgung bis 2030 weiterentwickelt wird und welchen Anteil der Export einnehmen soll. Weil Sie das vermutlich auch selbst so sehen, vertrösten Sie Kritiker mit einer zweijährigen Überprüfung und Anpassung. Geradliniges Zusteuern auf ein festes Ziel, wie es auch die Greenpeace-Studie fordert, sieht anders aus. Auch wenn sich die nationalen und die europäischen Rahmenbedingungen ständig wandeln, darf uns dies nicht davon abbringen, unser eigenes Ziel - nachhaltige und sichere Energieversorgung - zu definieren.

(Beifall GRÜNE/B90)

Deshalb erwarten wir in der Endfassung Ihrer Energiestrategie verbindliche Ziele und feste Zeithorizonte für den Ausbau von erneuerbaren Energien, Netzen und Speicherinfrastruktur. Wir fordern außerdem ein „Leitszenario 2030“ ohne Braunkohlekraftwerke und mit Erreichung der bisherigen Klimaschutzziele. Dies, meine sehr verehrten Damen und Herren, sollte Maßstab Brandenburger Energiepolitik sein. - Vielen Dank.

(Beifall GRÜNE/B90)

Minister Christoffers spricht für die Landesregierung.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Lassen Sie mich bitte eine Vorbemerkung machen. Im Namen der Landesregierung kann ich eines ausschließen: Wir werden auch zukünftig nicht nur in Unternehmen investieren, die Steckdosen herstellen; denn irgendwoher muss der Strom auch kommen.

(Beifall SPD und DIE LINKE)

Meine Damen und Herren, der Ministerpräsident wird dann eine Regierungserklärung abgeben, wenn die Landesregierung etwas entschieden hat. Was ich feststelle, ist: Offensichtlich haben Sie alle mit dem von uns gewählten Weg, eine öffentliche Debatte zu führen, Ihre Schwierigkeiten. Das ist aber nicht unser Problem, da müssen Sie sich möglicherweise selbst befragen.

(Beifall SPD und DIE LINKE)

Ich weiß nicht, ob es mit den politischen Zielstellungen der Grünen, der CDU oder FDP in Übereinstimmung zu bringen ist, einen bundesweit erstmalig angestoßenen öffentlichen Diskurs über eine der Grundfragen der gesellschaftlichen Entwicklung, nämlich die Frage der Energiepolitik, in einer Art

und Weise zu diskreditieren, die letztendlich dazu führt, dass eine öffentliche Beteiligung durch Sie desavouiert wird. Dazu sage ich Ihnen: Ich bin nicht bereit, dies zu akzeptieren.

(Beifall SPD und DIE LINKE)

Die Energiestrategie gibt nicht auf alle Fragen Antworten, das stimmt. Auf den Begriff Strategie komme ich nachher gleich noch einmal. Sie haben mir dazu eine sehr schöne Vorlage gegeben, vielen Dank, Herr Beyer. Das stimmt, und wissen Sie, warum das so ist? Weil die Zeit der absoluten Gewissheiten in dieser Frage möglicherweise auch vorbei ist. Nehmen Sie doch einmal Kontakt mit Ihren Kollegen in Baden-Württemberg oder mit dem Bundeswirtschaftsministerium auf - ich habe gerade gestern das Vergnügen gehabt -, oder nehmen Sie Kontakt mit dem Bundesumweltministerium auf. Nein, es gibt keine jetzt absehbaren, unmittelbaren, konkreten Zeitachsen, wann welche Entwicklung eingetreten ist. Weil es diese nicht gibt, bilden wir in der Energiestrategie unsere Zielstellungen ab, zeigen Wege auf, wie diese Zielstellungen zu erreichen sind, und überprüfen selbstverständlich auf einer Zeitachse, ob diese Entwicklungen auch tatsächlich eingetreten sind.

Insofern, meine Damen und Herren, noch eine Vorbemerkung zum Begriff Strategie. Die Energiestrategie 2010 und 2020 sind unter Rot-Schwarz entschieden worden. Wenn wir von dem Begriff Energiestrategie abgegangen wären, dann hätten wir hier eine Debatte gehabt, dass Rot-Rot dieses Thema politisch unterschätze.

