Protokoll der Sitzung vom 28.02.2013

Anders als beim Fonds für ehemalige Heimkinder, der häufig als Parallele genannt wird, geht es hier nicht um einen in der Vergangenheit abgeschlossenen Zeitraum oder einen Sachverhalt, bei dem unter staatlicher Aufsicht erlittenes Unrecht ausgeglichen wird, sondern es geht um ein gegenwärtiges Problem, das wir als Zukunftsthema angehen und lösen müssen.

Dazu gehört, dass die rechtliche Stellung der Opfer von sexuellem Kindesmissbrauch insgesamt verbessert werden muss. Das war auch die zentrale Forderung des Runden Tisches. Dabei wurden vorrangig die gesetzlichen Leistungssysteme, also die therapeutischen Hilfssysteme, die wir haben, in den Blick genommen. Es wurde zum Beispiel am Runden Tisch thematisiert, dass Opfer sexuellen Missbrauchs Therapien brauchen, die von den gesetzlichen Krankenversicherungen aber teilweise nicht übernommen werden. Deshalb forderte der Runde Tisch eine Änderung der gesetzlichen Regelungen im SGB V oder eine untergesetzliche Regelung, um den Opfern sexuellen Kindesmissbrauchs angemessen mit therapeutischen Maßnahmen zu helfen.

Ebenso wurde darüber diskutiert, dass das Opferentschädigungsrecht derzeit so aufgebaut ist, dass es für die Opfer sexuellen Kindesmissbrauchs sehr schwer ist, Leistungen auf der Grundlage des Opferentschädigungsgesetzes zu beantragen. Auch hier ist vehement eine Änderung der gesetzlichen Grundlagen gefordert worden. Schließlich forderte der Runde Tisch, die gerichtlichen Verfahren besser zu gestalten und zum Beispiel Mehrfachvernehmungen zu vermeiden sowie vor allem Verjährungsfristen für zivilrechtliche Forderungen zu verlängern.

In allen drei Bereichen, für die der Bund verantwortlich zeichnet, gibt es bisher keine Lösung, zum Teil noch nicht einmal Ansätze für eine Lösung. Wenn man über die gesetzlich bereits bestehenden Hilfen hinaus ein ergänzendes Hilfesystem aufbauen will, sollte man nicht über einen kurzzeitigen informellen Fonds nachdenken, der auch überhaupt nicht in der Lage ist, einen Zeitraum zu begrenzen. Damit würden, da wir das Geld immer nur einmal ausgeben können, Mittel blockiert - das ist die Argumentation fast aller Länder -, die an anderer Stelle, zum Beispiel für präventive Maßnahmen oder für schnelle und wirksame therapeutische Hilfen, dringend gebraucht würden.

Deshalb halten wir diesen Fonds nicht für sinnvoll und plädieren nachdrücklich dafür, den Opfern so zu helfen, dass die Hilfe bei ihnen ankommt, und dass wir dafür die Instrumente, die wir haben, entsprechend schärfen. - Danke.

Vielen Dank, Frau Ministerin. - Es gibt Nachfragebedarf - Frau Abgeordnete Richstein, bitte.

Vielen Dank, Frau Ministerin. - Im Konkreten habe ich Sie so verstanden, dass Brandenburg nichts zahlen möchte - Frage 1, und Frage 2: Sind Sie nicht mit mir der Meinung, dass man das eine tun kann, ohne das andere zu lassen, das heißt, dass man erst einmal einen Fonds aufbaut und kein Gerangel stattfindet und letztlich niemandem geholfen ist, wenn Sie sagen, wir zahlen nichts, dafür möchten wir aber, dass diese Änderungen irgendwann einmal eintreten?

Frau Ministerin.

Nein, Frau Richstein, Sie haben mich falsch verstanden, wenn Sie meinen, ich hätte gesagt, wir wollen nicht zahlen. Natürlich werden wir für die Opfer, für die wir verantwortlich sind, bei denen Missbrauch in staatlicher Obhut passiert ist - so wie es bei den Heimkindern ist -, zahlen. Wir halten aber das Instrument eines Fonds für die Opfer von Missbrauch im familiären Bereich nicht für ein sinnvolles und geeignetes Instrument. Das ist der Unterschied.

