Protokoll der Sitzung vom 06.06.2013

(Beifall DIE LINKE und SPD)

Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN spricht die Abgeordnete von Halem.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Dass Klassenfahrten im Schulleben wichtig sind, werden wir alle nicht bestreiten. Sicher erinnern wir uns alle noch daran, wie viel Spaß es machen kann, im Bett unliebsamer Klassenkameraden abends Stecknadeln zu verstecken.

(Allgemeine Heiterkeit - Jürgens [DIE LINKE]: Das haben Sie gemacht!)

- Das hat man mir erzählt. Manche Leute haben auch ausprobiert, wie man die Klassenlehrer austrickst - in irgendwelchen nächtlichen Zimmerkonstellationen, die nicht geplant waren. Das mag zwar alles dem Abarbeiten des Lehrplanes nicht förderlich gewesen sein, aber trotzdem gehören Klassenfahrten zu den unvergessenen und lehrreichsten Ereignissen in den Schuljahren. Für Lehrerinnen und Lehrer sind es Dienstfahrten - sicherlich oft mit Spaß verbunden, aber keine Erholungskur.

(Das stimmt! bei der SPD)

Dass ausgerechnet die rot-rote Landesregierung im November 2012 nach dem Urteil des Bundesarbeitsgerichtes die Situation in Brandenburg - wo Lehrkräfte vor Klassenfahrten auf die Erstattung von Fahrtkosten verzichten mussten - mit der gerichtlich für unzulässig erklärten in NRW für nicht vergleichbar hielt und die SPD - unterstützt von den Linken - sagte, es könne manchmal durchaus sinnvoll sein, die Reisekosten selbst zu tragen und sie anschließend in der Steuererklärung zu verrechnen - siehe Plenarprotokoll vom November -, entspricht nicht dem Einmaleins der Arbeitnehmerrechte.

Auch unser Antrag in den Haushaltsverhandlungen, die Mittel für Klassenfahrten aufzustocken, wurde im November des letzten Jahres mit den gleichen Argumenten abgebügelt. Das, lieber Kollege Günter, ist nicht das Regierungshandeln, was uns so begeistert und, weil wir es unterstützen, zu diesem Antrag veranlasst hätte.

Im Ministerium wurde - intern - wohl trotzdem Handlungsbedarf erkannt. 2012 wurde eine Arbeitsgruppe eingerichtet, die aber offensichtlich immer noch davon überzeugt war, dass Arbeitnehmerrechte in Brandenburg anders zu definieren seien. Das Thema wurde nicht ernst genug genommen, sonst wäre das Ministerium von dem Urteil des Verwaltungsgerichtes nicht so überrumpelt gewesen. Aber gut, das ist Rückschau.

Mittlerweile ist allen klar, dass die Regelungen überarbeitet werden müssen; es ist jetzt auch müßig zu beklagen, dass das so spät geschieht. Aber es gibt jetzt tatsächlich eine offene Frage bzw. einen Widerspruch: Was heißt es, wenn vonseiten des Ministeriums erklärt wird, die Mittel würden bedarfsgerecht zur Verfügung stehen, der Betrag werde von 150 000 auf 500 000 Euro aufgestockt? Niemand - weder im Ministerium noch anderswo - weiß, wie viel Geld dafür erforderlich ist, dass Klassenfahrten zumindest im jetzigen Rahmen weiterhin stattfinden können.

500 000 Euro bedeuten, dass in jeder Schule ungefähr 625 Euro ankommen, aber wir wissen nicht, ob diese Mittel Klassenfahrten im gewohnten Umfang sicherstellen. Wenn es ein neues Budget gibt, brauchen wir natürlich einen Schlüssel, mit dessen Hilfe den Schulen das Geld zugewiesen wird. Auch wir sind der Meinung, dass die Schulen unbedingt selbst darüber entscheiden müssen.

Es wird natürlich Konflikte geben; nicht alles, was man sich wünschen könnte, wird umsetzbar sein. Aber diesem Konflikt müssen sich die Schulen stellen. Ich bin strikt dagegen, dass das Ministerium einen Kriterienkatalog definiert, der den Schulen letztlich ein Korsett vorgibt, so wie das im Änderungsantrag von Herrn Hoffmann gefordert ist; deswegen werden wir ihn ablehnen. Ich finde, die Schulen müssen eigenverantwortlich entscheiden, was sie für sinnvoll halten. Das sollte in

ihren Händen liegen, nicht in den Händen des Ministeriums.

