Protokoll der Sitzung vom 30.08.2012

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Der Antrag hat zu später Stunde noch zu einer recht intensiven Debatte geführt. Ich darf trotzdem noch einmal auf den Kern zurückkommen. Ich war vorgestern beim Regionalen Bankentag in Cottbus. Da haben wir über die Implementation von Basel III ab 2013 gesprochen. Ich glaube und hoffe, dass wir alle uns hier im Hause einig sind, dass die Implementation von Basel III - und damit eine veränderte Risikogewichtung - zu zusätzlichen Kreditkosten sowohl für den Mittelstand als auch im Kontokorrentbereich führen wird. Möglicherweise werden dadurch auch die Dispozinsen noch einmal angehoben.

Deswegen sage ich, dass der Antrag - ich hoffe, das ist fraktionsübergreifend; das habe ich zumindest so wahrgenommen - in eine Richtung geht, die zu einer Korrektur führt. Wir müssen eine Korrektur der Höhe der Dispo- und Kontokorrentzinskredite erreichen. Es ist schlicht und ergreifend auch eine Frage der Glaubwürdigkeit von Politik und sozialer Marktwirtschaft gegenüber Verbrauchern und dem Mittelstand,

(Beifall DIE LINKE und SPD)

wenn sich Finanzinstitutionen zu einem sehr, sehr geringen Zinssatz Geld leihen können. Insofern glaube ich, dass der Antrag vom Inhalt her in eine richtige Richtung geht. Darüber sollten wir möglicherweise debattieren - und nicht über 5 %.

(Beifall DIE LINKE und SPD)

Vielen Dank, Herr Minister. - Wir setzen die Aussprache mit dem Beitrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN fort. Herr Abgeordneter Jungclaus hat das Wort.

Frau Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Gäste! Sehr geehrter Minister Christoffers, vielen Dank, dass Sie hier wieder ein bisschen für Ruhe und Sachlichkeit eingetreten sind. Wir sind es nun schon gewohnt, dass Anträge der Linken und der SPD an Ihre eigene Regierung sich entweder auf die Bundesebene beziehen oder etwas spät kommen. Oder aber Sie fordern von der Landesregierung Dinge, die diese auch ohne Antrag hätte umsetzen können. Bei dem vorliegenden Antrag könnte man nun sagen, dass alle drei Dinge zutreffen.

Vor allem besteht eine Gefahr nicht: Es besteht ganz sicher nicht die Gefahr, selber Verantwortung übernehmen zu müssen. Es ist schon lange bekannt, dass Banken und Sparkassen zum Teil horrende Zinsen für Dispokredite erheben. Bereits 2010 hat die Stiftung Warentest eine Studie zu dieser Problematik veröffentlicht. Diese belegt, dass die meisten Banken 11 % und mehr verlangen - und das, obwohl die EZB ihren Leitzins im Zuge der Finanzkrise deutlich gesenkt hat. Auch die Zinsen für Kredite, die sich Kreditinstitute untereinander geben, sind deutlich gefallen.

Überhöhte Zinsen für Dispokredite sind aber nicht nur ungerechtfertigt, sie sind auch ungerecht. Sie treffen insbesondere die einkommensschwachen Mitglieder unserer Gesellschaft - und das, liebe Kolleginnen und Kollegen, ist der eigentliche Skandal.

(Beifall GRÜNE/B90)

Wie eine aktuelle Studie des Bundesverbraucherministeriums belegt, nutzen Erwerbslose wesentlich häufiger ihren Dispokredit als Beschäftigte. Die Studie kommt auch zu dem Schluss, dass die Erträge aus dem Dispokreditgeschäft die Kosten, die dem Kreditinstitut für diese Produkte entstehen, deutlich übersteigen und so zur Quersubventionierung anderer Leistungen verwendet werden. Das Ganze passiert meist unter Ausnutzung der Notsituation ihrer Kunden. Dieser Praxis sollten wir einen Riegel vorschieben.

(Beifall GRÜNE/B90 und SPD)

Die im Juli 2010 in deutsches Recht überführte Verbraucherkreditrichtlinie der Europäischen Union hat, statt die Position der Verbraucherinnen und Verbraucher zu verbessern, diese weiter benachteiligt.

