Protokoll der Sitzung vom 26.01.2012

nicht sinnvoll erachtet, haben wir hier bereits umfassend dargelegt und begründet.

Ich fasse es noch einmal kurz zusammen: Unabhängig davon, dass es selbst bei den Jugendlichen nicht auf große Leidenschaft stößt, ab 16 oder 17 wählen zu dürfen, erachten wir die Grenze ab 18 als zutreffend gewählt, denn erst dann ist man voll und unbeschränkt geschäftsfähig. Und wer wählt, trägt mit seiner Entscheidung genauso viel Verantwortung, wie derjenige, den er wählt.

(Zustimmung bei der CDU)

Mit den heute vorliegenden Gesetzesänderungen zum Kommunalwahlgesetz und zum Landeswahlgesetz wird mit diesem Grundsatz gebrochen, und das aktive und das passive Wahlrecht werden voneinander gelöst - das halten wir für falsch. Darum lehnen wir die Herabsetzung des Wahlalters wie auch schon die Verfassungsänderung in der letzten Plenarsitzung ab.

Die Sammlungsfrist bei Volksbegehren von vier auf sechs Monate zu verlängern trifft auf unsere Zustimmung. Auch dies haben wir schon begründet und dargelegt. Ebenso begrüßen wir hier die Möglichkeit der Briefwahl zur Teilnahme an der Volksabstimmung; diese Änderung ist gerade vor dem Hintergrund der Weiträumigkeit unseres Landes Brandenburg als fünftgrößtes Flächenland und der demografischen Veränderungen richtig und wichtig. So wird es auch zukünftig für Volksinitiativen einfacher, ein Volksbegehren zum Erfolg zu führen.

Meine Damen und Herren, lassen Sie mich am Ende noch etwas zum parlamentarischen Verfahren äußern, das wir hier erlebt haben. Obwohl es sich um drei verschiedene Gesetze handelt, fanden die Beratungen immer in Verbindung miteinander statt. Die Verknüpfung zwischen dem Wahlalter bei den Kommunalwahlen, dem Wahlalter bei den Landtagswahlen und den Rahmenbedingungen für Volksinitiativen führte zu einem großen Maß an Unübersichtlichkeit. In zahlreichen Ausschusssitzungen gab es Verwirrungen und Irritationen - die entsprechenden Synopsen hierzu wurden ja erst vor wenigen Tagen erstellt. Ich möchte für zukünftige Beratungen anregen, jeden Gesetzentwurf und jede Gesetzesänderung möglichst separat zu behandeln. Dies gilt natürlich ganz besonders für Verfassungsänderungen. - Ich danke Ihnen.

(Beifall CDU)

Vielen Dank, Herr Abgeordneter Lakenmacher. - Wir setzen die Aussprache mit dem Beitrag der SPD-Fraktion fort. Der Abgeordnete Richter hat das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Verehrte Gäste eines Gymnasiums! Zu diesem Tagesordnungspunkt haben wir heute die richtigen Gäste.

Wahlalter 16 und Volksabstimmungsgesetz - das sind die beiden Dinge, über die wir heute reden wollen. Kollege Lakenmacher hat es schon gesagt: Wir haben vor Weihnachten die Verfassung mit einer sehr großen Zustimmung folgendermaßen geändert: einmal die Absenkung des aktiven Wahlalters auf

kommunaler und Landesebene auf 16 Jahre - also wählen zu gehen, nicht gewählt zu werden - und bei der Volksgesetzgebung die Verlängerung der Eintragungsfrist von vier auf sechs Monate und hier ebenfalls die Möglichkeit für schon 16-Jährige, an Volksinitiativen, Volksbegehren, Volksentscheiden, Einwohneranträgen, Bürgerbegehren und Bürgerentscheiden teilzunehmen.

Heute wollen wir die entsprechenden Fachgesetze anpassen und weitere Details regeln. Lassen Sie mich zunächst zum Landeswahlrecht sprechen. Ausgangspunkt war ein Gesetzentwurf der FDP-Fraktion. Worum geht es? Wenn man das in Hinblick auf die Diskussion über das Wahlalter etwas umfassender betrachtet, stellt man fest: Es geht um die Frage, ob wir Jugendlichen, die 16 und 17 Jahre alt sind, zutrauen, eine Wahlentscheidung zu treffen. Ich glaube, auf kommunaler Ebene ist das gar keine Frage - es geht hier um Dinge der örtlichen Gemeinschaft, die in der Kommune, in der die Jugendlichen wohnen, leben, ihre Freizeit verbringen und zur Schule gehen, durch die kommunalen Vertreter zu regeln sind. Hier haben Jugendliche durchaus Kenntnisse, Erfahrungen, eigene Interessen und auch Vorschläge einzubringen, die sie jetzt durch die Wahrnehmung des Wahlrechts besser durchsetzen oder beeinflussen können.