Das Fazit darf auch nicht sein, dass letztendlich nur ein Bruchteil dessen stattfinden kann, was in den letzten Jahren stattgefunden hat. Das zu organisieren ist Aufgabe des Ministeriums.

(Beifall B90/GRÜNE)

Und dann sollten alle Kinder ausprobieren dürfen - am besten mehrfach in ihrer Schulzeit -, für was Klassenfahrten alles gut sein können. - Danke schön.

(Beifall B90/GRÜNE sowie vereinzelt CDU)

Vielen Dank, Frau Abgeordnete von Halem. - Wir kommen jetzt zum Beitrag des fraktionslosen Abgeordneten Herrn Dr. Hoffmann.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich traue dem Ministerium in der Tat einiges mehr zu, obwohl mein Antrag gar nicht in die Richtung geht, die hier gelegentlich unterstellt wurde.

Der hier zu beratende Antrag „Klassenfahrten ermöglichen“ ist, so glaube ich, zu unterstützen, obwohl schon die Überschrift genauer sein müsste. Vor allem aber sollte nicht nur der Gesichtspunkt Dienstreise oder Nicht-Dienstreise eine Rolle spielen, sondern der pädagogische Nutzen von Schulfahrten. Spaß muss deshalb doch nicht aus Schulfahrten verbannt sein!

Der Antrag ist zur rechten Zeit gestellt, und zwar erstens der Sache selbst wegen, weil es nach entsprechenden Gerichtsurteilen auch im Land Brandenburg Handlungsbedarf gibt. Die halbherzigen Antworten der Ministerin vom Januar 2013 auf meine Kleine Anfrage „Schulfahrten als Dienstreise für Lehrkräfte“ konnten nicht genügen.

Zweitens ist es richtig, wenn sich der Landtag mit diesem Thema beschäftigt, auch wenn sich eine Arbeitsgruppe des Ministeriums der Sache bereits angenommen hat. Was mir aber wichtig ist - und damit möchte ich den vorliegenden Antrag ergänzen -, ist, dass die Überarbeitung der Regelung für Schulfahrten aus gegebenem Anlass genutzt werden sollte, um Schulfahrten qualitativ zu verbessern und neben den Gesichtspunkten Integration und Sozialverhalten auch stärker fächerübergreifende Lernziele zu berücksichtigen.

Die zur Verfügung zu stellenden Mittel sollen an pädagogisch sinnvolle Schulfahrten gebunden sein. Diese wären verbindlicher zu bestimmen, nicht einengend. Wenn - über die gültigen Verordnungen hinaus - die Kriterien, was eine förderungsfähige Schulfahrt ist, überarbeitet würden, hätte das doch nichts mit Zentralismus oder Dirigismus zu tun. Manchmal führen wir wirklich eine seltsam kantische, deutsche Debatte, wo Lernen immer auf der einen Seite steht, Spaß und Freude auf der anderen. Ich glaube, so geht es nicht, und jeder gute Lehrer und jede gute Lehrerin weiß das auch.

(Zuruf der Abgeordneten Prof. Dr. Heppener [SPD])

Entscheiden, welche Klassenfahrten genehmigt werden sollen

und welche nicht, sollen und müssen auf jeden Fall die Schulleitungen. Wirklich frei und kompetent in der Entscheidung können sie aber nur sein, wenn bei der Genehmigung oder auch der Ablehnung hauptsächlich andere Kriterien als Finanzen in Anschlag gebracht werden können.

Ja, die Mittel für Schulfahrten sollten in den Händen der Schulen sein. Deshalb mein Vorschlag für eine noch zu führende Debatte: An jeder Schule sollte nach Vorbild des Berliner Modells eine Lehrkraft mit zwei Abminderungsstunden pro Woche für die Koordination aller schulischen und außerschulischen Aktivitäten zur kulturellen Bildung eingesetzt werden. Diese Lehrkraft könnte auch für die inhaltliche Profilierung der Schulfahrten verantwortlich sein. Natürlich müsste die Machbarkeit für Brandenburg geprüft werden.

