Protokoll der Sitzung vom 07.06.2012

Gesetz zur Änderung von Rechtsvorschriften über die Rechte der Sorben/Wenden im Land Brandenburg

Gesetzentwurf von 9 Abgeordneten

Drucksache 5/5401

1. Lesung

Ich eröffne die Aussprache. Es spricht Herr Nowak als Vertreter des Rates für sorbische (wendische) Angelegenheiten.

Herr Nowak (Vertreter des Rates für sorbische (wendische) Angelegenheiten):

Ces´cona knfni prezidentka, ces´cone wótpóslancki a wótpósla´nce, yinsa jo wayny ye´n za bramborskich Serbow: Prfdny raz powfdamy wó p´sedloze noweje serbskeje kazni, keny jo nastala z pomocu serbskeje zjawnos´ci. Serby su a wóstanu z tym wayny yfl Bramborskeje.

Wenn aller guten Dinge drei sind, hat das Land Brandenburg seine Pflicht erfüllt. 1950 erließ es die „Erste Verordnung betreffend Förderung der sorbischen Volksgruppe“. Seit 1992 sichert die Landesverfassung die Rechte der Sorben/Wenden, und heute in vier Wochen wird das Brandenburgische Sorben/Wenden-Gesetz volljährig.

Warum diesen Dreiklang nun um eine grundlegende Novellierung des Sorben/Wenden-Gesetzes erweitern? Der vorliegende Gesetzentwurf, verehrte Abgeordnete, ist Ausdruck des demokratischen Mitgestaltungswillens des sorbischen/wendischen Volkes. Vom Schüler bis zum Juristen brachte sich die sorbische/wendische Öffentlichkeit in den zweijährigen Entstehungsprozess ein.

Das zeigt auch die Bedeutung dieses Gesetzes: Es formuliert die Grundlagen des Miteinanders von Sorben/Wenden und Deutschen in unserem Land. Sorben/Wenden sind gebrannte Kinder, was Jahrhunderte deutscher Politik ihnen gegenüber angeht. Insofern sind gesetzliche Grundlagen, die ein positives gemeinsames Ziel fixieren, in ihrer Bedeutung nicht zu unterschätzen.

Der Entwurf, in dessen Entstehung Abgeordnete aller Fraktionen durch den Rat einbezogen wurden, greift Entwicklungen des Europäischen Minderheitenschutzes auf. Dies betrifft vor allem den Schutz der niedersorbischen Sprache als Kernstück einer sorbischen/wendischen Identität. Brandenburg hat damit die Chance - ähnlich wie in den 1990er-Jahren -, ein modernes Minderheitenrecht zu formulieren.

Auf der anderen Seite versucht der Entwurf, Defizite auszugleichen, die sich in der Praxis der letzten 18 Jahre gezeigt haben. Es kosten übrigens auch nicht alle Regelungen des Entwurfs Geld.

Wir brauchen - erstens - eine Neuregelung des angestammten Siedlungsgebietes. An das sind zwar etliche Rechte geknüpft, die derzeitige Gesetzesregelung bildet es nach unserem Verständnis jedoch nicht adäquat ab, sodass einem Teil der Sorben/Wenden seine verfassungsmäßigen Rechte vorenthalten werden.

Das Land muss - zweitens - die Grundlagen im Bildungsbereich neu regeln. 1994 dachte noch niemand an ein bilinguales Bildungswesen, das seit über zehn Jahren erfolgreich arbeitet und das das Kernstück der Weiterentwicklung der niedersorbischen Sprache in unserem Land ist.

Drittens sollte das Land sorbische/wendische Dachverbände definieren und legitimieren, damit endlich Klarheit herrscht, wie die kollektiven Rechte der Sorben/Wenden in der Praxis geschützt werden können.

