Protokoll der Sitzung vom 28.08.2013

Der Innenminister hat sich aber unter dem Druck des Koalitionsausschusses korrigiert. Jetzt kommt die Landesregierung in ihrer Interessenabwägung zu dem Ergebnis, dass 15 Jahre Verjährungshöchstfrist ausreichend seien. Damit würden entsprechende Forderungen spätestens Ende 2015 verjähren. Weshalb eine Verjährungshöchstfrist von 15 Jahren nun auf einmal angemessener erscheint, wird nicht begründet, zumal der Gesetzgeber einen sehr breiten Spielraum hat, wie Herr Innenminister Holzschuher selbst dargelegt hat.

Es handelt sich um eine politische Entscheidung. Immerhin stehen einige Wahlen vor der Tür. Die sogenannte „Altanschließerproblematik“ ist extrem komplex und bietet Projektionsflächen für Unmut aller Art.

Da das Jahr 2015 aber nicht mehr weit ist, besteht die sehr reale Gefahr, dass es aufgrund dieses Gesetzes bei den kommunalen Aufgabenträgern zu Beitragsausfällen kommt. Deshalb soll eine neue Regelung eingeführt werden, die darlegt, wer diese Mehrbelastungen tragen soll. Wenn die Gemeinde unverschuldet Beitragsausfälle tragen müsste, würde das Land einspringen. Ansonsten hätte die Gemeinde diese Kosten zu tragen. Das heißt, sie müsste diese dann an anderer Stelle von ihren Einwohnerinnen und Einwohnern einfordern. Die Allgemeinheit zahlt also statt der Beitragspflichtigen. Eine einfache Umlegung der Beiträge auf Gebühren ist nicht möglich. Da sich über Schuld bekanntlich trefflich streiten lässt, stehen uns manch unerfreuliche Auseinandersetzungen ins Haus.

Der Landeswasserverbandstag Brandenburg schreibt in seiner Stellungnahme zur Anhörung im Mai 2013 eindeutig:

„Eine Verjährung der Ansprüche im Jahre 2015 ist für die Aufgabenträger schlichtweg nicht machbar.“

Damit erscheinen die Folgen der vorgeschlagenen Änderung des KAG offensichtlich: Zahlreiche Beitragsforderungen werden 2015 verjähren. Die Gemeinden bleiben erst einmal auf den Kosten sitzen und werden versuchen, die Einnahmeausfälle auf andere Weise zu kompensieren - zum einen durch allgemeine Leistungskürzungen, zum anderen durch Erhöhungen von Steuern und Gebühren. Die Gemeinden werden auch versuchen, diese Beitragsausfälle auf das Land abzuwälzen. Es drohen langwierige - auch juristische - Auseinandersetzungen, deren Ausgang nicht absehbar ist.

Vielleicht mag durch diesen Gesetzentwurf der Koalitionsfriede hergestellt worden sein; dafür zeichnen sich neue Konflikte ab. Die einschlägigen Summen wurden von den Vertretern der kommunalen Familie auf dreistellige Millionenbeträge geschätzt. Diese Landesregierung wird langsam richtig teuer für das Land. Ich danke Ihnen.

(Beifall B90/GRÜNE und FDP)

Vielen Dank, Frau Abgeordnete Nonnemacher. - Wir kommen zu einem weiteren Beitrag der Landesregierung. Herr Minister Holzschuher, Sie dürfen noch einmal entgegnen.

Herr Abgeordneter Goetz, ich will ganz kurz, weil Sie wahrscheinlich vorhin abgelenkt waren, als ich hier gesprochen habe, noch einmal zum soundso oft wiederholten Male sagen: Wenn Investitionen über Beiträge umgelegt werden, geht es nicht um solche, die schon zu römischer Zeit erfolgten - oder zur germanischen oder slawischen Zeit - und auch nicht um jene aus DDR-Zeiten. Es geht ausschließlich um das, was nach der Wende in diesem Land zugunsten aller Bürgerinnen und Bürger in einem bestimmten Gebiet neu geschaffen wurde. Das umzulegen, die Investitionen für neue Kläranlagen, Pumpwerke und Ähnliches, darum geht es.

