Protokoll der Sitzung vom 26.04.2012

Wir alle wissen nicht, wie die Einnahmesituation sich entwickeln wird. Sie haben gesehen: Sprachförderung und diese Geschichte mit der Leitungsfreistellung bei ausbildenden Kindertagesstätten - das haben wir gemacht, obwohl es nicht im Koalitionsvertrag steht. Die Dinge, die im Koalitionsvertrag stehen, haben wir schon alle erfüllt, wir sind schon darüber hinausgegangen. Die Kindertagesstätten, die Leiterinnen, Erzieherinnen und auch die Eltern können sich auf Rot-Rot verlassen, dass wir da weiter am Ball bleiben, wie es Kollegin Muhß richtig gesagt hat, und dass wir alles, was wir an Haushaltsmitteln akquirieren können, vor allem in den Anfang stecken wollen.

(Beifall des Abgeordneten Burkardt [CDU])

Da sind wir doch mit jedem Ihrer Sätze in Ihrer Begründung d'accord, Herr Kollege Büttner. Wir brauchen diesen Antrag deswegen trotzdem nicht. Ich freue mich total auf Ihre Anträge in den Haushaltsberatungen. Dann werden wir sehen, was wir gemeinsam gebacken bekommen. - Vielen Dank.

(Beifall DIE LINKE und SPD - Zuruf des Abgeordneten Büttner [FDP])

Die Abgeordnete von Halem setzt die Debatte für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN fort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Bertelsmann wurde schon erwähnt. In der Armutsstudie zu Beginn dieses Jahres kam heraus, dass in der Altersgruppe der unter Dreijährigen Brandenburg von den Flächenländern trotz deutlicher Verbesserung die dritthöchste Armutsquote hat. Höhere Armutsquoten haben nur Sachsen-Anhalt und Mecklenburg-Vorpommern sowie die Stadtstaaten Berlin und Bremen.

In Brandenburg gibt es große regionale Unterschiede. Im Landkreis Potsdam-Mittelmark wuchsen laut Studie 15,1 % der unter Dreijährigen in Armut auf, im Landkreis Uckermark waren es 40,5 %. Ich will hier kein Uckermarkbashing betreiben, aber ich habe heute früh gehört

(Zuruf des Abgeordneten Bischoff [SPD])

- das läge mir fern -, dass in der Uckermark auch die Betreuungsquote der unter Dreijährigen am niedrigsten ist, nämlich bei 47,2 % liegt, und dass außerdem die Quote der Kinder mit Förderbedarfen dort am allerhöchsten ist.

Was hat das mit dem vorliegenden Antrag zu tun? Wenn wir einer Benachteiligung bei Bildungschancen entgegenwirken wollen, dann brauchen wir besonders dringend die Verbesserung der frühkindlichen Förderung. Nur das sorgt für Chancengerechtigkeit und dafür, die Armutsspirale zu durchbrechen.

(Zuruf der Abgeordneten Muhß [SPD])

Deshalb ist das die beste Prävention, die beste Sozialpolitik. Da liegen natürlich auch die finanziellen Ressourcen; denn das Geld, das wir dort einsetzen, brauchen wir später nicht mehr einzusetzen.

(Beifall GRÜNE/B90 und FDP)

Wir erkennen an, dass die Landesregierung schon etwas getan hat. Sie hat den Kita-Betreuungsschlüssel verbessert. Aber diese Großtat hat uns im Ländervergleich von Platz 16 auf Platz 16 katapultiert. Wir haben schon mehrfach als Oppositionsparteien den Vorstoß unternommen, die Rahmenbedingungen in den Kindertagesstätten weiter zu verbessern. Das machen wir deshalb, weil wir sehen, dass die Bildungsforscher sich zunehmend einig sind, dass die entscheidenden Weichen tatsächlich in den ersten Jahren gestellt werden. Trotzdem haben wir den Eindruck, dieses Anliegen gleicht dem Ritt gegen Windmühlen. Die Landesregierung lässt nicht erkennen, dass sie weitere Verbesserungen plant. Wir reiten weiter.

