Protokoll der Sitzung vom 26.01.2012

Unsere Fraktion hat im Februar 2011 Gesetzentwürfe zur Stärkung der direkten Demokratie vorgelegt, die einen wirklich substanziellen Fortschritt ermöglicht hätten. Freie Unterschrif

tensammlungen, weitgehende Aufhebung des Themenausschlusskatalogs, die Streichung des Zustimmungsquorums beim einfachgesetzlichen Volksentscheid, Senkung des Quorums beim verfassungsändernden Volksentscheid, erleichterte Synchronisation von Wahlen und Abstimmungen, Verlängerung der Sammelperiode und Versand von Informationsbroschüren zum Gegenstand des anstehenden Volksentscheids - mit diesem Bündel an Instrumenten hätte Brandenburg seine rote Laterne unter den ostdeutschen Ländern in Sachen direkte Demokratie loswerden und sich wie beim Wahlalter ganz nach vorne bewegen können. Doch diese Chance wurde nicht genutzt.

Nach einem inhaltlich ermutigenden Auftakt mit einer sehr ambitionierten Reise des Innenausschusses in die Schweiz, nach Auseinandersetzung mit vielen direktdemokratischen Elementen dort und nach einer gehaltvollen Anhörung im Juni ist eine differenzierte Debatte eigentlich nie richtig in Gang gekommen. Während wir Grünen Anregungen aus der Anhörung aufgegriffen und Änderungs- bzw. Verbesserungsvorschläge zu unseren eigenen Gesetzentwürfen formulierten, zum Beispiel den Beratungsanspruch für Volksinitiativen, das Offenlegen von Sponsorengeldern oder die Vornahme einer Kostenabschätzung, wurde das Thema durch die Blockadehaltung der SPD ein ums andere Mal von der Tagesordnung genommen. Mit dem dann von den Koalitionsfraktionen präsentierten Minimalkompromiss kann niemand richtig zufrieden sein. Um einen wirklichen Fortschritt in Sachen direkter Demokratie zu erzielen, wäre wenigstens die Einführung der freien Unterschriftensammlung im Stadium des Volksbegehrens nötig gewesen.

(Beifall GRÜNE/B90 und FDP)

Diese ist in allen ostdeutschen Bundesländern und in Berlin erlaubt und ist auch im großen Flächenland Brandenburg erforderlich.

Der obligatorische Amtseintrag ist das größte Hemmnis für Volksbegehren. Die jetzt vorgeschlagenen Regelungen mit der Eröffnung weiterer Abstimmungsräume in Kitas, Sparkassen oder Bibliotheken bei Bedarf sind umständlich und willküranfällig. Welche Kommune wird sich schon gerne selber Arbeit machen und Aufsichtspersonal abstellen? Wer stellt den Bedarf fest? Außer in den Gemeinden, die vom Fluglärm betroffen sind, werden diese Regelungen auf wenig Gegenliebe stoßen. Da durch die Möglichkeit weiterer Abstimmungsräume sowieso der sofortige Abgleich mit dem Melderegister nicht mehr möglich ist und nachträglich erfolgen muss, hätte auch gleich die freie Sammlung eingeführt werden können. Auch der sogenannte Briefeintrag auf Antrag ist unter die Rubrik „Groteske Abwehrkämpfe gegen die freie Sammlung“ einzuordnen.

Wir Grünen haben länger überlegt, ob wir uns zu dem, was Sie aus unseren Gesetzentwürfen gemacht haben, enthalten sollen. Gemäß dem Motto „Lieber den Marienkäfer in der Hand als die Taube auf dem Dach“ werden wir mit etwas gequältem Lächeln zustimmen. Die Debatte um die direkte Demokratie ist damit nicht beendet. Sie hat gerade erst begonnen.

(Beifall GRÜNE/B90 und FDP)

Die Bundes-SPD hat das auf ihrem Parteitag im Dezember erkannt. Die Brandenburger Sozialdemokraten sind da noch nicht so weit.

(Beifall GRÜNE/B90 und FDP)

Vielen Dank, Frau Abgeordnete Nonnemacher. - Wir setzen die Aussprache mit dem Beitrag der Landesregierung fort. Herr Minister Dr. Woidke hat das Wort.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! In wenigen Wochen finden in den Gemeinden Nordwest-Uckermark - am 4. März 2012 - und Schöneiche bei Berlin - am 22. April 2012 - Bürgermeisterwahlen statt. Die Jugendlichen im Alter von 16 und 17 Jahren können dann über ihren neuen hauptamtlichen Bürgermeister mitbestimmen. Dafür hat der Landtag im vergangenen September gesorgt, als er das Gesetz zur Änderung der Verfassung des Landes Brandenburg beschlossen und das aktive Landtags- und Kommunalwahlrecht auf 16 Jahre abgesenkt hat.

