Weiterbildung ja, aber wollen Sie bitte den Lehrerinnen und Lehrern, deren Krankheit Sie beklagen, jetzt auch noch aufdrücken, sich am Wochenende und außerhalb der Schularbeitszeit weiterzubilden? Dann haben wir die nächsten Kranken. Das alles ist nicht schwarz oder weiß und nicht so einfach. Wir müssen es Lehrerinnen und Lehrern, von denen wir erwarten, dass sie sich auf eine ganz andere Pädagogik einstellen, ermöglichen, dass sie dies ab und zu innerhalb der Unterrichtszeit vollbringen.
Ich sage es noch einmal: Natürlich nehmen auch wir die Sorgen wahr. Ich möchte gern, dass wir den Fokus auf das Lernen in der Schule legen. Schüler lernen auch von Schülern, und es gibt viele Möglichkeiten, die auch jetzt schon gegeben sind, sich von außen Beistand zu holen. Dennoch werden wir es nicht verhindern, dass Unterricht ausfällt. 1,9 %, das ist eine Zahl, mit der wir auch weiterhin leben müssen, so unschön sie ist und wenn auch Elternproteste kommen. Seien Sie einfach nicht so populistisch, Herr Kollege Büttner, und versuchen Sie, mit den Eltern zu reden über das, was an den entsprechenden Schulen passiert ist, was wirklich passiert ist, wenn Unterricht ausgefallen ist.
Ich meine, dass es Ihren Antrag wirklich nicht braucht, denn vieles von dem, was Sie vorschlagen, wird schon gemacht.
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Noch einmal, ein letztes Mal: Um es gleich vorwegzunehmen: Wir werden dem Antrag zustimmen.
Trotzdem sind wir nicht der Meinung, dass Unterrichtsausfall das zentrale Problem im Brandenburger Bildungswesen ist. Über die statistischen Differenzen mag ich jetzt nicht streiten. Aber sich vorzustellen, alles wäre gut, wenn wir bloß keinen Unterrichtsausfall hätten, das ist eine Illusion. Der Unterrichtsausfall ist neben mangelnder Weiterbildung, viel zu hohem Altersdurchschnitt und insgesamt zu knapper Personaldecke ein Teilproblem. Es gibt sogar Pädagogen, die mit der Organisation des Bildungswesens in Brandenburg befasst sind, die sagen: Nicht der Unterricht, der ausfällt, ist das Problem, sondern der, der stattfindet. Will heißen: Was und wie viel jemand lernt,
Ich möchte Ihnen das einmal veranschaulichen. Wir sitzen hier in einem der hochkarätigsten Weiterbildungshäuser unseres Landes. Wir haben in dieser Legislaturperiode über Fischzucht, über Hebammen, über Bundeswehrstandorte usw. diskutiert. Seien Sie einmal ehrlich! Können Sie noch alle wichtigen Pround Kontra-Argumente in den jeweiligen Debatten nur dieser Legislaturperiode aufzählen?
- Ja, es gab auch Ausfalldebatten. Aber können Sie die Argumente rekapitulieren? Haben Sie in diesen Debatten etwas gelernt?
Stellen Sie sich einmal vor, die Haushaltsdebatte heute früh hätte noch eine Stunde länger gedauert. Wären wir dann wirklich alle klüger?
Ich weiß, dass dieser Vergleich gegenüber Lehrkräften ungerecht ist, denn diese verstehen ungleich mehr von Didaktik als die meisten von uns. Trotzdem macht der Vergleich deutlich: Was wir uns merken und wie viel wir lernen, hängt nicht davon ab - überhaupt nicht, nur sehr wenig -, wie lange jemand vor uns steht und referiert. Es hängt von ganz anderen Faktoren ab.
Stillbeschäftigung wird im Zusammenhang mit Unterrichtsausfall immer wieder gegeißelt. Parallel hören wir, dass die fortschrittlichsten Schulen ihre Schülerinnen und Schüler Inhalte selbstständig erarbeiten lassen. Das muss zwar von Lehrkräften vorbereitet werden, kann dann aber selbstständig geschehen.
Manche Schulen haben Teams von Lehrerinnen und Lehrern, die gemeinsam solche Aufgaben zusammenstellen - brauchbar für den Vertretungsfall oder auch für den normalen Unterricht.
In dem preisgekrönten Gymnasium in Neuruppin unterrichten sogar die Schüler der höheren Klassen die unteren Klassen. Der Lehrer oder die Lehrerin ist zwischendurch durchaus entbehrlich. Ich glaube nicht, dass Schülerinnen und Schüler deshalb weniger lernen. Von den Lehrkräften lernen Schüler sowieso nur 20 % dessen, was sie überhaupt lernen.