Holger Rupprecht hatte noch angekündigt, die Zahl der Jugendlichen, die die Schule ohne Abschluss verlassen, halbieren zu wollen. Von diesem Ziel trennt uns noch sehr viel. Martina Münch hat sich zumindest vorgenommen, die Kitas zu Bildungsstätten weiterzuentwickeln. Und dabei - das wissen wir nimmt die Sprachförderung einen besonderen Rang ein. Bran

denburg ist das einzige Land, das das Landesprogramm zur Sprachförderung hat evaluieren lassen. Bravo! Dass dabei herauskommt, dass das Programm in Bezug auf die kompensatorische Sprachförderung, also der nachgelagerten Förderung der Kinder, bei denen Sprachförderbedarf besteht, und das sind immerhin knapp 20 %, wenig zweckdienlich ist, das kann uns ja eigentlich weiterbringen. Aber dass die Untersuchung mit so spärlichen Mitteln ausgestattet wurde, dass die Antwort auf das Warum ausbleibt, ist schon ziemlich trist. Die Wissenschaftler konnten für die Ergebnisse, die die Umsetzung an den Kindern deutlich machen, nur das theoretische Konzept überprüfen. Schon die Frage, ob dieses Konzept von den Erzieherinnen und Erziehern auch adäquat umgesetzt werden konnte, ob sie zum Beispiel aus zeitlichen Gründen dazu überhaupt in der Lage waren, muss offen bleiben. Aber zumindest scheint festzustehen, dass die alltagsintegrierte Sprachförderung gegenüber der kompensatorischen, der nachgelagerten von Vorteil ist.

Es wird auch nahegelegt, mit der Sprachförderung sehr viel früher zu beginnen. Das bedeutet, die Kinder nicht erst dann zu fördern, wenn ein Jahr vor der Einschulung festgestellt worden ist, dass sie Förderbedarf haben, sondern sehr viel früher.

Frau Abgeordnete von Halem, lassen Sie eine Frage zu? Die Zeit wird ja angehalten.

Ja.

Vielen Dank, Frau Kollegin von Halem. Sie schlagen ja unter anderem vor, hier einen Stufenplan vorzulegen, um eine bessere Betreuungsrelation hinzubekommen - der Vorschlag ist ja auch gar nicht abwegig. In Bezug auf die Arbeiten, die im Hintergrund - natürlich ungeachtet des Abstimmungsverhaltens zu diesem Antrag - laufen, interessiert mich, welche Gruppengröße Sie sich denn vorstellen, um eine gute Sprachentwicklung gewährleisten zu können.

Bitte, Frau Kollegin.

Sie wissen, glaube ich, sehr genau, was in unserem Programm steht, und das ist ungefähr das, was Experten empfehlen. Ich weiß aber gleichzeitig, dass das eine Gruppengröße ist, die in Brandenburg so weit von der Realität entfernt ist, dass wir sie hier gar nicht als in den nächsten Jahren konkret erreichbares Ziel zu präsentieren brauchen. Nichtsdestotrotz macht sie deutlich, dass wir von dem, was eigentlich wichtig und richtig ist und von den Pädagogen empfohlen wird, meilenweit entfernt sind.

Ich wollte sowieso auf Sie eingehen: Sie haben vorhin den Kollegen Büttner gefragt, ob er denn zugehört hätte, und gesagt, dass es wissenschaftlich nicht erwiesen sei, dass der Betreuungsschlüssel explizit damit zusammenhängt. Ich selbst habe zwei Kinder - die sind zwar nicht mehr im Kitaalter, aber ich kann mich noch sehr gut erinnern, wie sie im Alter von 3 bis 6

waren und parallel auf mich eingequatscht haben, wie schwierig es war, zuzuhören und adäquat zu antworten. Um zu wissen, dass das nicht funktioniert, wenn man das mit einem Dutzend Kinder machen muss, muss man nicht Pädagogik studiert haben; das kann sich jeder von uns vorstellen.

(Beifall CDU und FDP)

Und es geht um Dutzend Kinder in der Altersgruppe 3 bis 6.

