Protokoll der Sitzung vom 26.01.2012

Hier unterstützen wir ausdrücklich die Herangehensweise der Landesregierung. Es ist dafür Sorge zu tragen, dass die Antragsberechtigten für Schallschutzmaßnahmen, die ab laufendem Betrieb des Flughafens BER unverschuldet keinen Schallschutz erlangen konnten, eine Entschädigung wegen gesundheitsschädigender Lärmemissionen erhalten.

Die in Rede stehende Möglichkeit einer Lärmrente ist in diesem Zusammenhang in die Ausschussdiskussion einzubeziehen. Der Klageweg muss den Betroffenen erspart werden.

(Beifall DIE LINKE und vereinzelt SPD)

Minister Vogelsänger spricht für die Landesregierung.

Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Ich will einen ersten Eindruck vermitteln. Es ist wohltuend, eine sehr sachliche Debatte. Deshalb halte ich auch die Ausschussüberweisung für eine sehr gute Entscheidung. Im Ausschuss kann man die Dinge noch einmal entsprechend debattieren und untersetzen und auch die eine oder andere Frage, die gestellt wurde, detailliert beraten.

Was wir nicht brauchen, sind neue Gremien. Die Verantwortlichkeiten sind geklärt. Die Verantwortlichkeiten kennen wir. Deshalb sollten diejenigen, die in der entsprechenden Verantwortung sind, diese Verantwortung auch wahrnehmen.

Der Flughafen BER ist das wichtigste Infrastrukturprojekt für die Metropolenregion Berlin-Brandenburg, im Moment aber auch ein Sorgenkind. Das betrifft insbesondere das Schallschutzprogramm.

Auch in dieser Rede sage ich etwas zu den Chancen von BER. Herr Beyer hat das auch getan, Frau Gregor-Ness ebenfalls.

Über 30 000 Menschen, auch junge Menschen und damit auch Familien, bekommen am BER eine Lebensperspektive. Das ist der letzte große Schub in Brandenburg gegen den demografischen Wandel. Die an Berlin südlich und südöstlich angrenzenden Gemeinden und Landkreise werden wirtschaftlich profitieren und nicht - wie der eine oder andere glaubt - geopfert.

Etwas zur CDU: Jede Landesregierung hat dieses Projekt vorangetrieben, auch die Landesregierung aus SPD und CDU. Die CDU braucht sich für einen Wirtschaftsminister Ulrich Junghanns nicht zu entschuldigen, er hat gute Arbeit geleistet. Ich bin erstaunt, dass die CDU das tut; denn die CDU ist beim Bund und in Berlin in der Regierungsverantwortung. Die FDP steht zu dieser Regierungsverantwortung, das hat Ihre Rede, Herr Beyer, gezeigt. Denn dieses Projekt betrifft nicht nur Brandenburg, es betrifft Berlin und Brandenburg und selbstverständlich auch den Bund.

Man darf die Probleme nicht übersehen. Licht und Schatten liegen immer eng beieinander. Die aktuell durch das Bundesamt für Flugsicherung vorgestellten Routen sind deutlich besser als die Überlegungen vom September 2010. Da ist viel aus der Fluglärmkommission eingeflossen, und ich möchte mich bei den Mitgliedern ausdrücklich für die engagierte Arbeit bedanken.

(Vereinzelt Beifall SPD und DIE LINKE)

Ich bedanke mich auch - das darf ein Dienstherr - bei Frau Schneider, der Vorsitzenden. Das ist keine leichte Aufgabe, die ich ihr übertragen habe. Sie hat dieses Amt souverän und unabhängig geführt. Ich gehe davon aus, dass das auch weiterhin so sein wird.

Aber natürlich gibt es auch weiterhin Lärmbetroffene, auch solche, die anfangs nicht damit gerechnet haben. Das gehört zur Ehrlichkeit dazu. Insofern wird die heute vorgestellte Regelung nicht alle Bewohner zufriedenstellen. Objektiv gesehen, muss man sagen, geht das wohl auch nicht.

