Seien wir ehrlich: Mit einem Mindestlohn von 8,50 Euro, Herr Bischoff, bekämpfen wir weder die anrückende Altersarmut, noch bricht damit auf dem flachen Land plötzlich der Wohlstand aus. 8,50 Euro Lohnuntergrenze bei Auftragsvergaben der öffentlichen Hand reichen gerade einmal hin, dass die Betroffenen mit ihrem Einkommen an der Pfändungsfreigrenze liegen, sodass sich im besten Fall die Zahl der SGB-II-Aufstocker verringert.
Aber nicht nur bei der Berufung der Kommission hat sich die Landesregierung Zeit gelassen, sondern auch die Vorgaben für die Kommunen wurden im Schneckentempo erarbeitet. Obwohl das Gesetz bereits zum 01.01.2012 in Kraft trat, wurde die Arbeitsanweisung für die Bearbeitung der Erstattungsanträge nach Fallpauschalen erst am 25. September 2013 bekanntgemacht. Kein Wunder, dass bis Mitte September erst 31 Anträge auf Kostenerstattung geltend gemacht und von den bereitgestellten 20 Millionen Euro bislang nur 500 000 Euro beansprucht wurden. Zugleich stöhnen die Kommunen laut Städteund Gemeindebund unter dem bürokratischen Aufwand. Allerdings muss ich sagen: Diese Klage, dass ihnen das Personal für die Abarbeitung fehlt, ist doch etwas seltsam, denn die bereit
Aber wie auch immer - mit dem hoffentlich baldigen Inkrafttreten des bundesweiten Mindestlohns von 8,50 Euro sollten sich einige Probleme erledigt haben. Einige Ziele des Gesetzes werden damit aber noch nicht überflüssig, denn es ist nicht nur ein Mindestlohn - ein Lohnuntergrenzengesetz -, sondern es ist auch ein Tariftreuegesetz. Insbesondere die Überprüfung, ob die beauftragten Unternehmen die Mindestlöhne - und zwar egal, ob gesetzliche oder tarifliche Mindestlöhne - einhalten, ist damit noch lange nicht obsolet. Allerdings ist das aktuelle dezentrale Verfahren, wie von uns schon öfter beklagt, sehr aufwendig, verursacht Doppelarbeit, wird aufgrund der geringen Fallzahlen in vielen Gemeinden nur sehr begrenzt Routinebildung zulassen und damit vermutlich auch nur unzureichende Ergebnisse bringen.
Die Landesregierung sollte daher mit Inkrafttreten eines bundesweiten Mindestlohns den Entwurf eines neuen Vergabegesetzes vorlegen, das die Prüfung der Einhaltung der Mindestlohnbestimmung - egal ob tariflich oder gesetzlich - mittels validierter Stichprobenverfahren einer zentralen Kontrollinstanz oder - für die Kommunalebene - zumindest den Kreisen überträgt. Noch besser wäre es natürlich, wenn die frei werdenden Kapazitäten für die Vorgabe von ökologischen und weiteren sozialen Mindeststandards genutzt würden, so wie es im Gesetzentwurf unserer Grünen-Fraktion vorgesehen war.
Da uns die baldige Einführung der Lohnuntergrenze von 8,50 Euro am Herzen liegt, stimmen wir dem Gesetzentwurf zu und hoffen auf ein baldiges Inkrafttreten. - Recht herzlichen Dank.
Vielen Dank, Herr Abgeordneter Vogel. - Die Landesregierung erhält noch einmal Gelegenheit zur Stellungnahme. Herr Minister Christoffers hat das Wort.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die Diskussion hat, wie erwartet, die politischen und inhaltlichen Unterschiede deutlich gemacht, die wir bereits in der ersten Debatte zur Einführung des Vergabegesetzes hatten. Das war zu erwarten. Es ist bedauerlich, dass trotz des Ergebnisses der Bundestagswahl und der Tatsache, dass selbst 70 % der CDU-Wähler mittlerweile einen gesetzlich fixierten Mindestlohn wollen, die gesellschaftliche Akzeptanz für ein Instrument, bei dem davon auszugehen ist, dass die Vorteile seiner Einführung überwiegen, hier so gering ausgeprägt ist.
Herr Petke, zur OECD gehören nicht nur Ungarn, Spanien oder Portugal, sondern auch die USA und eine Reihe anderer Industriestaaten. Insofern sollte man die OECD nicht auf diese Mitglieder reduzieren.
Eine letzte Bemerkung von mir: Ich möchte darauf aufmerksam machen, dass das Wirtschafts- und Europaministerium,
wie von mir vorhin dargelegt, vom 20.09. bis zum 08.10.2013 in Übereinstimmung mit der Gemeinsamen Geschäftsordnung der Landesregierung eine Frist zur Stellungnahme zur Einbeziehung auch von kommunalen Spitzenverbänden gesetzt hat. Diese haben bis zum 08.10.2013 keine Stellungnahme abgegeben. Die Fraktionen haben entschieden, eine Einladung in den Wirtschaftsausschuss auszusprechen - das ist völlig legitim -, um dort die Positionen auszutauschen. Insofern warten wir die Anhörung und deren Ergebnisse ab. - Vielen Dank.