Wir brauchen einfach mehr Erzieherinnen und Erzieher, sonst nützen die besten Konzepte überhaupt nichts. Wir brauchen Zeit, um zu reden und zuzuhören, sonst nützen die Unterlagen, die das Ministerium jetzt verteilt und über die wir informiert worden sind, nichts - wunderbare Broschüren mit CDs und Textbeispielen. Wir als Landtagsabgeordnete, die wir so viel Material von wohlmeinenden Absendern zugeschickt bekommen, wissen alle: Wenn wir die Möglichkeit hätten, das alles wirklich zu lesen und zu verinnerlichen, dann wären wir unschlagbar - sind wir aber nicht. Die Tatsache, dass einem jemand eine Broschüre in die Hand drückt, heißt noch lange nicht, dass ich den Inhalt erstens lese und zweitens in mein tägliches Tun übersetze.

(Beifall FDP und vereinzelt CDU)

Die Idee der Beratung durch Fachkräfte ist auch auf großen Widerstand gestoßen. Der Paritätische Landesverband mokiert sich darüber, dass die geplante Methode einer externen Beratung dazu geeignet sei, bei den „Beglückten“ Widerstände zu erzeugen, da sie weder auf die tägliche Überlastungssituation Rücksicht nimmt bzw. Antworten darauf bietet noch als Teil der trägerinternen Personalentwicklung angelegt ist. Das bedeutet, die Betroffenen haben plötzlich eine ganz andere Einschätzung von der Unterstützung der Sprachförderung, wie das Ministerium sie jetzt plant - sie hätten gern mehr Zeit.

Don Quijote gibt sich nach dem erfolglosen Abenteuer des Ritts gegen die Windmühlen irgendwann den Namen „Ritter von der traurigen Gestalt“. Das wollen wir natürlich nicht auf uns übertragen, denn wir wollen ja etwas ändern, und wir wollen tatsächlich mehr sehen als Pappbausteine im Büro oder die Äußerung, die Regierung bleibe ja am Ball - das reicht uns nicht.

Frau Kollegin, jetzt ist Ihre Redezeit aber längst zu Ende. Wir haben die Pointe noch erwartet, doch nun leuchtet das rote Lämpchen schon seit einer Minute.

Die mittelalterliche Groteske „Verbesserung des Betreuungsschlüssels bis 2030!“

(Beifall GRÜNE/B90 und FDP - Heiterkeit)

Vielen Dank, Frau Abgeordnete von Halem. - Wir setzen die Aussprache mit dem Beitrag der Landesregierung fort. Frau Ministerin Dr. Münch hat das Wort.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir scheinen ja durchaus Probleme mit der Sprachqualifizierung, was Zeiteinhaltung und Disziplinierung betrifft, zu haben. Ich freue mich aber sehr, weil ich das als Zeichen dafür deute, dass das Thema Qualitätsverbesserung und Sprachförderung in den Kindertagesstätten Ihnen allen - quer durch alle Parteien - ein wichtiges Anliegen ist. Insofern teilen wir dieses Anliegen miteinander.

Ich nehme auch erfreut zur Kenntnis, meine Kolleginnen und Kollegen von der CDU, dass die Wahl- und Parteiprogramme der Linken und auch unsere Zukunftsdiskussion 2030 bei Ihnen nachhaltigen Eindruck hinterlassen. Sie dürfen sich gern davon anregen lassen; wir warten ja auch darauf, dass wir konstruktive Beiträge seitens der Opposition erhalten.

(Beifall des Abgeordneten Görke [DIE LINKE] - Zurufe von der CDU)

- Das habe ich nicht abgelesen. So viel Sprachkompetenz ist schon noch vorhanden.

Frühe Bildung für alle Kinder ist ein Schlüssel für den späteren Bildungserfolg, und deswegen hat die frühe Bildung natürlich hohe Priorität. Das lässt sich eben nicht nur an der ausgesprochen guten Versorgungssituation im Land ablesen. Wir haben ja gerade vorhin anhand der Kleinen Anfrage gesehen, wie gut wir mittlerweile deutschlandweit dastehen, was den Versorgungsgrad betrifft.

