Protokoll der Sitzung vom 20.11.2013

Denn Sie bereichern den Alltag in Kitas, in Jugendeinrichtungen, in Schulen. Es geht um Kultur, um Denkmalschutz, um Sport und Umwelt. Viele gute und wichtige Projekte wären ohne den freiwilligen Einsatz von Jugendlichen gar nicht denkbar. Ich denke, da sind wir uns auch einig. Deshalb setzt sich die Landesregierung auch weiterhin für die Förderung der Freiwilligendienste in Brandenburg ein.

Seit Mitte des Jahres 2012 führt die Verwaltungsbehörde …

(Unruhe)

Ich bitte darum, einmal zuzuhören, das hängt nämlich schon mit dem Antrag zusammen.

Seit Mitte 2012 führt die Verwaltungsbehörde für den ESF im Sozialministerium Abstimmungsgespräche mit allen Ressorts, die in der Förderperiode 2014 bis 2019 Mittel aus dem ESF einsetzen wollen. Wir müssen aber zur Kenntnis nehmen, dass diese Mittel seitens der EU drastisch gekürzt worden sind und dass wir hier noch keine Vorfestlegungen für den gesamten Raum bis 2019 treffen können. Das zielt nämlich darauf, weshalb es doch einen Unterschied zwischen beiden Anträgen gibt. Die Planungsprozesse sind derzeit nicht abgeschlossen, und die Strukturfondsverhandlungen sind noch nicht verabschiedet, weil der mehrjährige Finanzrahmen nicht feststeht. Auch die Mittelverteilung zwischen Bund und Ländern und die Mittelverteilung zwischen den ostdeutschen Bundesländern ist noch nicht geklärt. Deshalb möchte ich Sie um Verständnis bitten, dass ich heute keine verbindliche Zusage zur Höhe der Förderung der Freiwilligendienste ab 2014 machen kann. Das wäre auch jenseits meiner Kompetenzen.

Das MASF prüft zurzeit, ob und unter welchen Voraussetzungen eine Förderung der Freiwilligendienste im Zyklus 2014/15 aus Mitteln der noch laufenden Förderperiode möglich ist. Parallel wird in meinem Haus geprüft, ob und in welcher Höhe ESF- oder andere Landesmittel für das FSJ in den thematischen Schwerpunkten meines Ressorts zur Verfügung gestellt werden können. Natürlich gehören dazu der Sport und eben auch der Bereich Demokratie. Ich kann Ihnen Ende des I. Quartals gerne berichten - wie Sie in Ihrem Entschließungsantrag von SPD und Linken fordern -, wie die Förderung der Freiwilligendienste ab 2015 gesichert werden kann; denn im Anliegen, dass wir diese Freiwilligendienste fördern wollen, sind wir uns ja alle einig. - Vielen Dank.

(Beifall SPD sowie vereinzelt DIE LINKE)

Damit sind wir am Ende der Debatte zum Tagesordnungspunkt 16 angelangt. Wir kommen zu den Abstimmungen.

Als Erstes steht der Antrag der Fraktionen von CDU, FDP und Bündnis 90/Die Grünen, Drucksache 5/8166, zur Abstimmung. Wer ihm folgen möchte, den bitte ich um ein Handzeichen.

Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Der Antrag ist bei einigen Enthaltungen mehrheitlich abgelehnt.

Wir kommen zum Entschließungsantrag in Drucksache 5/8217. Wer ihm folgen möchte, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Damit ist der Entschließungsantrag mehrheitlich beschlossen worden.

Ich schließe Tagesordnungspunkt 16 und rufe Tagesordnungspunkt 17 auf:

Versäumnisse im Fall der Haasenburg-Heime weiter aufklären - Heimaufsicht stärken

Antrag der Fraktion der CDU der Fraktion der FDP der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Zudem liegt Ihnen ein Entschließungsantrag der Koalitionsfraktionen in der Drucksache 5/8218 vor.

