Protokoll der Sitzung vom 20.11.2013

Herr Scharfenberg, wenn es nach uns gegangen wäre, hätten wir uns die Zeit genommen, die zweite Anhörung, die wir durchgeführt haben - und es kommt nicht so oft vor, dass man zwei Anhörungen zu einem Gesetzentwurf durchführt -, in Ruhe auszuwerten und dann im weiteren parlamentarischen Verfahren auch die Möglichkeit zu eröffnen, daraus noch Rückschlüsse zu ziehen. Wenn Sie sich aber dafür entschieden haben - das hatten Sie in der Hand, Sie haben die Mehrheit hier im Haus -, dieses Gesetzgebungsverfahren in einem derartigen Eiltempo noch im November durch den Landtag zu bringen, sodass es eigentlich gar nicht möglich war, die vielen schriftlichen Stellungnahmen und die vielen Argumente, die in der Anhörung vorgetragen wurden, überhaupt noch in der Ausschussberatung für einen Änderungsantrag zu berücksichtigen, dürfen Sie uns nicht vorwerfen, dass wir unseren Änderungsantrag fristgemäß erst nach der Innenausschusssitzung zu diesem Gesetzentwurf eingebracht haben.

Sie hatten Angst davor, dieses Gesetz im nächsten Jahr, vor den Kommunalwahlen durchs Parlament zu bringen. Sie wollten es unbedingt im November haben. Aber dann dürfen Sie sich auch nicht darüber beklagen, dass unser Änderungsantrag nicht eher auf dem Tisch gelegen hat. - Herzlichen Dank.

(Beifall CDU)

Herr Scharfenberg darf antworten.

(Dr. Scharfenberg [DIE LINKE]: Ich sehe keine Veran- lassung dazu!)

Er verzichtet darauf. - Wir setzen mit dem Beitrag der Abgeordneten Nonnemacher für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN fort.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Gäste! Das Kommunalabgabengesetz hat sich in dieser Legislaturperiode zum Dauerbrenner in diesem Parlament entwickelt. In wohl keinem anderen Politikfeld sind die Interessen der einzelnen Akteure so unterschiedlich und die Auseinandersetzungen so intensiv wie in der Frage der sogenannten Altanschließerproblematik. Wir müssen feststellen: Kaum schien sich die Lage nach einer gesetzlichen Klarstellung oder einer höchstrichterlichen Entscheidung beruhigt zu haben, hat sich ein neues Problem aufgetan.

Herr Goetz, ich möchte doch noch einmal darauf hinweisen, dass das Landesverfassungsgericht im September 2012 entschieden hat, dass die Heranziehung von Altanschließern zu

Beitragszahlungen mit unserer Landesverfassung durchaus vereinbar ist. Daraufhin haben viele Verbände unser Verfassungsgericht als befangen erklärt und den Rücktritt von Richtern gefordert - das nur nebenbei.

In der Aktuellen Situation hat die Landesregierung durchaus richtig erkannt, dass nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 5. März 2013 eine gesetzlich geregelte zeitliche Begrenzung für die Festsetzung von Abgaben in einigen Fällen nicht eindeutig vorhanden ist. Grundsätzlich besteht also Handlungsbedarf. Von allen Möglichkeiten wurde dann aber zielsicher die schlechteste ausgewählt - das muss man auch erst einmal schaffen.

In der Anhörung des Innenausschusses am 24.10.13 hat keiner der zehn Sachverständigen auch nur annähernd anerkennende oder unterstützende Worte für den vorliegenden Gesetzentwurf gefunden. Davon unbeeindruckt haben die Koalitionsfraktionen anschließend so getan, als sei nichts geschehen, und keine Möglichkeit genutzt, das Gesetz nachzubessern. Das nennt man üblicherweise Beratungsresistenz.

Der Gesetzentwurf sieht eine Verjährungshöchstfrist von 15 Jahren vor, die allerdings bis zum 03.10.2000 gehemmt sein soll. Die Aufgabenträger, die bisher noch keine Beiträge erheben konnten, sind also aufgefordert, ihre Beitragsforderungen bis Ende 2015 zu realisieren. Die Begründung für die geplante Ablaufhemmung von 10 Jahren erscheint durchaus willkürlich gewählt, ist nicht konkret und im Sachzusammenhang begründet. Ähnlich schwach ist die Begründung für die Verjährungshöchstfrist von 15 Jahren.