Nicht zuletzt - hier komme ich zu einem Wermutstropfen im eingebrachten Gesetzentwurf - benötigen wir aus unserer Sicht eine Landesbeauftragte oder einen Landesbeauftragten für Sorben/Wenden. In der Praxis zeigt sich nämlich, dass eine andernorts bewährte Institution, die die Minderheitenpolitik in der Regierung koordiniert, dringend nötig ist. Die zersplitterten fachlichen Zuständigkeiten, das nicht immer eingebundene Referat des Kulturministeriums oder die Abläufe im Bildungsministerium zeigen, dass hier das große Ganze oft aus dem Blick verloren wird. Wir werben daher dafür, darüber im Laufe des parlamentarischen Prozesses noch einmal miteinander ins Gespräch zu kommen.

Wir denken, dass der vorliegende Gesetzentwurf eine gute Grundlage dafür ist, den Ansprüchen des sorbischen/wendischen Volkes in der heutigen Zeit gerecht zu werden und dem jahrhundertelangen Zusammenleben von Sorben/Wenden und Deutschen in der Niederlausitz ein weiteres erfolgreiches Kapitel hinzuzufügen.

Wir danken den neun Abgeordneten für das Einbringen des Entwurfs. Lassen Sie uns diesen Entwurf entsprechend gemeinsam weiter qualifizieren! Das Land Brandenburg und Sie als Abgeordnete haben die Chance, hier moderne Standards zu setzen. Der Rat für sorbische (wendische) Angelegenheiten wird sich weiterhin konstruktiv einbringen und steht Ihnen allen, wie bereits mehrfach gesagt, jederzeit gern zur Verfügung.

Na´zejam se, ay namakajomy zgromadnje dobru drogu do naqogo serbsko-nimskego p´sichoda. Wutqobny ´zfk.

(Allgemeiner Beifall)

Vielen Dank, Herr Nowak. - Wir setzen die Aussprache mit dem Beitrag der SPD-Fraktion fort. Herr Abgeordneter Schippel erhält das Wort.

Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Dobry d´ze´n! Witasjo Rada za. Serbske nastu-pnosci!

Ich möchte mich bei Ihnen, dem Rat, sowohl für die Arbeit und die Mühe, die Sie in den Gesetzentwurf gesteckt haben, als auch für die dafür aufgewendete Zeit und vor allem für Ihre eingebrachten Erfahrungen bedanken.

Gemäß unserer gemeinsamen Verabredung wurde dieser Gesetzentwurf parteiübergreifend durch Lausitzer Abgeordnete eingebracht. Einen Teil der Verabredung - Sie haben darauf hingewiesen - habe ich nicht eingehalten. Dies betrifft den ehemaligen § 5a - den Landesbeauftragten. Nach vielen Gesprächen mit Kollegen unterschiedlichster Fraktionen war für mich absehbar, dass es diesbezüglich keine Mehrheit geben wird. Mit Blick darauf, nicht zu viel zu zerreden oder an falschen Stellen zu diskutieren, habe ich diesen Entwurf abgeändert an die Kollegen geschickt - mit dem Hinweis darauf, dass dieser Landesbeauftragte fehlt. Das Verfahren - Sie haben es richtig gesagt - liegt noch vor uns. Insofern werden wir sehen, ob ich an der Stelle mit meiner Auffassung Recht hatte.

Sicherlich werden weitere Dinge im Laufe des parlamentarischen Verfahrens zu diskutieren sein. Da stellt sich unter anderem die Frage: Welche Bestimmungen sind konnexitätsgebunden, was belastet eventuell die kommunalen Haushalte? Zudem gibt es die Frage der wissenschaftlichen Begleitung bzw. der Ausbildung von Lehrerinnen und Lehrern, die Sorbisch/Wendisch unterrichten können, und die Frage, inwieweit Brandenburg das allein leisten kann oder Regelungen gefunden werden müssen, um gemeinsam - wie jetzt mit Sachsen - das Ganze anzugehen. Insofern liegt noch ein ganzes Stück Arbeit vor uns.

Die von mir genannten Dinge haben alle den finanziellen Hintergrund, der gegenwärtig in Brandenburg besteht und auch künftig bestehen wird. Jedoch gibt es auch Dinge, die ohne finanzielle Mittel zu regeln sind. Darunter fällt unter anderem das Verbandsklagerecht. Ich sehe nicht ein, dass zum Beispiel der NABU ein Verbandsklagerecht besitzt, wenn es um Kormorane oder Biber geht, es aber kein Klagerecht geben soll, wenn es um die Interessen einer nationalen Minderheit geht, also um Interessen von Menschen, von Brandenburgern. Der Fall wird zu diskutieren sein.