Vielen Dank, Herr Minister Christoffers. - Die Parlamentarischen Geschäftsführer empfehlen die Überweisung des Gesetzentwurfs der Landesregierung, Erstes Gesetz zur Änderung des Brandenburgischen Vergabegesetzes, Drucksache 5/8123, an den Ausschuss für Wirtschaft. Wer dieser Überweisung zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. - Wer ist dagegen? - Enthaltungen? - Es gibt keine. Damit ist der Gesetzentwurf einstimmig überwiesen worden.
Es wurde in letzter Minute vereinbart, hierzu keine Debatte zu führen. Ich komme zur Abstimmung. Das Präsidium empfiehlt die Überweisung des Gesetzentwurfs der Landesregierung, Viertes Gesetz zur Änderung des ÖPNV-Gesetzes, Drucksache 5/8126, an den Ausschuss für Infrastruktur und Landwirtschaft. Wer dieser Überweisung Folge leisten möchte, den bitte ich um das Handzeichen. - Wer ist dagegen? - Enthaltungen? - Es gibt keine. Damit ist auch dieser Gesetzentwurf einstimmig überwiesen worden.
Ich eröffne die Aussprache mit dem Beitrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Die Abgeordnete von Halem erhält das Wort.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir leben im einzigen rot-rot regierten Bundesland.
- Ich lebe ja auch hier. - Bei uns sind zwei Parteien am Ruder, die gleichsam für sich beanspruchen, das soziale Gewissen der Republik zu sein: Die SPD, die „alte Arbeitnehmerkümmertante“, und die Linke, die im Bundestagswahlkampf die Slogans plakatiert hat: „100 % SOZIAL“ und „Genug gelabert! 10 Euro Mindestlohn jetzt.“. Zudem sind beide Parteien in Brandenburg mit dem Versprechen angetreten, der Bildung höchste Priorität einzuräumen. Auch der nächste Wahlkampf das haben wir alle schon gelesen - soll unter diesem Motto stehen. Aber zwischen Schein und Sein klaffen Welten.
Das vielgelobte Vergabegesetz - wir haben es gerade diskutiert gilt nur für externe Dienstleistungsaufträge und nicht für interne Beschäftigungsverhältnisse. Für die Hochschulen gilt es auch nicht, denn das fällt unter Hochschulautonomie. Dass die miserable Ausstattung der Hochschulen durch das Land vielleicht etwas damit zu tun haben könnte, darüber redet keiner.
Nach den Zahlen des Statistischen Bundesamtes trägt Brandenburg die rot-rote Laterne bei den Ausgaben pro Einwohner. Auch der Anteil der Haushaltsmittel der Hochschulen am Gesamthaushalt ist 2012 noch schlechter als im Vorjahr und weiterhin weit abgeschlagen hinter den anderen Bundesländern. Er beträgt nur 2,4 % und liegt damit deutlich hinter Schleswig-Holstein als nächstem Bundesland mit 3,8 %. Wir geben weniger als die Hälfte von dem aus, was Flächenländer im Durchschnitt ausgeben - das wären 5,1 % -, und wenig mehr als die Hälfte von dem, was die anderen neuen Bundesländer ausgeben, nämlich 4,4 %, und weniger als die Hälfte des Bundesdurchschnitts der Länder. Irgendwo macht sich das natürlich bemerkbar.
Wissenschaftliche Hilfskräfte mit Masterabschluss erhalten zwischen 8 Euro und 13,62 Euro pro Stunde. Bei studentischen Hilfskräften reicht die Spanne von 6 Euro - also weit unter dem Mindestlohn; da haben Sie hier gerade euphorisch geklatscht, das sind Dumpinglöhne, die Sie abschaffen wollten - bis maximal 8,79 Euro. Praktikantinnen und Praktikanten erhalten an Brandenburger Hochschulen nicht einmal eine Aufwandsentschädigung. Selbst Lehraufträge werden zu einem signifikanten Anteil überhaupt nicht vergütet. An der Universität Potsdam sind es 13 %. Der Großteil der Lehraufträge, nämlich 63 %, wird mit einem Lehrauftragssatz von weniger als 20 Euro pro Semesterwochenstunde vergütet.
Die in der Antwort genannten Gründe für den Verzicht auf eine Vergütung, nämlich Freude an der Lehre und Kontakt zu Studierenden, sind eine ziemliche Frechheit und kaum durch die Befragung der Lehrbeauftragten erhoben worden. Es sind vielleicht Gründe dafür, einen Lehrauftrag anzunehmen, aber sicherlich keine Gründe dafür, auf die Bezahlung zu verzichten.
Unbezahlte Lehraufträge werden häufig notgedrungen angenommen, weil die Betroffenen hoffen, so ihre Chancen auf eine bezahlte Tätigkeit in der Zukunft zu verbessern oder weil sie
Das Fazit kann nur lauten: Genug gelabert! Deshalb fordern wir erstens eine Mindestbezahlung von 8,50 Euro, die in der Richtlinie des Finanzministeriums für studentische und wissenschaftliche Hilfskräfte als Untergrenze verankert wird. Die in der Antwort auf die Große Anfrage im Koalitionsvertrag angekündigte Unterstützung eines Tarifvertrages für studentische Beschäftigte im Rahmen des Tarifvertrags der Länder wird seit Jahren nicht umgesetzt. Wir könnten auch einen eigenen Tarifvertrag für studentische Beschäftigte im Land Brandenburg einführen, so wie es Berlin seit Jahren praktiziert. Das passiert nicht.
