Protokoll der Sitzung vom 21.11.2013

Es geht um die Frage, ob unser Land bereit ist, Menschen aufzunehmen, die zweifelsohne zu dessen kultureller Bereicherung beitragen, wenngleich - auch wenn das immer wieder angeführt wird - nicht sofort zu dessen wirtschaftlicher. Vor diesem Hintergrund geht es natürlich um die Frage, ob es uns gelingt, bestehende Vorurteile und Ressentiments gegen Asylbewerber abzubauen und deren Übertreten auf weitere Bürger zu verhindern. Jede und jeder von uns ist angehalten, den stetigen Dialog mit der Zivilgesellschaft zu führen, die Notwendigkeit unserer Hilfe zu erläutern und an das gesellschaftliche Miteinander zu appellieren. Verhindern wir, dass diese hilfsbedürftigen Menschen in eine Parallelgesellschaft abdriften, weil sie in Unterkünften, weitgehend von uns abgeschottet, einquartiert werden!

(Beifall FDP, SPD und DIE LINKE)

Meine Damen und Herren, haken wir sie unter, wie es sich in einer freiheitlichen und solidarischen Gesellschaft gehört und leben wir den Grundsatz Integration statt Isolation.

(Beifall der Abgeordneten Frau Große [DIE LINKE])

Die Tragödie vor wenigen Wochen vor Lampedusa war eine Schande für Europa und für unsere europäischen Werte.

(Beifall FDP, SPD, DIE LINKE und B90/GRÜNE)

Ja, wir wissen, dass Menschen auch aus anderen als aus Schutzgründen nach Deutschland kommen. Aber diejenigen, die Schutz und Hilfe benötigen, müssen diese Hilfe auch bekommen. Und es gilt das alte Sprichwort: Wenn du einen Menschen rettest, dann rettest du die ganze Welt.

In diesem Sinne stimmen wir dem Antrag zu. - Vielen Dank.

(Beifall FDP, SPD, DIE LINKE und B90/GRÜNE)

Vielen Dank. - Es folgt jetzt der erste Beitrag der Landesregierung. Innenminister Holzschuher hat das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Unser Land Brandenburg ist wie Deutschland insgesamt im Weltvergleich ein sehr reiches Land, ein starkes Land. Wir sind gerade deshalb ein so reiches und starkes Land, weil wir auch ein weltoffenes Land sind. Nicht jeder, der hierher kommt, hat unbedingt ein Recht, dauerhaft hierzubleiben. Aber jeder Mensch, der kommt, hat Anspruch darauf, mit Respekt empfangen zu werden, und er hat den unbedingten Anspruch auf Achtung seiner Würde.

Meine Damen und Herren, es ist richtig, die Asylbewerberzahlen sind in diesem Jahr deutlich gestiegen. Das stellt unser Land und die Kommunen vor Herausforderungen. Aber weil wir ein so starkes und reiches Land sind, sind das allemal Herausforderungen, die wir bewältigen können und ohne große Probleme auch bewältigen werden, davon bin ich überzeugt.

(Beifall B90/GRÜNE)

Natürlich gibt es in einer Situation, in der die Zahlen von Asylbewerbern unerwartet deutlich steigen, zunächst einmal - in einer Übergangsphase - die Schwierigkeit, darauf zu reagieren. Das hat sich in Eisenhüttenstadt bemerkbar gemacht, aber natürlich auch in den Landkreisen und kreisfreien Städten, die vor der Situation standen, schnell ausreichende und auch menschenwürdige Unterkünfte zur Verfügung zu stellen.

Aber weil wir ein so reiches, starkes und kooperativ handelndes Land sind, wird uns das sehr schnell gelingen, und wir werden das überzeugend in den Griff bekommen. Das heißt natürlich nicht, dass die Probleme insgesamt schon erledigt wären, aber ich will deutlich machen, dass das schnelle und klare Handeln auf Landes- und auf kommunaler Ebene dazu geführt hat, dass wir den Anspruch, den ich eingangs geschildert habe jeder hat das Recht, mit Würde und Respekt empfangen zu werden -, hier im Land Brandenburg derzeit uneingeschränkt erfüllen können. Das ist eine gute Sache, die dafür spricht, dass dieses Land auch weiterhin ein weltoffenes Land bleiben wird.