Eine Nation dokumentiert sich gern über öffentliche Darstellungen und öffentliche Symbole. Wir Deutsche sind da keine Ausnahme. Wir haben unsere Hymne, unsere Flaggen und unsere Wappen. Herr Landtagspräsident, bitte tragen Sie dafür Sorge - Frau Landtagspräsidentin, bitte übermitteln Sie es ihm -, dass sich dieses Recht an dem und in dem neuen Landtagsgebäude wiederfindet;

(Beifall SPD, DIE LINKE und GRÜNE/B90)

denn damit bringt man am ehesten die Achtung vor dieser nationalen Minderheit zum Ausdruck.

Herr Ministerpräsident und Herr Finanzminister, die Grundlage für den Erhalt der sorbischen Kultur bildet im Wesentlichen die Stiftung für das sorbische Volk - hervorgegangen aus dem Einigungsvertrag. Dabei müssen wir uns die Frage stellen, inwieweit wir diese Stiftung in die Lage versetzen, künftig ihrer Aufgabe gerecht zu werden. Dafür brauchen wir einen Inflationsausgleich, sonst blutet diese Stiftung nach und nach aus.

Meine herzliche Bitte ist: Setzen Sie sich mit dem Bund und den Sachsen in Verbindung. Ich weiß, dass zum Beispiel die Sachsen einer solchen Dynamisierungsklausel durchaus positiv gegenüberstehen und etwas - zumindest im Entwurf - in den Haushalt eingestellt haben.

(Beifall CDU)

Meine Damen und Herren, morgen begehen wir einen Feiertag: das 20-jährige Bestehen der Verfassung des Landes Brandenburg. In dieser Verfassung gibt es den Artikel 25, der uns von anderen Landesverfassungen abhebt. Insofern wünsche ich mir, dass dieser Artikel 25, der die Rechte des wendisch/sorbischen Volkes und dessen Kultur in Worte gefasst hat, für uns Auftrag und Verpflichtung bleibt.

Herr Abgeordneter Schippel, Ihre Redezeit ist seit geraumer Zeit beendet.

Einen letzten Satz, Frau Präsidentin: Dieser Artikel ist die Hoffnung unserer wendisch/sorbischen Mitbürger, ihre nationale Identität zu erhalten und diese leben zu können. - Herzlichen Dank.

(Beifall SPD, DIE LINKE, CDU, GRÜNE/B90 und FDP)

Vielen Dank, Herr Abgeordneter Schippel. - Wir setzen die Aussprache mit dem Beitrag der CDU-Fraktion fort. Frau Abgeordnete Schier erhält das Wort.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrter Herr Nowak, das Sorben/Wenden-Gesetz von 1994 ist in die Jahre gekommen. Strukturwandel und Demografie - all das ist an dem angestammten Siedlungsgebiet der Sorben und Wenden nicht vorbeigegangen. Insofern ist sehr schön - dafür

möchte ich mich ganz herzlich beim Rat für Sorben und Wenden bedanken -, dass er den von uns eingebrachten Gesetzentwurf durch zahlreiche Gespräche innerhalb des Sorbenrates, aber auch mit vielen anderen Beteiligten auf den Weg gebracht hat.

Der gesamte Prozess dauert bereits seit 2009 an. Wir feiern zum Beispiel Zapust - Fastnacht - oder Woklapnica - Neujahrsempfang. Der RBB kommt dann auch gern dazu und berichtet über die schönen Trachten. Es ist aber mehr als nur das. Wir können stolz sein, dass es diese Minderheit in unserem Land gibt und dass das Niedersorbische, das vom Aussterben bedroht ist, bei uns in Brandenburg noch gesprochen wird.

