Protokoll der Sitzung vom 26.01.2012

Ich will aber gern zugestehen, dass auch ich manche Bedenken habe, wenn Kinder in politische Auseinandersetzungen geschickt werden sollen, und sei es nur bei Demonstrationen. Da mag es auch Auswüchse geben; das ist aber nicht Sache der FDP. Ganz offensichtlich unterlag der Ministerpräsident hier einer Fehlinterpretation, da ihm sonst keine Argumente einfielen.

Ich finde es wiederum merkwürdig, wenn ich hier dafür gescholten werde, 16-Jährigen angeblich zu wenig zuzutrauen, andererseits aber ständig höre, dass die Spindoktoren von Rot-Rot mein Auftreten hier nicht altersgemäß fänden, etwa mit der Bemerkung: „Die ist ja verdammt jung für ihr Auftreten.“

(Beifall FDP und vereinzelt CDU)

Herr Ness, da würde mich doch interessieren: Soll man mit 16 wählen dürfen, aber anschließend wieder ein paar Jahre den Mund halten? Muss man erst „2 mal 16“ sein, um es überhaupt wagen zu dürfen, einen Gedanken zum Besten zu geben?

Ich muss Sie enttäuschen: Auch mit 16 plus 14 nehme ich mir das Recht heraus, eine eigene Position zu vertreten.

(Beifall FDP, CDU und GRÜNE/B90 - Frau Alter [SPD]: Nun zum Thema!)

Wir haben immer deutlich gemacht - auch in unserem schon lange vorliegenden Gesetzentwurf -, dass das Wahlrecht ab 16, das wir auf kommunaler Ebene befürworten und beantragen, kein Allheilmittel ist. Dass es von politischer Bildung begleitet werden muss, das ist sehr richtig. Da wäre aber schon viel gewonnen, wenn Sie selbst die Anstrengungen der Landeszentrale ernst nähmen, die übrigens gerade das Thema „Dritte Generation Ost“ zu ihrem Gegenstand macht; dabei geht es um die Erfahrungen und Sichtweisen der zwischen 1975 und 1985 in Ostdeutschland Geborenen.

Zum anderen fand ich es interessant, dass Herr Holzschuher uns gesagt hat, man könne mit 16 Jahren heiraten. Ich musste noch einmal nachschauen. Mit 16 habe ich mir darüber keine Gedanken gemacht. Ich weiß nicht, in welches Gesetz Sie schauen, Herr Holzschuher, wenn Sie Ihre Mandanten beraten; ohne Weiteres ist das Heiraten mit 16 jedenfalls nicht möglich.

Dafür braucht man schon die Zustimmung des Familiengerichtes.

(Beifall FDP und CDU - Holzschuher [SPD]: Danach gilt man aber als volljährig!)

Ich weiß nicht, ob Sie das beim Wahlakt auch so machen wollen. Vergleiche können hilfreich sein. „Im Kopf bewegen“, wie Herr Richter sagte, wäre gut. Aber sie müssen natürlich, um zu überzeugen, wenigstens einer einfachen Schlüssigkeitsprüfung standhalten.

(Beifall FDP und CDU)

Was die eingebrachten Vorschläge zur Volksgesetzgebung angeht, ist mir gesagt worden, Herr Vogel habe sie als bürokratisches Monster bezeichnet. Und, Herr Richter: Es klingt nicht nur so, es ist auch bürokratisch; da hat Herr Vogel Recht. Ich verstehe dann allerdings nicht ganz, warum man einer solchen Regelung zustimmen will. Geht das nach dem Motto: „Der Zweck heiligt die Mittel“? Wenn es tatsächlich ein überflüssiger, ressourcenintensiver Umweg ist, der hier vorgeschlagen wird und auf den Sie Bürger und Verwaltung schicken wollen, dann sollten Sie sich dem konsequenterweise verweigern. Dieses Land ist bereits heute voll von bürokratischen Regelungen, die viel Geld kosten. Ich erinnere nur an das Vergabegesetz und die Millionen, die nicht etwa an schlecht bezahlte Arbeitskräfte, sondern in die Bürokratie fließen. Unsere grünen Partner in der Opposition scheinen aber unbedingt dabei sein zu wollen, auch wenn es eine bürokratische Zumutung ist. Wir erwarten ein gewisses Maß an Qualität, auch von der Regierung. Und nur, wenn vernünftige Vorschläge auf dem Tisch liegen, die unbürokratisch sind, werden wir ihnen zustimmen.