Wir in Brandenburg schneiden in Ländervergleichen immer wieder miserabel ab. Wir hören weiterhin die Klagen, dass der Förder- und Teilungsunterricht ausfalle wegen Vertretungsbedarfs. Deshalb ist es richtig: Bildung - Lernen - darf nicht ausfallen.
Das in der Überschrift dieses Antrages geforderte Landeskonzept gegen Unterrichtsausfall ist im Antrag nicht weiter untersetzt. Es könnte aber dafür genutzt werden zu eruieren, warum es einige Schulen mit den Vertretungsbedarfen besser hinbekommen als andere Schulen.
Liebe Frau Dr. Münch, Wiederholung ist die Mutter der Pädagogik. Das habe ich jetzt nach so vielen Wiederholungen gelernt. Ja, wir brauchen mehr Lehrerinnen und Lehrer im System. Wir brauchen eine höhere Vertretungsreserve, damit wir besser individuell fördern und damit Lehrkräfte leichter während der Unterrichtszeit Fortbildungen besuchen können und damit sie mehr Zeit haben, sich gegenseitig zu vertreten, sich abzusprechen und für Krankheitsfälle vorzusorgen - auch um der allgemeinen Belastung der Lehrkräfte entgegenzuwirken. Wir brauchen ein Gesundheitsmanagement und wir brauchen darüber ist heute noch gar nicht diskutiert worden - eine ExitOption. Wir brauchen eine Exit-Option für diejenigen, die sich nach 20 Jahren vielleicht vorstellen können, dass sie in ihrem Leben noch einmal etwas anderes machen wollen. Das sind die wichtigen Punkte. Aber so wichtig das alles ist: Unterricht wird trotzdem immer wieder ausfallen.
Vielen Dank, Frau Abgeordnete von Halem. - Wir setzen die Aussprache mit dem Beitrag der Landesregierung fort. Frau Ministerin Dr. Münch erhält das Wort.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Im Grunde genommen haben meine Vorredner alles Relevante gesagt. Wir sagen das auch nicht zum ersten Mal, sondern wir wiederholen es pausenlos.
Sie haben hier eine verzerrte Wahrnehmung, meine Damen und Herren von FDP und CDU. Unterrichtsausfall ist nicht das zentrale Problem der Bildungsqualität im Land Brandenburg.
Ich war, ehrlich gesagt, ganz überrascht über Ihren Ansatz, Frau von Halem. Ich stimme ganz vielem von dem zu, was Sie gesagt haben. Trotzdem weichen Sie in Ihren Schlussfolgerungen ein Stück weit hinter das zurück, was Sie gesagt haben. Natürlich geht es darum, wie ich Unterricht gestalte. Natürlich sind diese Fragen wichtig: Warum gelingt es manchen Schulen besser und warum anderen weniger gut? Auf diese Dinge müssen wir achten. Wir haben alle diese Instrumente, die Sie hier angesprochen haben. Wir brauchen dazu keinen Antrag der FDPFraktion.
Die personelle Ausstattung unserer Schulen ist eine angemessene, angemessen deshalb, weil wir in unserer Schüler-Lehrer-Relation, die wir bis zum Jahr 2018 halten - das ist sehr ambitioniert -, besser dastehen als alle westdeutschen Länder und besser auch, als es ein Teil der Kollegen um uns herum darstellt.
Diese personelle Ausstattung ist angemessen. Es ist eine große Leistung, diese trotz unserer Haushaltssituation zu halten. Genau darüber haben wir heute Morgen in der Debatte gesprochen: Es geht um die Priorität der Bildung und darum, dass wir alles daransetzen müssen, junge Lehrerinnen und Lehrer in das System zu bringen. Ich werde Ihnen in den Ausschüssen auch noch einmal erklären, wie es zu den Lehrerzahlen kommt.
Lehrerinnen und Lehrer sind Menschen. Bei Menschen ist es normal, dass sie einmal krank werden, dass sie ausfallen, dass sich vielleicht auch die Falschen für den Beruf entschieden haben. Hier muss ich gegensteuern. Natürlich brauche ich ein Gesundheitsmanagement. Da sind wir dran. Ich werde Ihnen berichten, worum es geht. Ein Bestandteil ist eine solche ExitOption. Die haben wir aber jetzt schon. Da gibt es eine sehr differenzierte Debatte, die wir andernorts führen sollten.
Wenn ich diese Vertretungsreserve innerhalb des Systems erhöhe, passiert genau das, was wir zurzeit haben. Ich sichere den Kernunterricht ab, nutze aber die Vertretungsreserve an den Schulen für Teilungs- und Förderunterricht. Wenn dieser Teilungs- und Förderunterricht wegfällt, weil ich die Vertretungsreserve für das einsetze, wozu sie tatsächlich da ist, wird das als Ausfall empfunden. Es ist de facto aber kein Ausfall, sondern die konsequente Reaktion auf das, wofür sie vorgesehen ist. Das ist vielleicht etwas schwierig zu begreifen, aber wir wiederholen auch das gern noch einmal. Genau hierum geht es. Selbst der Landesrechnungshof, der uns kritisch geprüft hat, was den Unterrichtsausfall betrifft, hat gesagt, die Erhöhung der Vertretungsreserve sei kein adäquates Instrument. Lassen Sie also davon ab. Es ist auch nicht vergnüglich, jedes Mal zu versuchen, Ihnen das Gleiche zu erklären, weil es einfach nicht realistisch ist, was Sie sagen.