Wir beginnen die Aussprache mit dem Beitrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Frau von Halem spricht zu uns.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wie über viele Jahre in den Heimen der Haasenburg GmbH mit Kindern und Jugendlichen, also mit jungen Menschen umgegangen wurde, die schon vorher nicht von der Sonnenseite des Lebens kamen, ist beschämend für uns alle. Wahrscheinlich wissen wir auch noch nicht alles.

Was aber in diesem Zusammenhang immer wieder deutlich gesagt werden muss, ist, dass es nicht die Arbeit der Aufsichtsbehörden war, die diese Zustände bzw. die Missstände ans Tageslicht gebracht haben - nein, es waren zwei findige Journalisten der „taz“, denen wir es zu verdanken haben, dass wir jetzt von den Vorkommnissen wissen, die die Aufsichtsbehörden längst hätten beenden müssen; denn das meiste von dem, was die „taz“ seit Juni zusammengeschrieben hat, war längst bekannt. Es hat nur niemanden ausreichend interessiert. Niemand fühlte sich verantwortlich. Das kann man Bürokratenperspektive nennen. Jeder fragt lediglich nach der eigenen formalen Zuständigkeit, aber niemand fragt nach der Verantwortung. Hier haben Strukturen eklatant versagt. Natürlich fragt man sich, welche Rolle das Landesjugendamt und welche Rolle das Ministerium dabei gespielt haben.

Im Juni 2012 - vor knapp anderthalb Jahren - erhielt ich auf meine Kleine Anfrage zu diesem Thema die Antwort, alle Beanstandungen der letzten Jahre seien geklärt. Wörtlich steht bzw. stand dazu:

„Gegenwärtig sind dem Landesjugendamt keine Mängel in der Betreuung der Kinder und Jugendlichen in den Einrichtungen des Trägers bekannt, die ein Eingreifen zum Schutz der Minderjährigen erfordern würden.“

Zur Erläuterung muss man hier einräumen, dass drei Mitarbei

ter im Landesjugendamt wahrscheinlich sowieso kaum in der Lage sein können, solche Mängel zu erfassen. Nichtsdestotrotz sehen wir natürlich aus unserer heutigen Perspektive diese Antwort, die mir damals gegeben wurde, mit etwas anderen Augen.

In der aktuellen Debatte im Sommer wurden wir dann auch weiterhin beschwichtigt: Alle Missstände seien behoben. Dabei hätte doch klar sein müssen, dass die Abschaffung von Fixierliegen kein Beleg dafür ist, dass sich der Geist, der hinter einer solchen Pädagogik steckt, mit der Abschaffung der Instrumente verflüchtigt. Genau das hat sich auch bewahrheitet.

Schon im Juli haben wir erst die Schließung gefordert, im August dann zumindest die Aufrechterhaltung des Belegungsstopps. Den hat die Ministerin Ende August bekanntlich zumindest partiell aufgehoben. Warum - das habe ich nie verstanden.

Dass die Einrichtungen jetzt geschlossen werden, war überfällig. Trotzdem ist das natürlich nur ein Stück Symptombekämpfung. Die Debatte darüber, wie wir den betroffenen Kindern, die per richterlichem Beschluss weiterhin mit freiheitsentziehenden Maßnahmen untergebracht werden dürfen, wirklich besser helfen können, steht noch am Anfang. Prävention sollte dabei sicher eine sehr viel größere Rolle spielen.

Gleichermaßen am Anfang steht auch die Debatte über den gesetzlichen Rahmen. Wir brauchen dringend klare Vollzugsregeln für die Rechte der Kinder und die Pflichten der Einrichtungen.

(Beifall B90/GRÜNE, FDP sowie der Abgeordneten Frau Lehmann [SPD] und Frau Prof. Dr. Heppener [SPD])

Vormünder, Richterinnen und Richter und Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter müssen verpflichtet und in die Lage versetzt werden, die Kinder und Jugendlichen regelmäßig zu besuchen. Zudem müssen endlich bundesweite Qualitätsstandards eingeführt und verbindliche transparente Beschwerdesysteme aufgebaut werden. Das ist teilweise Bundesangelegenheit und liegt nicht alles in unserer Hand, aber es geht immerhin um Zustände, die dazu geführt haben, dass bei der Staatsanwaltschaft in Cottbus mittlerweile 70 Verfahren anhängig sind.