Mit meinem Änderungsantrag werden die auf den Weg gebrachten Aktivitäten der Landesregierung, so meine ich, zur Überarbeitung der Regelungen für Schulfahrten besser berücksichtigt und Bemühungen, Schulfahrten stärker nach inhaltlichen Kriterien zu definieren, stärker gewürdigt. Die Möglichkeit der Kostenerstattung bzw. auch der -ablehnung könnten so verbindlicher nach pädagogischen Zielstellungen geregelt werden.

Ich bitte Sie: Denken Sie über meinen Änderungsantrag nach und stimmen Sie dem Antrag von CDU, FDP, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und des Abgeordneten Schulze zu. - Vielen Dank.

Vielen Dank, Herr Abgeordneter Hoffmann. - Wir kommen nunmehr zum Beitrag der Landesregierung. Frau Ministerin Dr. Münch, Sie haben das Wort.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir haben an den Anekdoten über Schulfahrten gehört, dass sie uns allen gut in Erinnerung geblieben sind und dass Schulfahrten, Wandertage und Exkursionen elementare Bestandteile des Schullebens sind, die durch nichts zu ersetzen sind. Sie bereichern den Unterricht, sie verbinden Lernen und Erleben und stärken die Klassengemeinschaft. Da sind wir absolut einer Meinung.

Es ist allerdings nicht zutreffend, dass die Landesregierung nach dem Urteil aus Nordrhein-Westfalen alle Klassenfahrten storniert hat, denn bereits genehmigte Fahrten standen zu keinem Zeitpunkt infrage. Ich betone das, weil mir die Planungssicherheit für die Verantwortlichen in den Schulen, aber auch für die Schülerinnen und Schüler und ihre Familien sehr wichtig sind.

Richtig ist, dass wir nach dem Urteil aus Frankfurt (Oder) weitere Genehmigungen kurzzeitig ausgesetzt haben, weil wir nach einem solch entscheidenden Urteil, das uns sagt, die bisher übliche Praxis gehe so nicht, nicht so weitermachen können wie bisher, sondern zunächst prüfen müssen, was das jetzt konkret heißt. Deshalb haben wir in einem Schreiben an die Schulämter klargestellt, dass bis zu einer Regelung, zu der wir gesagt haben, dass wir sie innerhalb von 14 Tagen finden, die Planungen auf Eis zu legen sind. Das, was in der Presse dazu

zu lesen war, entspricht in keiner Weise dem, was in diesem Schreiben stand. Ich bedaure es außerordentlich, dass es dadurch zu einer solchen Verunsicherung aller Beteiligten gekommen ist.

Richtig ist, dass wir die Genehmigungen kurzzeitig ausgesetzt haben, um die bestehenden Regelungen an die neue Rechtslage anzupassen. Wir haben das Urteil akzeptiert und eine Regelung für das kommende Schuljahr gefunden, denn in der Regel planen Schulen ein Jahr im Voraus. Wir haben deshalb bereits Anfang Mai - Thomas Günther hat das alles sehr richtig dargestellt - Übergangsregelungen getroffen, die für das gesamte nächste Schuljahr gelten. Das heißt, wir haben den Rahmen der Summe, die zur Verfügung steht, erhöht. Wir haben auch klar gesagt, für welche Klassenfahrten die Schulleiter zuständig sind, was Genehmigungen betrifft, wofür Schulämter zuständig sind und dass natürlich als Voraussetzung für die Genehmigung einer Klassenfahrt keine Verzichtserklärung abgefordert werden darf.

Wir sind darüber hinaus - das waren wir auch schon zu dem Zeitpunkt, als das Urteil gefällt wurde; wir hatten auch im Landtag bereits darüber diskutiert - in intensiven Vorbereitungen für eine neue VV-Schulfahrten, also eine Richtlinie, um diese Dinge definitiv regeln zu können.

Wir werden im Landesschulbeirat in der nächsten Sitzung, die nach Mitte des Monats stattfindet und bei der die im Landtag vertretenen Fraktionen ebenfalls am Tisch sitzen, Eckpunkte vorstellen, weil es mir sehr wichtig ist, gemeinsam mit Landeseltern- und -lehrerrat sowie auch dem Landesschülerrat über Regelungen zu sprechen. Natürlich werden wir nicht definieren, welche einzelne Fahrt pädagogisch sinnvoll ist, welche also dem Rahmenlehrplan entspricht und welche nicht. Aber es wird darum gehen, dass wir die VV-Schulfahrten überarbeiten, und es wird darum gehen, dass Schulen im Rahmen des vorgegebenen Budgets selbst entscheiden sollen, welche Fahrten durchgeführt werden und welche nicht.