Noch einmal: Wir haben kein Problem, wenn Sie jetzt meinen, weitergehen zu müssen, und wenn Sie das auch öffentlich gut untersetzen. Wir stehen zu unserer Initiative für ein Wahlrecht ab 16 und zum dafür vorgelegten Gesetzentwurf. Wir wollen auch mehr direkte Demokratie. Wir stehen aber ebenso für handwerkliche Präzision und Augenmaß. Deshalb werden wir uns hier enthalten. - Danke.

(Beifall FDP - Frau Stark [SPD]: Zum Thema haben Sie nicht viel gesagt!)

Vielen Dank, Frau Abgeordnete Teuteberg. - Die Aussprache wird nunmehr mit dem Beitrag der Fraktion DIE LINKE fortgesetzt. Der Abgeordnete Dr. Scharfenberg hat das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Das Land Brandenburg will die demokratischen Beteiligungsmöglichkeiten für die Bürger stärken und der unmittelbaren Demokratie höheres Gewicht geben. Das hat sich die rot-rote Koalition vorgenommen.

Nach zögerlichem Beginn und mancher Unterbrechung, vielfach kritisiert, hat die Diskussion um die Weiterentwicklung der Volksgesetzgebung im Land Brandenburg deutlich an Fahrt

gewonnen. Die erste Hürde haben wir im Dezember genommen, indem die notwendige Änderung der Landesverfassung mit der erforderlichen qualifizierten Mehrheit beschlossen worden ist; das sollte man nicht kleinreden.

Ich will mich an dieser Stelle ausdrücklich bei den Mitgliedern der Fraktion der Grünen, insbesondere bei Frau Nonnemacher, bedanken, die bei diesem Thema konsequent das inhaltliche Anliegen in den Mittelpunkt gestellt und parteipolitische Egoismen beiseite gelassen hat. Wir alle wissen, dass das nicht selbstverständlich ist.

(Beifall DIE LINKE, SPD und GRÜNE/B90)

Heute wird es konkreter als im Dezember. Wir diskutieren über den Gesetzentwurf der FDP-Fraktion zum Wahlalter ab 16 bei Kommunalwahlen, auch wenn man immer wieder den Eindruck gewinnt, dass die FDP es mit ihrem Gesetzentwurf und allem, was sich damit verbindet, gar nicht ernst meint. Das hat Frau Teuteberg nachdrücklich unterstrichen, indem sie über alles Mögliche gesprochen hat, bloß nicht über dieses Anliegen, und indem sie sich in für mich sehr fragwürdige Konstruktionen verstrickt hat.

(Beifall DIE LINKE und SPD)

Wir diskutieren über den Gesetzentwurf von SPD, Linken und Grünen zur Senkung des Wahlalters bei Landtagswahlen und über den Gesetzentwurf der Grünen zur Änderung der Volksgesetzgebung. Das ist ein bunter Strauß. Gerade bei diesem Thema finde ich es sehr gut, dass das so breit angelegt ist.

Alle diese Vorlagen sind lange und gründlich diskutiert worden. Eigentlich wollten wir sie schon im Dezember beschließen. Es war aber richtig, dass wir die zeitliche Trennung zwischen der Verfassungsänderung und den gesetzlichen Regelungen vorgenommen haben. Außerdem hatte das den Vorteil, dass noch nachgebessert und konkretisiert werden konnte, was angesichts der komplizierten Materie nicht ungewöhnlich ist.