Die Bildung war bereits in der Fragestunde Thema. Das WitajProjekt, das gestreckt wurde und ein weiteres Jahr fortgeführt werden kann, ist ein Herzensanliegen. Sicherlich fragen sich einige, ob die Sprache überhaupt noch gesprochen wird: Ja, es gibt im angestammten Siedlungsgebiet noch Kneipen bzw. Dorfgaststätten, in denen abends ein Bier getrunken und Sorbisch gesprochen wird. Genau das wollen wir gern erhalten.

Ein weiterer Punkt sind die finanziellen Mittel. Ich gehe davon aus, dass wir etwas Geld ausgeben werden müssen. Ohne den Einsatz von finanziellen Mittel wird das nicht funktionieren.

Den Hinweis des Kollegen Schippel hinsichtlich des neuen Landtages unterstütze ich ausdrücklich. Wir werden im Hauptausschuss sicherlich eine Anhörung durchführen. Ich freue mich auf das Gespräch der Experten. Lassen Sie uns dort in aller Ruhe diesen Gesetzentwurf diskutieren und dann in der 2. Lesung einen guten Entwurf vorlegen und verabschieden. Vielen Dank.

(Beifall CDU und DIE LINKE)

Vielen Dank, Frau Abgeordnete Schier. - Wir setzen die Aussprache mit dem Beitrag der Fraktion DIE LINKE fort. Herr Abgeordneter Maresch erhält das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Vor 15 Jahren habe ich geheiratet, und zwar eine Sorbin. Insofern bin ich ein angeheirateter Sorbe und kann aus tiefsten Kenntnissen sagen: Zum sorbischen Leben gehört unendlich mehr als das, was Ihnen als Zapust und dergleichen bekannt ist. Das sorbische Leben umfasst sehr viel mehr.

In der nächsten Woche jährt sich zum 20. Mal der Tag, an dem Brandenburgerinnen und Brandenburger in einem Volksentscheid mit großer Mehrheit für unsere moderne Verfassung gestimmt haben.

Die Rechte der Sorben/Wenden gehörten vor dem Volksentscheid zu den am heißesten diskutierten Fragen. 1991/92 ging es vor allem um den Schutz des angestammten Siedlungsgebietes der Sorben/Wenden vor Abbaggerung und um politische Mitwirkungsrechte für die Minderheit. Davon waren die öffentlichen Diskussionen in der ersten Wahlperiode und auch der Gesetzentwurf der Domowina für ein Sorben/WendenGesetz bestimmt, der 1993 von zwei Abgeordneten der damali

gen PDS und einem Abgeordneten der Kollegen der CDU in das Parlament eingebracht wurde und in das heute geltende Gesetz eingeflossen ist. Nicht vergessen sollten wir auch Folgendes: Der erste brandenburgische Justizminister erinnerte vor zwei Wochen auf der Verfassungskonferenz der Linken in Potsdam daran, dass sich Brandenburg vor genau diesem Hintergrund damals zusammen mit anderen Ländern für die Aufnahme einer Minderheitenbestimmung in das Grundgesetz stark gemacht hat - eine Regelung, auf die die nationalen Minderheiten in der Bundesrepublik bis heute warten. Das darf man noch einmal deutlich sagen, und darauf können wir auch stolz sein.

(Beifall des Abgeordneten Büchel [DIE LINKE])

20 Jahre später ist vieles, was die Landesverfassung fordert, Realität geworden. Der nunmehr dritte Rat für sorbische (wen- dische) Angelegenheiten nimmt - wie wir es auch heute erleben konnten - seine Mitgestaltungs- und Mitbestimmungsrechte mit großem Engagement wahr und ist ein selbstbewusster Akteur der Landespolitik. Seine Rechte wurden durch den Landtag zu Beginn der Wahlperiode erheblich erweitert. Seit 1998 leisten die Sorben/Wenden mit dem Witaj-Projekt ihren Beitrag zur Revitalisierung ihrer vom Aussterben bedrohten Muttersprache. Mittlerweile lernen fast 300 Kinder - vom Kleinkindalter bis zur Sekundarstufe II - durch Witaj, immer auch unterstützt durch die verschiedenen Landesregierungen, Niedersorbisch.