Wir werden natürlich auch über das Budget reden müssen. Es ist richtig, Frau von Halem: Wir wissen derzeit nicht, wie viel Geld für Klassenfahrten aufgewendet werden muss, weil dies nicht dem Ministerium gemeldet wurde. Die Meldungen erfolgten an die einzelnen Schulämter, und wenn die Lehrer die Rückerstattung nicht in Anspruch genommen haben, haben wir davon keine Kenntnis. Da wir hier alle über Bürokratieabbau reden, denke ich auch nicht, dass es zielführend ist, jedes Detail im Ministerium buchhalterisch abzufragen. Deshalb werden wir uns daran orientieren, wie viel Geld wir im nächsten Schuljahr voraussichtlich brauchen werden; es gibt eine sehr unterschiedliche Gefechtslage im Land, was das Budget in einigen Schulamtsregionen betrifft.

Dieses Budget haben wir übrigens auch bisher schon zur Verfügung gestellt, das heißt, wir haben bereits erstattet. Das ist auch eine Fehlinformation, dass wir nicht erstattet hätten; wir haben in Höhe von zwei Zehnteln des Bundesreisekostengesetzes erstattet. Wenn dieser Topf leer war, konnten Genehmigungen nicht mehr erfolgen - das war die bisherige Praxis. Diesen Topf erhöhen wir jetzt. Wir erhöhen auch den Anteil, den Lehrer zu Recht beantragen können. Wir müssen jetzt auswerten, welche Finanzmittel wir brauchen, und darüber werden wir auch mit den Betroffenen sprechen. Die Schulen werden ein Budget haben und in diesem Rahmen selbstständig entscheiden können. Ich halte das für eine gute Regelung; auch andere Län

der haben sie getroffen. Ich gehe davon aus - ich habe auch entsprechende Resonanz von den Schulen und von den Schulämtern -, dass es hier mittlerweile Klarheit gibt. Das Geld ist an die Schulämter angewiesen.

Insofern machen wir all das, wozu Sie meinen, uns in Ihrem Antrag verpflichten zu müssen. Das ist längst in Arbeit, wir sind in guten Gesprächen.

Wenn Sie die Zeit fänden, am Landesschulbeirat teilzunehmen, was ich begrüßen würde, wäre das sehr schön, denn wir können nur sinnvoll miteinander Lösungen finden, wenn alle anwesend sind. Dann werden Sie auch die entsprechenden Eckpunkte mitdiskutieren können. Insofern brauchen wir diesen Antrag nicht; er ist längst überholt. - Danke.

(Beifall SPD und DIE LINKE - Zurufe von der CDU)

Vielen Dank, Frau Ministerin. - Es gibt keinen Bedarf, die Rednerliste zu erweitern. Wir kommen demzufolge zur Abstimmung.

Es liegt zunächst der Änderungsantrag in der Drucksache 5/7404, Ergänzungen im ersten Absatz sowie Einfügung zweier weiterer Anstriche im 2. Absatz, vor, gestellt durch Herrn Abgeordneten Dr. Hoffmann. Wer diesem Änderungsantrag zustimmen möchte, den bitte ich um sein Handzeichen. Gegenstimmen? - Stimmenthaltungen? - Bei wenigen Enthaltungen ist dieser Änderungsantrag abgelehnt worden.

Ich komme nun zum Antrag in der Sache, Drucksache 5/7369, eingebracht durch die Fraktionen CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP sowie den Abgeordneten Schulze, „Klassenfahrten ermöglichen“. Wer diesem Antrag zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. - Wer ist dagegen? Enthaltungen? - Es gibt keine. Damit ist der Antrag mit deutlicher Mehrheit abgelehnt.

Ich schließe Tagesordnungspunkt 8 und rufe Tagesordnungspunkt 9 auf:

Stiftung einer Medaille des Landtages Brandenburg zur Anerkennung von Verdiensten für das Gemeinwesen

Antrag des Präsidiums des Landtages

Drucksache 5/7318

Ich eröffne die Aussprache mit dem Beitrag der SPD-Fraktion. Es spricht Herr Präsident Fritsch.