Protokoll der Sitzung vom 15.11.2012

Die Schwerpunkte der Petitionsarbeit sind genannt und es sind einzelne interessante Fälle vorgestellt worden. Die Mitglieder des Ausschusses sind immer wieder sehr erfreut darüber, wenn Auseinandersetzungen zwischen Petenten und Behörden geklärt werden können. Das eine oder andere Mal muss der Pe

tent jedoch darauf hingewiesen werden, dass tatsächlich rechtmäßiges Verwaltungshandeln vorliegt. Gelegentlich kommt es dann zu regelrechten Fortsetzungsromanen, weil der Petent die Sache nicht so sieht, wie sich der Ausschuss das wünschen würde. Aber das ist das gute Recht der Petenten.

Als besonders positiv möchte ich die sachliche und hilfreiche Zusammenarbeit mit den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern im Referat, die zu jeder Zeit auskunftsfähig und auskunftsbereit sind, wenn es in der Phase der Bearbeitung der Berichte zu Fragen kommt, hervorheben. Auch die kollegiale, ja freundliche Zusammenarbeit der Mitglieder des Petitionsausschusses untereinander ist zu betonen. Dies befördert das Arbeitsklima sehr stark.

Im Namen von Raimund Tomczak bedanke ich mich für die angenehme Zusammenarbeit mit dem ehemaligen Ausschussvorsitzenden, Thomas Domres - das kann man ihm vielleicht ausrichten -, und wünsche Frau Fortunato als neuer Ausschussvorsitzender viel Erfolg.

(Beifall FDP, SPD und DIE LINKE)

Im Petitionsausschuss ist kein Platz für Polemik, für Profilneurosen, keine Zeit für rhetorische Selbstdarstellungen, und das ist auch gut so. Darauf baut die Arbeit dieses Ausschusses auf. Diese Arbeit muss gemeinsam fortgesetzt werden, und es wäre sehr zu begrüßen, wenn sich der Stil der Arbeit dieses Ausschusses auf andere Ausschüsse übertrüge. Davon könnten wir alle profitieren. - Ich danke Ihnen.

(Beifall FDP, SPD, DIE LINKE und CDU)

Vielen Dank, Frau Abgeordnete Vogdt. - Wir sind jetzt beim Beitrag der Fraktion DIE LINKE. Der Abgeordnete Maresch hat das Wort.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Lassen Sie mich zuerst den Dank an den ehemaligen Vorsitzenden, Herrn Domres, und natürlich auch an die neue Vorsitzende, Frau Fortunato, richten. Im Petitionsausschuss herrscht eine sehr angenehme Atmosphäre. Ich bin noch nicht so lang in diesem Petitionsausschuss, ich war zunächst „Ersatzmann“, wenn man das so sagen darf. Aufgrund der Krankheit von Frau Stobrawa habe ich sie öfter dort vertreten. Ich bin ein Mensch, der gerne lernt, und weiß nun: Im Petitionsausschuss lernt man in nur einer Legislaturperiode sehr viel!

Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die dort die Sachverhalte aufschreiben und rechtlich würdigen, bewundere ich sehr. Sie müssen das Ganze bearbeiten, damit man als Abgeordneter und auch als Bürgerin oder Bürger, die oder der diese Petition gestellt hat, partizipieren kann. Das ist schon sehr bewunderungswürdig, das muss ich in aller Deutlichkeit sagen.

Ich möchte den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern von dieser Stelle aus einen ganz besonderen Dank aussprechen. Die Arbeit, die sie dort leisten, ist wirklich Wahnsinn, indem sie schwerste Sachverhalte in einer Art und Weise erklären, die man versteht. Das finde ich wirklich bewundernswert.

Die Arbeit des Petitionsausschusses, und das ist hier schon mehrfach gesagt worden, ist von einer sehr angenehmen Sachlichkeit, Freundlichkeit geprägt, die ich in anderen Ausschüssen nicht in der Art und Weise erfahre, was wahrscheinlich auch in der Sache liegt. Gleichwohl wäre es von Vorteil, wenn es auch in anderen Ausschüssen zu einer solchen Atmosphäre, an der alle Mitglieder des Ausschusses beteiligt sind, kommen könnte.

