Protokoll der Sitzung vom 30.08.2012

(Beifall DIE LINKE)

Dazu muss dem Schutzgut Gesundheit gegenüber den wirtschaftlichen Interessen durch eine gesetzliche Regelung Vorrang eingeräumt werden. Dies liegt in der Zuständigkeit des Bundes. Auf der Grundlage einer solchen gesetzlichen Regelung ist ein konsequentes Nachtflugverbot für Flughäfen in dichtbesiedelten Gebieten durchsetzbar. Ich darf daran erinnern, dass der Landtag die Landesregierung aufgefordert hat, Länderinitiativen für ein konsequentes Nachtflugverbot zu unterstützen. Das ist Beschlusslage. Würde es in Deutschland diese gesetzlichen Regelungen für stadtnahe Flughäfen geben und hätten Sie, lieber Herr Schulze und auch Herr Vogel, dies in Ihrer siebenjährigen Regierungszeit im Bund geregelt, wäre die Planfeststellung für Schönefeld mit der Festlegung des Nachtflugverbots von 22 bis 6 Uhr beschlossen worden. Denn der Planfeststellungsbeschluss ist 2004 gefasst worden.

Brandenburg kann nicht ohne Berlin und Bund in einen planfestgestellten Beschluss eingreifen. Das wissen Sie auch am besten. Deswegen hat auch das Umweltbundesamt das nationale Luftverkehrskonzept in die Diskussion eingebracht. Damit wären Beschränkungen für stadtnahe Flughäfen regelbar und auch, wo unbeschränkter Flugverkehr möglich ist.

In einem weiteren Antrag, lieber Christoph, den du auch schon vorgestellt hast, geht es um eine Entschließung des Deutschen Ärztetages. Diese Inhalte sind nicht neu, sie wurden im Land

tag mehrmals debattiert, und auch die Linke unterstützt diese Fakten. Ja, Fluglärm macht krank, und mit der Subventionierung des Flugverkehrs - das ist der andere Teil dieser Erklärung dieses Ärztetages - werden falsche Anreize in Richtung Ausweitung des Flugverkehrs gesetzt und diesem Wettbewerbsvorteile beispielsweise im Vergleich zur Schiene verschafft.

Aber wir haben uns genauso oft über die Wege zur Vermeidung von Flugverkehr und insbesondere zu einem konsequenten Nachtflugverbot unterhalten. Gesetze, Bundesgesetze müssen geändert werden. Wir kommen auf dem von Ihnen vorgeschlagenen Weg nicht ans Ziel.

(Beifall DIE LINKE und vereinzelt SPD)

Vielen Dank, Frau Wehlan. Sie haben mit Ihrem Beitrag zwei Kurzinterventionen ausgelöst. Die erste ist von Herrn Dombrowski.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe Frau Wehlan, Ich hatte kürzlich in einem Ausschuss schon einmal Gelegenheit, Ihnen zu erklären, wie das mit den Parteifreunden in anderen Landesverbänden ist. Ich glaubte, Sie hätten es da verstanden.

Auch Sie hätten ja Gelegenheit gehabt, auf die Berliner Parteifreunde, den Linken Herrn Wolf, der bis dahin auch im Aufsichtsrat saß, vorher Einfluss zu nehmen. Sie haben es auch nicht getan, weil es bei Ihnen genauso wenig funktioniert wie bei uns. Ich möchte gern noch einmal demonstrieren, wie das so ist, wenn man sich als CDU, SPD oder Linke vom Land Brandenburg an die Berliner wenden will. Die haben ihre eigenen Interessen, und die sind andere als unsere hier in Brandenburg, wo der Flughafen gebaut wird.

Ich sage noch einmal, um es plastisch deutlich zu machen. Wenn Herrn Wowereit in Berlin die Matratze brennt, wird Herr Platzeck nicht zum Löschen losfahren, und wenn hier der Dachstuhl brennt, wird Herr Wowereit nicht einmal die Feuerwehr rufen. So egal ist denen das, weil es auch nicht funktionieren kann.

Das ist in der CDU nicht anders. Sie haben dort ihre Interessen und sagen: Wir hatten zwei Flughäfen, was regt ihr euch überhaupt auf? Hier in Brandenburg wird er gebaut, wir haben den Ärger. Insofern ist es für unsere Interessen und für die Interessen der Brandenburger Bürgerinnen und Bürger ausschließlich unsere Aufgabe, dafür zu streiten.