Es ist ein Gebot der Gerechtigkeit, dass sich alle, die davon profitieren, dass es neue Anlagen gibt, daran beteiligen und nicht nur einige, die nach der Wende dazugekommen sind. Das geht nicht. Das ist auch mit dem Verfassungsgrundsatz der Gerechtigkeit nicht in Einklang zu bringen. Darum geht es. Ich habe es jetzt noch einmal gesagt; ich weiß, es wird im Land immer noch nicht gehört. Ich werde es das nächste Mal wieder sagen. - Vielen Dank.

(Beifall SPD und DIE LINKE)

Vielen Dank, Herr Minister Holzschuher. - Ich beende hiermit die Aussprache und komme zur Abstimmung. Das Präsidium empfiehlt die Überweisung des Gesetzentwurfs der Landesregierung, Drucksache 5/7642, Sechstes Gesetz zur Änderung des Kommunalabgabengesetzes für das Land Brandenburg, an den Ausschuss für Inneres. Wer dieser Überweisung Folge leisten möchte, den bitte ich um sein Handzeichen. - Wer ist dagegen? - Stimmenthaltungen? - Es gibt keine. Damit ist das Gesetz einstimmig überwiesen worden.

Ich schließe Tagesordnungspunkt 6 und rufe Tagesordnungspunkt 7 auf:

Viertes Gesetz zur Änderung des Brandenburgischen Kommunalwahlgesetzes

Gesetzentwurf der Landesregierung

Drucksache 5/7722

1. Lesung

Es wurde vereinbart, hierzu keine Debatte zu führen. Ich komme zur Abstimmung. Das Präsidium empfiehlt die Überweisung des Gesetzentwurfs der Landesregierung, Drucksache 5/7722, Viertes Gesetz zur Änderung des Brandenburgischen Kommunalwahlgesetzes, an den Ausschuss für Inneres. Wer dieser Überweisung Folge leisten möchte, den bitte ich um sein Handzeichen. - Wer ist dagegen? - Stimmenthaltungen? - Auch hier gibt es keine. Damit ist auch dieser Überweisung einstimmig Folge geleistet worden.

Ich schließe Tagesordnungspunkt 7 und rufe Tagesordnungspunkt 8 auf:

Gesetz zur Weiterentwicklung der Kinder- und Jugendhilfestrukturen

Gesetzentwurf der Landesregierung

Drucksache 5/7723

1. Lesung

Ich eröffne die Aussprache mit dem Beitrag der Landesregierung. Frau Ministerin Dr. Münch hat das Wort.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Kinder- und Jugendhilfe im Land Brandenburg hat den Auftrag, positive Lebensbedingungen für alle Kinder und Jugendlichen zu sichern, Kinder und Jugendliche in ihren individuellen und sozialen Entwicklungen zu fördern, Benachteiligungen zu überwinden sowie Kinder und Jugendliche vor Gefahren zu schützen. Um diese wichtigen landespolitischen Aufgaben optimal zu erfüllen, brauchen wir moderne, leistungsfähige und zukunftssichere Verwaltungsstrukturen, die in angemessenen Abständen auf den Prüfstand gestellt und auch weiterentwickelt werden müssen.

Die Eingliederung des Landesjugendamtes und die Übertragung der Rechtsaufsicht über die Jugendämter der Landkreise und kreisfreien Städte auf das Jugendministerium ist eine Maßnahme der Modernisierung der Landesverwaltung, die die Landesregierung bereits im November 2011 angestoßen hat. Es ist also kein neues Verfahren, kein neues Gesetz, sondern etwas, was schon seit Jahren vorangetrieben wird.

Mit dem Ihnen nun vorliegenden Gesetz zur Weiterentwicklung der Kinder- und Jugendhilfestrukturen wollen wir die Voraussetzungen für die Qualitätsentwicklung verbessern, die Gesamtverantwortung der obersten Jugendbehörde sichern und die Beteiligung der Akteure der Kinder- und Jugendpolitik stärken.

Im Jahr 2012 hat mein Haus in einer gemeinsamen Arbeitsgruppe mit dem Landesjugendamt über die Landesaufgaben der Kinder- und Jugendhilfe und über Möglichkeiten, wie diese strukturell im MBJS zu verankern sind, beraten. Des Weiteren haben wir mit Vertretern des Jugendhilfeausschusses die bisherige Arbeit des Ausschusses analysiert.

