Protokoll der Sitzung vom 28.08.2013

(Zurufe der Abgeordneten Genilke und Senftleben [CDU])

Die entscheidende Frage, nämlich die Finanzierung Ihres Straßenbauprogramms, lassen Sie offen. Ich bin schon ein wenig erstaunt, dass Sie, Herr Beyer, das mit der allgemeinen Steuerfinanzierung so durchgehen lassen. Sie haben es sich eigentlich viel schwerer gemacht und für Ihre Deckungsquellen, die Sie damals gefunden hatten, um die 10 Millionen Euro für den Schwerpunkt Landesstraßen zusammenzukratzen, haben Sie hier im Landtag derbe Kritik erhalten. Sie haben damals vermittelt, Zuführungen an den Landesbetrieb zulasten der Mittel für die Nachhaltigkeitsstrategie zu erreichen, dann zulasten der Mittel für nachhaltige Bildung, bei europarechtlich vorgeschriebenen Naturschutzmaßnahmen wollten Sie hineingreifen, ja sogar zulasten der Zuschüsse an soziale Einrichtungen für die Altenpflegeausbildung hatten Sie gedacht. Da staune ich, dass Sie das der CDU so durchgehen lassen, wo Sie selbst derbe Kritik einstecken mussten. Das deutliche Nein ist auch wesentlich in der Frage der Finanzierbarkeit begründet gewesen.

Sie werden verstehen, Herr Genilke, dass wir Ihnen das mit der Finanzierung nicht so durchgehen lassen wollen, weil Sie über die aktuelle Situation und auch die Hypotheken sehr wohl im Bilde sind. Im Übrigen fordern Sie überall dort, wo Sie keine Verantwortung tragen - wie beispielsweise in Schleswig-Holstein und hier in Brandenburg -, Sonderprogramme für Straßenbau in einer Größenordnung von hunderten Millionen Euro. Jedoch dort, wo Sie selbst in der Verantwortung sind, passiert nichts dergleichen - still ruht der See.

(Zurufe von CDU und FDP)

Ich möchte an dieser Stelle, lieber Herr Senftleben, weil Sie da auch in besonderer Verantwortung waren, nur einmal auf den Bericht des Landesrechnungshofs verweisen, der eine Unterfinanzierung für die bauliche Erhaltung der Fahrbahnbefestigungen im Zeitraum 2004 bis 2008 feststellte und damals einen Nachholbedarf zur Erneuerung des vorhandenen Landesnetzes von fast 25 Millionen Euro ausmachte.

Auch daraus, Herr Genilke, resultiert ein enormer Rückstau, von dem Sie sprachen und den wir in Zeiten knapper Kassen nicht ad hoc heilen können. Sie wissen überdies um das strukturelle Defizit von fast einer Viertelmilliarde Euro und auch Ih

rer Verantwortung beim Anwachsen dieses Defizits. Auch hier hat erst Rot-Rot gegengesteuert. Nun fordern Sie hier einfach einmal aus dem Stegreif ein Umsteuern, was die allgemeinen Steuereinnahmen angeht. Da meinen wir, das ist mehr als unseriös.

Frau Abgeordnete Wehlan, Ihre Redezeit ist abgelaufen.

Nur noch einen Satz!

(Senftleben [CDU]: Nein, keinen Satz mehr!)

- Ja, den wollen Sie nicht hören! Aber Ihre Verfahrensweise in Bezug auf diesen Antrag wäre auf der kommunalen Ebene gar nicht möglich. Dort sind Sie nämlich laut Gemeindehaushaltsverordnung verpflichtet, Deckungsreserven anzugeben oder einen Finanzplan aufzuzeigen. Lieber Herr Senftleben, das ist unseriös!

(Beifall DIE LINKE sowie vereinzelt SPD)

Vielen Dank, Frau Abgeordnete Wehlan. Wir setzen die Aussprache zum Thema „Straßen und abgeschossene Vögel“ mit dem Beitrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN fort.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Verehrte Gäste! Wer Straßen baut, sollte auch imstande sein, sie zu unterhalten. Wer sich das nicht leisten kann, sollte tunlichst darauf verzichten, neue Straßen in die Landschaft zu setzen. Alles andere ist wenig vorausschauend, keinesfalls solide und schon gar nicht nachhaltig.