Es geht darum, dass wir hier über familiären Missbrauch sprechen. Wir können als Staat hierbei nicht in eine Ersatzfunktion springen. Was vollkommen richtig ist: Wenn Missbrauch in staatlichen oder halbstaatlichen, von uns beauftragten Einrichtungen geschieht, dann müssen wir selbstverständlich die Verantwortung übernehmen. Aber hier geht es darum, konkret Hilfemaßnahmen für Opfer zu ergreifen. Dazu gibt es vorgesehene Instrumente im Rahmen des SGB V, also im Rahmen der Gesundheitsgesetzgebung. Es geht vor allem darum, gerichtliche, rechtliche Verfahren, Verjährungsfristen und Ähnliches zu verändern. Das sind die Instrumente, die die Opfer brauchen.

Gesetzt den Fall, Sie würden einen solchen Hilfsfonds einsetzen: Wo wollen Sie die Grenze ziehen? Wollen Sie ihn auf ein bestimmtes Jahr begrenzen und sagen, es ist ein abgeschlossenes Phänomen? Sexueller Missbrauch in Familien ist leider ein Phänomen, das keine zeitliche Begrenzung hat, insofern: Was machen wir mit den Familien, in denen dieser Missbrauch nach wie vor geschieht? Ich möchte damit nur deutlich machen, dass ich den Fonds in diesem Fall für ein völlig ungeeignetes Instrument halte, zumal die Länder in ihre Maßnahmen - also in Jugendhilfemaßnahmen, in Präventionsprojekte - Geld finanzieren und daraus Geld entnehmen müssten, das in einen solchen Fonds, der ja notwendigerweise informell ist und außerhalb dieser zuständigen Maßnahmen steht, einfließen müsste. Dieses Geld würde dann fehlen. Deshalb plädieren wir unbedingt für die Unterstützung der Opfer, aber auf eine Art und Weise, die ihnen nachhaltig nützt und Perspektiven für die Zukunft enthält.

Vielen Dank, Frau Ministerin. - Es gibt keinen weiteren Nachfragebedarf. Ich unterbreche die Sitzung für die Mittagspause und bitte Sie, pünktlich um 13 Uhr wieder hier zu sein.

(Unterbrechung der Sitzung: 12.17 Uhr)

(Fortsetzung der Sitzung: 13.03 Uhr)

Meine Damen und Herren Abgeordnete! Wir möchten die Sitzung fortsetzen. Wie so oft gewinnen unsere Gäste keinen schönen Eindruck, wenn die Abgeordneten es nicht schaffen. Aber zu deren Entschuldigung möchte ich zumindest sagen: Wir hatten heute eine sehr knapp bemessene Mittagspause und vielleicht sind noch nicht alle mit dem Essen fertig.

Wir haben auch heute wieder Schülerinnen und Schüler des Alexander-von-Humboldt-Gymnasiums Eberswalde zu Gast. Herzlich willkommen und viel Vergnügen beim Gewinnen Ihrer Erkenntnisse!

(Allgemeiner Beifall)

Ich eröffne Tagesordnungspunkt 3:

Ringen soll olympisch bleiben

Antrag des Ausschusses für Bildung, Jugend und Sport

Drucksache 5/6845

Es spricht der Vorsitzende des Ausschusses für Bildung, Jugend und Sport, Herr Abgeordneter Krause.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Werte Schriftführer! - Auch diese Regelung haben wir gestern neu eingeführt. - Werte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Gäste! Am 12. Februar 2013 hat das Exekutivkomitee des Internationalen Olympischen Komitees in Lausanne beschlossen, ab dem Jahr 2020 die Traditionssportart Ringen aus dem olympischen Programm zu streichen. Deswegen hat sich der Ausschuss für Bildung, Jugend und Sport nur zwei Tage später, am 14. Februar, erstmalig in dieser Legislaturperiode in einem fraktionsübergreifenden Antrag einstimmig dafür ausgesprochen, Ringen als olympische Sportart bei den Sommerspielen zu erhalten.

(Allgemeiner Beifall)

Mit unserem gemeinsamen Antrag wollen wir erreichen, dass der Landtag Brandenburg an das Internationale Olympische Komitee appelliert, die Sportart Ringen im Programm zu halten. Gleichzeitig möchten wir die Landesregierung auffordern, sich über die Sportministerkonferenz und gegenüber dem DOSB für den Erhalt der Sportart im Programm der Olympischen Spiele einzusetzen.

Sehr geehrte Damen und Herren! Ringen war als eine der fünf Kernsportarten erstmals bei den 18. Olympischen Spielen der

Antike 708 vor Christus vertreten. Für Frauen hingegen ist Ringen erst seit 2004 - nach Christus! - olympische Disziplin. Bei den Olympischen Spielen in London 2012 waren 344 Ringerinnen und Ringer aus 72 Nationen an den Start gegangen. In elf Gewichtsklassen im Freistil und 7 Gewichtsklassen im griechisch-römischen Stil traten die Sportlerinnen und Sportler gegeneinander an, in 29 Nationen wurden anschließend olympische Medaillen im Ringen getragen.