Wenn Sie, Frau Wehlan, hier von der unabhängigen Behörde sprechen, die nun etwas festgestellt hat, handelt es sich um dieselbe unabhängige Behörde, die zuließ, dass der Planfeststellungsbeschluss aus dem Jahr 2004 in Sachen Lärmschutz nicht umgesetzt wurde. Insofern ist die Objektivität des Verwaltungshandelns anzuzweifeln.

(Beifall CDU)

Wir als CDU können uns auf die Fahnen schreiben, dass wir seit einem guten Jahr nachweislich stets darauf hingewiesen

haben, dass das zuständige Fachministerium seiner Aufsichtspflicht nicht nachkommt. Wenn wir uns jetzt für die Bürger freuen, dass sie eine Verbesserung des Status haben, heißt das nur, dass dies der Status ist, auf den sie immer einen Anspruch hatten. Das als Sieg zu feiern ist vor dem Hintergrund, dass man es ihnen bisher aktiv verwehrt hat, zweifelhaft. Das ist die Wahrheit an der Geschichte.

(Beifall CDU und der Abgeordneten Niels [GRÜNE/B90])

Dabei hilft es den Bürgern auch nicht, wenn stets auf andere das tut die Linke sehr gern - verwiesen wird, in diesem Fall auf den Bund. Derzeit müssen wir das Recht anwenden, das zur Verfügung steht. Darauf haben die Bürger einen einklagbaren Anspruch, wovon sie auch Gebrauch machen werden. Schließlich gibt es - das gerät gern in Vergessenheit - ein OVG-Urteil, womit sich die Bürger sicherlich beschäftigen werden. Dann werden sie auch herausfinden, ob 0 gleich 0 ist oder ob 0 gleich 0,49 ist. Ein solcher Standpunkt ist auch für einen Richter durchaus machbar.

Frau Wehlan, wir freuen uns darüber, dass für die Bürger zunächst ein wenig Entlastung erreicht wurde. Dennoch haben die Bürger keinen Grund, uns oder Ihnen dafür dankbar zu sein, dass ihnen das ihnen zustehende Recht gewährt wird, da dies eine Selbstverständlichkeit ist. Es ist beschämend, dass wir diesbezüglich eine derartige Diskussion mit so viel Scharlatanerie überhaupt führen müssen. - Danke.

Nun erhält Herr Genilke das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Sehr geehrte Frau Wehlan, auch ich habe mich sofort gemeldet, als Sie eben anfingen, zu feiern, dass der Planfeststellungsbeschluss nicht geändert werden soll bzw. der Klarstellungsantrag zurückgezogen wird. Das verwundert mich schon ein wenig; denn das war in erster Linie das Urteil des OVGs, das diesen Druck aufgebaut hat, und weniger der vom Aufsichtsrat bereits abgesegnete Klarstellungsantrag. Heute sitzen zumindest zwei auf der Bank, die das letztlich mitgetragen haben.

Nun möchte ich aber noch einmal auf die 0,49 zurückkommen; denn auch diesbezüglich müssen wir die Verbindung noch einmal neu regeln, ob wir im Rechtsstaat leben oder nicht. Fakt ist: Die Bürger haben ein Recht auf das, was im Planfeststellungsbeschluss steht - das sage ich seit Jahren -; denn das ist die eigentliche Abwägung zwischen den Anrainern, die mit diesem Flughafen leben müssen, und den berechtigten Interessen der Menschen und der Natur.

Ich halte dieses Geschacher in diesem Hause um irgendwelche Faktoren, die wir jetzt einführen, für absolut nicht angemessen; denn es ist klar formuliert, wie das Schutzziel zu behandeln ist. Mit diesem komischen Faktor, von dem wir alle nicht wissen, welche Auswirkungen er letztlich auf jede einzelne Wohnung hat - schließlich existiert das Datenerfassungssystem noch nicht -, maßen wir uns an, zu sagen: Das ist ein guter und das ein sehr guter Schallschutz. - Das haben wir überhaupt nicht in der Hand. Die Gerichte haben das entschieden und werden das auch entscheiden; denn es ist vorauszusehen, dass hier eine Klagewelle anrollen wird.