Ansonsten ist dazu alles gesagt. - Ich danke Ihnen.

(Beifall DIE LINKE)

Vielen Dank, Herr Abgeordneter Maresch. - Wir kommen zum Beitrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Es hat sich hier ganz stillschweigend eine Regierungsumbildung vollzogen, weil auf meiner Liste jetzt steht: Herr Minister Jungclaus. So steht es hier geschrieben. Wussten Sie das schon, Herr Minister?

(Heiterkeit)

Dann wäre jetzt auch ein neues Ministerium, das Petitionsministerium, zu schaffen.

(Heiterkeit)

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Gäste! Ich sehe jetzt schon die Twitter-Meldung.

Das Petitionsrecht hat in unserem Land eine lange Geschichte. Aus der einstigen Untertanenbitte wurde im Laufe der Zeit ein Bürgerrecht zum Schutz des Individuums vor staatlicher Willkür. Es ist ein Jedermannsrecht, unabhängig von Staatsbürgerschaft, Volljährigkeit oder Geschäftsfähigkeit. Das Petitionsrecht ist also ein hohes Gut, mit dem sorgsam umzugehen ist.

Zu DDR-Zeiten war jedem das Instrument der Eingabe geläufig, auch wenn es vornehmlich nicht der externen Verwaltungskontrolle diente. Eingaben wurden intensiv genutzt, um sich beim Staat zu beschweren. Es entwickelte sich gerade hier eine Kultur des Eingabe-Schreibens. In 40 Jahren DDR entfiel auf jeden Haushalt im Durchschnitt mindestens eine Eingabe. Noch heute liegen die neuen Bundesländer beim Einreichen von Petitionen deutlich vor den Altbundesländern. Auch viele Brandenburgerinnen und Brandenburger nutzen die Möglichkeit der Petitionen, wenn sie sich ungerecht behandelt fühlen, und das ist auch gut so.

Auch die im Dezember 2010 neu in der Landesverfassung verankerten Veränderungen des Petitionsrechts haben sich eindeutig bewährt. Massen- und Sammelpetitionen wurden bereits mehrfach genutzt. Zudem hat der Ausschuss des Öfteren von der Möglichkeit Gebrauch gemacht, Petitionen an den Bundesausschuss zu überweisen, wenn er die Zuständigkeit für bestimmte Sachverhalte nicht beim Land sah.

Bei Petitionen geht es um Auswirkungen von politischen Entscheidungen, Gesetzen und Verwaltungsvorschriften auf das Leben der Brandenburgerinnen und Brandenburger. Im Peti

tionsausschuss setzen wir uns daher - über die fachpolitische Zuständigkeit hinaus - immer mit den konkreten Lebensumständen einzelner Bürgerinnen und Bürger unseres Landes auseinander. Dies kann mitunter - mit allen Höhen und Tiefen sehr emotional sein.

Zunächst einmal gibt es Anliegen, die sich auf den ersten Blick sofort gut nachvollziehen lassen und bei denen das Handeln des Petitionsausschusses auch ein für die Petenten zufriedenstellendes Ergebnis zur Folge hat. Das ist oft nur ein kleiner Schritt für die betreffende Institution, aber eine große Erleichterung für die Betroffenen. Dies ist sicherlich die angenehmste Variante sowohl für die Petenten als auch für die Abgeordneten und die Mitarbeiter des Ausschusses, denen ich an dieser Stelle ausdrücklich für ihre Arbeit danken möchte.

(Beifall GRÜNE/B90 sowie des Abgeordneten Dr. Luthardt [DIE LINKE])

Dann gibt es natürlich auch Fälle, bei denen wir trotz voller Inanspruchnahme unseres persönlichen Einfühlungsvermögens und Rechtsverständnisses nicht in der Lage sind, eine Ungerechtigkeit oder einen Missstand auszumachen. Unter Schilderung der Rechts- und Sachlage wird dies den Petenten respektvoll mitgeteilt und die Petition damit abgeschlossen.