Natürlich gibt es immer mal Schwierigkeiten. Eine möchte ich an dieser Stelle kurz ansprechen. Es gibt heute Berichte über TBC-Erkrankungen bei Asylbewerbern. Das ist so, und auch darauf ist vor Ort in Eisenhüttenstadt durch das Gesundheitsamt und durch die Einrichtung reagiert worden. Wir haben dafür gesorgt, dass es intensive Gesundheitsuntersuchungen gibt

- die gibt es ohnehin - und dass derzeit die möglichen Kontaktpersonen nicht weiter verteilt werden. Das ist keine Quarantäne im eigentlichen Sinne, sondern eine Maßnahme, die dazu dient, falls Erkrankungen festgestellt würden, schneller reagieren zu können, als wenn Menschen über das ganze Land verteilt wären. Es gibt aber keinerlei Informationen darüber, dass weitere Personen in der Einrichtung in Eisenhüttenstadt erkrankt wären.

TBC ist eine schwere Erkrankung - eine, die in Deutschland vorkommt. Der Fall einer Lehrerin, der gestern in Frankfurt (Oder) geschildert wurde, hat nach derzeitigem Erkenntnisstand nicht den geringsten Zusammenhang mit den Erkrankungen von acht Asylbewerbern. Das ist so. Es gibt aktuell über 60 Erkrankungen im Land. In der Regel sind es Urlauber, die sich mit TBC angesteckt haben und zurückkommen. So ist das in Deutschland routinemäßig immer. Wir haben alle erforderlichen Maßnahmen ergriffen, damit es nicht zu weiteren Ansteckungen kommt. Es gibt aktuell keine Anhaltspunkte dafür, dass das der Fall sein könnte.

Lassen Sie mich jetzt wieder auf die Situation insgesamt in Eisenhüttenstadt zu sprechen kommen. Wir gehen davon aus, so sagt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, dass es im nächsten Jahr einen weiteren Anstieg der Zahlen geben wird. Darauf muss reagiert werden. Wir haben bereits einige Maßnahmen ergriffen, und ich hoffe sehr - und bitte Sie dringend darum -, dass dieser Nachtragshaushalt beschlossen wird, denn er hilft uns ganz entscheidend weiter, wenn es darum geht, in Eisenhüttenstadt weitere bauliche Maßnahmen zu ermöglichen, mehr Betreuung bereitzustellen und auch den Kommunen im Land weiterzuhelfen; diesen können 5 Millionen Euro zur Verfügung gestellt werden.

(Beifall SPD und DIE LINKE)

Bitte lassen Sie sich nicht immer nur von einem Thema treiben. Denken Sie daran: Dieses Land ist vielfältig und bunt und hat noch andere Aufgaben zu lösen, als nur ein Bauprojekt zu Ende zu führen, das mit diesem Haushalt nichts zu tun hat. Wir müssen bauen in Eisenhüttenstadt, und dafür brauchen wir diesen Haushalt.

(Beifall SPD und DIE LINKE)

Wir haben aber bereits jetzt eine Reihe von Maßnahmen umgesetzt. Es sind weitere Unterbringungsmöglichkeiten in Eisenhüttenstadt geschaffen worden. Es ist zusätzliches Personal eingestellt worden, Sozialbetreuer sowie eine weitere Krankenschwester genauso wie Verwaltungspersonal für die Erstaufnahme. Das war und ist erforderlich.

Es ist etwas Besonderes, dass wir seit August in Eisenhüttenstadt Schulunterricht für die schulpflichtigen Kinder in fünf Klassenverbänden anbieten. Bei diesem Angebot, das in dieser Form bundesweit einmalig ist, wird in einer Erstaufnahmeeinrichtung Schulunterricht angeboten. Das ist doch eine Selbstverständlichkeit in einem zivilisierten, reichen und starken Land wie Deutschland.

(Beifall SPD, DIE LINKE und B90/GRÜNE)

Wir brauchen Unterstützung dafür, dass solche Projekte weitergeführt werden. Natürlich kosten sie Geld, aber bitte, wir sind

ein reiches Land. Wir müssen, können und werden es uns leisten, dass Kinder, die hierherkommen, auch Schulunterricht erhalten. Das ist eine unverzichtbare Selbstverständlichkeit.

Ich danke in diesem Zusammenhang auch dem Leiter der Aufnahmeeinrichtung, Herrn Nürnberger. Ihn möchte ich hier ausdrücklich erwähnen, er hat in den letzten Monaten eine außerordentlich schwierige, aber sehr, sehr gute Arbeit vollbracht. Ich danke auch allen Ehrenamtlichen, die in Eisenhüttenstadt und in der Region dafür sorgen, dass Flüchtlingen geholfen werden kann. Ohne sie würde es auch nicht so gut funktionieren. Und auch diese Ehrenamtler kommen, um zu unterrichten, zu betreuen und zu helfen. Das ist ganz, ganz unverzichtbar.