(Vereinzelt Beifall SPD und DIE LINKE)

Ich habe auch keine Lust, mich in irgendeiner semantischen Diskussion zu ergehen. Ob wir das Ding Strategie oder Konzeption nennen, ist mir völlig egal. Wichtig ist - aus meiner Sicht zumindest -, dass wir mit der Energiestrategie 2030 Zielstellungen vorgelegt haben, die sich qualitativ wesentlich unterscheiden. Sie sind eben keine Braunkohlestrategien. Da können Sie, Herr Jungclaus, so oft Sie wollen versuchen, in der Öffentlichkeit diesen Eindruck zu erwecken. Nein, das stimmt nicht. Sie haben offensichtlich einen Kern nicht nachvollzogen.

Meine Damen und Herren, heute steht doch nicht mehr die Frage, dass wir einfach nur quantifizierte Ziele zum Ausbau von erneuerbaren Energien definieren müssen, sondern wir stehen heute vor einer völlig anderen Frage. Das EEG und viele andere Instrumente hatten eine politische Zielsetzung: Man wollte erneuerbare Energien zu einer kritischen Masse in der Gesellschaft erzeugen, dass sich die Energieträger umstellen können. Dieses Ziel ist noch nicht ganz erreicht, aber fast.

Jetzt stellt sich eine Frage, über die in den letzten fünf Jahren politisch nicht diskutiert worden ist: Wie integriere ich diese hohe Menge an Strom in ein bestehendes System, wandle das System gleichzeitig um und schaffe damit die Voraussetzungen für die Energiewende?

Meine Damen und Herren, wir haben deutschlandweit rund 30 Gigawatt installierte Leistung aus erneuerbaren Energien. Ganze 2 Gigawatt sind gegenwärtig zur Regelleistung einsetzbar. Das macht das Problem, vor dem wir stehen, deutlich. Wir müssen die Frage der Systemintegration insbesondere durch Netzausbau und Speicherfähigkeit tatsächlich innerhalb kürzester Zeit beantworten.

Da kann ich Ihnen eines sagen - da bitte ich Sie auch, Kollege Bretz, vielleicht Ihre Kontakte zu nutzen, um sich die Informationen einzuholen -: Es gibt keine zuverlässige Technologieabschätzung in diesem Bereich darüber, wann wir was haben. Es gibt nur erste Demonstrationsprojekte. Gerade deswegen setzen wir in Brandenburg auf Power-to-Gas, auf die Unterstützung von Batteriespeichersystemen und darauf, dass hier verschiedene Energieträgerstrukturen zusammengeführt werden: sowohl Solarthermie als auch Photovoltaik, Windkraft und Speicherung von Wasserstoff. Das ist der Weg, den wir auch in Zukunft weitergehen werden. Wenn Sie sich heute hinstellen, Herr Jungclaus, und sagen: „Im Jahre 2025 bin ich da und da“, dann verhindern Sie eine Energiewende, weil Sie ein Ziel definieren, das niemand so genau vorhersagen kann.

(Beifall des Abgeordneten Groß [DIE LINKE) ] Was die Studie von Greenpeace betrifft: Meine Damen und Herren, die Berechnungen sind ohne jegliche limitierende Faktoren angestellt worden. Natürlich kann man das einfach so hochrechnen und sagen: Das ist die Anzahl von Arbeitsplätzen, und das ist die Anzahl von möglichen Leistungen, die ich bekomme. - Das Problem ist nur: Weder die limitierende Grenze noch die Flächenbereitstellung noch die Frage der Speicherfähigkeit von erneuerbaren Energien noch die Umsetzung von Biomassestrategien sind in diesem Zusammenhang definiert worden. Wir hatten hier eine Debatte um Nachhaltigkeitskaskaden. Darf ich Ihnen das noch einmal in Erinnerung rufen? Dann wird einfach so getan, als wenn man alles hochrechnen kann. Dann kommt man zu einem Ergebnis, das man politisch will, und das ist dann der Ausgangspunkt der Debatte. Deswegen sage ich Ihnen noch einmal: Nein, diese Landesregierung wird auch in Zukunft nicht nur in Steckdosen investieren. (Vereinzelt Beifall DIE LINKE und SPD)

Meine Damen und Herren, wir setzen uns mit der Energiestrategie 2030 sechs strategische Ziele. Möglicherweise haben Sie das überlesen - das kann ja sein -, aber ich sage es Ihnen gern noch einmal:

Erstens: Wir wollen die Energieeffizienz steigern und den Verbrauch reduzieren. Das bedeutet bis 2030 eine Senkung des Endenergieverbrauchs um ca. 23 % gegenüber 2007. Meine Damen und Herren, was meinen Sie denn, warum wir im Wirtschafts- und Europaministerium die Förderarchitektur umgestellt haben? Warum meinen Sie denn, dass effizienzsteigernde Technologien zukünftig einen besonderen Bonuspunkt bei der Unterstützung wirtschaftlicher Entwicklungen bekommen? Aus Jux und Tollerei? Oder möglicherweise aus der Notwendigkeit, die öffentliche Förderung den neuen Bedingungen und den neuen Herausforderungen anzupassen?