Wir sind der Meinung, dass es heute keine Gründe mehr gibt, jungen Menschen mit 16 und 17 das Wahlrecht auf kommunaler und Landesebene zu verweigern. Wir alle haben ein Wahlrecht, und es muss gute Gründe geben, es bestimmten Personengruppen nicht zuzutrauen, eine Wahlentscheidung zu treffen; diese Gründe sehen wir heute nicht mehr. Auch die meisten Fragen, die auf Landesebene debattiert und entschieden werden, betreffen Jugendliche und können auch von Jugendlichen durchaus eingeschätzt werden.

Es geht oft um Schule, Hochschule, Infrastruktur wie Busse und Bahnen. Das sind durchaus Themen, die man erkennen kann. Es gibt eine umfangreiche Berichterstattung fast sämtlicher Medien über das, was wir hier machen. Es gibt viele Informationsmöglichkeiten, um sich eine Meinung zu bilden.

Die sehr umfängliche Anhörung zu diesem Thema hat mit großer Mehrheit diese Position bestätigt. Wir alle reden häufig davon, Jugendliche besser als bisher in Entscheidungsprozesse einzubeziehen, sie mehr als bisher zu interessieren, am gesellschaftlichen Leben aktiv teilzunehmen. Jugendlichen das aktive Wahlrecht zu geben ist daher ein folgerichtiger Schritt.

Ich möchte betonen: Es geht um das Wahlrecht. Wir sprechen hier nicht über eine Wahlpflicht. Wir tun so, als würden wir die Jugendlichen an die Wahlurne zwingen. Das machen wir eben nicht, sondern wir eröffnen eine Möglichkeit, sich zu beteiligen. Aktive Jugendliche, die sich politisch interessieren und das gern ausüben möchten, können das tun. Das konnten sie bisher nicht.

(Beifall SPD und DIE LINKE)

Man hört manchmal Befürchtungen, Jugendliche wären eventuell anfälliger für extremistische Bestrebungen und Überlegungen und würden das in ihren Wahlen kenntlich machen oder sie wären noch nicht reif genug. Dem möchte ich widersprechen. In einer ganzen Reihe von Bundesländern gibt es das kommunale Wahlrecht mit 16 Jahren schon seit einigen Jahren. In keinem der Bundesländer ließ sich so eine Tendenz ablesen.

Jugendliche mit 16 und 17 Jahren wählen nicht wesentlich anders als Jugendliche oder junge Menschen, die 18 oder 23 Jahre alt sind. Es gibt keine großen Unterschiede. Das alles kann man empirisch nachlesen.

Die Sorgen sind nicht begründet. Natürlich sorgt die Einräumung des aktiven Wahlrechts für Jugendliche allein noch nicht für eine bessere Teilnahme der Jugendlichen am gesellschaftlichen Leben. Hier haben wir alle gemeinsam eine Aufgabe, junge Leute zu informieren, sie zum Mitmachen zu gewinnen, damit sie dieses Recht wahrnehmen wollen. Im Landesjugendplan wurden deshalb 250 000 Euro für Demokratie und Beteiligung eingestellt, um genau diese Anstrengungen zu unterstützen, vorrangig an Schulen, weil 16- und 17-Jährige in aller Regel an Schulen sind. Insofern sollen dort Maßnahmen gefördert werden, um dieses Recht erlebbar zu machen.

In den Vorbereitungen auf die Gesetzesänderung zum aktiven Wahlalter bei Kommunalwahlen gab es eine Mehrheit von vier Fraktionen und damit eine große Mehrheit hier im Landtag. Für eine Gesetzesänderung beim Wahlalter von 16 Jahren auf Landesebene waren drei Fraktionen. Das zeigt eine große Zustimmung zu diesem Thema. Heute gibt es die Möglichkeit, diese Mehrheit zu verbessern.

Lassen Sie mich nun auf das Volksabstimmungsgesetz zu sprechen kommen. Ausgangspunkt war ein Gesetzentwurf von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Es gab relativ schnell weitgehende Einigkeit darüber, dass wir die Möglichkeiten der direkten Demokratie verbessern wollen. Es gab allerdings eine ganze Reihe von Unterschieden über das Ausmaß der Veränderungen und über die Art der einzelnen Maßnahmen. Das ist bei so einem Thema verständlich. Es ist gut, ausführlich darüber zu diskutieren.

Die Bandbreite der Meinungen war groß. Während die einen das bestehende Gesetz, das wir jetzt haben, für gut befinden, es für bewährt und ausreichend halten, konnte die Auswertung der Möglichkeiten den anderen gar nicht weit genug gehen. Was genau wird nun vorgeschlagen? Was wird anders sein, wenn wir das Gesetz heute beschließen?