(Beifall SPD und DIE LINKE)

Die Einrichtung neuer Unterkünfte im Land schafft leider in meinem Zuständigkeitsbereich noch ein anderes Problem, und das sollte man an dieser Stelle auch ansprechen; es fordert nicht nur die Kommunen, sondern leider auch Polizei und Verfassungsschutz. Es sind aktuell verstärkte Anstrengungen der rechtsextremistischen Szene zu beobachten, dieses Thema zu instrumentalisieren. Unser Verfassungsschutz warnt seit längerem davor, dass insbesondere die NPD genau das versuchen wird - das Thema Asyl in den Mittelpunkt ihrer Propaganda zu stellen. Wo immer Flüchtlinge untergebracht werden sollen, ist die NPD bemüht, vor Ort mit Parolen und Aktionen Ängste zu schüren. Es ist leider damit zu rechnen, dass die rechtsgerichteten Parteien dieses Thema auch in den kommenden Wahlkämpfen des nächsten Jahres für sich besetzen wollen. Sie bringen sich bereits heute in Stellung. Wir sind aber nicht nur ein starkes Land, sondern wir haben auch eine starke Zivilgesellschaft in unserem Land. Wir werden diesen rechten Umtrieben ein klares Signal entgegensetzen.

(Beifall SPD, DIE LINKE und des Ministerpräsidenten Dr. Woidke)

Das, was Polizei und Verfassungsschutz tun können - Beratung der Kommunen und Vereine vor Ort, die sich darum kümmern; Betreuung und Überwachung der Einrichtungen -, das tun sie. Wir brauchen aber auch die starke Zivilgesellschaft. Ich bin mir sicher, dass es mithilfe dieser starken Zivilgesellschaft in unserem Land gelingen wird, diese Einrichtungen als das zu führen, was sie sind: Es sind Aufnahmeeinrichtungen für Menschen, die zu uns kommen, weil sie Hilfe und Schutz suchen, weil sie uns brauchen. Sie haben Anspruch darauf, dass wir ihre Würde respektieren, sie schützen, sie achten und ihnen helfen. Dafür stehen wir alle. Dafür steht dieses Land Brandenburg. Ich bin mir ganz sicher, dass wir noch in vielen Jahren mit Stolz werden sagen können: Wir sind ein starkes, reiches, weltoffenes Land, in dem Menschen, die unsere Hilfe brauchen und Schutz suchen, mit offenen Armen empfangen werden. Vielen Dank.

(Beifall SPD, DIE LINKE und des Ministerpräsidenten Dr. Woidke)

Meine Damen und Herren, ich begrüße unsere nächste Gästegruppe: Schülerinnen und Schüler des Einstein-Gymnasiums Angermünde. Herzlich willkommen bei uns im Landtag.

(Allgemeiner Beifall)

Jetzt geht das Wort noch einmal an die SPD-Fraktion. Der Abgeordnete Ness spricht.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte mich ausdrücklich bei den Grünen bedanken, dass sie eine Aktuelle Stunde zu diesem Thema beantragt haben. Ich möchte mich bei allen Fraktionen bedanken, dass es gelungen ist, einen gemeinsamen Entschließungsantrag zu erarbeiten, der ein klares Signal nach außen setzt, dass Brandenburg ein weltoffenes Land ist und wir nicht willens sind, rechtsextremer Propaganda aufzusitzen und hinterherzulaufen, sondern ihr entgegentreten werden. Das ist auch dringend notwendig.

Ich weiß nicht, wie es Ihnen ging, als Sie in den letzten Wochen die Bilder aus Schneeberg gesehen haben. Ich habe mich an die Situation erinnert gefühlt, die wir Anfang der 90er-Jahre hatten, als wir Bilder aus Hoyerswerda und Rostock sehen mussten. Auch damals in Rostock und Hoyerswerda waren es Nazis - ob organisierte oder unorganisierte -, die an der Spitze dieses Protestes standen und denen es gelungen war, Bürgerinnen und Bürger aus der Mitte der Gesellschaft zu mobilisieren und sich an diesen Aggressionen zu beteiligen.

Schneeberg hat nicht diesen Grad an Aggression erreicht. Dort fliegen noch keine Molotow-Cocktails, obwohl es hier in Brandenburg offensichtlich schon erste Brandanschläge gegeben hat. Es ist eine absolut bedrohliche Situation, in der wir sind. Wir nehmen sie ernst und müssen eindeutig Widerstand leisten. Die Situation, die in den 90er-Jahren eingetreten war, trug Unfrieden in die Gesellschaft hinein und schadete dem Image Ostdeutschlands nachhaltig. Eine solche Situation darf niemals wieder eintreten.