Zweitens: Wir wollen den Anteil der erneuerbaren Energien am Primärenergieverbrauch bis 2030 auf mindestens 30 % anheben. Eine Konsequenz daraus ist die Ausweisung erforderlicher Windeignungsgebiete zur Sicherung dieser Nettonutzfläche um 2 % der Landesfläche.

Wissen Sie, ich habe Sie noch nicht gesehen und habe auch die Kollegen von Greenpeace noch nicht gesehen, wenn wir uns mit den Windkraftgegnern unterhalten oder darüber debattieren, ob der Nutzwald ein Eignungsgebiet ist oder nicht. Ich

weiß nur eines: Bei jedem unmittelbaren und konkreten Projekt gibt es eine regionale Situation, die sich weitaus von dem unterscheidet, was eine allgemeine Zustimmungsrate für erneuerbare Energien im bundesweiten Raum und in Brandenburg abbildet. Weil das so ist, haben wir das Ziel-Viereck um die Frage Akzeptanz und Beteiligung entwickelt. Da wird es um kommunale Windparks und um Bürgerwindparks gehen. Ja, wir sind mit der KfW in Verhandlungen, ein notwendiges Finanzierungsinstrument dazu bereitzustellen.

Meine Damen und Herren, wir haben Ihnen nicht nur die Energiestrategie übermittelt. Wir haben Ihnen auch das Handbuch, und zwar den Maßnahmenkatalog, übergeben. Herr Bretz, ich bitte Sie: Wenn Sie hier aus der Energiestrategie zitieren, was Leitprojekte und Projekte sind, ohne das Handlungsfeld, das wir Ihnen extra gegeben haben, zu erwähnen und zu sagen, wie es umgesetzt werden kann, dann finde ich das in der Debatte schlicht und ergreifend nicht redlich.

(Vereinzelt Beifall SPD und DIE LINKE)

Meine Damen und Herren, wir werden auch weiterhin eine zuverlässige und preisgünstige Energieversorgung gewährleisten. Da sage ich noch einmal: Der Schwerpunkt liegt auf Systemintegration von erneuerbaren Energien. Wenn dieser Schwerpunkt in Brandenburg nicht politisch nachvollzogen wird, wird es keine Energiewende geben.

Bezüglich der heimischen Energieträger stammen 18 % der deutschlandweiten Stromerzeugung aus Brandenburg. Brandenburg ist eine der zentralen Säulen der Energieversorgung in der Bundesrepublik Deutschland. Deswegen sage ich: Hier in Brandenburg wird wesentlich mitentschieden werden, in welchem Tempo Systemintegration tatsächlich erfolgen kann und wird. Möglicherweise brauchen wir dazu auch einen breiten politischen Konsens.

Die Energiestrategie 2030 auf die Braunkohle zu reduzieren, da muss ich Ihnen den Vorwurf machen, dass Sie den politischen Schwerpunkt Systemintegration nicht erkennen bzw. nicht erkennen wollen. Ich kann im Gegensatz zu Ihnen heute nicht ausschließen, dass wir nach 2025 fossile Energieträger zur Sicherung der Versorgung benötigen. Deswegen steht das da auch so drin. Das mag Vielen politisch nicht passen. Das ist eine sehr schwierige Situation, insbesondere in den Dörfern; deswegen war ich auch dort. Dessen ist sich die Landesregierung auch bewusst. Das wird auch nicht kleingeredet. Würde ich eine andere Aussage treffen können, so würde ich es tun, aber ich kann es nicht. Das gehört zur Redlichkeit dazu. Das gehört auch zur Prognoseunsicherheit. Das gehört zur Wahrheit in der Energiewende, auch hier in Brandenburg.

(Vereinzelt Beifall DIE LINKE und SPD)

Meine Damen und Herren, lassen Sie mich bitte mit dem Vorurteil aufräumen, dass Strom aus fossilen Energieträgern unsere Leitungen blockiere. Wir haben 4 600 Megawatt Braunkohleleistung hier in Brandenburg - Jänschwalde und Schwarze Pumpe. Davon sind 3 400 Megawatt regelbar, und zwar mit einer Geschwindigkeit von 90 Megawatt pro Minute. Viel schneller ist ein Gaskraftwerk auch nicht - zumindest kein GuD-Kraftwerk -, weil man dort eine bestimmte Kapazitätsmenge vorhalten muss.