Bei allen Kontroversen, die es zwischen den Fraktionen gibt, besteht zwischen uns doch eine grundsätzliche Übereinstimmung: Alle setzen sich dafür ein, dass die laufenden Volksinitiativen in der zu erwartenden Phase des Volksbegehrens von den verbesserten Regelungen der Volksgesetzgebung profitieren können. Dieses allgemeine Interesse zeugt zugleich davon, dass mit den neuen Regelungen tatsächlich verbesserte Chancen für wirksame Volksbegehren verbunden werden; das ist ja erst einmal gut.

Zudem verbindet sich damit die Möglichkeit, zeitnah einen ersten Praxistest durchzuführen. Daraus können Schlussfolgerungen abgeleitet werden, ob es nicht doch noch Möglichkeiten gibt, das jetzt vorgesehene Verfahren zu vereinfachen. Ich beziehe mich hierbei ausdrücklich auf das kürzlich eingegangene Schreiben des Städte- und Gemeindebundes, der auf Vereinfachungsmöglichkeiten aufmerksam macht.

Meine Damen und Herren! Es ist kein Geheimnis, dass wir mehr wollten. Wir hätten gern die Schwelle zur freien Sammlung überschritten; das war mit unserem Koalitionspartner nicht möglich. Aber es ist uns gelungen, den Spielraum für die amtliche Eintragung sehr weit auszureizen. Das ist, ohne es schönreden zu wollen, ein deutlicher Fortschritt.

Jetzt kommt es darauf an, welche Resonanz die erweiterten Regelungen finden:

Wie bewährt sich die Option der brieflichen Eintragung, die es bisher nicht gab und die eine Erleichterung für die Bürger sein soll?

Wie nutzen die Kommunen die wesentlich größeren Spielräume, die sich im Rahmen der amtlichen Eintragung durch die Bereitstellung zusätzlicher Eintragungsstellen ergeben? Bisher war die Einrichtung zusätzlicher Räume mit erheblichem technischem Aufwand verbunden, um den unmittelbaren Abgleich mit den Einwohnermelderegistern zu gewährleisten. Diese Vorschrift gilt künftig nicht mehr. Aber wir ermöglichen nur etwas, wir schreiben es nicht vor.

Wie verhalten sich die Sparkassen zur Nutzung ihrer Räumlichkeiten als Eintragungsstellen?

Wie aktiv sind ehrenamtliche Bürgermeister, die mit der Gesetzesänderung kraft ihres Amtes zu Eintragungsstellen erklärt werden?

Zweifellos ist auch die Verlängerung des Eintragungszeitraums von vier auf sechs Monate eine echte Verbesserung; denn dieser längere Zeitraum erhöht die Chance auf das Erreichen des Quorums. Zugleich kann natürlich schon früher abgerechnet werden, wenn die notwendige Zahl an Unterschriften zusammengekommen ist.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Innenausschuss hat sich bekanntlich im vergangenen Jahr vor Ort - in der Schweiz - einen Überblick über das Funktionieren der unmittelbaren Demokratie verschafft. Wir haben gesehen, wie dieses System auf Landesebene, in den Kantonen und den Kommunen funktioniert, und unsere Schlussfolgerungen gezogen. Wir haben tiefe Eindrücke gesammelt. Das widerspiegelt sich konkret in der Übernahme des in der Schweiz als Argumentarium bezeichneten Erklärungsbedarfs bei Volksentscheiden. Wir waren uns alle einig, dass wir in diese Richtung etwas tun wollen.

Der Gesetzentwurf enthält nunmehr klare Vorgaben für die entsprechenden Stellungnahmen, die von der Initiative, dem Landtag und der Landesregierung unmittelbar in den Volksentscheid eingespielt werden können. Damit gibt es noch keine Erfahrungen, da in Brandenburg bisher nur zweimal ein Volksentscheid stattfand: der zur Landesverfassung und der zum Fusionsstaatsvertrag mit Berlin.