Die vorliegenden Gesetzentwürfe zur Änderung des Landeswahlgesetzes und des Kommunalwahlgesetzes beinhalten ausschließlich die Absenkung des Mindestalters für das aktive Landtags- und Kommunalwahlrecht auf 16 Jahre. Sie zeichnen also die durch die Änderung der Landesverfassung bestehende Rechtslage nach. Das Land Brandenburg ist das erste bundesdeutsche Flächenland, in dem 16- und 17-Jährige auch das aktive Landtagswahlrecht besitzen.

Herr Lakenmacher, ein Zitat aus Ihrer Rede habe ich mir gemerkt. In der Tat, ich denke, das ist ein richtiger und wichtiger Schritt. Auf die anderen Aspekte sind netterweise die Abgeordneten Richter und Scharfenberg schon eingegangen. Deswegen kann ich mir diese Zeit sparen. - Danke schön.

(Beifall SPD und DIE LINKE)

Vielen Dank, Herr Minister Dr. Woidke. - Wir sind damit am Ende der Aussprache angelangt und kommen zur Abstimmung.

Erstens: Beschlussempfehlung des Ausschusses für Inneres, Drucksache 5/4627, „Erstes Gesetz zur Änderung des Brandenburgischen Landeswahlgesetzes“.

Wer dieser Beschlussempfehlung Folge leisten möchte, den bitte ich um das Handzeichen. - Wer ist dagegen? - Enthaltungen? - Bei einer Enthaltung und mit einer deutlichen Mehrheit ist dieses Gesetz verabschiedet.

Wir kommen zur Beschlussempfehlung auf Drucksache 5/4638, einer Beschlussempfehlung des Hauptausschusses; es geht um das 3. Gesetz zur Änderung des Kommunalwahlgesetzes. Wer dieser Beschlussempfehlung Folge leisten möchte, den bitte ich um das Handzeichen. - Wer ist dagegen? - Enthaltungen? Bei einer Enthaltung ist dieses Gesetz dennoch mit deutlicher Mehrheit verabschiedet.

Drittens, Beschlussempfehlung auf Drucksache 5/4639, eine Beschlussempfehlung des Hauptausschusses; es geht um das 1. Gesetz zur Änderung des Volksabstimmungsgesetzes. Wer dieser Beschlussempfehlung Folge leisten möchte, den bitte ich um das Handzeichen. - Wer ist dagegen? - Enthaltungen? Sie ist einstimmig verabschiedet.

Ich beende Tagesordnungspunkt 3 und rufe Tagesordnungspunkt 4 auf:

Behindertenpolitisches Maßnahmenpaket für das Land Brandenburg (gemäß Beschluss des Landtages Brandenburg vom 25.02.2010 - Drs. 5/493-B)

Maßnahmenpaket der Landesregierung

Drucksache 5/4363

Ich eröffne die Aussprache mit dem Beitrag der Landesregierung. Herr Minister Baaske hat das Wort.

Frau Vizepräsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Ich will das Maßnahmenpaket hier nicht noch einmal in aller Breite darstellen, weil ich denke, dass es die Kollegen, die sich dafür interessieren, gelesen haben. Es gab auch schon eine schöne Diskussion dazu. Viele Veranstaltungen haben wir zu diesem Maßnahmenpaket geführt. Wir hatten fünf Regionalkonferenzen, haben also auch vieles von dem mitgenommen, was uns dort entgegengebracht wurde.

Ich will die Gelegenheit nutzen, all denen, die daran teilgenommen haben - Verbände und Vertreter von Organisationen -, zu danken. Ich will aber auch ganz besonders meinen Ressortkollegen danken. Ich würde nicht sagen, dass es problematisch war, selbst den Justizminister, die Umweltministerin, die Bildungsministerin - wen auch immer - dafür zu begeistern, hier mitzumachen, also auch in den Ressorts zu schauen, was man dazu beitragen kann, um bei der Inklusion ein Stück voranzukommen. Es gibt also nicht das Denken: Wir machen unsere Politik wie immer, Baaske stellt nachher die Rampe ran, und dann kommen wir schon irgendwie klar. - Ganz im Gegenteil: Es gab von vornherein ein gutes Miteinander. So sind dann eben auch 138 Maßnahmen in diesem Paket entstanden, und wir in Brandenburg haben damit - nach Rheinland-Pfalz - als zweites Bundesland einen umfassenden Inklusionsfahrplan, nach dem wir uns in den nächsten Jahren richten können.