Die Fehler der Vergangenheit, fleißig neu zu bauen anstatt das Geld in erster Linie in die bestehende Infrastruktur zu investieren, müssen wir bereits heute ausbaden: Schlaglöcher über Schlaglöcher, Straßen, die an Flickenteppiche erinnern und den historisch Interessierten den Fahrkomfort des 19. Jahrhunderts erahnen lassen.

Die Antwort der Landesregierung auf eine Kleine Anfrage zur Straßenfinanzierung zeigt auf, dass noch immer dreimal so viel Geld in die Planung neuer Landes- und Bundesstraßen investiert wird als in den Erhalt des bestehenden Netzes. Wir haben zwar erfreut zur Kenntnis genommen, dass nun auch die Landesregierung das Credo „Erhalt vor Neubau“ predigt, bei dessen Umsetzung zeigt sich das Ministerium dann aber halbherzig, wie die Liste der Neubauplanungen deutlich macht.

Auch die lange Wunschliste der Neubauprojekte für den Bundesverkehrswegeplan lässt Zweifel an der Glaubwürdigkeit solcher Aussagen aufkommen, auch wenn hier immer mit der Hebelwirkung argumentiert wird, dass dabei viel mehr Bundesgelder eingesetzt würden. Ich weiß nicht, wie es Ihnen geht ich finde, wir sollten auch mit Bundesgeldern verantwortungsvoll umgehen.

(Beifall B90/GRÜNE)

Deshalb fordern wir klar und eindeutig, Landesmittel für den Straßenbau prioritär in die Instandsetzung zu lenken und Neubaumaßnahmen auf das absolute Mindestmaß zu reduzieren.

Schön, dass die CDU-Fraktion dieses Thema auf die Tagesordnung gesetzt hat. Wenn ich mich recht erinnere, ist auch unser zuständiger Minister der Auffassung, dass bei der Instandhaltung unserer Landesstraßen etwas passieren muss. Nur habe ich konkrete Lösungsvorschläge bisher noch nicht vernommen.

Wir stimmen mit dem CDU-Antrag insoweit überein, als auch wir die Erarbeitung eines nachhaltigen Konzepts zum Stopp des Werteverzehrs unserer Landesstraßeninfrastruktur begrüßen. Grundlage des Konzepts und der Priorisierung von Sanierungsmaßnahmen muss eine umfassende Bestandsanalyse sein. Diese sollte aber nicht nur den baulichen Zustand unserer Straßen, sondern auch den Werteverzehr finanziell abbilden, denn nur so können wir solide für die Zukunft planen; die Kommunen setzen das größtenteils bereits durch die Doppik um.

Allerdings haben wir ein Problem mit dem vorliegenden Antrag, das sich bereits im Titel abzeichnet: „Sonderprogramm Straßenbau“. Wir wollen keine Straßen bauen. Wir wollen Straßen instand setzen. Ihrem Antrag fehlt die Aussage, dass die zusätzlichen Mittel des Sonderprogramms ausschließlich für Instandhaltungsmaßnahmen verwendet werden dürfen. In der Hinsicht ist der Beschlusstext viel zu unverbindlich.

Ein Sonderprogramm nach Kassenlage kann vielleicht das eine oder andere Schlagloch stopfen, löst unsere Probleme allerdings nicht auf Dauer. Wir brauchen ein langfristiges Finanzierungskonzept, müssen in letzter Instanz aber auch über Verkehrslenkung und -vermeidung nachdenken, insbesondere beim Lkw-Fernverkehr. Lkws schädigen unsere Straßen hunderttausendmal stärker als Pkws. Sie tragen demnach auch zu einem entsprechend hohen Anteil zum Werteverzehr bei, und ich habe überhaupt kein Verständnis für die Vielzahl von Lkws, die über Bundes- und Landesstraßen rollen, um Mautgebühren oder einige Umwegkilometer auf der Autobahn zu sparen.