Der Ihnen vorliegende Gesetzentwurf sieht vor, dass die Aufgaben des Jugendministeriums als oberster Landesjugendbehörde und die des Landesjugendamtes als überörtlicher Träger der öf

fentlichen Jugendhilfe zusammengeführt werden. Dadurch werden Doppelstrukturen abgebaut und Arbeitsabläufe optimiert. Die Verbindungen zwischen den Jugendämtern sowie den Einrichtungen und Diensten der Kinder- und Jugendhilfe vor Ort und der obersten Landesjugendbehörde werden enger. Auch die Aufgabenstruktur wird übersichtlicher und die Verwaltung effizienter.

Dabei werden wir natürlich die fachliche Expertise nutzen, die sich die Mitarbeiter des Landesjugendamtes in zwei Jahrzehnten angeeignet haben; denn die Fachkräfte wechseln in das MBJS. Damit stehen ihr Wissen, ihre Erfahrung und ihre professionellen Netzwerke weiterhin zur Verfügung.

Rückmeldungen zu dem vorliegenden Entwurf gab es aus den Reihen der Jugendverbände und der freien Träger. Ich möchte deshalb einiges dazu sagen:

Die Bezeichnung „Jugendhilfeausschuss“ der bisherigen Struktur des Landesjugendamtes sollte erhalten bleiben wie auch das formelle Weisungsrecht gegenüber der Verwaltung. Das war einer der Kritikpunkte. Ich habe diese Fragen mit allen Beteiligten intensiv diskutiert und dann die Entscheidung getroffen, das Weisungsrecht in dieser Form nicht aufrechtzuerhalten. Im Übrigen bestärkt das von Ihnen angestoßene Gutachten des Parlamentarischen Beratungsdienstes diese Auffassung.

Der vorliegende Gesetzesentwurf stärkt eindeutig die Beteiligungsrechte des Landes-Kinder- und Jugendausschusses; denn der Landes-Kinder- und Jugendausschuss agiert auf Augenhöhe mit der obersten Landesbehörde. Angelegenheiten, für die das Land als überörtlicher Träger zuständig ist, werden zukünftig im Benehmen mit dem Landes-Kinder- und Jugendausschuss geregelt werden. Das ist eine gute Lösung für die wirksame Beteiligung der Akteure in der Kinder- und Jugendpolitik.

Die politische Wirksamkeit des neuen Ausschusses wird durch die erwartete Benehmensherstellung keinesfalls geringer; denn es geht vor allen Dingen um einen fachlich-konstruktiven Dialog, wie er schon in den letzten 20 Jahren stattgefunden hat.

Statt des bisherigen Landesjugendhilfeausschusses als Teil des Landesjugendamts - und auch auf dessen Aufgaben begrenzt, also auf die Aufgaben des Landesjugendamtes - wird es künftig einen auf 28 Mitglieder erweiterten Landes-Kinder- und Jugendausschuss geben. Der Ausschuss wird - ähnlich wie der Landesschulbeirat - alle Bereiche der Kinder- und Jugendhilfe und der Kinder- und Jugendpolitik thematisieren und zu allen geplanten rechtlichen Regelungen Stellung nehmen.

Ich möchte die Gelegenheit nutzen, dem Landesjugendhilfeausschuss für seine langjährige konstruktive Mitarbeit an der Weiterentwicklung der Beteiligungsstrukturen herzlich zu danken. Sein Beschluss vom 15. Oktober 2012 war maßgeblich für die Gestaltung der §§ 10 bis 12 des vorliegenden Gesetzentwurfs, in dem es um Zusammensetzung, Arbeitsstrukturen, Aufgaben und Beteiligungsrechte des neuen Beteiligungsgremiums geht. Auf die Zusammenarbeit mit dem neuen Gremium freue ich mich.

Die Mitgliederstruktur im Kinder- und Jugendhilfeausschuss soll sich gegenüber dem bisherigen Landesjugendhilfeausschuss verändern; denn es soll künftig nur noch stimmberechtigte Mit

glieder geben und nicht, wie bisher, beratende und stimmberechtigte Mitglieder. Wie vom Landesjugendhilfeausschuss vorgeschlagen, werden deshalb zukünftig alle Mitglieder ein Stimmrecht haben. Auf die Mitgliedschaft von Behörden, die bisher beratende Mitglieder waren, wird verzichtet. Dafür wird es die Möglichkeit geben, Sachverständige zu einzelnen Themen einzuladen und bei Bedarf auch Behörden gezielt zu beteiligen.