Nach der Vorlage des Berichtes der Untersuchungskommission Anfang November sind die Karten noch einmal neu gemischt. Fest steht allerdings Folgendes: Erstens ist nicht alles schwarz; denn es gibt auch ein gutes Bild der Haasenburg. Zweitens waren Kinder und Jugendliche offensichtlich über Jahre ziemlich willkürlicher physischer und psychischer Gewaltanwendung ausgesetzt. Die Strukturen der Heimaufsicht haben schwerwiegend versagt. Das Landesjugendamt und das Ministerium mit der Fachaufsicht tragen dafür die Verantwortung.

Das Landesjugendamt wusste von den Fixierliegen und war in die Konzeption eingebunden. Überhaupt wird deutlich, wie eng die Beratung zwischen Jugendamt und Haasenburg GmbH war - so eng, dass die Mitglieder der Kommission befürchteten, dieses Engagement habe möglicherweise den Blick für die erforderliche Beaufsichtigung im Sinne kritisch genauer Überwachung verstellt.

Ob die schwierige Trennung zwischen Beratungs- und Auf

sichtsfunktion vielleicht dadurch beeinflusst worden sein könnte, dass der Chef des Landesjugendamtes ein Sommerhäuschen in Jessern haben soll - einem der Haasenburg-Standorte -, vermag ich natürlich nicht abzuschätzen.

Die Kommission schreibt weiter:

„Anhörungen und Akteneinsicht legen den Schluss auf Mängel nicht unerheblicher Art in der Ausübung der Aufsicht über die Haasenburg GmbH nahe. Dies wird nach Ansicht der Kommission Grund sein müssen für nähere Untersuchungen, die im Rahmen des Auftrages der Kommission nicht angezeigt und nicht möglich waren.“

Dass diese konkrete Aufarbeitung jetzt intern und hinter den geschlossenen Türen des MBJS stattfinden soll, kann gar keinen anderen Effekt haben, als Misstrauen zu wecken. Das Landesjugendamt und das Ministerium mit der Fachaufsicht tragen die Verantwortung. All die Misshandlungsvorwürfe, das Geschwindel mit den Personalangaben, die Regelungslücken und die Versäumnisse vieler Jahre hätten dem Landesjugendamt und dem Ministerium nicht nur auffallen können, sie hätten ihnen auffallen müssen.

Schon bei der Berufung der ersten Untersuchungskommission im Sommer war es keine vertrauensbildende Maßnahme, das Parlament nicht an der Auswahl der Experten zu beteiligen. Deshalb fordern wir jetzt die Einrichtung einer neuen Expertenkommission, an deren Besetzung auch die Opposition teilhat und die dem Landtag verpflichtet ist. Das sind die beiden entscheidenden Punkte, die unseren Antrag von dem jetzt vorliegenden Antrag der Koalitionsfraktionen unterscheidet.

Wir wollen an der Besetzung der Expertenkommission teilhaben und eine Verpflichtung gegenüber dem Parlament. Zudem wollen wir wissen, wo das Versagen liegt und wo für die Zukunft die Regelungslücken sind; denn wenn alles richtig gemacht worden ist und Sie nichts zu verheimlichen haben, dann trauen Sie sich Transparenz zu und beteiligen Sie uns. Wenn Sie dazu nicht den Mut haben, dann brauchen Sie sich nicht zu wundern, wenn Misstrauen und Verdacht haften bleiben.

(Beifall B90/GRÜNE, FDP sowie der Abgeordneten Prof. Dr. Heppener [SPD])

Die Abgeordnete Muhß spricht für die SPD-Fraktion.