Die Landesregierung will den Flughafen, viele Abgeordnete hier im Landtag wollen ihn auch. Wir wollen die Lärmauswirkungen gemeinsam so gering wie möglich halten. Wo das nicht geht, muss es Lärmschutz geben, und zwar ohne Wenn und Aber. Der Lärm kann und muss möglichst minimiert werden, auch wenn klar ist, dass ein Flughafen nicht leise sein wird. Das trifft für den Flughafen genauso zu wie für eine Eisenbahnstrecke oder eine Autobahn. Ich habe das hier im Landtag schon gesagt, Begriffe wie Flüsterasphalt taugen bezüglich der Lärmproblematik nichts.

Der Stand der Umsetzung des Schallschutzprogramms kann und darf uns nicht zufriedenstellen. Frau Gregor-Ness hat die entsprechenden Zahlen genannt, deshalb erspare ich mir das. Nicht die Lärmrente, sondern die Umsetzung des Schallschutzprogramms muss das Ziel sein.

Ein Hinweis zu München: In München ist das entstanden, weil dort ein Jahr vor Inbetriebnahme 3 000 Anträge vorlagen, von denen lediglich 100 bearbeitet waren. München kann und darf nicht unser Vorbild sein. Die Flughafengesellschaft ist an den Planfeststellungsbeschluss gebunden. Ich habe das im Ausschuss noch einmal deutlich gemacht. Die Flughafengesellschaft ist jetzt massiv gefordert. Sie muss deutlich und vor allen Dingen für die Bürgerinnen und Bürger erkennbar zulegen. Die

FBB müsste ein großes Interesse an der Umsetzung des Schallschutzprogramms haben und damit zur Akzeptanzerhöhung des Flughafens im unmittelbaren Umfeld beitragen.

Die Landesregierung drängt mit allen Möglichkeiten auf eine rasche und bürgernahe Umsetzung. Das betrifft die Ebene der Gesellschafter, also nicht nur Brandenburg, genauso wie den Aufsichtsrat. Dass das die Abgeordneten des Landtages unterstützen, dafür möchte ich mich bedanken. Ich bin der festen Überzeugung, dass wir gemeinsam auch bei diesem schwierigen Thema vorankommen. - Herzlichen Dank.

(Beifall SPD und DIE LINKE)

Meine Damen und Herren, damit sind wir am Ende der Rednerliste. Inzwischen haben alle Fraktionen signalisiert, dass sie die beiden Vorlagen überwiesen haben möchten. Ich stelle also den Antrag der CDU-Fraktion in Drucksache 5/4544 auf Überweisung an den Ausschuss für Infrastruktur und Landwirtschaft zur Abstimmung. Wer dem Folge leisten möchte, den bitte ich um sein Handzeichen. - Gibt es Gegenstimmen? Stimmenthaltungen? - Beides ist nicht der Fall.

Wer der Überweisung des Antrags der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN in Drucksache 5/4635 an den gleichen Ausschuss Folge leisten möchte, den bitte ich um sein Handzeichen. - Gibt es Gegenstimmen? - Stimmenthaltungen? - Beides ist nicht der Fall. Damit sind beide Anträge überwiesen.

Ich schließe Tagesordnungspunkt 6 und rufe Tagesordnungspunkt 7 auf:

Tagebaurandgemeinden ernst nehmen!

Antrag der Fraktion der CDU

Drucksache 5/4630

Der Abgeordnete Bretz beginnt die Debatte für die CDU-Fraktion.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Sie wissen, das Thema Tagebaurandgemeinden ist ein ernst zu nehmendes Thema, ein Thema, das die Betroffenen vor Ort sehr bewegt. Ich möchte an die letzte Plenarsitzung im vergangenen Jahr erinnern, in der wir eine Anfrage an den zuständigen Minister für Infrastruktur gerichtet und gefragt haben, wie die Landesregierung Brandenburg mit dem Thema Tagebaurandgemeinden umzugehen gedenkt. Herr Minister Vogelsänger sagte - ich zitiere wörtlich aus dem Protokoll -:

„Ich hätte größtes Interesse daran, dass der Begriff 'Tagebaurandgemeinde' gesetzlich besser fixiert wird, damit man eine entsprechend bessere Handhabe hat.“

Recht hat er. Deshalb ist es folgerichtig, dass die CDU-Fraktion Ihnen heute einen Vorschlag unterbreitet, wie wir uns gemeinsam diesem doch wichtigen Thema widmen können. Wir unterbreiten Ihnen das Angebot, die Landesregierung auf

zufordern, ihre Vorstellungen, wie mit diesem Thema umgegangen werden soll, hier darzulegen. Wir würden uns freuen, wenn wir als Landtag für dieses Thema gemeinsam eine Lösung fänden, und bitten Sie um Zustimmung. Ich denke, das sind wir denen, die vor Ort die Lasten dieser Dinge tragen, schuldig. Deshalb freuen wir uns auf eine breite Zustimmung. - Herzlichen Dank.