Die Grundidee, den Dispozins an einen Referenzzins zu koppeln und so zu verhindern, dass Banken die Zinsen willkürlich nach oben schrauben, ist grundsätzlich nicht schlecht. Allerdings ist der Zeitpunkt dafür aus Sicht der Verbraucherinnen und Verbraucher denkbar schlecht gewählt. In einer Zeit mit einem historisch tiefen Leitzins der EZB die Banken den Abstand zwischen Dispozinssatz und Referenzwert bestimmen zu lassen führt langfristig zu einer Festschreibung hoher Dispozinsen. Denn ziehen die Referenzwerte wieder an, dürften auch die Dispozinssätze weiter steigen. Eine gesetzliche Regelung sollte daher für den Beginn der Koppelung an einen Referenzzinssatz nur Zinsspannen aus durchschnittlichen Marktphasen heranziehen.

Die Bundestagsfraktion von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hatte bereits 2010 direkt nach der Einführung der Verbraucherkreditrichtlinie einen Antrag eingebracht, in dem sie die Bundesregierung aufgefordert hatte, eine gesetzliche Regelung für einen Referenzzinssatz für Dispo- und Überziehungskredite vorzulegen. Da kann ich die Ausführungen des Kollegen Wichmann … Wo ist er? - Er ist schon auf dem roten Teppich.

(Heiterkeit bei der SPD)

Vielleicht richten Sie es ihm aus. Es ist mitnichten so, dass bei solchen Problemen nicht gesetzlich eingegriffen werden kann.

(Frau Hackenschmidt [SPD]: Richtig!)

Wir haben die hohen Roaminggebühren wegbekommen. Wir haben die Überweisungsgebühren in der EU wegbekommen. Wir haben die Abhebungsgebühren an EC-Automaten wegbekommen.

(Frau Hackenschmidt [SPD]: Richtig!)

Das alles kann man machen, wenn die Dinge aus dem Ruder laufen. Und hier laufen sie eben auch aus dem Ruder.

(Beifall DIE LINKE, SPD und GRÜNE/B90)

Ich möchte daran erinnern, dass die aufgezählten Dinge übrigens alle mit Zustimmung der Christdemokraten passiert sind.

(Beifall der Abgeordneten Hackenschmidt [SPD])

Auch wenn der Antrag von Rot-Rot recht spät kommt und nicht wirklich etwas Neues fordert, ist der Inhalt unserer Auffassung nach richtig und wichtig. Wir werden ihm zustimmen. Ich bin der Auffassung, dass wir hier, wie die Vorredner auch schon gesagt haben, nicht über die Begründung oder die Beispiele aus einer Rede abstimmen, sondern über den Antrag, und der ist richtig. - Vielen Dank.

(Beifall DIE LINKE, SPD und GRÜNE/B90)

Vielen Dank, Herr Abgeordneter Jungclaus. - Wir setzen mit dem Beitrag der Landesregierung fort. Frau Ministerin Tack erhält das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich bin sehr dankbar, dass die Koalitionsfraktionen diesen Antrag gestellt haben, weil er uns für unsere politische Entscheidung eine gute Grundlage gibt. Ich komme darauf zurück.

Liebe Kollegen von der CDU, ich finde es ziemlich respektlos, wie Sie mit dem Thema umgegangen sind.

(Beifall SPD, DIE LINKE und GRÜNE/B90)

Ich finde es darüber hinaus nicht besonders pfiffig, hier eine Rede zu halten, den Saal aufzumischen und den Saal dann zu verlassen. Das können Sie Ihrem Kollegen einmal sagen. Ich werde es ihm auch sagen. Ich finde das nicht angemessen.

Ich möchte Ihnen auch gern sagen, dass auch wir Herrn Holtmann, den Vorstandsvorsitzenden des Ostdeutschen Sparkassenverbandes, kennen, den Sie immer erwähnt haben. Ich würde Ihnen empfehlen: Unterhalten Sie sich mit ihm genau über diese Situation, denn er ist ein sehr sozialkompetenter Vorstandsvorsitzender und er weiß, welche Menschen in Brandenburg und wie viele Menschen in Brandenburg darunter leiden, dass sie für den Alltag nicht genug Geld zur Verfügung haben.