Der Änderungsantrag der CDU-Fraktion ist in der Festsetzung der Ablaufhemmung anhand der endgültigen Stabilisierung der Zweckverbände durchaus nachvollziehbar. Allerdings können wir einer Verjährungsfrist von 10 Jahren nicht folgen. Mit dem CDU-Vorschlag wären Beitragsforderungen für sogenannte Altanschließer schon nach 2014 nicht mehr möglich.

Die Anhörung hat auch gezeigt, dass viele Aufgabenträger schon allein aufgrund des Umfangs der Aufgabe schlichtweg nicht in der Lage sein werden, alle beitragspflichtigen Altanschließer bis Ende 2015 zu veranlagen. Die damit entstandenen Einnahmeausfälle müssen von irgendjemandem getragen werden. Sie werden sich nicht in Luft auflösen. Dies ist sowohl ein Gerechtigkeitsproblem, da eine Gleichbehandlung von Beitragspflichtigen dann nicht mehr gewährleistet werden kann, als auch ein finanzielles Verteilungsproblem, von dem nicht absehbar ist, wie es gelöst werden kann. Es wird in der Folge zu massiven Rechtsstreitigkeiten zwischen den Kommunen und dem Land kommen. Gerichte werden entscheiden müssen, ob die Mehrbelastungen schuldhaft entstanden sind, Konnexitätsklagen wurden schon angedeutet.

Schon jetzt werden die möglichen Einnahmeausfälle mit einem hohen zwei- bis dreistelligen Millionenbeitrag beziffert - Geld, für das der Landeshaushalt oder die meist klammen Kommunen aufkommen müssen.

Die Folgen dieses Gesetzes sind bedrückend. Der Rechtsfriede wird nicht gestärkt, das Grundrecht auf Gleichbehandlung nicht gewahrt. Die finanziellen Folgen für Land und Kommunen sind gravierend. Das Verhältnis zwischen dem Land und einzelnen Gemeinden wird aufgrund von juristischen Auseinandersetzungen dauerhaft gestört werden. Auch innerhalb der

Zweckverbände, die die Beitragserhebung nicht rechtzeitig abschließen können, wird es zu Spannungen - zwischen den Gemeinden - kommen.

Die in benachteiligten Regionen bereits bestehenden Probleme werden sich verschärfen, wodurch sich die ökonomische Abwärtsspirale dort schneller zu drehen beginnt. Hinzu kommen absehbar ein Anwachsen von Streitverfahren vor Verwaltungsgerichten oder andere Versuche von Betroffenen, in den Genuss der Verjährungsregelung zu kommen.

Insgesamt sind das keine guten Aussichten. Nur um des lieben Koalitionsfriedens willen werden alle berechtigten Einwände hinweggewischt. Diesen Gesetzentwurf kann man nur ablehnen, den Änderungsantrag der CDU auch. - Vielen Dank.

(Beifall B90/GRÜNE)

Für die Landesregierung spricht Minister Holzschuher.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Fast sieben Monate ist es her, dass das Bundesverfassungsgericht eine Entscheidung veröffentlicht hat, die die Kommunalabgabengesetze der Länder berührt, konkret allerdings nur dasjenige des Freistaates Bayern betrifft.

Die Entscheidung sagt aus, dass Kommunen Abgabenansprüche zur Finanzierung der öffentlichen Daseinsvorsorge nicht zeitlich unbegrenzt nach Vorteilserlangung festsetzen dürfen. Diese durchaus neue Rechtsprechung - es ist das erste Mal überhaupt, dass das Bundesverfassungsgericht sich auf diese Weise dezidiert zu dem Fehlen einer Verjährungsregelung geäußert hat - war für die Landesregierung Anlass, sehr zügig zu reagieren und in einen Dialog zu treten: mit dem Innenausschuss, den Kommunen, den Fachverbänden, den Bürgerinitiativen und den Rechtsanwälten, von denen einige die Initiativen, andere die Verbände vertreten. Es ist dann sehr schnell ein Gesetzentwurf vorgelegt worden, über den seit einigen Monaten auch in diesem Haus konkret diskutiert wird.