(Beifall CDU)

Für die SPD-Fraktion setzt die Abgeordnete Gregor-Ness die Debatte fort.

Herr Präsident! Werte Kollegen! Herr Bretz, ich kam mir gerade vor wie im Film „Der Pate - Teil 4“: „Ich unterbreite Ihnen ein Angebot, das Sie nicht ausschlagen können.“ Ich spüre schon den Beton an den Füßen und werde im nächsten Teich versenkt.

Es tut mir leid, aber Ihr Antrag kommt zu früh.

(Senftleben [CDU]: Zu früh? Das ist ja mal etwas Neues. Sonst kommen unsere Anträge doch immer zu spät!)

Er greift ein wenig zu kurz, und ich halte ihn auch vom Ansatz her für falsch. Ich werde es begründen.

Ihr Antrag kommt zu früh, denn wir debattieren gerade erst die Energiestrategie des Landes, und die Energiestrategie entzündet sich an der Frage: Brauchen wir ein neues Kraftwerk? Brauchen wir einen neuen Tagebau? Das ist noch nicht einmal ausdiskutiert. Wir befinden uns zurzeit in einem Verfahren, das mit einem Scoping-Termin im vergangenen Jahr sozusagen einen Punkt gesetzt hat. Dieser Scoping-Termin wird ausgewertet, es ist die strategische Umweltprüfung für den Bereich des Tagebaus Jänschwalde. Die öffentliche Auslegung wird erst im Jahr 2013, die öffentliche Erörterung frühestens im Jahr 2014 erfolgen. Vor diesem Hintergrund muss ich sagen, dass in allen bisher durchgeführten Planverfahren größtmögliche Transparenz und Beteiligung in der Verfahrensführung oberstes Prinzip der Braunkohleplanung ist. Dieses Anliegen wird durch vielfältige Maßnahmen und Gremien begleitet. Das geht bis hinunter zu regionalen Arbeitskreisen, die vom Braunkohleausschuss eingesetzt werden. Sicher kann man für den Tagebau Jänschwalde Nord, wenn die Planung weiter vorangetrieben wird, darüber nachdenken, ob man analog dem Dialogforum-BBI so etwas wie ein „Dialogforum Braunkohle“ einrichtet, um alle Interessen abzuwägen und ins Benehmen zu setzen.

„Tagebaurandgemeinden“ hat wie „Tagesrandzeiten“ das Potenzial, zum Unwort des Jahres zu werden, wenn wir so weitermachen. Ich finde den Antrag zu kurz gegriffen, denn die Randbetroffenheit ist nur ein Aspekt unter vielen. Es ging im Bereich der Tagebauplanung bisher immer darum, die Beeinflussung so gering wie möglich und Umsiedlungen im kleinstmöglichen Rahmen zu halten. Das, was im Bereich des Tagebaus Jänschwalde passiert, ist etwas, was wir noch nie erlebt haben, nämlich, dass Tagebaurandgemeinden der Meinung sind, sie sollten gleich mit umgesiedelt werden, um vom laufenden Betrieb nicht betroffen zu sein. Das kann ich individuell betrachtet durchaus nachvollziehen. Insbesondere für Groß Gastrose und

Taubendorf - der Arbeitskreis war im Sommer vor Ort und hat sich das angesehen - verschlimmert sich die ganze Situation, weil sie östlich von der Landesgrenze und westlich vom eventuellen zukünftigen Tagebau Jänschwalde eingespannt sind. Das dramatisiert natürlich die Situation vor Ort. Dennoch muss es im Rahmen der Tagebauplanung unser gemeinsames Ziel sein, die Beeinflussung der Umwelt und der Menschen so gering wie möglich zu halten. Ich glaube, darüber muss man im Ansatz noch einmal diskutieren.