Diese Diskussion brachte uns nicht nur ein, dass wir in der Öffentlichkeit als jemand dastehen, der nicht nur nicht in der Lage ist, einen Flughafen zu bauen. Vielmehr werden in der nationalen Presse ein Regierender Bürgermeister und ein Ministerpräsident dieses Landes mittlerweile als „Dick und Doof“ bezeichnet, was der eigentliche Skandal ist, der sich mit dem Schallschutz und dem Bau des Flughafens insgesamt verbindet. Insofern sollten wir dieses Thema beenden.

(Beifall CDU)

Fakt ist: Es steht der Schallschutz „keine Überschreitung von 55 dB(A) im Rauminnern“ zu. Das hat die CDU immer gesagt und unterstrichen, und dabei bleibt es auch. Deshalb werden wir an der Stelle auch nicht lockerlassen. Ich kann nur empfehlen, insbesondere in den Härtefallbereichen, bei denen uns Versprechen gegeben wurden, deutlich nachzubessern. - Vielen Dank.

(Beifall CDU)

Frau Wehlan hat das Bedürfnis zu erwidern.

Herr Dombrowski, ich weiß, ich habe Sie sehr getroffen, aber ich sage jetzt einmal Folgendes: Wir hatten heute eine Debatte zur Seen-Privatisierung, was für mich völlig unverständlich ist. Auf der einen Seite sollen wir Ihnen hofierend und beifallklatschend beiwohnen, wenn Sie darauf aufmerksam machen, dass es durch den Einsatz Ihrer Parteikollegen zu dem dort genannten Super-Ergebnis gekommen ist, Sie sich dabei einig waren, Sie ohnehin schon immer alles gewusst haben - mit Ihrem Antrag - und dass dort ein wenig Geld fließen muss.

(Beifall der Abgeordneten Ludwig [DIE LINKE] und Frau Stark [SPD])

Auf der anderen Seite sagen Sie aber: Es ist völlig schizophren, von uns zu erwarten, dass wir - und das bei einem so wichtigen Thema wie dem Schallschutz - mit unseren Parteikollegen in Berlin und im Bund darüber sprechen.

(Dombrowski [CDU]: Schizophren habe ich nicht gesagt!)

- Vielleicht nicht schizophren, aber eventuell die Vorstellung in dem Zusammenhang.

Dies nimmt Ihnen jedenfalls niemand so richtig ab. Auch ich habe es Ihnen im Fachausschuss schon nicht abgenommen. Jedoch geht es mir als Ausschussvorsitzende vor allem darum, für eine gute Arbeitsatmosphäre zu sorgen und nicht nach jedem kleinen Stöckchen zu springen, das geschmissen wird.

(Beifall der Abgeordneten Wöllert [DIE LINKE])

Des Weiteren habe ich hier nicht von Sieg gesprochen, als es um die Ablehnung des Klarstellungsantrages bzw. um die Annahme des Antrages der Brandenburger Vertreter ging. Dafür haben wir hier einfach viel zu lange gekämpft.

Folgendes: Wir haben die Fachdebatten im zuständigen Ausschuss Monat für Monat geführt. Nicht Sie und auch nicht wir

haben um die Anwendung des Tagschutzzieles der FBB gewusst, nach dem der Maximalpegel sechsmal täglich überschritten werden soll. Begründet - das ist meine Meinung, Sie können dazu eine andere haben - wurde diese falsche Herangehensweise mit einer nicht ausfinanzierten Schallschutzhaushaltszahl. Entschuldigen Sie, die 140 Millionen Euro für den planfestgestellten Schallschutz sind nicht erst seit 2009 in der öffentlichen Diskussion, sondern seit Feststellung des Planfeststellungsbeschlusses. Daran haben Sie selbst Ihren Anteil.

Wir alle sind durch die fachliche Debatte schlauer geworden. Insofern gibt es auch keinen Sieger und Verlierer. Die Verlierer und die Sieger befinden sich auf jeden Fall nicht hier im Haus. Das sind vor allem die Anwohnerinnen und Anwohner, die viel zu lange um ihr Recht haben kämpfen müssen.