(Beifall B90/GRÜNE)

Gerade hierunter leiden unsere Straßen massiv. Was noch viel schlimmer ist: Vor allem leiden hierunter die von Lärm und Erschütterungen geplagten Anwohnerinnen und Anwohner, insbesondere, wenn die Straßen in solch desaströsem Zustand sind. Hier braucht es dringend mehr Lenkungsmaßnahmen wie eine gestaffelte Lkw-Maut, wirksame Tempolimits, Durchfahrverbote oder Achslastbegrenzungen.

Lieber Kollege Beyer, zum Vorwurf, dass wir einen Vogel abschießen: Glauben Sie mir: Wir sind die letzten, die einen Vogel abschießen wollen.

(Vereinzelt Beifall bei SPD)

In unserem Antrag geht es ausschließlich darum, diese Lenkungsfunktion umzusetzen und nicht Landesstraßen nach ihrer Benutzung teilweise auf- oder zuzumachen. Es kann nicht sein, dass die Anwohner dafür bestraft werden, dass die Landesregierung ihre Hausaufgaben nicht macht.

Wir erwarten deshalb, dass auch solche unpopulären Maßnahmen geprüft werden. Vor allem aber erwarten wir ein umsetzbares und nachhaltiges Konzept zum Stopp des Werteverzehrs

unserer Landesstraßen. Das können wir gern im zuständigen Ausschuss diskutieren. Ich bitte daher um Zustimmung zu unserem Entschließungsantrag. - Vielen Dank.

(Beifall B90/GRÜNE)

Vielen Dank, Herr Abgeordneter Jungclaus. - Wir setzen mit dem Beitrag der Landesregierung fort. Herr Minister Vogelsänger hat das Wort.

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Herr Genilke, ich beantworte Anfragen von Abgeordneten gern. Ich hoffe, dass ich hier nicht einen anderen Eindruck erweckt habe. Zudem habe ich den schönsten Job in der Landesregierung: Minister für Infrastruktur und Landwirtschaft.

(Zuruf des Abgeordneten Genilke [CDU])

Ich will hier noch etwas klarstellen, Herr Genilke, auch an die Abgeordneten gerichtet: Ich bin immer offen und ehrlich mit den Abgeordneten umgegangen und habe deutlich gemacht: Wir haben eine Unterfinanzierung der Infrastruktur in Deutschland, was den Bund, die Länder und die kommunale Seite betrifft. Ich habe als Vorsitzender der Verkehrsministerkonferenz die Daehre-Kommission eingesetzt - das ist übrigens ein verdienter CDU-Politiker aus Sachsen-Anhalt - und bin gespannt, wie der neue Koalitionsvertrag des Bundes aussieht.

Viele Wahlprogramme sprechen von der Notwendigkeit der Infrastruktur. Wir müssen den Menschen eines sagen: Für eine Infrastruktur brauchen wir auch eine entsprechende Finanzierung. Wir haben hohe Ansprüche an die Infrastruktur. Deshalb sage ich ganz deutlich: Wir brauchen mindestens deutlich mehr Mittel in diesem Bereich. Wir haben in Deutschland ein Finanzierungsdefizit von immerhin 7 Milliarden Euro jährlich, was die Infrastruktur betrifft.

Wir sind jetzt wieder in den Haushaltsberatungen, Herr Genilke.

(Genilke [CDU]: Was?)

In den Haushaltsberatungen haben Sie bezüglich der Radwege an Landesstraßen einen Änderungsantrag gestellt, um 2,5 Millionen zu erhöhen. Da wundere ich mich, dass Sie keinen Antrag bezüglich der Landesstraßen gestellt haben. Das hätten Sie in den Haushaltsberatungen tun können. Ich glaube, da gehört es dann auch hin.

(Vereinzelt Beifall SPD und DIE LINKE)

Zur Infrastruktur gehört mein Bereich mehrfach, nicht nur der Bereich Landesstraßen, und ich habe den Abgeordneten deutlich gemacht: Vollständig finanziert werden die Städtebaufördermittel - es gab keine Beschwerde von Abgeordneten, dass wir das vollständig finanzieren, das sind 64 Millionen Euro - und die ELER-Mittel; Herr Folgart, in der Förderperiode sind das 1,4 Milliarden Euro. Die Braunkohlesanierung wird vollständig kofinanziert. Dann sind wir bei den Bundesstraßen: Die 28 Millionen Euro Planungsmittel des Landes für Bundesstraßen sorgen dafür, dass wir in diesem Bereich immerhin ca.