(Beifall SPD, DIE LINKE und von der Regierungsbank)

Frau Nonnemacher, Sie haben vorhin von der darniederliegenden NPD gesprochen. Ich bin mir im Augenblick nicht so sicher, ob es wirklich eine darniederliegende NPD ist. Wir sehen leider auch im Land Brandenburg, dass es Versuche insbesondere von der NPD gibt, lokale Proteste in Pätz, Gransee, Rathenow und anderen Orten zu organisieren. Das hat in diesen Regionen Gott sei Dank noch nicht die Ausmaße der Proteste und des Erreichens der Mitte der brandenburgischen Gesellschaft angenommen wie in Schneeberg. Das liegt auch daran, dass es sofort, von Beginn an, zivilgesellschaftlichen Widerstand gegeben hat, der insbesondere auch von Kommunalpolitikern getragen worden ist.

Was die Auseinandersetzung in Pätz angeht, möchte ich ausdrücklich Stephan Loge, den dortigen Landrat, aber auch den CDU-Beigeordneten Carsten Saß erwähnen, die ein hohes Engagement an den Tag legen, um Aufklärung unter der Bevölkerung zu betreiben und zu verhindern, dass Anhänger der NPD die Hoheit über die Stammtische gewinnen, was in Schneeberg jedenfalls zeitweise gelungen ist. Jetzt zeigt sich auch dort Widerstand.

Ein wichtiges Signal von hier aus muss sein, dass alle brandenburgischen Parteien eine klare Aufforderung an die Bevölkerung richten: Auch wenn ihr Bedenken und Sorgen habt, sucht euch als Ansprechpartner eure Kommunalpolitiker und Land

tagesabgeordneten. Führt die Diskussion mit ihnen, aber rennt nicht den Nazis hinterher.

(Beifall SPD und DIE LINKE)

Lassen Sie mich zum Schluss nur noch zwei, drei grundsätzliche Sätze zum Thema Asyl sagen. Wir müssen in der Debatte auch in Erinnerung rufen, dass das Asylrecht in der Tat ein hohes Gut ist. Es resultiert aus unserer Geschichte. Wir haben am Anfang dieses Jahres an den 80. Jahrestag der Machtergreifung durch die Nazis erinnert, an den Beginn der Herrschaft des Faschismus in Deutschland, der zur Konsequenz hatte, dass Zehntausende, ja Hunderttausende Deutschland verlassen mussten. Sie haben diese Zeit der Diktatur in Deutschland nur überlebt, weil sie Aufnahme in anderen Ländern fanden.

Ich möchte nur drei Namen nennen: Zwei große Literaten, Thomas Mann und Bertolt Brecht, die heute zum Kanon eines jeden guten Deutschunterrichts gehören, haben die Zeit des Faschismus nur überlebt, weil sie Aufnahme in den USA gefunden haben. Die Sozialdemokraten - und nicht nur wir Sozialdemokraten, sondern viele in Deutschland - gedenken dieser Tage eines Mannes, der seinen 100. Geburtstag feiern würde, würde er noch leben, nämlich Willy Brandt. Willy Brandt hat zunächst, nachdem die Nazis die Macht ergriffen hatten, Aufnahme in Norwegen gefunden, nachdem Norwegen von den Deutschen besetzt worden war, in Schweden. Auch er hätte mit großer Wahrscheinlichkeit die Zeit des Faschismus, wie viele andere Sozialdemokraten, Kommunisten, Sozialisten, nicht überlebt, wenn er diese Aufnahme nicht gefunden hätte. Er wäre nicht deutscher Außenminister geworden. Er wäre auch nicht Bundeskanzler geworden. Und er wäre auch nicht der erste Deutsche geworden, der den Friedensnobelpreis erhalten hat.

Wir alle müssen uns selbst daran erinnern, warum es dieses Asylrecht gibt. Wir müssen die Brandenburger und die deutsche Öffentlichkeit daran erinnern, dass es eine Konsequenz aus unserer Geschichte und deshalb ein hoch zu verteidigendes Gut ist. - Besten Dank.

(Beifall SPD, DIE LINKE und des Ministerpräsidenten Dr. Woidke)

Das Wort geht noch einmal an die CDU-Fraktion, an die Abgeordnete Schier.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte zunächst den Blick auf die Gesundheitsversorgung der Flüchtlinge werfen: Die Gesundheitsämter mühen sich redlich, alle Flüchtlinge und vor allen Dingen die Kinder zu screenen. Dabei kommen gravierende Impflücken, vor allem im Bereich TBC und Polio - also Kinderlähmung - zum Vorschein. Ich weiß nicht, wie man da den richtigen Weg gehen kann. Die Impfung allein macht es nicht, sondern man muss erst Antikörper aufbauen, um immunisiert zu sein. Man müsste es in irgendeiner Form schaffen, die Menschen zwei oder drei Wochen, so lange wie die Immunisierung dauert, in einer Gemeinschaftsunterkunft zu belassen, um die Voraussetzungen zu schaffen, damit gerade Tuberkulose sich nicht ausbreitet.