Wie zu jedem Gesetz so gab es auch zu dem vorliegenden Entwurf unterschiedliche Interessen, die in der Diskussion abgewogen und zu einem Kompromiss - möglichst zu einem gerechten Kompromiss - geführt werden mussten. Im Ergebnis dessen hat die Landesregierung einen Vorschlag unterbreitet, der heute zur Endabstimmung ansteht: eine Verjährungshöchstgrenze von 15 Jahren, verbunden mit der einmaligen Hemmung der Verjährung im Hinblick auf die Schwierigkeiten, unmittelbar nach der Wiedervereinigung funktionsfähige Verbände, die auf rechtsstaatlich fundierten Grundsätzen tätig sind, in die Welt zu setzen.

Zehn Jahre Hemmung - bis zum Jahr 2000 - und dann 15 Jahre Verjährungsfrist - dieser Ansatz des Gesetzentwurfs ist natürlich ein Kompromiss, aber einer, der die Interessen der Beteiligten, wie wir meinen, sehr wohl richtig abwägt. Auf der einen Seite steht das Interesse an einer gleichmäßigen Finanzierung der Einrichtungen zur kommunalen Daseinsvorsorge. Die Gemeinschaft derjenigen, die angeschlossen sind - Neuanschließer und Altanschließer, Gebühren- und Beitragszahler -, hat Interesse daran, dass die Verbände im öffentlichen Interesse korrekt abrechnen und alle gleichmäßig in Anspruch nehmen.

Auf der anderen Seite steht das Interesse des Abgabenschuldners, nach einer gewissen Frist nicht mehr in Anspruch genommen zu werden; das hat auch das Bundesverfassungsgericht klar festgestellt. Die entsprechende Frist müssen wir festlegen.

Mit dem jetzigen Gesetzentwurf, wenn er denn verabschiedet wird, entsteht für den Bürger die Sicherheit, nicht unbegrenzt nach Entstehen des Vorteils zur Finanzierung herangezogen zu werden. Der Bürger hat damit die Sicherheit, dass Ansprüche, die faktisch in den 1990er-Jahren entstanden sind, letztmalig Ende 2015 beschieden werden können. Das ist Gegenstand des vorliegenden Entwurfs.

Warum 15 Jahre? Ich sagte es schon: Es ist ein Kompromiss zwischen verschiedenen Ansätzen. Auf der einen Seite gibt es im Abgabenrecht die „Regelverjährung“ von vier Jahren; die Frist von zehn Jahren betrifft schon wieder Sonderfälle. Vier Jahre - das ist die Frist, die der Abgabenschuldner normalerweise beachten muss.

Auf der anderen Seite gibt es die traditionelle - lange - Verjährungsfrist von 30 Jahren, die im deutschen Recht die absolute Obergrenze darstellt.

Wenn man beide Fristen gegeneinander abwägt und fragt, was ein Verband tun muss bzw. was ihm zumutbar ist, kommt man ziemlich genau auf die Mitte dieser Fristen, nämlich auf 15 Jahre. Diese Überlegung liegt unserem Vorschlag zugrunde.

Man kann das weiter untersetzen; es ist ja nicht so, dass wir uns das willkürlich ausgedacht hätten. Wenn man bedenkt, dass eine vernünftige Bescheidung unter Erstellung einer - nach Möglichkeit: rechtmäßigen - Satzung nach fünf Jahren abgeschlossen sein müsste und man weitere fünf Jahre braucht, um eine gegebenenfalls höchstrichterliche - Rechtsprechung über die Satzung bzw. den Bescheid herbeizuführen, und wenn man den Verbänden dann noch einmal fünf Jahre Zeit gibt, um nachzubessern, dann kommen wir auf 15 Jahre. Das ist in der Tat eine relativ lange Frist.

Aber irgendwann kippt das Interesse der Allgemeinheit an Bescheidung zugunsten des Interesses des einzelnen Schuldners, nicht unbegrenzt herangezogen zu werden - wohlgemerkt: immer mit der Maßgabe, dass in den ersten zehn Jahren nach der Wiedervereinigung in diesem Land niemand klar überblicken konnte, was tatsächlich erforderlich ist, um abgabenrechtlich korrekt abzurechnen. Deswegen schlagen wir zehn Jahre Hemmung und 15 Jahre Verjährungsfrist vor. Unser Vorschlag leistet einen Beitrag zum Rechtsfrieden, auch wenn ich davon überzeugt bin, dass er ihn noch nicht endgültig herbeiführt. Aber einen Beitrag wird er leisten; davon bin ich überzeugt.