Es wird erstens mehr Stellen geben, bei denen man seine Stimme abgeben und sein Kreuz machen kann. Bisher war Abstimmungsbehörde nur der Oberbürgermeister. Neu ist: Es können weitere Amtsräume bestimmt werden, in denen man seine Stimme abgeben kann. Es gab in der Vergangenheit durchaus Kritik. Die Eintragung darf auch vor einem ehrenamtlichen Bürgermeister, vor einem Notar und einer anderen zur Beglaubigung ermächtigten Stelle erfolgen. Das klingt sehr bürokratisch. Gemeint sind hier zum Beispiel Sparkassen, Schulen, Kitas, Bibliotheken. Auch dort wird man in Zukunft abstimmen können. Das wird die Abstimmungsmöglichkeiten deutlich verbessern. Neu ist, dass die Überprüfung anhand des Melderegisters erst im Nachgang erfolgen muss und nicht schon während der Stimmabgabe. Das ist eine Erleichterung des Verfahrens.

Zweitens würde die Möglichkeit der brieflichen Eintragung geschaffen. Herr Kollege Lakenmacher hat das schon erwähnt. Das ist ein bewährtes, ein geübtes Instrument aus dem Wahlrecht. Das wird auch die Möglichkeiten verbessern. Die Beantragung des Eintragungsscheines - die Unterlagen, die geschickt werden - kann schriftlich, mündlich, per E-Mail oder per Tele

fax erfolgen. Hier gibt es eine breite Palette, an die Unterlagen zu kommen.

Drittens ist der Kreis der Abstimmungsberechtigten auf 16-Jährige erweitert worden. Das habe ich schon gesagt.

Viertens wurde die Eintragungsfrist von vier auf sechs Monate verlängert. Auch das haben wir schon angesprochen.

Fünftens - hierauf möchte ich etwas ausführlicher eingehen werden die Bürger besser informiert als vorher. Bisher wurde lediglich bekanntgegeben, dass ein Volksbegehren stattfindet, und die Namen und Anschriften der Vertreter dieses Begehrens wurden veröffentlicht. Jetzt erhält jede abstimmungsberechtigte Person zusammen mit der Benachrichtigung von der Abstimmungsbehörde eine Mitteilung des Landtagspräsidenten. Dort sind enthalten der Wortlaut der Initiative, die Vertreter der Initiative, die Stellungnahmen, also die Begründung der Volksinitiative. Neu werden enthalten sein die Stellungnahme der Landesregierung und gegebenenfalls die des Landtages zu dieser Initiative. Das heißt: Der Bürger, der sich entscheiden will, hat alle Möglichkeiten, sich über das Für und Wider einer gewissen Fragestellung, über Argumente, Gegenargumente, Kosten zu informieren. Alles das wird in Zukunft hoffentlich in solchen Unterlagen enthalten sein. Man kann sachkundiger als vorher entscheiden.

Das sind fünf wesentliche Verbesserungen des Volksabstimmungsgesetzes. Wir sollten diese Verbesserungen nicht kleinreden. Sie sind erheblich, und wir freuen uns, dass wir es so weit gebracht haben.

(Beifall SPD und DIE LINKE)

Die Elemente der direkten Demokratie sind für uns eine willkommene, eine gewollte Ergänzung der parlamentarischen Demokratie. Sie werden sie nicht ersetzen. Das geht auch gar nicht.

Ein kurzer Nachklang: Im Verlauf der doch sehr emotional geführten Debatte zu diesem Thema wurden wir hier dafür kritisiert, dass wir so lange gebraucht haben. Ich sage: Wir haben das Thema sehr ausführlich debattiert. Eine Fraktion mit 30 Abgeordneten und einem Koalitionspartner mit fast noch einmal so vielen Abgeordneten braucht vielleicht ein bisschen länger, solche Prozesse zu debattieren, als eine etwas kleinere Fraktion. Es gab immer wieder auch die Meinung, Entscheidungen, die im Rahmen eines direkten demokratischen Verfahrens zustande kommen, seien demokratischer als die, die in parlamentarischen Verfahren zustande kommen. Das stimmt natürlich nicht. Man muss sich einmal mit wissenschaftlichen Meinungen zu dem Thema befassen, die anders als die eigene Position sind. Wenigstens muss man sie zur Kenntnis nehmen.