Nun gibt es leider auch - ich nenne es einmal so - harte Fälle, bei denen der gesunde Menschenverstand, das Gerechtigkeitsempfinden oder einfach nur das Bauchgefühl sagt: Der Petent ist hier absolut im Recht!, eine nähere Befassung mit der Thematik, die juristische Bewertung oder die Stellungnahme eines Ministeriums aber im Ergebnis dazu führt, dass unter Anerkennung der gültigen Rechtslage eine abschlägige Antwort erteilt werden muss.

Ob nun schildbürgerähnliche Vorgänge in Verwaltung - Stichwörter: GEZ und Altanschließer -, unzumutbare Belastungen im Lebensumfeld der Petenten bis hin zu Punkten wie „nicht nachvollziehbare Eingruppierung in Pflegestufen“, bei denen jenseits jeglicher Realität minutengenau der vermeintlich ausreichende Zeitbedarf bei Toilettengang und Körperpflege vorgerechnet wird - ein Fall, der mir aus der letzten Sitzung noch sehr gut in Erinnerung ist -, es erfolgt dennoch alles treu nach Recht und Gesetz. Recht ist aber oftmals nicht gleich Gerechtigkeit. Insofern bleibt bei diesen Petitionen immer und sehr nachhaltig ein schaler Beigeschmack.

Dennoch sind es gerade auch diese Fälle, die eine Arbeit im Petitionsausschuss so interessant und wertvoll machen. Sie bringen einen dazu, jenseits von Parteiprogrammen, fachpolitischer Zuständigkeit oder Tagesgeschäft Zustände in unserer Gesellschaft noch kritischer zu überdenken und dies in das eigene politische Denken und Handeln einfließen zu lassen. Das ist schließlich immer die Voraussetzung für Veränderungen.

Deshalb möchte ich - auch wenn nicht jede Petition erfolgreich ist - zum Abschluss meines Beitrages die Brandenburgerinnen und Brandenburger ausdrücklich ermutigen, weiterhin so umfangreich von ihrem Petitionsrecht Gebrauch zu machen. Es ist im wahrsten Sinne des Wortes ihr gutes Recht und gelebte Demokratie. - Vielen Dank.

(Beifall GRÜNE/B90, SPD und DIE LINKE)

Vielen Dank, Herr Abgeordneter Jungclaus. - Ich beende damit die Aussprache. Der Bericht des Petitionsausschusses ist zur Kenntnis genommen.

Ich schließe Tagesordnungspunkt 8 und rufe Tagesordnungspunkt 9 auf:

Frühförderung als Komplexleistung im Land Brandenburg umsetzen

Antrag des Ausschusses für Arbeit, Soziales, Frauen und Familie

Drucksache 5/6273

Die Aussprache wird von der Vorsitzenden des Ausschusses für Arbeit, Soziales, Frauen und Familie eröffnet. - Frau Abgeordnete Wöllert, Sie haben das Wort.

Frau Wöllert (Vorsitzende des Ausschusses für Arbeit, Sozia- les, Frauen und Familie):

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe wenige Gäste! Dass auch in anderen Ausschüssen dieses Landtages kollegial und sachorientiert zusammengearbeitet wird, sehen Sie an der heutigen gemeinsamen Vorlage des Ausschusses für Arbeit, Soziales, Frauen und Familie zur Umsetzung der Komplexleistung „Frühförderung im Land Brandenburg“. Deshalb hier noch einmal meinen Dank an alle Fraktionen, an alle Mitglieder des Ausschusses sowie an die Referenten, dass wir über die Jahre hinweg, seit wir dieses Thema bearbeiten, zu dem heutigen Ergebnis gekommen sind. Natürlich gilt auch Frau Petersen, unserer Fachreferentin im Ausschuss, und Frau Weibezahl unser Dank.