Ich gehe davon aus, dass der Antrag kein neues Phänomen beschreibt. Die Tagebaurandbetroffenen wurden bisher immer ernst genommen, und ein Ausgleich für Emissionsbelastungen und Wasserentzug waren immer ein wesentlicher Bestandteil der sozialen Anforderungsprofile, die an ein solches Tagebauprojekt gestellt worden sind. Es gab immer prioritäre Maßnahmen direkt für Tagebaurandgemeinden. Ich kenne es aus meinem Landkreis, OSL, und das gilt in Spree-Neiße genauso, dass man konkret Fördermittel gebündelt hat, um Infrastruktur zu schaffen bzw. entsprechend auszubauen und die Beeinträchtigungen so gering wie möglich zu halten.

Aus diesem Grund bitte ich Sie um Ablehnung des Antrags. Ich möchte, dass wir in unserer Anhörung am 8. Februar zur Energiestrategie noch einmal konkret nachfragen. Sowohl der Bürgermeister von Schenkendöbern als auch Vertreter der Klinger Runde werden anwesend sein. Ich möchte von den regionalen Vertretern wissen, wie sie sich um die eventuell von Umsiedlung betroffenen Gemeinden kümmern und wie es uns gelingt, die Tagebaurandgemeinden in den Fokus zu nehmen und auch deren Interessen angemessen zu vertreten. - In diesem Sinne: Danke für Ihre Aufmerksamkeit!

(Beifall SPD)

Der Abgeordnete Lipsdorf spricht für die FDP-Fraktion.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist eines der am längsten debattierten Themen und auch eines der drängendsten Probleme im Zusammenhang mit der Fortschreibung der Energiepolitik des Landes Brandenburg: der Ausgleich zwischen den Interessen der Anwohner in Tagebaurandgemeinden auf der einen Seite und den Interessen der Energiekonzerne und Verbraucher auf der anderen Seite.

Die Tatsache, dass es schon mehrere Anfragen zur Zukunft der betroffenen Gemeinden - zuletzt von meiner Fraktion - und mehrere Schreiben einer Interessengemeinschaft vor Ort an den Brandenburger und den Sächsischen Landtag gab, unterstreicht, wie dringend wir in dieser Frage zu einem für alle betroffenen Akteure akzeptablen Ergebnis kommen müssen.

Im Entwurf für eine Energiestrategie 2030 macht die Landesregierung deutlich, dass der Abbau und die Verstromung von Braunkohle über das Jahr 2030 hinaus weiter nötig sein werden. Die FDP-Fraktion teilt diese Meinung. Die nötigen Argumente sind heute Morgen in der Aktuellen Stunde schon ausgetauscht worden, und man kann unsere Stellungnahme auch gern im Energiepapier unserer Fraktion nachlesen.

Das Problem ist weniger die Entscheidung, dass vermutlich weitere Tagebaue aufgeschlossen werden, sondern es sind vielmehr die auch im Entwurf der Energiestrategie nicht angesprochenen und damit unbeantworteten Fragen, wie wir in den betroffenen Gemeinden zur Akzeptanz und zu Lösungen, mit denen alle Beteiligten leben können, kommen. Um es gleich vorauszuschicken: Die FDP-Fraktion hält die derzeitige Informationspolitik der Landesregierung gegenüber den Tagebaurandgemeinden für unzureichend. Wir Liberale sind der festen Überzeugung, dass man mit den Menschen vor Ort auf der Grundlage der Daten aus dem Strategieentwurf der Landesregierung mögliche Szenarien der künftigen Wohn- und Lebenssituation diskutieren muss. Man muss sie durchspielen und diskutieren, und man muss den Leuten ehrlich sagen, was auf sie zukommt, damit man ein Gefühl dafür schafft, was dort in Zukunft nötig sein wird.

Der Antrag der CDU-Fraktion, eine Art Managementplan für die Tagebaurandgemeinden zu erstellen, geht mit Blick auf die fehlenden Antworten der Landesregierung und die zunehmende Unzufriedenheit vor Ort daher in die richtige Richtung. Die einzelnen Forderungen decken sich im Kern auch mit unseren Auffassungen, so etwa die Forderung einer stärkeren und regelmäßigeren Beteiligung der betroffenen Einwohner

(Beifall FDP und CDU)

oder der Wunsch nach einer einvernehmlichen Einigung zwischen Vattenfall und den Gemeinden über mögliche Entschädigungszahlungen.