Ich will auf die Beilage der Wochenzeitung „Das Parlament“ verweisen, die wir alle erhalten. Die Oktoberausgabe war dem Thema gewidmet: „Politik und Zeitgeschichte“. Das ist genau unser Thema. „Demokratie und Beteiligung“ heißt das ganze Heft. In der Beilage gibt es einen Beitrag von Herrn Prof. Dr. Wolfgang Merkel, der Professor für vergleichende Politikwissenschaften und Demokratieforschung an der Humboldt-Universität zu Berlin ist. Ich möchte nur einen Satz aus seinem Beitrag zitieren und dann auch aufhören. In einem langen Arti

kel kommt er zu dem Ergebnis, Volksabstimmungen seien im Kern ein Instrument für die mittleren und oberen Schichten unserer Gesellschaft. Wer geht zu Volksabstimmungen hin? Die Interessierten, die Gutsituierten, die Gebildeten. Die hätten jetzt ein besseres Instrument, ihre Meinung zu verwirklichen, was er ausführlich in seinem Bericht beschreibt. Er schreibt: Nicht mehr, sondern weniger Demokratie würde gewagt werden, wenn man das ausweiten würde. Ich gebe zu, das ist eine extreme Meinung, aber es ist eine wissenschaftliche Meinung, die man in seinem Kopf wenigstens auch bewegen muss, wenn man sich entscheidet.

Deshalb finde ich, dass wir einen guten Kompromiss gefunden haben zwischen den Extremen auf der einen und denen auf der anderen Seite. Ich bin sicher, dass all diejenigen, die ihre Meinung per Volksabstimmung zum Ausdruck bringen wollen, das besser als vorher tun können.

(Beifall SPD und DIE LINKE)

Vielen Dank, Herr Abgeordneter Richter. - Wir setzen die Aussprache mit dem Beitrag der FDP-Fraktion fort. Die Abgeordnete Teuteberg erhält das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Kollegen! Ich muss gestehen: Mich verwirrt die drangvolle Enge hier auf der Straße der Jugend, die Sie an den Tag legen. Ich hätte gedacht, wir haben das Thema zur Genüge in vielen Debatten behandelt und alle wesentlichen Argumente ausgetauscht. Aber offensichtlich ist das Thema nach jahrelangem Überlegen jetzt so wichtig, lieb und teuer geworden, dass wir es ausführlich behandeln müssen.

(Frau Stark [SPD]: Ja, natürlich!)

Die Begeisterung für die Jugend wächst bei manchen bekanntlich mit dem Alter an. Manche haben da Erfahrungen aus der Zeit, als das Blauhemd eher schon über dem Bauchansatz spannte, mit Jugendfreunden und Berufsjugendlichen.

(Kuhnert [SPD]: Manche sind schon in der Jugend alt! Das ist schlimmer! - Beifall SPD und DIE LINKE)

Mich hat immerhin die Flexibilität begeistert, die die Sozialdemokraten an den Tag legen, dass sie sich durch unseren Gesetzentwurf jetzt zu mehr begeistern lassen, als sie ursprünglich überhaupt als Prüfauftrag vorgesehen haben. Das ist immerhin schön. Ich glaube, wir werden auch scharf nachdenken müssen, ob wir sie in der einen oder anderen Frage zu so viel Umkehr und Neubesinnung motivieren können. In der Sache kommen wir allerdings mit Ihrer Radikalität nicht mit. Das habe ich schon einmal dargelegt.

Ich möchte zwei persönliche Anmerkungen machen. Der Ministerpräsident hat es vor kurzem für nötig erachtet, mir zu unterstellen, ich gehörte zu denen, die gern Minderjährige zu Demonstrationen aufwiegeln, bei denen sie Politiker unflätig beschimpfen. Ich weiß nicht, von wem er sich da informieren ließ.

(Frau Melior [SPD]: Klingt auch so, als ob es nicht stimmt!)

Ich weiß nur, dass er gut daran täte, sich besser zu informieren. Denn es gibt keine solche Aussage - weder von mir noch von meiner Fraktion -, in der irgendwie dazu aufgefordert würde, 10- oder 12-Jährige vor den Landtag zu schicken.

(Beifall FDP)

Allerdings teilen wir die Ziele dieser Initiativen. Da haben offenbar Sie mehr Probleme mit direkter Demokratie.

Wir teilen die Ziele der Initiativen für den Erhalt freier Schulen. Aber Sie würden unseren Einfluss diesmal doch sehr überschätzen, wenn Sie meinten, wir seien in der Lage, die Aktionsformen dieser Initiativen zu beeinflussen. Da suchen engagierte Bürgerinnen und Bürger ihre eigenen Formen des Protests. Und weder brauchen noch wollen sie dafür unsere Zustimmung.

(Beifall FDP)

Ich will aber gern zugestehen, dass auch ich manche Bedenken habe, wenn Kinder in politische Auseinandersetzungen geschickt werden sollen, und sei es nur bei Demonstrationen. Da mag es auch Auswüchse geben; das ist aber nicht Sache der FDP. Ganz offensichtlich unterlag der Ministerpräsident hier einer Fehlinterpretation, da ihm sonst keine Argumente einfielen.