Frau Ministerin, lassen Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Hoffmann zu?

Ja.

Bitte, Herr Hoffmann, fragen Sie.

Frau Münch, Sie haben ja gerade angesprochen, dass Sie Vorschläge unterbreitet hätten und wir diese ruhig aufnehmen könnten. Ich habe vorhin schon gesagt, dass ich mich sehr gewundert habe, dass Sie vorschlagen, Kitas zu Bildungsstätten weiterzuentwickeln. Das impliziert automatisch, dass Sie der Meinung sind, Kitas seien derzeit keine Bildungsstätten. Worin sehen Sie denn derzeit den Auftrag von Kitas im Land Brandenburg?

Selbstverständlich sind Kitas Bildungsstätten im Land Brandenburg, aber es geht darum, diese Bildungsstätten weiterzuentwickeln in Hinsicht darauf, dass wir auch die Fortbildung gemeinsam mit beispielsweise Primar-Pädagogik zusammendenken und dort auch zusammen mit den Hochschulen - möglicherweise übergreifend - zu verschiedenen pädagogischen Kon

zepten kommen. Die Weiterentwicklung der Pädagogik ist ein permanenter Fluss, und deswegen ist „Weiterentwicklung“ genau der richtige Begriff dafür.

(Hoffmann [CDU]: Dort steht: „Weiterentwicklung zu“!)

- Wir können uns gern noch einmal in die Sprachexegese begeben. Wenn Sie mir die Textstelle nennen, auf die Sie sich beziehen, können wir das gern im Vier-Augen-Gespräch klären.

Wie gesagt, das Landesprogramm zur kompensatorischen Sprachförderung - die Vorredner sind darauf eingegangen - hat bundesweit große Anerkennung gefunden. Ich halte es für einen ganz wichtigen Ansatz, dass es uns bundesweit - und Frau Schavan hat uns dafür ausdrücklich gelobt - gelungen ist, eine solche Förderung an allen Kindertagesstätten zu verankern, an jeder Kindertagesstätte eine Erzieherin entsprechend weiterzubilden und das Ganze zu evaluieren. Die Evaluation ist sehr wohl aussagefähig, Frau von Halem. Ich muss das nicht erst fünf oder zehn Jahre lang begleiten, um eine Aussage machen zu können, da ja auch internationale Vergleichsstudien vorliegen.

Gegenwärtig - auch das kam schon zur Sprache - verstärken wir die alltagsintegrierte Sprachförderung, und zwar möglichst früh - das heißt, von Anfang an. Um Erzieherinnen und Erzieher dabei zu unterstützen, werden wir 28 Sprachberaterinnen und -berater qualifizieren - die haben wir auch schon qualifiziert -, die die Kitas beraten. Dafür stehen jährlich 1,4 Millionen Euro zur Verfügung, und ich bin auch sehr froh darüber, dass wir dieses Geld zusätzlich zur Verfügung haben.

Das Projekt startet noch in diesem Jahr, und wir werden dafür zusätzlich 750 000 Euro bereitstellen, um Konsultationskitas mit dem Schwerpunkt Ausbildung des Erzieherinnennachwuchses zu unterstützen, was de facto auch eine Verbesserung der Situation der Kitaleiterinnen bedeutet.

Ich stimme mit den Abgeordneten der FDP-Fraktion und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN insofern überein, als es wichtig ist, die Erzieherausbildung so zu gestalten, dass die integrierte Sprachentwicklung und die Sprachförderung intensiv und fest in den Ausbildungsprogrammen verankert sind. Aber genau das tun wir ja auch; schon jetzt ist dieser grundlegende Bereich ein wesentlicher Bestandteil des Curriculums der Erzieherausbildung, und wir arbeiten daran, auch diesen Bereich kontinuierlich weiterzuentwickeln und zu verbessern, Herr Hoffmann. Das betrifft nicht nur die Inhalte der Ausbildung, sondern ebenfalls die Qualifikation der Lehrkräfte. Hier ist es wichtig, über dieses Ressort hinauszuschauen und sich auch über die Hochschulausbildung Gedanken zu machen.