Unser Ziel ist die Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention. Ich glaube, dass wir da nicht allein sind. Die UN-Behindertenrechtskonvention wendet sich nicht nur an Landesregierungen, sondern - ganz im Gegenteil - sie besagt, dass der Bund mitmachen muss, aber vor allen Dingen auch die Kommunen mitmachen müssen. Ich setze darauf, dass sich nicht nur Potsdam einen solchen Inklusionsfahrplan überlegt, sondern auch andere Städte und Landkreise nachziehen und überlegen, wie sie es in ihrem Beritt hinkriegen, dass Menschen mit Behinderungen nicht ausgeschlossen, sondern von vornherein bei all dem bedacht werden, was die Thematik Inklusion und UN-Behindertenrechtskonvention angeht.

Wichtig ist mir noch zu sagen, dass wir auch ein Landesbehindertengesetz verabschieden wollen, das ist klar. Das haben wir 2008 evaluiert und festgestellt, dass Handlungsbedarf besteht, dass insbesondere das Einbeziehen der Kommunen in verschiedene Aspekte wichtig ist. Daran hapert es derzeit. Einige hätten sich gewünscht - ich mir auch -, dass wir das Gesetz zusammen mit einem Maßnahmenpaket vorlegen; jedoch sind die Ver

handlungen mit den Kommunen etwas schwieriger, als ich zunächst dachte. Wir sind mitten bei. Anfang Februar haben wir die nächste Runde. Ich hoffe, dass wir uns dann auch bei der Anpassung dessen, was im Land ganz gut funktioniert, an das, was in den Kommunen funktionieren soll, ein Stück annähern können, sodass wir also auch über die Kommunen in dem Gesetz einen weiteren Wirkungskreis erfassen. Ich hoffe also, dass ich das Gesetz dem Landtag im Frühjahr 2012 vorlegen kann und wir es dann auch diskutieren.

Inklusion ist neuerdings in aller Munde. Wenn ich an Veranstaltungen denke, die wir schon 2002 und selbst schon im letzten Jahrtausend geführt haben, erinnere ich mich daran, wie mir viele behinderte Menschen, viele Verbände gesagt haben: Mensch, Baaske, es ist doch irgendwie blöd, dass wir immer mit unseren Sondereinrichtungen daherkommen. Wäre es nicht besser, wenn wir genau die Vorteile hätten und genau die Einrichtungen besuchen könnten, die alle anderen auch besuchen? So gab es schon im vergangenen Jahrtausend - 1995, 1996 Eltern, die gesagt haben: „Ich habe zwar ein geistig behindertes Kind, aber ich möchte, dass es trotzdem auf eine normale Schule geht“, und es wurde teilweise auch ermöglicht.

Nicht alle Eltern haben ihre Kinder, wenn sie behindert waren, in eine i-Kita gegeben. Es gab viele Eltern, die gesagt haben: Nein, ich will mein Kind in die örtliche Kita geben. - Dann gab es mitunter die Möglichkeit, dass die Kita gesagt hat: Okay, wir stellen uns den Dingen, und wir werden das auch schaffen. Ich kenne keinen Fall, in dem es nicht geklappt hat, wo es die Kita nicht geschafft hat. Ich kenne auch keine Schule, in der es nicht geklappt hat. Insofern denke ich, dass dieser Wunsch, den Eltern und Betroffene immer schon in sich getragen haben, jetzt durch die UN-Behindertenrechtskonvention noch einmal einen Drive erhält und besser als in der Vergangenheit in der Umsetzung vorankommt.

Aber: Auch das wird ein langer Weg werden. Das werden wir nicht alles von heute auf morgen erreichen. Wir erleben immer wieder, dass es da auch das Denken gibt: Damit will jemand Geld sparen, und wir werden es alles in den nächsten Tagen machen müssen. - Alles Quatsch. So wird es nicht sein. Wir wissen alle, dass Inklusion nicht dazu beitragen wird, Geld zu sparen - in keinem der Bereiche. Wir wissen auch, dass das nicht von heute auf morgen geht.