Zweitens sollen Praktika künftig nach festgelegten Kriterien vergütet werden. Die Hochschulen unseres Landes sollten nicht der Lernort dafür sein, sich im Arbeitsleben von Beginn an selbst auszubeuten.
Drittens müssen Lehraufträge endlich angemessen vergütet werden. Eine Vielzahl von Daueraufgaben der Hochschulen wird zu Dumpinglöhnen von Lehrbeauftragten abgedeckt. Angemessene Vergütung bedeutet, Zeiten für Korrekturen, Prüfungen und die Betreuung von Studierenden zu berücksichtigen. Zudem sollen Lehraufträge schrittweise in reguläre Beschäftigungsverhältnisse umgewandelt werden, auch um der Tendenz entgegenzuwirken, Lehraufträge für Daueraufgaben und für das grundlegende Lehrangebot einzusetzen.
Viertens wollen wir die Kategorie der wissenschaftlichen Hilfskräfte im Hochschulgesetz auflösen. Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit Hochschulabschluss sind grundsätzlich als wissenschaftliche Beschäftigte zu entlohnen.
Fünftens sollen Hilfskrafttätigkeiten nur noch von Studierenden ohne ersten akademischen Abschluss geleistet werden. Oft sind Studierende auf die Jobs in ihren Hochschulen angewiesen. Viele verdienen dadurch ihren Lebensunterhalt. Umso dringlicher ist eine gerechte Entlohnung auf Mindestlohnniveau auch in den Hochschulen.
Sechstens brauchen wir insgesamt Mindestvertragslaufzeiten. Es ist zu begrüßen, dass die Landesregierung in der Vorbereitung der Antwort auf die aktuelle Debatte über die kurzfristigen Laufzeiten der Beschäftigungsverhältnisse redet und Mindestvertragslaufzeiten immerhin als Option nennt. Aber getan hat sie dafür bisher gar nichts. So sind in Brandenburg 77 % der akademischen Mitarbeiter nach dem Wissenschaftszeitvertragsgesetz befristet Beschäftigte, wovon wiederum fast die Hälfte mit weniger als 30 Wochenstunden teilzeitbeschäftigt ist. Ziel des Sonderbefristungsrechts im Wissenschaftszeitvertragsgesetz war es nicht, stärkere Fluktuation im Personalkörper zu erzeugen, wie es die Landesregierung in der Vorbemerkung betont, sondern im Gegenteil den Beschäftigten nach der Befristung aufgrund der Qualifikation auch eine Perspektive auf unbefristete Beschäftigung zu geben.
Dies ist in der Praxis leider ins Gegenteil umgeschlagen, was zu einer verstärkten Abhängigkeit der Nachwuchswissenschaftler von ihrem Arbeitgeber und zu mangelnder Planungssicherheit und zu einer unsicheren Lebenssituation führt.
An einigen Fachbereichen beträgt die durchschnittliche Befristung oft - ohne sachgerechten Grund - lediglich ein Jahr, wobei es darunter auch Ein-Monats-Verträge gibt. Wir fordern, in das Hochschulgesetz eine Regelung für Mindestvertragslaufzeiten für akademische Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aufzunehmen, die sich am Beschluss des Senats der Universität Potsdam vom Juli 2012 orientiert. Darin wird die Mindestdauer für Haushaltsstellen und Drittmittelstellen auf mindestens zwei Jahre oder die Projektlaufzeit festgelegt.
Siebtens brauchen wir mehr Informationen zu Promovierenden und tatsächlicher Arbeitszeit. Die Antwort der Landesregierung macht deutlich, dass die Hochschulen den konkreten Status der Promovierenden gar nicht kennen, da Immatrikulations- und Beschäftigtenstatistiken nicht verknüpft sind. Es gibt also keine Angaben dazu, wie viele Promovierende auf einer Stelle promovieren bzw. umgekehrt, wie viele der eingeschriebenen Promovierenden eine Stelle haben.
Zur besseren Beurteilung der Arbeitssituation von Promovierenden wäre es wichtig, Informationen zur tatsächlichen Arbeitszeit gegenüber der vertraglichen Arbeitszeit zu haben.
Achtens, das ist das ceterum censeo: Auch angesichts dieser Anfrage brauchen wir endlich eine auskömmliche Finanzierung der Hochschulen. Wir haben für den Nachtragshaushalt eine Änderung eingebracht, die die Rücknahme der globalen Minderausgabe von 12 Millionen Euro beinhaltet, um bei der Grundfinanzierung endlich eine Trendwende zu schaffen. Wir werden uns weiterhin für die Verbesserung der Arbeitsbedingungen der wissenschaftlich Beschäftigten unterhalb der Professur einsetzen.