Mit der neuen Bezeichnung „Landes-Kinder- und Jugendausschuss“ folgen wir dem Vorschlag des Landesjugendhilfeausschusses. Mit der Umbenennung soll deutlich werden, dass das Aufgabenspektrum des neuen Gremiums sich eben nicht nur auf den Bereich von Kinder- und Jugendhilfe beschränkt, sondern alle Lebenssituationen von jungen Menschen im Blick hat mit Ausnahme der Bereiche Schule und Berufsausbildung, für die vielleicht eine Zusammenarbeit mit dem Landesschulbeirat möglich ist.

Insgesamt schaffen wir mit dem Gesetz zur Weiterentwicklung der Kinder- und Jugendhilfestrukturen moderne und leistungsfähige Verwaltungsstrukturen für die wichtige Wahrnehmung der Aufgaben in der Kinder- und Jugendhilfe. Wir stärken gleichzeitig die Beteiligungsmöglichkeiten der Akteure. Der Gesetzentwurf bietet konstruktive Lösungen für die weitere fachliche Diskussion im Ausschuss, auf die ich mich freue. - Herzlichen Dank.

(Beifall SPD und DIE LINKE)

Vielen Dank, Frau Ministerin Dr. Münch. - Wir setzen die Aussprache mit dem Beitrag der CDU-Fraktion fort. Herr Abgeordneter Hoffmann hat das Wort.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Unter diesem Tagesordnungspunkt sprechen wir über ein Anpassungsgesetz zu den Landesbestimmungen des VIII. Sozialgesetzbuches. Das VIII. Sozialgesetzbuch ist ein Bundesgesetz und definiert die Rahmenbedingungen von Kinder- und Jugendpolitik, von Kinder- und Jugendarbeit in Deutschland, also auch in Brandenburg.

So erlässt jedes Land im Rahmen dieses Gesetzes seine Ausführungsbestimmungen. Diese muss man - insbesondere dann, wenn es neue Entwicklungen gibt - von Zeit zu Zeit anpassen. So weit, so gut, das kennt man.

Nun könnte man meinen, dass es sich auch in diesem Fall um wichtige und notwendig gewordene Anpassungen handelt, denn es gäbe einiges anzupassen. Das sind Sachen, die sich die Regierungskoalition selbst auf die Fahnen geschrieben hat, bei denen sie es aber bisher unterlassen hat, Akzente zu setzen.

Ich nenne nur das Stichwort Familienbildung. Unsere Position dazu ist klar. Wir würden uns über eine Stärkung der Familienbildung freuen und diese unterstützen. Wir hätten das bei einer solchen Anpassung auch erwartet, aber unsere Erwartungen werden enttäuscht. Der vorliegende Entwurf des Anpassungsgesetzes lässt die Chance, Familienbildung zu stärken, ungenutzt. Warum? Ganz einfach, weil sie in diesem Gesetz nicht vorkommt.

Wenn solche sinnvollen Sachen fehlen, schaut man genauer hin und fragt sich, wo die notwendigen Änderungen sind. Ganz ehrlich, so richtig kann ich nicht erkennen, warum die Änderungen, die Sie planen, wirklich notwendig sein sollen.

Eines verblüfft mich besonders, und ich hätte erwartet, dass die Abgeordnetenkollegen aus den Reihen der Koalition auch verblüfft sind, genauso wie ein Teil ihrer Stammwählerschaft, der vom Glauben abfallen wird: Ihre Landesregierung bereitet ein Anpassungsgesetz vor, das einzig und allein darauf abzielt, die demokratische Mitbestimmung von Kinder- und Jugendstrukturen im Land zu beschneiden und letztlich abzuschaffen. Ich bin schon jetzt gespannt, wie Sie das Ihren Leuten erklären wollen. Bisher haben diese Argumente niemanden aus der Kinder- und Jugendarbeit überzeugt. Die Proteste des Landesjugendrings und der Liga der Wohlfahrtsverbände reißen gar nicht ab.

(Beifall CDU sowie des Abgeordneten Büttner [FDP])