(Bretz [CDU]: Was hat das damit zu tun?)

- Das hat damit etwas zu tun. Sie haben es ja immer noch nicht begriffen, Herr Bretz.

(Bretz [CDU]: Das ist ideologischer Schwachsinn! - Wei- tere Zurufe von der CDU - Frau Hackenschmidt [SPD]: Er versteht es nicht!)

- Nein, er versteht es nicht. Das wissen wir ja.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich will eingangs die Zahlen und den Widerspruchzeigen. Es sind viele Argumente ausgetauscht worden, die ich hier gar nicht wiederholen will. Ich möchte darauf hinweisen, dass die Banken derzeit Geld von der Europäischen Zentralbank mit einem Zinssatz von lediglich 0,75 % erhalten.

(Zuruf von der SPD: Genau!)

Jeder Verbraucher und jede Verbraucherin, die ihren Dispo überziehen, müssen im Gegensatz dazu 6 % bis 14,75 % - also im Schnitt 12 % - zahlen. Da ist doch der Widerspruch und da genau ist das Problem, von dem wir denken, dass es politisch nicht tragbar und verbraucherpolitisch sehr bedenklich ist. Jeder sechste Bankkunde - nicht nur bei den Sparkassen, es gibt ja noch ein paar andere Banken, Herr Bretz - nimmt den Dispokredit regelmäßig in Anspruch. Da kann man schon erkennen, wo die Not sitzt, liebe Kollegen. Das ist ein erheblicher Missstand.

(Genilke [CDU]: Wie hoch sind die Zinsen für spanische Anleihen? Mehr als 13 %? Ist das in Ordnung?)

- Sie hätten Frau Vogdt zuhören sollen, Sie hat erklärt, worum es hier eigentlich geht.

Die Zahlen machen deutlich: Es ist ein erheblicher Zusatzgewinn für die Banken, genau diese Spanne einzukassieren. Das, was uns auf der Seele brennt, ist: Dies geht zulasten der Verbraucherinnen und Verbraucher.

Alle haben schon darüber gesprochen, Frau Aigner als zuständige Bundesministerin für Verbraucherschutz hat reagiert. Sie hat für den 2. Oktober, das ist noch ziemlich lange hin, zu einem Spitzengespräch eingeladen - auch das ist gesagt worden zum Thema mehr Transparenz und Eigenverantwortung.

Frau Ministerin, möchten Sie eine Zwischenfrage zulassen?

(Frau Lehmann [SPD]: Nein! - Widerspruch bei der SPD!)

Nein, er hat schon genug durch den Saal gebrüllt.

Also: Frau Aigner möchte mehr Transparenz bei den Anbietern das ist okay - und mehr Eigenverantwortung der Verbraucherinnen und Verbraucher. Das ist wieder das Problem, mit dem wir uns auseinandersetzen müssen. Aber weil die Kollegen von der CDU ja so forsch dagegen sind, befinden sie sich natürlich in einer guten Gemeinschaft mit ihrem Bundesfinanzminister, der zu dem Thema meint, nirgendwo stehe geschrieben, dass man sein Konto überziehen müsse, und den Schuldnern letztendlich zu klügerem Haushalten rät. Da kann ich nur sagen: Das ist zynisch - weil: Er kennt sich im Alltag nicht aus.

(Beifall DIE LINKE und SPD)

Er weiß nicht, wie der Alltag - insbesondere bei vielen in Ostdeutschland - aussieht.

(Frau Lehmann [SPD]: Ja!)

Es ist auch schon angesprochen worden: Das Problem verschärft sich bei Erwerbslosen, bei Geringverdienern. Sie haben keine Rücklagen und können solche demzufolge auch nicht in Anspruch nehmen. Sie haben nur die Chance, diese kleine finanzielle Lösung in Anspruch zu nehmen, nämlich den Dispokredit. Gerade Familien, Alleinerziehende - das ist alles besprochen worden - kommen sehr oft in finanzielle Not