(Beifall DIE LINKE)

Zum Schluss noch zu der unabhängigen Behörde und zu Ihrem Antrag, auf einen Bescheid einer Behörde politisch Einfluss zu nehmen: Das haben Sie natürlich nicht aus der Welt schaffen können. Ich sprach davon, dass die Auffassung der Behörde Rechtsbestand haben muss. Wir werden sehen, ob sie Rechtsbestand hat. Wenn sie nicht Rechtsbestand hat, muss man uns das darlegen und müssen Schlüsse daraus gezogen werden.

Sie jedoch lehnen eine unabhängige Behördenentscheidung ab, wollen sie nicht zur Kenntnis nehmen und haben politisch die Erwartung, dass wir hier etwas anderes beschließen, was dann umgesetzt werden soll. Das ist eine völlig verkehrte Welt, und zwar auch in Anbetracht der Diskussion, die wir in Bezug auf die Trennung von Judikative, Exekutive und Legislative - in Anlehnung an die Enquetekommission, die im Landtag tätig ist - gemeinsam führen.

(Beifall DIE LINKE und des Abgeordneten Bischoff [SPD])

Meine Damen und Herren, mich erstaunt, dass einerseits der Vorwurf erhoben wird, dies sei eine überflüssige Veranstaltung, weil schon alles gesagt wurde, und andererseits die Redezeiten ständig überzogen werden.

(Heiterkeit - Beifall CDU)

Ich bin gespannt, wie das weitergeht; denn jetzt erhält der Kollege Jungclaus für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN das Wort.

Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Liebe Gäste! Es wäre ja zu schön gewesen, wenn wir einmal keinen Anlass gehabt hätten, das Thema BER im Landtag zu debattieren. Jedoch reißen die Hiobsbotschaften, die unseren Bürgerinnen und Bürgern nichts Gutes verheißen, nicht ab. Insofern ist es leider nur folgerichtig, dass wir das Thema regelmäßig im Landtag diskutieren. Derzeit sind es vor allem die Konsequenzen des Flughafendebakels für unseren Landeshaushalt. Aber diese Debatte führten wir bereits gestern. Heute geht es in erster Linie um den Schallschutz.

Dabei kann man den Vertretern von Berlin, Brandenburg und dem Bund zumindest zugutehalten, dass sie den Versuch anstellen, in Sachen Schallschutz den Karren aus dem Dreck zu ziehen. Mit einer vorausschauenden und ehrlichen Flughafenpolitik hätten wir den Sumpf aber komplett aussparen können. Denn alle Beteiligten wussten spätestens seit Mai 2011, dass mit dem Schallschutzniveau etwas im Argen liegt. Anstatt die Notbremse zu ziehen, wurde erst abgewartet, ab Dezember wurden dann kleine Briefchen verschickt, das war‘s dann aber auch schon.

Unsere Anträge zur Umsetzung des Schallschutzes nach dem Planfeststellungsbeschluss und dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts wurden abgelehnt und stattdessen wurde ein verwässerter Antrag der rot-roten Koalition nach dem nächsten verabschiedet, ohne dass es zu nennenswerten Verbesserungen kam. Der sogenannte Klarstellungsantrag der Flughafengesellschaft zur Aufweichung des Schallschutzniveaus und die Klage gegen den Bescheid der Planfeststellungsbehörde waren dann der Höhepunkt dieser verantwortungslosen Politik.

Ich bin froh, dass sich viele engagierte Bürgerinnen und Bürger das nicht gefallen lassen haben. Trotz der diversen entsprechenden Aufforderungen, Ausschussbefassungen und Anträge bedurfte es erneut eines Gerichtsurteils, damit Bewegung in die verfahrene Situation kam. Nun haben wir es auch vom Gericht schwarz auf weiß, dass es seitens der Flughafengesellschaft zu einer systematischen Verfehlung des Schutzziels gekommen ist. Die Planfeststellungsbehörde braucht also nach etwa anderthalb Jahren Tagträumerei eine Sonderanweisung des Gerichts, um aktiv zu werden. Man fragt sich, warum es Auflagen in Planfeststellungsbeschlüssen gibt, wenn noch nicht einmal die Planfeststellungsbehörde für deren Einhaltung sorgt.

(Beifall GRÜNE/B90)