Sehr geehrter Herr Präsident! Werte Gäste! Liebe Kollegen Abgeordnete! Die letzte Rede am heutigen Tag ist die schwerste. Zu so später Stunde muss ich hier noch zu einem Thema sprechen, das mir sehr nahegeht. Wie Sie vielleicht wissen, ist mein Beruf Sozialpädagogin. Ich war viele Jahre in der Heimerziehung tätig - acht Jahre als innewohnende Erzieherin, bis Ende 2007, was noch nicht so lange her ist, und zwar in einer ganz „normalen“ Jugendhilfeeinrichtung.

Als die ersten Zeitungsberichte über die angeblich unhaltbaren Zustände in der Haasenburg erschienen, dachte ich noch: Die wissen doch nicht, wovon sie reden. Wer einmal ein Jahr jede Nacht auf seiner Handtasche geschlafen hat - aus Angst, sie

morgens leer vorzufinden -, wer wochenlang Besteckschubladen einschließt, weil ein Jugendlicher droht: „Ich steche dich ab!“, wer mehr als einmal von Nachbarn oder Lehrern hört: „Der gehört ja wohl in eine Spezialeinrichtung!“, dem ist klar, dass Außenstehende die Situation unserer Kinder in den Heimeinrichtungen nur schwer einschätzen können und dass Erfolg hier sehr unterschiedlich bewertet wird.

Darum bin ich der Ministerin auch dankbar, dass sie eine unabhängige Kommission mit außerordentlich honorigen Mitgliedern berufen hat.

(Vereinzelt Beifall SPD)

Obwohl der schriftliche Bericht dieser Kommission sich wohltuend sachlich liest, hat es mir bei seiner Vorstellung im Bildungsausschuss dennoch die Kehle zugeschnürt. Vielleicht merken Sie es auch, dass mir das wirklich sehr nahegeht.

Ich will auf diesen Bericht nicht mit Zitaten eingehen, aber zusammengefasst kann man wohl sagen: Viele Jugendliche haben dort nicht das bekommen, was sie benötigt haben. Dafür haben sie in zu vielen Fällen etwas bekommen, was sie gar nicht gebrauchen konnten; und das, meine Damen und Herren, ist nun wirklich nicht der Effekt, den wir als Gesellschaft mit der Unterbringung von Jugendlichen in einer Einrichtung wie der Haasenburg erreichen wollten.

(Beifall SPD und DIE LINKE)

Natürlich sehe ich diese Einrichtung heute mit ganz anderen Augen. Nun müssen wir uns ehrlicherweise zweierlei fragen: Erstens. Wie konnte es so weit kommen? Zweitens. Wie soll es weitergehen? Welche Alternativen haben wir?

Bei der Frage, wie es so weit kommen konnte, gehört natürlich auch die Heimaufsicht auf den Prüfstand. Genau das fordert der vorliegende Antrag. Hier ist Ehrlichkeit gefragt, aber auch Sachlichkeit, und zwar von allen Beteiligten. Erste sachliche Vorschläge enthält der Bericht, und ich finde, im Sinne einer zielführenden Debatte sollte das der Maßstab für alle weiteren Diskussionsbeiträge sein. Wenn es in dem Bericht heißt: „Die Wirkungen gesetzlicher Kontroll-, Aufsichts- und Qualitätsentwicklungsmechanismen sind nur so gut, wie die organisatorischen und personellen Bedingungen diese stützen und ermöglichen“, dann ist das natürlich eine Hausaufgabe.

Nicht nur deswegen finden wir es gut, wenn der Sachverstand der Kommission in die Zukunft der Heimaufsicht einfließt. Damit ist zumindest teilweise schon eine Antwort auf die Frage gegeben, wie es weitergehen soll. Ich sage bewusst: teilweise. Es reicht ja nicht, nur über die Haasenburg zu reden. Wir müssen vor allem über die Jugendlichen sprechen und wie wir mit ihnen umgehen, wie wir ihnen das an Hilfe geben können, was sie benötigen.

Ich zitiere nochmals aus dem Untersuchungsbericht. Darin heißt es: