Deshalb möchte ich sehr gern daran mitwirken, Ihre Fragen zu beantworten, Herr Senftleben, wie im letzten Absatz Ihres Antrags formuliert: unter welchen Bedingungen der Verkehrsvertrag mit der Deutschen Bahn AG abgeschlossen wurde, inwiefern die Ausdünnung des SPNV-Angebots und der mangelhafte Zustand vieler Bahnhöfe vor allem im ländlichen Raum mit dem Verkehrsvertrag in Beziehung stehen und wie die möglicherweise zurückerstatteten Mittel in Zukunft investiert werden sollen.
Zur ersten Frage: Unter welchen Bedingungen wurde der Verkehrsvertrag mit der Deutschen Bahn AG mit Zustimmung der CDU abgeschlossen? Eine grundsätzliche Bedingung Ihrer damaligen Regierungsarbeit war: keine Ausschreibung, ja nicht einmal die Einbeziehung des Parlaments. Der Bahnvertrag ist im Dezember 2002 ohne Ausschreibung beschlossen worden. Damit wurde die Vorrangstellung der Bahn AG im Land langfristig manifestiert, auch wenn der Vertrag mittlerweile eine teilweise Öffnung einiger Strecken für den Wettbewerb vorsieht, die inzwischen mit der Schienenpersonennahverkehrsausschreibung in den Ländern stattfand.
Sie wissen selbst, Herr Genilke, dass es sich hierbei um Bahnstrecken handelt, die weniger attraktiv und gewinnbringend sind. Die lukrativen Strecken der RE-Linien, auf denen immerhin 75 % aller Fahrgäste unterwegs sind, werden durch die Bahn AG entsprechend des Bahnvertrags bedient. Möglicherweise hätte man in den Vertragsverhandlungen hier auch einen Ausgleich schaffen können.
Kritisch bewertet wurde auch schon 2002, dass das gleiche Leistungsangebot mit gleichen Standards in den Ländern Nordrhein-Westfalen und Schleswig-Holstein für einen geringeren Zuschuss pro Zugkilometer gefahren wird. Das ist also auch keine neue Erkenntnis, die man Ihnen als Abgeordnete zugestehen kann.
Weitere Bedingungen bezogen sich auf die Laufzeit von 10 Jahren, den Leistungsumfang von ca. 34,8 Millionen Zugkilometer pro Jahr und ein Finanzvolumen - Sie haben es gesagt von insgesamt ca. 2 Milliarden Euro. Der Bahnvertrag ist der größte öffentliche Vertrag, den das Land Brandenburg jemals geschlossen hat. Das stimmt auch.
Was waren damals Ihre Argumente gegen unsere kritischen Auffassungen, verehrte Damen und Herren der CDU? Sie sagten, nur so seien die Kontinuität des Verkehrsangebots und die dringend notwendigen Infrastrukturinvestitionen zu sichern. Die Zusammenarbeit mit einem Anbieter sei für die Landesregierung einfacher und überschaubarer, der Aufwand für Koordinierung und Kontrolle sei wesentlich geringer. Ein Ausschreibungsverfahren sei nicht nötig. Das Prüfverfahren der EU-Kommission seit 2003 sei ja schließlich von dem Konkurrenten Connex angestrengt worden, und bisher habe die EU solche Verfahren noch nie gewonnen.
Und es kommt noch doller. Durch Ihre damalige Haltung, unter keinen Umständen Anträgen der Linken - damals PDS -, initiiert von der verkehrspolitischen Sprecherin Anita Tack, zuzustimmen, hatte unser Antrag „Zum Inhalt des Verkehrsvertrages mit der Deutschen Bahn AG“ im Oktober 2002, also noch vor der Vertragsunterzeichnung, nicht einmal die Chance, wenigstens im zuständigen Fachausschuss diskutiert zu werden. Dabei wollten wir folgende Punkte, die ich Ihnen noch einmal in Erinnerung bringen möchte, berücksichtigt wissen:
Zweitens muss der Verkehrsvertrag im Interesse der Transparenz der Leistungserbringung und Abrechnung in Einzelverträge gegliedert werden, die je nach Leistungserbringung geschlossen werden: mit der DB Regio zum Leistungsangebot, mit der DB Netz zur Streckensanierung und zum Streckenausbau, mit der DB Station & Service zur Bahnhofssanierung sowie mit der DB Reise & Touristik zu Vertrieb und Kundeninformation.
Drittens sollte sich die Deutsche Bahn stärker dem Wettbewerb stellen. Viertens wollten wir klare Qualitätskriterien benennen wie Pünktlichkeit und Anschlusssicherheit, Ausstattung der Stationen, Zugbegleiter, Sicherheit der Fahrgäste und Kundenbetreuung.
Fünftens wollten wir im Gegenzug zur langfristigen Planungssicherheit der Bahn, die mit diesem Vertrag festgeschrieben wurde, den Erhalt der Brandenburger Produktions- und Instandsetzungsorte sichern helfen. Für uns sollte es keine Planungssicherheit zum Nulltarif geben. Die Ausdünnung der Strecken in der Fläche, die Konzentration nur auf die Hauptstrecken, eine Preispolitik, die Fahrgäste eher abschreckt als anzieht, nachlässiger Service, ungenügende Information der Fahrgäste, Sicherheitsmängel an Fahrzeugen, das alles waren damals unsere Kritikpunkte.
Sechstens wollten wir natürlich die Abstimmung mit dem Land Berlin, um den Mobilitätsbedürfnissen der Bürger mit attraktiven Angeboten und angemessenen Tarifen besser gerecht zu werden. Wir hatten damals darauf hingewiesen, dass das Land in der Pflicht steht, dies als Aufgabe der öffentlichen Daseinsvorsorge weiter auszugestalten. Neue Lösungen für dünn besiedelte ländliche Regionen im Sinne eines neuen Gemeinschaftsverkehrs sollten stärker angeboten werden. Alles Punkte aus Ihrem heutigen Antrag.
Insofern, Herr Genilke, um auf Ihre zweite Frage zu antworten, steht natürlich die Ausdünnung des Schienenpersonennahverkehrsangebots und der mangelhafte Zustand vieler Bahnhöfe vor allem im ländlichen Raum in Beziehung zum Verkehrsvertrag und zu Ihrem Agieren in der Regierungsverantwortung.
Es ist ja kein Geheimnis, dass 600 Zugkilometer im Land bereits abbestellt wurden und die oftmals maroden Bahnhöfe in Brandenburg überwiegend im Eigentum der Deutschen Bahn sind. Ihr Wahlkreis war doch im Jahr 2006 selbst von der Abbestellung des Regionalexpresses von Senftenberg über Finsterwalde nach Berlin betroffen, wie Sie selbst plastisch vermittelt haben. Das, Herr Genilke, ging einher mit der Kürzung der Regionalisierungsmittel durch den Bund - auch eine Ebene, auf der Sie Regierungsverantwortung hatten und haben.
Sie wissen, dass bei geringerem Mitteleinsatz spätestens dann geringere Fahrgastzahlen zum Kriterium für Abbestellungen von Strecken werden. Man kann sich ausrechnen, welche Strecken davon besonders betroffen sind. Natürlich sind es die, die entsprechend geringere Einwohnergleichwerte aufbringen können.
Das Land ist Aufgabenträger für den Schienenpersonennahverkehr. Das Land bestellt und bezahlt, Auftragnehmerin ist die Deutsche Bahn, und nicht umgekehrt. Heute also einen Zustand zu beklagen, den man selbst durch eine entsprechende Vertragsausgestaltung zu verantworten hat, auch durch Entscheidungen auf Bundesebene, hat mindestens einen kleinen Beigeschmack.
Nun zu Ihrer dritten Frage, wie die möglicherweise zurückerstatteten Mittel in Zukunft investiert werden sollen. Nach Ihrer eigenen Aussage, damals in Regierungsverantwortung, werde sich das Prüfverfahren der EU-Kommission noch mindestens bis 2013/2014 hinziehen. Es ist davon auszugehen, dass die Deutsche Bahn gegen einen eventuellen Bescheid der EU klagen wird, und dann ist eine solche Zeitschiene in Rechnung zu stellen. Heute also über etwas zu reden, was wir frühestens zum Ende der Legislaturperiode wissen, ist der Situation sicherlich nicht angemessen. Aber - insofern bin ich Ihnen sehr dankbar für die Frage - auf einen Grundsatz können und sollten wir uns schon heute verständigen. Wenn mehr Mittel zur Verfügung stehen, dann sollten diese im System zweckentsprechend eingesetzt werden.
In der Koalitionsvereinbarung sind die Schwerpunkte dafür benannt: dass der Bahnverkehr durch Erhalt, Lückenschluss und Ertüchtigung des Schienennetzes und Qualitätsverbesserungen in der Fläche gestärkt werden soll; dass mit Mitteln des Geset
zes zur Regionalisierung des öffentlichen Personennahverkehrs sichergestellt wird, in den kommenden fünf Jahren keine Bahnstrecken abzubestellen. Wir wollen mit der Fortschreibung des 2012 auslaufenden Landesnahverkehrsplans die landespolitischen Rahmenbedingungen des Nahverkehrs qualitativ verbessern. Wir haben prioritäre Verkehrsinfrastrukturprojekte benannt wie die Beschleunigung des Ausbaus der Bahnstrecke Berlin-Cottbus und den Ausbau der Bahnstrecke Berlin-Dresden. Auch der neue Flughafen in Schönefeld soll eine gute Verkehrsanbindung auf Straße und Schiene erfahren, und zwar für die Brandenburger Region sowie nach Polen.
Herr Genilke, zum letzten Punkt haben wir uns ja schon in der ersten Sitzung des Ausschusses für Infrastruktur und Landwirtschaft beginnend verständigt, weitere Diskussionen werden sicherlich folgen, um beispielsweise Fragen der besseren Anbindung der südlichen Region weiter zu erörtern und möglicherweise wieder eine Direktverbindung von Elbe-Elster über Teltow-Fläming nach Berlin-Schönefeld zu haben.
Abschließend möchte ich Sie ermutigen, meine Damen und Herren, sich für die Anbindung des ländlichen Raums an die Zentren auch in Zukunft stark zu machen. Sie wissen, dass die Bestellung der Strecken sehr wesentlich von den Fahrgastzahlen, also der Nachfrage, bestimmt wird. Insofern ist die Linke der Meinung, dass die erneute Fahrpreissteigerung der Deutschen Bahn AG im Fernverkehr kontraproduktiv ist. Helfen Sie also mit, hier ist Ihre Bundesregierung gefordert.
Meine Damen und Herren, bitte beachten Sie eine Klarstellung bei der Überarbeitung der Geschäftsordnung, wann Kurzinterventionen zulässig sind, nach bisheriger Praxis nämlich nicht in der Aktuellen Stunde, wenngleich die Formulierung „nach Redebeiträgen ist es zulässig“ missverständlich sein könnte. Wir werden das klären, wenn wir die Geschäftsordnung überarbeiten.
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wieder einmal muss sich das Hohe Haus mit dem großen Verkehrsvertrag von 2002 beschäftigen. Wieder einmal zeigen aktuell vorliegende Zahlen, dass fehlender Wettbewerb, ganz gleich an welcher Stelle, im Ergebnis zu höheren Kosten und damit zu Belastungen der Allgemeinheit führt. Im Bereich des SPNV sind diese Umstände umso weniger tolerierbar, als es sich hier um ein Thema handelt, das für die Entwicklung des Landes Brandenburg essenziellen Charakter hat. Brandenburg ist ein Raum engster Verflechtungen mit der Bundeshauptstadt Berlin. In dieser Tatsache liegen wesentliche Entwicklungspotenziale, die einer effizienten verkehrsseitigen Verknüpfung bedürfen.
Dass dabei dem SPNV eine zentrale Schlüsselrolle zukommt, zeigt allein schon ein Blick auf die Wachstumsraten in diesem Segment. Bei einem Kostenanteil an den Zugkilometern von über 30 % nimmt Brandenburg direkt hinter Rheinland-Pfalz
einen deutlichen Spitzenplatz ein. Welche Bedeutung das für die Bürgerinnen und Bürger von Brandenburg und Berlin hat, wird überdeutlich, wenn man berücksichtigt, dass wir diesbezüglich - gemessen pro Einwohner - sogar mit weitem Abstand den Spitzenplatz unter den Bundesländern einnehmen.
All dies macht deutlich, dass wir uns nicht im Ansatz erlauben können, Gelder durch fragwürdige Vergabepraktiken zu verschenken. Vielmehr bedarf es des Einsatzes jedes einzelnen Cents, um den SPNV im Sinne seiner Bedeutung für die Bürgerinnen und Bürger sowie für die Wirtschaft unseres Landes zu fördern und zu stärken.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, um es ganz klar und deutlich zu sagen: Es geht uns in der aktuellen Debatte nicht nur um die Aufarbeitung vorliegender Fehlentscheidungen in den Jahren vor und bis 2002. In der Tat kann man die damals getroffene Entscheidung, die Bahn direkt mit dem Regionalverkehr zu beauftragen und die Leistungen nicht auszuschreiben, durchaus unterschiedlich bewerten. Die Tatsache, dass seinerzeit der Wettbewerb gerade erst ins Rollen kam und die Vielfalt der Wettbewerber am Markt noch in den Startlöchern stand, ließ durchaus unterschiedliche Beurteilungen zu. Wichtig ist allerdings festzustellen, wie sehr sich im Nachgang bewiesen hat, dass die Vielfalt der Anbieter am Markt die einzige Möglichkeit ist, um auch im Bereich des SPNV zu angemessenen Preisen zu kommen.
Es bleibt dabei, dass das allgemeine Grundgesetz von Ökonomie und Ökologie, nach dem nur die Vielfalt langfristige Stabilität und Rentabilität sichern kann, uneingeschränkt gilt. Insofern zeigen die aktuellen Ergebnisse, dass wir für die Zukunft weitere Vielfalt und auf allen Linien ein offenes Bieterverfahren brauchen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, es hat sich wieder einmal bewiesen: Nicht der Staat, sondern nur die Märkte im freien Wettbewerb können angemessene Preise garantieren. Es wird daher sicherlich auch zu fragen sein, warum sich die Landesregierung seinerzeit offensichtlich blauäugig auf einen auf zehn Jahre ausgelegten Vertrag zu fragwürdigen Konditionen eingelassen hat, noch dazu, da das selbst von einigen Abgeordneten der seinerzeitigen Regierungskoalition durchaus kritisch thematisiert wurde.
Was allerdings in der aktuellen Debatte zunächst im Fokus aller Diskussionen stehen muss, ist die Frage, wie mit den Erkenntnissen zur aktuellen Überkompensation im großen Verkehrsvertrag von 2002 umgegangen wird. Zunächst kann man bei aller gelegentlich vorgetragenen Europaskepsis befriedigt feststellen, dass gottlob auch Europa darüber wacht, was so manche Landesregierung ökonomisch verzapft und damit dem Land Brandenburg nun einen Geldsegen bescheren wird. Momentan wissen wir noch nicht, um welche Beträge es bezüglich der im Raum stehenden Überkompensation genau geht. Da Brandenburg zukünftig im Jahr über 40 Millionen Euro, noch dazu bei besserer Leistung, spart, lässt sich der Schaden für das Land Brandenburg zumindest in der Rückbetrachtung eingrenzen. Dabei wird es allerdings darauf ankommen, dass die Landesregierung in den Gesprächen mit dem Bund originäre Brandenburger Interessen vertritt. Da der Bund der Vertragsgegner der EU ist, gleichzeitig aber auch der Eigner des von den Rückzahlungen betroffenen Unternehmens, ist für die Gespräche mit dem Bund nichts Gutes zu erwarten.
Sehr geehrte Frau Ministerin, wir fordern Sie daher auf, ganz unabhängig von der Beurteilung der Vergabepraxis in der Vergangenheit, nun alles zu unternehmen, um die Fehler Ihres Vorvorvorgängers - ich glaube, diese Reihenfolge war richtig -, wenn nicht zu heilen, so doch durch entsprechende Rückforderungen zu lindern. Was die zu erwartenden Gelder für den Landeshaushalt anbelangt, fordern wir, dass hierüber frühzeitig beraten und sichergestellt wird, dass diese ausschließlich in die Förderung des ÖPNV investiert werden. Der zuständige Ausschuss muss sich frühzeitig mit der Identifikation aktueller und akuter Probleme befassen, um sicherzustellen, dass entsprechende Rückforderungen unverzüglich investiert werden können. - Vielen Dank.
Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Liebe Gäste! Der Verkehrsvertrag ist in diesem Hause ein Dauerthema. Aus der letzten Legislaturperiode finden sich dazu 21 Einträge im Parlamentsdokumentationssystem, und ich vermute, dass er auch weiterhin ein Dauerthema bleiben wird.
Der Grund hierfür liegt darin, dass der 2002 ausgehandelte Vertrag nur die Krönung einer völlig verfehlten Verkehrspolitik ist. Seit Jahren verschlechtert sich das Angebot des ÖPNV in Brandenburg, und zwar insbesondere im ländlichen Raum. Das Wirtschaften des Bahnkonzerns, das in erster Linie einer kurzfristigen Profitsteigerung untergeordnet ist, führt dazu, dass ein flächendeckendes attraktives Angebot weiter ein Wunschtraum bleibt. Langfristig kann sich eine solche Politik der Bahn nicht rechnen, denn mit jeder Streckenstilllegung gehen mehr Kunden verloren. Dies führt wiederum zur nächsten Taktausdünnung, was erneut Kunden abzieht und damit die nächste Stilllegung einleitet - ein Teufelskreis.
Wohin kurzfristige Profitmaximierung führt, bekommen die Fahrgäste in Berlin und Brandenburg seit einiger Zeit besonders schmerzlich zu spüren. Seit Monaten herrscht Chaos im S-BahnBetrieb, und wie es scheint, wird die Betreibergesellschaft wohl innerhalb der nächsten drei Jahre nicht in der Lage sein, das normale Angebot wiederherzustellen.
Doch es wäre zu einfach, die Verantwortlichen für diesen Zustand allein im Bahnkonzern zu suchen. Der Ministerpräsident hat die derzeitige katastrophale Situation durch einen für das Land nachteilig ausgehandelten Verkehrsvertrag mitverschuldet. Einen Vertrag abzuschließen, in dem einem Monopolisten Pauschalzahlungen zugesichert werden, ohne sich wirksame Sanktionsmechanismen für den Fall der Nichterfüllung vorzubehalten, entbehrt jeder wirtschaftlichen Vernunft. Ich glaube, die Verhandlungsführer sind gut beraten, beim nächsten Mal den Dienstwagen ab und zu stehen zu lassen und einfach einmal im Berufsverkehr von Strausberg quer durch Berlin nach Potsdam zu fahren, am besten noch während einer Grippewelle. Das schärft den Blick auf die Probleme.