Trotzdem erlebe ich immer wieder, dass Betroffene Ängste haben, insbesondere diejenigen, die in den Einrichtungen arbeiten. Ich erlebe, dass ich von Integrationskitas höre: Ja, was wird denn dann aus uns? - Ich erlebe das bei den Förderschulbereichen, dass die Lehrer an mich herantragen: Ja, aber dann braucht ihr uns ja nicht mehr. - Ich erlebe das genauso gut aus den Werkstätten für behinderte Menschen und aus den Wohnstätten. Immer wieder kommt dann: Ja, was wird denn dann aus uns?

Da kann man nur sagen: Selbst bei der Schule ist das inzwischen klar, aber auch in den Kitas ist es so, dass es, wenn man es dezentral macht, nicht dazu führen wird, dass man das Personal, das die Kinder und die Jugendlichen betreut, nicht braucht. Auch für Werkstätten für Behinderte heißt das nicht, dass die Leute, die dort arbeiten, plötzlich ohne Betreuung, ohne zusätzlichen Aufwand in der freien Wirtschaft arbeiten könnten. Das ist Unsinn. Also: Das Personal werden wir weiterhin brauchen. Wie gesagt, wir werden das nicht von heute auf morgen umstellen.

Wichtig ist mir, noch zu sagen, dass jeder von uns immer aufgefordert ist, die Barrierefreiheit immer mitzudenken. Das gelingt leider auch vielen Baubehörden nicht. An sich darf es nicht sein, dass heutzutage noch Schulen, öffentliche Einrichtungen - gleich welcher Art - gebaut werden, ohne zu 100 % barrierefrei zu sein. Aber es passiert immer noch, dass, wenn ein Architekt nicht daran denkt, mitunter auch die Baugenehmigungsleute nicht daran denken. Dann wird die Baugenehmigung erteilt, und am Ende des Tages ist die „Malässe“ da, dass die Menschen vor der Tür stehen und nicht barrierefrei hineinkommen. Da, wie gesagt, ist mein dringender Appell, immer daran zu denken, dass es Leute gibt, die gehandicapt sind, die eben nicht so ohne Weiteres alles erreichen bzw. sofort verstehen können. Da gibt es noch viel zu tun. Vielfach ist der Begriff „Barrierefreiheit“ immer nur an Rollifahrer, Rampe, Rollstuhl und Ähnliches gekoppelt. Viel zu selten wird bedacht, dass es auch blinde und gehörlose Menschen gibt, die vor ganz anderen Barrieren stehen und ganz andere Dinge nicht erreichen können.

Wie gesagt, Sie brauchen das alles nicht allein zu machen. Wir wollen den Disput dazu im Lande weiter führen. Wir werden, denke ich, mit den Kommunen, aber auch mit den Vereinen und Verbänden in dieser Angelegenheit ganz gut zusammenarbeiten. Ich will der Opposition, die mir gleich wieder sagen wird „Ja, Baaske, im Maßnahmenpaket steht ja so oft drin: nach Maßgabe des Haushaltsplanes“, entgegnen: Der Standardsatz lautet - ja, liebe Freunde, es ist nun einmal so -: Wir werden hier dem Haushaltsgesetzgeber, der vor mir sitzt, nicht vorgreifen. Wir werden nicht sagen: Wir geben da und da soundso viel aus.

Aber: Wir werden dieses Papier 2014 - das ist vereinbart - evaluieren. Dann werden wir einen Strich drunter ziehen und feststellen, dass es eben nicht nur ein paar Tausend Euro waren, sondern es insbesondere mit dem, was der Kollege Vogelsänger, mit dem, was der Wirtschaftsminister beiträgt, mit all dem, was wir da miteinander erfassen, wahrscheinlich sogar einige Millionen sein werden, die dann in dem Inklusionspaket erfasst sind und zur Umsetzung des Maßnahmenpakets notwendig waren.

Es ist ein guter Anfang, was hier vorgelegt ist. Wichtig ist, dass wir uns jetzt daranmachen, das miteinander umzusetzen. Eine Richtschnur ist da. Die ist Verpflichtung, die ist Motto. Daran, wie gesagt, haben wir einiges zu tun. - Schönen Dank.

(Vereinzelt Beifall SPD und DIE LINKE)

Vielen Dank, Herr Minister Baaske. - Wir setzen mit dem Beitrag der CDU-Fraktion fort. Frau Abgeordnete Blechinger hat das Wort.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! „Nichts über uns ohne uns“, das ist das zentrale Motto der UN-Behindertenrechtskonvention. Deshalb war es richtig, dass die Betroffenen ihre Ideen und Forderungen zur Umsetzung der UN-Konvention von Anfang an mit einbringen konnten. Ich habe an mehreren Regionalkonferenzen teilgenommen, und die Schwerpunkte der Diskussion waren die gleichen wie

bei Gesprächen mit Selbsthilfegruppen und Veranstaltungen des Landesbehindertenbeirats.