Das Problem besteht auch nicht darin, dass man zur Sicherung einer stabilen Energieversorgung fossile Energieträger im Netz hat, sondern darin, dass mittlerweile so viele erneuerbare Energien ohne Speichermöglichkeit erzeugt werden und man dadurch einen ständigen Ausgleich herbeiführen muss. Auch das ist eine Frage, über die man mal in Ruhe debattieren kann, weil man dann wieder zu Schlussfolgerungen kommt, was die Frage der Systemintegration betrifft.

Darüber hinaus werden wir die CO2-Emissionen auf ca. 25 Millionen t senken. Im Hinblick auf die Debatten zum Gaskraftwerk in Wustermark sage ich Ihnen jetzt schon: Ich weiß nicht, ob es kommen wird. Man kann jetzt so tun, als ob keine Entwicklungen im Land Brandenburg stattgefunden hätten. Aus unserer Analyse, die wir erstellt haben, geht hervor, dass wir auf 25 Millionen t kommen. Deswegen haben wir das auch gesagt. Deswegen davon zu sprechen, dass Klimaschutzziele aufgegeben würden - meine Damen und Herren, ich finde, das ist die Nichtwahrnehmung der Situation in Brandenburg, in der wir uns befinden, und eine politische Diskreditierung einer gemeinsamen Zielstellung.

Wir alle wollen, dass das 2-Grad-Ziel erreichbar wird. Da hat Brandenburg, haben Deutschland und Europa eine riesige Verantwortung. Aber es nützt herzlich wenig, so zu tun, als ob das ohne Schwierigkeiten ginge, als ob wir hier im Landtag entscheiden können: 2020 ist die Situation so. - Wissen Sie, das hatte ich früher schon einmal. Früher ist auch politisch entschieden worden, wie die Situation auszusehen hat. Ich sage Ihnen: Auf diesen Weg werde ich mich nie wieder begeben.

(Vereinzelt Beifall DIE LINKE und SPD)

Da stelle ich mich lieber einer öffentlichen Diskussion und mache die Widersprüchlichkeit deutlich und gehe dann auch davon aus, dass unterschiedliche Interessenlagen zu unterschiedlichen Bewertungen führen. Aber dafür ist eine Landesregierung da: eine Entscheidung über ein Zielszenario zu treffen.

Meine Damen und Herren, wir haben eine Energiestrategie vorgelegt, bezüglich derer wir ausgehen, in ihr unsere klimaschutzpolitischen Verpflichtungen und Entwicklungsmöglichkeiten bei Wertschöpfung, Beschäftigung und Strukturentwicklung des Landes Brandenburg dargestellt zu haben. Das war unsere Aufgabe.

Ich bin auf die weitere öffentliche Debatte gespannt und freue mich über die Diskussion. - Vielen Dank.

(Vereinzelt Beifall DIE LINKE und SPD)

Das Wort erhält noch einmal die SPD-Fraktion, für die die Abgeordnete Hackenschmidt spricht.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Bretz, ich wusste nicht, dass wir heute eine Deutschstunde haben; Herr Beyer hat es gleich fortgeführt, den Begriff „Strategie“ zu erklären. Ich finde, das Thema ist viel zu wichtig, als dass wir es uns erlauben könnten, nicht über die Fakten, sondern über

Lappalien, zum Beispiel darüber, was Strategiekonzepte etc. sind, zu reden. Es geht um den wichtigsten Saft des Wohlstandes. Es geht um den wichtigsten Saft, den wir brauchen, um unseren erreichten Fortschritt beizubehalten und nach vorn zu bringen.

(Vereinzelt Beifall SPD)

Herr Bretz, wenn Sie aus Ihrem Katalog Forderungen vorlesen, kann ich nur sagen: Ich wünsche mir, dass Sie sich einmal einen Nachmittag mit Frau Dr. Ludwig unterhalten, denn sie hat hier letztes Jahr einen Popanz von Staatswirtschaft an die Wand gemalt, von Dingen, die wir hier gar nicht haben. Die fordern Sie jetzt ein, dass nämlich die Landesregierung sagt, wo es langgehen soll.

(Lachen bei der CDU)