Leider liegt diese Entwicklung aber nicht nur am mangelnden Sachverstand der Verantwortlichen. Tatsache ist, dass der damalige SPD-Verkehrsminister Meyer mit der Bahn ohne vorherige Ausschreibung einen Vertrag über knapp 2 Milliarden Euro schloss. Kurze Zeit später trat er von seinem Amt zurück, um einen lukrativen Job als Beauftragter des Bahnvorstands anzunehmen. Dass der Verkehrsvertrag keine Sanktionsmechanismen enthält, verwundert in diesem Zusammenhang also nicht. Auch wenn die Staatsanwaltschaft ihre Ermittlungen wegen Korruptionsverdachts gegen Meyer einstellte, bedarf es hier einer lückenlosen politischen Aufklärung. Dies sind wir den Menschen, die täglich unter dem schlechten Angebot des ÖPNV zu leiden haben, schuldig.
Meine Fraktion unterstützt daher den Antrag der CDU und fordert die Infrastrukturministerin auf, die Umstände, unter denen der Verkehrsvertrag zustande kam, konsequent aufzuklären und offenzulegen.
Langfristig geht uns dieser Antrag aber nicht weit genug. Schlussfolgerung aus dem Geschehen muss eine grundlegende Neuorientierung in der Verkehrspolitik sein. Wir fordern einen konsequenten Wettbewerb auf der Schiene. Sämtliche Strecken, auch Hauptverbindungen, müssen zukünftig öffentlich ausgeschrieben und das Auswahlverfahren muss transparent gestaltet werden. Denn dies ist die einzige Möglichkeit, die bisherige Vergabepraxis, die zulasten der Fahrgäste und Steuerzahler ging, schnellstmöglich zu beenden.
Selbstverständlich muss auch der Zusammenhang zwischen dem vereinbarten Verkehrsvertrag und dem miserablen Zustand des ÖPNV in der Region untersucht werden. Wir möchten gern erfahren, wo die Gelder versickern, die jährlich aus dem Landeshaushalt an die Bahn fließen. Deshalb fordern wir schon seit Jahren, die Investitionen in den ÖPNV transparenter zu gestalten. Die Einführung des von der EU geforderten Qualitätsüberwachungssystems ist hierfür zwingend notwendig.
Den Vorschlag der Bahn, eine Abrechnung erst nach Vertragsablauf vorzunehmen, lehnen wir strikt ab; denn es besteht die Gefahr, dass sich der Rückzahlungsbetrag durch interne Rechnungen des Konzerns verringert. Die Landesregierung muss eine jährliche Rückerstattung durchsetzen und die Mittel in sinnvolle ÖPNV-Projekte investieren.
Angesichts des S-Bahn-Chaos ist es auch unverständlich, warum es die Landesregierung nicht schon längst in Angriff genommen hat, aus dem S-Bahn-Vertrag wegen Nichterbringung der vereinbarten Leistungen auszusteigen und übergangsweise einen neuen Vertrag auszuhandeln, unter anderem mit härteren Vertragsstrafen. Der wirtschaftliche Druck auf die S-Bahn und ihre Muttergesellschaft muss erhöht werden.
Ein flächendeckendes ÖPNV-System ist für die Entwicklung Brandenburgs von zentraler Bedeutung. Mobilität ist ein Kernelement unserer Gesellschaft, und es ist in erster Linie die Politik, die dafür sorgen muss, dass diese Mobilität umweltfreundlich und sozialverträglich organisiert wird. Sie muss verhindern, dass Streckenstilllegungen und Taktausdünnungen, insbesondere im ländlichen Raum, dazu führen, dass die Menschen auf das Auto umsteigen. Denn dies ist nicht nur aus klimapolitischer Sicht eine Katastrophe. Nicht jeder in unserer Gesellschaft ist in der Lage, sich ein eigenes Auto zu leisten.
Deshalb ist die Frage eines öffentlichen Schienennetzes auch immer eine Frage gesellschaftlicher Teilhabe.