285 Millionen Euro für die Verkehrserschließung des ganzen Landes Brandenburg bewegen können.

Der Bereich Landesstraßen ist nicht auskömmlich. Das habe ich auch nie behauptet. Zur Wahrheit gehört, dass wir in der letzten EU-Förderperiode - 2007 bis 2013 - ca. 170 Millionen Euro im Bereich Landesstraßen einsetzen konnten. Das können wir jetzt nicht mehr. Deshalb müssen wir neue Finanzierungsmöglichkeiten finden. Ich werde übrigens auch einen Bericht abgeben, was wir von 2007 bis 2013 in diesem Bereich erreicht haben. Da, wo die Straßen saniert sind, gibt es natürlich keine Beschwerdebriefe und keine Anfragen, sondern da ist das natürlich akzeptiert. Auch das werde ich darstellen.

Dann habe ich, damit man vorbereitet in die nächste Wahlperiode des Landtages gehen kann, Folgendes vor: Ich werde dem Landtag bzw. dem Landtagsausschuss ein entsprechendes Erhaltungsprogramm für Landesstraßen ab 2014 vorstellen. 2014 deshalb, weil dann Klarheit darüber besteht, ob die Versprechungen aus der Zeit vor der Bundestagswahl 2013 greifen und wir gemeinsam neue Wege der Finanzierung der Infrastruktur finden. Das kann der Bund nicht allein, das steht er auch nicht allein durch, wenn wir dort unpopuläre Maßnahmen durchführen. Ich werde ich ein Erhaltungsprogramm für Landesstraßen mit mehreren Finanzierungsszenarien vorlegen, und dann weiß jeder, was man mit welchem Geld bewegen kann. Ich freue mich sowohl auf eine spannende Diskussion als auch darauf, dass zumindest der Spruch „Bildung statt Beton“ Vergangenheit ist. Ich freue mich auch auf Ihre Unterstützung, was die Mittel für die Infrastruktur in den nächsten Jahren betrifft. Herzlichen Dank.

(Vereinzelt Beifall SPD und DIE LINKE)

Vielen Dank, Herr Minister Vogelsänger. - Es gibt für Herrn Genilke noch die Möglichkeit, zwei Minuten und mehrere Sekunden, knapp 3 Minuten, zu sprechen.

Frau Präsidentin, ich versuche, es etwas zu komprimieren. Herr Minister, Frau Wehlan, Sie nannten gerade Worte wie „unseriös“ und sagten, wir hätten das doch als Antrag zum Haushalt stellen können. Wenn Sie mir damals gesagt hätten, dass die Wirtschaft in diesem Lande so floriert, dass wir einen Überschuss von fast 500 Millionen Euro in Brandenburg haben, hätte ich das in der Tat machen können, aber ich brauche eine seriöse Gegenfinanzierung. Die habe ich Ihnen in diesem Antrag auch aufgezeigt. Ich bitte Sie, das zumindest zur Kenntnis zu nehmen.

Frau Wehlan, Sie sprachen vom Erhalt, von Neubau. Das ist richtig. Aber ich darf an Ihre Anfrage erinnern, als Sie sich für einen Radweg in Dahlewitz und Groß Kienitz einsetzten. Das sind Neubaumaßnahmen gewesen. Von daher, denke ich, kann es nicht darum gehen, aufzuhören, über Infrastruktur nachzudenken, wenn es in meinem eigenen Beritt ist, und, sobald es grob und global wird, anzufangen Grundsatzdiskussionen zu führen, die uns allesamt nicht besonders weiterhelfen.

Frau Kircheis hat gesagt: Die 477 Millionen Euro Überschuss sind sogar schon verplant. - Da möchte ich gern wissen, wofür.

Wir können den Leuten doch nicht immer erklären: Ihr bekommt die L15 nicht saniert - dort, wo die Baumstämme herunterfallen -, ihr bekommt die L60, die L33 und wie sie alle heißen nicht saniert.

Und dann heißt es: Okay, aber für den Flughafen stehen schon mal 400 Millionen Euro in Rede. Da können wir dann mal ganz schnell das Geld entziehen.