Noch kurz zu dem Vorschlag der CDU-Fraktion: Die CDU fordert zwar zehn Jahre Verjährungsfrist, sieht aber eine Übergangsfrist bis Ende 2014 vor. Seit gestern ist der Entwurf des Bayerischen Staatsministeriums des Innern zum Bayerischen Kommunalabgabengesetz in der Verbandsbeteiligung. In Bayern ist man übrigens langsamer als wir, obwohl eigentlich den Bayern vom Verfassungsgericht die Verpflichtung auferlegt worden ist. Dort schlägt man 20 Jahre Verjährungsfrist und eine Übergangsfrist bis 2016 vor.

Zehn Jahre sagt die CDU hier, 20 Jahre die CSU in Bayern; 2016 sagt die CSU in Bayern, 2014 die CDU in Brandenburg.

Wir sagen: 15 Jahre und 2015. Das liegt genau in der Mitte. Unser Vorschlag vermittelt offensichtlich zwischen den Extrempositionen der CDU in Brandenburg und der CSU in Bayern. So ganz falsch kann das also nicht sein, wenn es darum geht, Gerechtigkeit herbeizuführen. Das wird umso deutlicher, wenn ich dem die noch extremeren Positionen der FDP - das sei alles ungerecht gegenüber den Beitragsschuldnern - und der Grünen - unser Vorschlag überfordere die Verbände - entgegenhalte. Wir liegen so wunderbar in der Mitte, dass ich glaube, wir haben den richtigen Vorschlag unterbreitet.

Ich hoffe, dass unser Entwurf heute eine Mehrheit findet und dann einen Beitrag zum Rechtsfrieden leisten kann. Mehr kann man hier nicht schaffen, aber das wäre schon ein wichtiger Schritt. - Vielen Dank.

(Beifall SPD)

Ich bin jetzt so mutig, Ihnen zu unterstellen, dass sie nicht alle das Bedürfnis haben, die zweidreiviertel Minuten Überziehung des Innenministers nachzureden. - Da das nicht der Fall ist, kommen wir zu den Abstimmungen.

Als Erstes stimmen wir über den Änderungsantrag der CDUFraktion in der Drucksache 5/8203 ab. Hierfür hat die FDPFraktion namentliche Abstimmung beantragt. Wir beginnen mit dem Aufruf.

(Zurufe: Nein, nein, nein! - Goetz [FDP]: Zu dem Gesetz- entwurf der Landesregierung haben wir namentliche Abstimmung beantragt!)

- Ah ja.

Also stimmen wir über den Änderungsantrag nicht namentlich ab. Sie haben die namentliche Abstimmung für den Gesetzentwurf beantragt.

Jetzt steht der Änderungsantrag der CDU-Fraktion zur Abstimmung. Wer ihm folgen möchte, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Eine.

Damit sind wir bei der Beschlussempfehlung, über die wir abstimmen, und die sagt aus - ich rufe es in Erinnerung -, den Gesetzentwurf der Landesregierung in der vom Innenausschuss beschlossenen Fassung anzunehmen. Wir beginnen mit dem Namensaufruf.

(Namentliche Abstimmung)

Ist jemand anwesend, der seine Stimme noch nicht abgegeben hat? - Das scheint diesmal nicht der Fall zu sein. Ich bitte um Geduld für die Auszählung.

Meine Damen und Herren, ich gebe Ihnen das Ergebnis der namentlichen Abstimmung bekannt. Mit Ja gestimmt haben 47 Abgeordnete, mit Nein 27, und es gab zwei Enthaltungen. Damit ist der Gesetzentwurf in 2. Lesung angenommen.

(Abstimmungslisten siehe Anlage S. 6804)

Wir verlassen Tagesordnungspunkt 8, und ich rufe Tagesordnungspunkt 9 auf:

Gesetz zur Änderung des Landesgleichstellungsgesetzes und des Brandenburgischen Hochschulgesetzes

Gesetzentwurf der Landesregierung