Die Sportart ist gekennzeichnet von Kraft und Geschick, Ausdauer sowie Wendigkeit und Gelenkigkeit. Nicht zuletzt wird sie jedoch auch durch Cleverness bestimmt. Der Kopf spielt eine entscheidende Rolle, deswegen wird Ringen auch als „Schach auf der Matte“ bezeichnet. Dennoch war der Sport in den vergangenen Jahren offenbar nicht mehr interessant genug. Häufige Regeländerungen führten zu weniger nachvollziehbaren Punktvergaben, Kämpfe wurden unattraktiver, überregionale Zeitungen haben nicht mehr darüber berichtet und im Fernsehen wurden die Kämpfe schon lange nicht mehr übertragen.

Genauso begründet das Internationale Olympische Komitee nach einer umfangreichen Analyse aller 26 Sommersportarten seine Entscheidung. Demnach erzielte Ringen niedrige Werte insbesondere in den Kategorien TV-Quoten, Zuschauerzahlen und Ticketverkäufe, aber auch bei der Verbreitung, den Mitgliederzahlen und der Attraktivität unter Jugendlichen. Deutlich wird an dieser Entscheidung, dass wirtschaftliche Gründe zum Ausschluss der Sportart aus dem olympischen Programm geführt haben.

Das IOC hat in den vergangenen Jahrzehnten die Olympischen Spiele verstärkt als Marke etabliert, es war auf Sponsoren angewiesen und hat seine Entwicklung von den Geldern abhängig gemacht. Im Interesse dieser Zuwendungsgeber ist es, über die verschiedenen Medien das größtmögliche Publikum überall auf der Welt zu erreichen. Im Umkehrschluss bedeutet dies, dass eine Sportart, wenn sie nicht mehr entsprechend platziert werden kann, aus dem Programm gestrichen wird - Tradition hin, Tradition her. Das Internationale Olympische Komitee beugt sich damit dem Diktat der Inszenierungen. Dies kritisieren wir und weisen wir scharf zurück.

(Allgemeiner Beifall)

Meine Damen und Herren! Damit die Entscheidung wirksam werden kann, muss sie im September durch die Vollversammlung des Internationalen Olympischen Komitees in Buenos Aires bestätigt werden. Kommt die Entscheidung zustande, gibt die Traditionssportart 2016 in Rio de Janeiro ihre Abschiedsvorstellung.

Neben Überraschung stößt diese Entscheidung weltweit auf Empörung. So hat der Präsident des bulgarischen Ringerverbandes und siebenmalige Welt- und Europameister im Ringen, Valentin Jordanov, seine olympische Goldmedaille von 1996 an das IOC zurückgegeben. Jordanov möchte mit diesem Schritt ein Zeichen setzen und seine Solidarität mit den Sportlerinnen und Sportlern und den Fans des Ringens zum Ausdruck bringen.

Neben dieser individuellen Reaktion entwickelt sich aber auch ein weltweit organisierter Protest. So schlossen sich bekannte Ringernationen und der Weltverband FILA in Teheran zusammen, um gemeinsam eine Kampagne für den Verbleib der Sportart im olympischen Programm zu initiieren. Gemeinsam

wollen so unter anderem Aserbaidschan, die Türkei, Iran, Russland und die USA gegen das drohende Aus agieren. Medienwirksam haben der Exekutivdirektor des amerikanischen Ringerverbandes sowie der iranische Verbandschef und der iranische Präsident des Nationalen Olympischen Komitees einander umarmt. Was im politischen Bereich offenbar seit Jahrzehnten undenkbar ist, macht der Sport an dieser Stelle möglich. Auch Wladimir Putin hat derweil eine Arbeitsgruppe mit demselben Ziel ins Leben gerufen, in der neben den russischen Mitgliedern des Internationalen Olympischen Komitees auch der vormalige Europa- und Weltmeister sowie Olympiasieger Alexander Karelin mitarbeiten sollen.