An erster Stelle stand das Problem der Barrierefreiheit im öffentlichen Raum, das von vielen noch als ungelöst oder zumindest unbefriedigend erlebt wurde, sei es der Zugang zum ÖPNV, zu Verkaufseinrichtungen mit Drehkreuzbarrieren oder zu Arztpraxen und Therapieeinrichtungen. Massiv beklagt wurde auch die Tatsache, dass Denkmalschutzbelange teilweise Vorrang vor den Bedürfnissen schwerbehinderter Menschen haben, wenn es zum Beispiel um die Gestaltung von öffentlichen Plätzen oder Verkehrsflächen mit Kopfsteinpflaster geht.

An zweiter Stelle wurden Behinderungen beim Zugang zu Informationen oder bei der Kommunikation mit Ämtern oder Behörden genannt. Das fängt in der Schule an und hört beim öffentlich-rechtlichen Rundfunk auf. Auch die Steigerung der Beschäftigtenquote von schwerbehinderten Mitarbeitern im Landesdienst ist eine langjährige Forderung der Verbände.

Leider spiegelt das Maßnahmenpaket diese Prioritäten nicht wider. Gerade bei den genannten Problemfeldern gleichen viele Einzelmaßnahmen mehr behindertenpolitischen Zielstellungen als konkreten Maßnahmen. Das stellte die Vorsitzende des Landesbehindertenbeirates, Frau Seibert, auf der Behindertenpolitischen Konferenz am 28. September fest. Sie kritisierte auch die unausgewogene Schwerpunktsetzung des Maßnahmenpaketes, insbesondere im Schwerpunkt Inklusive Bildung. Da konzentrieren sich die Aktivitäten der Landesregierung sehr stark auf Schüler mit Förderbedarf in den Bereichen Lernen, sozial-emotionale Entwicklung und Sprache.

Wir teilen diese Kritik. Wenn es sich bei Schülern mit dem Förderbedarf Lernen um Kinder mit Behinderung handelt - weshalb wirft man dann den Förderschulen vor, dass diese Kinder oft keinen Regelschulabschluss erreichen? Handelt es sich bei diesem Förderbedarf aber nicht um Behinderung - wieso tauchen diese Maßnahmen dann im behindertenpolitischen Maßnahmenpaket auf? Insbesondere das Außerkraftsetzen des Rahmenlehrplans für den Förderschwerpunkt Lernen zeigt, dass hier wieder der zweite Schritt vor dem ersten gemacht werden soll; denn die ersten ausgebildeten Inklusionslehrer werden den Schulen frühestens 2019 zur Verfügung stehen.

Der Städte- und Gemeindebund übt Kritik an der Tatsache, dass mehr als die Hälfte der aufgeführten Maßnahmen nicht in der Zuständigkeit des Landes liegt und dass das Land Versprechungen formuliert, für deren Erfüllung andere Behörden bzw. die Kommunen zuständig sind. Für die Inklusion im Bildungsbereich wird ein Gesamtkonzept angemahnt, das auch finanziell sicherzustellen ist.

Das sind nur einige der Kritikpunkte, die wir teilen. Im Übrigen werden gerade in diesem Bereich die Erkenntnisse der Regionalkonferenzen negiert oder verfälscht, wie auf Seite 15 des Maßnahmenpaketes zu lesen ist. Auch ist die Finanzierung der Maßnahmen häufig nicht geklärt. Als Begründung taugt der Verweis auf die Budgethoheit des Landtages nicht; denn bei einzelnen Maßnahmen wie dem Landeswettbewerb „Familien- und kinderfreundliche Gemeinde“ sind konkrete Summen genannt, obwohl sie sich auf das Jahr 2013 beziehen. Auf Seite 63 steht unter der Überschrift „Proaktiver Ansatz für die Beratung von Frauen mit Behinderungen“ als Maßnahme: „Aufsuchende

Beratung; Kooperation mit Einrichtungen der Behindertenhilfe“. Als zuständig dafür werden die Frauenhäuser bzw. Schutzwohnungen genannt. Und folgerichtig steht unter Finanzierung: „keine zusätzlichen Kosten“. Das gilt aber eben nur für das Land. Dass das die Frauenhäuser mit ihren schmalen Budgets stemmen können, wage ich zu bezweifeln.

(Beifall der Abgeordneten Nonnemacher [GRÜNE/B90])