Hier galten ja gesetzliche Vorgaben für die Durchführung des Entscheids. Es gab also keine Volksinitiative und auch nicht das Erfordernis einer inhaltlichen Stellungnahme durch die Verfassungsorgane.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, im Land Brandenburg sollen künftig junge Menschen ab dem Alter von 16 Jahren wahlberechtigt sein. Sie sollen mit ihrer eigenen Stimme darauf Einfluss nehmen können, wer für die Bürger und anstelle der Bürger ihrer Gemeinde oder ihres Landkreises in der Kommunalvertretung sitzt und wer Bürgermeister oder Landrat wird. Damit übernehmen wir etwas, was in anderen Ländern schon praktiziert wird.

Aber wir gehen weiter. Wir trauen den 16- und 17-Jährigen auch zu, über die Zusammensetzung des Landtages mit zu ent

scheiden. Hier betreten wir Neuland. Wir gehen diesen Schritt mit dem Willen und der optimistischen Erwartung, dass damit die Interessen junger Menschen ein höheres Gewicht in der Landespolitik erhalten.

(Beifall DIE LINKE)

Das ist nicht zuletzt vor dem Hintergrund der demografischen Entwicklung ein folgerichtiger Schritt. Wir haben uns seit langem für die Senkung des Wahlalters eingesetzt, und Frau Teuteberg haben wir dazu nicht gebraucht, als wir in den 90er-Jahren diesen Antrag schon einmal eingebracht haben. Unter RotSchwarz war ein solcher Fortschritt nicht möglich,

(Beifall der Abgeordneten Kaiser [DIE LINKE])

da sich die CDU - wie auch heute noch - dagegengestellt hat. Erst mit Rot-Rot ist dieser Durchbruch möglich, und darüber, meine ich, können wir uns alle freuen. - Danke schön.

(Beifall DIE LINKE und SPD)

Vielen Dank, Herr Abgeordneter Dr. Scharfenberg. - Wir setzen die Debatte mit dem Beitrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN fort. Die Abgeordnete Nonnemacher hat das Wort.

Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Gäste! Wir beraten heute abschließend über die Änderung des Landes- und Kommunalwahlgesetzes und über das Volksabstimmungsgesetz. Durch die am 15. Dezember mit der erforderlichen breiten Mehrheit beschlossene Verfassungsänderung wurde ja bereits der Weg für die Einführung des aktiven Wahlrechts mit 16 freigemacht. Wir Grünen haben dies immer vorbehaltlos unterstützt und freuen uns, dass Brandenburg mit dem Wahlalter 16 auf Landesebene als erstes Flächenland in der Bundesrepublik ein Zeichen für mehr Demokratie und Beteiligung setzt.

(Beifall GRÜNE/B90, SPD sowie DIE LINKE)

Leider ist dieses Zeichen bei der Volksgesetzgebung, bei der direktdemokratischen Beteiligung nicht gesetzt worden. Brandenburg hat sich nicht wie beim Wahlalter an die Spitze der Bewegung gesetzt, sondern dümpelt mit seinen zaghaften Reförmchen weiterhin im hinteren Drittel nach einem vom Verein Mehr Demokratie e. V. erarbeiteten Ranking dahin. Dabei wäre ein kräftiges und mutiges Signal durchaus angebracht gewesen.

Seit der Annahme der als besonders bürgerfreundlich angesehenen Verfassung 1992 hat es im Land noch nie einen Volksentscheid gegeben. Das liegt nicht etwa am Desinteresse der Brandenburger Bevölkerung oder an einer zu verzeichnenden Demokratiemüdigkeit, weit gefehlt. Nirgendwo in Deutschland sind so viele Volksinitiativen gestartet worden wie in Brandenburg. Doch spätestens auf der zweiten Stufe des dreistufigen Volksgesetzgebungsprozesses ist regelmäßig Schluss. Die eingeleiteten Volksbegehren haben die Hürden nicht nehmen können.

Unsere Fraktion hat im Februar 2011 Gesetzentwürfe zur Stärkung der direkten Demokratie vorgelegt, die einen wirklich substanziellen Fortschritt ermöglicht hätten. Freie Unterschrif