Ich komme auf den letzten Punkt zu sprechen. Es geht um die Beschäftigung externer Vertretungskräfte. Sie glauben, dass mit einem Pool von 50 000 Euro oder wie viel Euro auch immer wie zum Beispiel in Kleinmachnow das Problem zu lösen wäre. De facto geht es dort aber nicht um qualitätsvollen Unterricht. Wenn ich irgendwelche Menschen, die vielleicht im Ruhestand sind oder die fachfremd sind oder die betreuen können oder jemanden, der überhaupt nicht aus dem Bereich der Pädagogik kommt, einstelle, um eine Klasse zu beaufsichtigen, was soll das denn sein? Ist das qualitätsvoller Unterricht? Die einzig sinnvolle Maßnahme ist, den Schulen ein Budget für Lehrkräfte zu geben, diese Vertretung zu organisieren. Das passiert auch. Es wird aber sehr wenig in Anspruch genommen. Wir müssen herausbekommen, woran das liegt.
Zusammenfassend möchte ich sagen: Die Vorrednerinnen und Vorredner, auch Frau Theiss, haben aus der Praxis ganz klar geschildert, worum es geht. Das Problem, das Sie in dieser Form schildern, existiert so nicht. Zweifellos gibt es einige Regionen im Land, in denen sich aufgrund besonderer Konstellationen das Problem des Unterrichtsausfalls zuspitzt. Dort müssen wir eingreifen. Da sind auch die Schulämter in der Pflicht. Darin stimme ich Ihnen zu. Aber es ist nicht das generelle Problem. Sie sollten die Situation nicht kontinuierlich schlechtreden. Wir stehen im Bundesvergleich sehr gut da. Kaum ein Land macht so ein intensives Monitoring wie wir. Deswegen wissen wir auch sehr genau, was los ist. Wir wissen auch, dass wir diesen Antrag der FDP-Fraktion nicht brauchen. Denn die Maßnahmen, die sinnvoll sind, haben wir längst ergriffen und steuern aktiv gegen. – Vielen Dank.
Vielen Dank, Frau Ministerin. Zu Ihrem Beitrag hat Frau Blechinger eine Kurzintervention angemeldet. Dazu erhält Sie jetzt die Gelegenheit.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Frau Ministerin Dr. Münch, ich stimme Ihnen ungern zu, aber wo Sie Recht haben, haben Sie Recht. Der Unterrichtsausfall ist nicht das einzige und auch nicht das größte Problem im Schulwesen im Land Brandenburg.
Es würde den Rahmen einer Kurzintervention sprengen, auf die gravierendsten Probleme einzugehen. Lassen Sie mich nur zwei Bemerkungen dazu machen. Das erste Problem ist: Selbst wenn kein Unterricht ausfällt, haben die brandenburgischen Schülerinnen und Schüler wesentlich weniger Unterricht als die Schülerinnen und Schüler in Bayern.
Das zweite Problem ist Folgendes: Ich weiß nicht, ob es zu Ihnen gedrungen ist. Auf einer Veranstaltung in Strausberg, in der es um das Thema „Null Bock auf Ausbildung“ ging, sagten mehrere Schüler der 9. und 10. Klassen, die dort anwesend waren: Bei uns findet ein normaler Unterricht nicht statt, weil zwei Drittel der Schüler unserer Klasse keinen Bock zum Lernen haben und das eine Drittel, das lernen will, am Lernen hindert. Das sind Probleme, denen Sie sich auch vordringlich zuwenden sollten.
Vielen Dank, Frau Kollegin Blechinger. - Frau Ministerin Dr. Münch, Sie haben die Gelegenheit zu erwidern. - Sie möchten die Gelegenheit nicht nutzen. Herr Büttner hat seine Redezeit aufgebraucht.
Wir sind demzufolge am Ende der Aussprache angelangt und kommen zur Abstimmung. Es liegt Ihnen der Antrag, „Unterricht ist nur gut, wenn er stattfindet! - Landeskonzept gegen Unterrichtsausfall erstellen!“, Drucksache 5/5820, eingebracht von der FDP-Fraktion, vor. Wer diesem Antrag Folge leisten möchte, den bitte ich um das Handzeichen. - Wer ist dagegen? - Enthaltungen? - Dieser Antrag ist mit deutlicher Mehrheit abgelehnt.