Meine Damen und Herren! Auch wir in Brandenburg setzen uns für den Verbleib der Sportart Ringen im olympischen Programm ein. Wir wissen, dass unsere politische Stimme gegenüber dem IOC nicht die gewichtigste sein wird. Wir sind auch nicht so naiv, zu glauben, dass unser Beschluss allein eine notwendige Veränderung in der Mehrheitsbildung herbeiführen kann. Aber wir sind uns gemeinsam darin einig, dass es sich lohnt, sich für die Sportart Ringen einzusetzen. Wir wollen mit diesem Beschluss auch ein Zeichen der Unterstützung und der Solidarität für die Sportlerinnen und Sportler, die Schülerinnen und Schüler im Landesleistungsstützpunkt sowie im Bundesstützpunkt Nachwuchs in Luckenwalde sowie Frankfurt (Oder) senden. Unser Land fördert seit Jahren diese Schulen und Sportstätten. Wir unterstützen die Sportlerinnen und Sportler auf ihrem Weg an die Bundes- und Weltspitze. Gern möchten wir dies auch in Zukunft tun. - Vielen Dank.

(Allgemeiner Beifall)

Vielen Dank, Herr Abgeordneter Krause. - Wir setzen die Aussprache mit dem Beitrag der SPD-Fraktion fort. Herr Abgeordneter Rupprecht hat das Wort.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Gäste! Meine Damen und Herren! Liebe Sportfreundinnen und Sportfreunde, ich glaube, wir Sportfreunde sind im Moment unter uns.

(Heiterkeit)

Wer mich kennt - das sind einige von Ihnen -, der weiß, dass ich ein ausgesprochen sportbegeisterter Mensch bin. Jedoch verteile ich meine Sympathien durchaus unterschiedlich. Es gibt Lieblingssportarten - wie bei jedem von uns -, aber auch Sportarten, die einem nicht so ans Herz gewachsen sind.

Ich gebe zu: Bis zum Jahr 2004 gehörte bei mir Ringen zur zweiten Gruppe. Dann habe ich qua Amt Ringen live erlebt. Darunter waren Bundesligakämpfe in Luckenwalde bis hin zum Sieg bei der Deutschen Meisterschaft vor begeistertem Publikum, aber auch Kämpfe in der zweiten Bundesliga beim RC Germania Potsdam - ich begrüße den Präsidenten - sowie ein großartiges Ferienprojekt, das dieser Verein jedes Jahr für Kinder aus sozialschwachen Familien und für Kinder mit Migrationshintergrund organisiert.

Zudem habe ich in Frankfurt (Oder) - beim RSV Hansa 90 das größte Jugendturnier der Region erlebt und dabei gesehen,

mit welcher Begeisterung Jungen und Mädchen aus verschiedenen Ländern dort gerungen haben. Heute kann ich sagen: Ich bin inzwischen ein Ringkampffan.

Nun können Sie sich vorstellen, wie groß meine Bestürzung und auch meine Wut - das will ich ausdrücklich sagen - war, als ich hörte, dass das IOC eine der ältesten Sportarten aus dem olympischen Programm streichen will. Das ist ein Skandal, und das muss verhindert werden!

(Beifall SPD, DIE LINKE und CDU)

Rückblickend kann man sagen: Das ist lediglich ein weiterer Schritt des IOC weg von Idealen und Traditionen hin zu einer Gelddruckmaschine. Getoppt wird das Ganze nur noch vom Weltfußballverband, der FIFA.

Nun blicke ich auf den ersten Sündenfall zurück, der mir noch gut in Erinnerung ist: Um die Austragung der Olympischen Spiele 1996 - 100 Jahre nach den ersten Olympischen Spielen der Neuzeit - bewarb sich auch Athen. Für jeden war klar: Natürlich erhält Athen den Zuschlag für die Spiele. Wer sonst? Bekommen hat die Spiele jedoch Atlanta (Coca-Cola). Das IOC hat also die Olympischen Spiele nach Amerika verkauft. Das ist für mich der erste Sündenfall. Seit dieser Zeit ist es immer weiter in diese Richtung gegangen, auch weil der Einfluss der Medien signifikant gewachsen ist und derzeit Einschaltquoten alles entscheiden.

Die mögliche Zukunft stelle ich mir schrecklich vor, möglicherweise wie folgt: ein Wechsel beim Austragungsort zwischen Katar und den Vereinigten Arabischen Emiraten, Kernsportarten sind dann nicht mehr Leichtathletik oder Schwimmen, sondern Wakeboarding und Wushu, wobei ich nicht weiß, was das ist; manch einer weiß es vielleicht. Wushu könnte also statt Ringen - demnächst olympische Sportart werden.

Ringen hat da schlechte Karten, meine Damen und Herren; denn Ringen ist nicht sexy, nicht cool und vor allem nicht telegen.

(Senftleben [CDU]: Das würde ich nicht so sagen!)