(Beifall SPD, DIE LINKE, GRÜNE/B90 sowie des Ab- geordneten Büttner [FDP])

Im 13. Kinder- und Jugendbericht vom April 2009 steht auf Seite 13:

„Die Art der Behinderung eines jungen Menschen entscheidet über die Zuordnung zu einem Leistungssystem.“

Genau das ist es, was uns bei der Komplexleistung Frühförderung oftmals an der Umsetzung hindert. Bei der Komplexleistung Frühförderung handelt es sich zugegebenermaßen um eine große Herausforderung in unserer stark versäulten Sozialgesetzgebung. Hier geht es um eine ganzheitliche Leistungserbringung in gemeinsamer Verantwortung von Sozialhilfe, Kinder- und Jugendhilfe sowie Krankenkassen. In Sozialgesetzbüchern ausgedrückt heißt das: SGB XII, SGB VIII, SGB V. Die Leistung selbst ist dann als Frühförderleistung in § 30 SGB IX festgemacht. Das verdeutlicht das Ausmaß der Herausforderung, vor der wir stehen, wenn wir tatsächlich eine ganzheitliche Leistung haben wollen.

Gemäß § 30 Abs. 1 SGB IX werden medizinische Leistungen nach Satz 1 in Verbindung mit heilpädagogischen Leistungen als Komplexleistung erbracht. Obwohl der Anspruch auf Kom

plexleistung schon seit neun Jahren besteht, tun sich die Kostenträger noch immer schwer, für die Betroffenen - das sind die Kinder - zu guten Lösungen zu kommen. Noch immer scheint nicht allen Beteiligten klar, dass das hier eingesetzte Geld im Sinne von rechtzeitiger Förderung wesentlich höhere Kosten im späteren Kinder- und Jugendalter spart und den Kindern das ist noch viel wichtiger - frühzeitig gleichberechtigte Teilhabe in allen Lebensbereichen ermöglicht.

Uns als Fachausschuss hat dieses Thema bereits in der letzten Legislaturperiode stark beschäftigt. Recherchiert man in den Ausschussprotokollen der 4. Legislaturperiode, stellt man fest, dass sich der Ausschuss in sieben Sitzungen - damals noch als Ausschuss für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Familie - mit diesem Thema befasst hat. Es gab eine Große Anfrage der Linksfraktion und viele Kleine Anfragen aus allen Fraktionen.

Auch in der jetzigen Legislaturperiode hat sich unser Ausschuss bereits fünfmal mit dem Thema Frühförderung auseinandergesetzt. Das Fachgespräch, das wir zur Frühförderung in Selbstbefassung durchgeführt haben und das unter großer öffentlicher Beteiligung in diesem Plenarsaal stattfand, zeigte uns Ausschussmitgliedern noch einmal das große Engagement der Frühförderstellen bzw. der sozialpädiatrischen Zentren und signalisierte großen Handlungsbedarf.

In Brandenburg haben wir kompetente Fachkräfte, die die erforderlichen Leistungen ganzheitlich und trägerübergreifend erbringen können. Nun wird es höchste Zeit, diese Potenziale zu nutzen. Insofern hat sich der Fachausschuss im Ergebnis des Fachgesprächs zu dem heute vorliegenden Antrag verständigt. Da sich alle Beteiligten - Leistungserbringer und Kostenträger über die Bedeutung der Komplexleistung einig waren, hoffen wir, dass wir mit der Umsetzung unseres Antrages nun auch sichtbare Ergebnisse erreichen. - Vielen Dank.

Vielen Dank, Frau Ausschussvorsitzende Wöllert. - Für die relativ seltene gemeinsame Einbringung eines Antrages der CDUFraktion, der FDP-Fraktion und der Fraktion BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN hat heute erstmals und einmalig Frau Abgeordnete Nonnemacher die Gelegenheit, 15 Minuten Redezeit zu nutzen. Frau Nonnemacher, Sie sprechen für alle drei Fraktionen, so steht es hier.

Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Gäste! Es läuft nicht rund mit der Komplexleistung Frühförderung im Land Brandenburg. Wir stehen zwar im bundesweiten Vergleich keineswegs allein da mit dieser unzureichenden Situation. Aber dies darf im Sinne der betroffenen Kinder und ihrer Familien keine Entschuldigung sein.